L 14 R 521/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 702/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 521/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 143/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 8. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. sowie hilfsweise auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 43 Abs.1 und 2 SGB VI n.F. erweiterte Klage wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1943 in Kroatien geborene, seit 1971 in Deutschland lebende Kläger hat keine abgeschlossene Berufsausbildung durchlaufen. Er war zuletzt bis August 1997 als Schlosserhelfer bzw. angelernter Schlosser versicherungspflichtig beschäftigt und ist seitdem arbeitslos bzw. arbeitsunfähig.

Der Kläger stellte am 12.11.2001 bei der Beklagten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung. Vorausgegangen waren medizinische Maßnahmen zur Rehabilitation in der Medizinischen Klinik P. der Beklagten im Zeitraum vom 22.03. bis 19.04.2000 (Alkoholentwöhnungstherapie; Entlassung als arbeitsunfähig im Hinblick auf empfohlene weitere Entwöhnungsbehandlung bei Annahme einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit für körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnden Körperpositionen unter Vermeidung von Nachtarbeit) sowie anschließende ambulante Rehabilitationsmaßnahmen in der Fachambulanz zur Behandlung von Suchterkrankungen, D. , im Zeitraum vom 04.09.2000 bis 27.03.2001 (Entlassungsdiagnose: Alkoholabhängigkeit, chronische Phase, derzeit abstinent; Beendigung der Therapie in deutlich stabilisiertem und verbessertem psychophysischem Zustand).

Die Beklagte ließ den Kläger auf nervenärztlichem, chirurgischem und internistischem Fachgebiet untersuchen und begutachten. Der Nervenarzt Dr.S. diagnostizierte in seinem neuro-psychiatrischem Gutachten vom 18.01.2002 neben einer langjährigen Alkoholabhängigkeit, glaubhaft trocken seit Ende März 2000, eine beginnende, toxisch bedingte Polyneuropathie bei Alkoholabhängigkeit und bekanntem Diabetes mellitus, ein zervikales und lumbo-sakrales Wurzelreizsyndrom ohne neurologische Defizite, ein beginnendes Karpaltunnelsyndrom sowie eine gering bis mäßig stark ausgeprägte neurotische Depression. Als Nebendiagnosen vermerkte Dr.S.: "Verdacht auf paroxysmalen Lagerungsschwindel, vasomotorische Kopfschmerzen, angegebener Tinitus ohne Hinweis auf einen zerebralen Krankheitsprozess, Dupuytrensche Kontraktur rechts noch ohne Beeinträchtigung der Handfunktion, erhebliche Adipositas, Nikotin-Abusus, Ulcera cruris, linksbetont". Der Gutachter hielt den Kläger in der letzten Tätigkeit als Schlosserhelfer nur für drei bis unter sechs Stunden täglich einsatzfähig, sonstige leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Stresssituationen, ständiges Gehen und Stehen, schweres Heben und Tragen, häufiges Bücken sowie ohne Zeitdruck und Schichtdienst hielt er für vollschichtig möglich.

Die Chirurgin Dr.L. erhob bei der Untersuchung vom 19.02.2002 eine Fehlhaltung und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, eine beginnende Gonarthrose links sowie eine beginnende Coxarthrose rechts und degenerative Veränderungen des linken Hüftgelenkes, ferner eine AC-Gelenkarthrose und ein Impingement links. Sie sah alle leichten körperlichen Arbeiten ohne ständiges Bücken und ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 Kilogramm als vollschichtig möglich an.

Die Internistin Dr.T. kam auf Grund ihrer Untersuchung vom 31.01.2002 im Wesentlichen zu dem gleichen Ergebnis (Diagnosen: degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, medikamentös eingestellter Diabetes mellitus, bekannte Retinopathia diabetica, Zustand nach Laser-Behandlung beider Augen 2000, Zustand nach früherem Alkoholmissbrauch, chronische Gastritis, arterielle Hypertonie, medikamentös eingestellt, ohne Rückwirkung auf das Herz).

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit streitgegenständlichem Bescheid vom 01.03. 2000 ab. Der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben.

Mit seinem Widerspruch begehrte der Kläger die Umdeutung des früheren Antrags auf Reha-Leistungen in einen Rentenantrag gemäß § 116 Abs.3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und gab zur Begründung an, die Reha-Leistungen seien gescheitert. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2002 zurück. Der Kläger, der keinen Berufsschutz genieße, könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mehr als sechs Stunden täglich mit gewissen qualitativen Einschränkungen (ohne häufiges Bücken, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 Kilogramm) tätig sein. Die Reha-Anträge vom 17.12.1999 und 28.07. 2000 seien nicht in Rentenanträge umzudeuten, da der Kläger - wie auch aus der Abschlussbeurteilung der Medizinischen Klinik P. vom 08.05.2000 zu entnehmen - auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig tätig sein könne.

Mit Bescheid vom 15.05.2002 lehnte auch die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Landesstelle Wien, den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Invaliditätspension ab mit der Begründung, der Kläger sei nicht invalid.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) verfolgte der Kläger sein Begehren weiter.

Das SG zog die Akten des parallel laufenden Klageverfahrens S 16 SB 525/02 mit den darin enthaltenen zahlreichen ärztlichen Unterlagen und Befundberichten der behandelnden Ärzte auf nervenärztlichem, allgemeinärztlichem, augenärztlichem und internistischem Fachgebiet bei. Es holte zusätzlich einen Befundbericht des Orthopäden Dr.S. vom 10.09.2002 sowie eine Arbeitgeberauskunft über die letzte Tätigkeit des Klägers bei der Firma M. G. Stahlbau KG vom 02.09.2002 ("angelernte Tätigkeit als Metallhandwerker (Helfer) verbunden mit überwiegendem Gehen und Stehen, beendet durch Betriebsaufgabe") ein.

Das SG erhob Beweis über den Gesundheitszustand und die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch Einholung eines Gutachtens des Internisten Dr.M. vom 13.02.2003. Dieser stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest:

1. chronische Antrumgastritis mit Erosionen, Refluxösophagitis Grad I bei Zustand nach rezidiverenden Ulcera duodeni

2. Diabetes mellitus

3. arterielle Hypertonie

4. chronische Raucherbronchitis

5. Zustand nach Alkoholerkrankung

6. Hyperopie, Astigmatismus und Cataracta beidseits

7. Verdacht auf Polyneuropathie

8. diabetische Retinopathie

9. Hyperlipoproteinämie

10.atrophische Störung beider Unterschenkel bei geringer Varikosis

11.chronisch degeneratives Wirbelsäulensyndrom

12.Impingement-Syndrom der linken Schulter

13.Zustand nach Innenmeniskus-Teilresektion links

14.initiale Gonarthrose beidseits.

Nach den zusammenfassenden Ausführungen des Gutachters dazu ist der Kläger durch die aus der Alkoholkrankheit resultierenden Schäden an den Organen nach wie vor in seiner Erwerbsfähigkeit deutlich reduziert, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Metallhandwerker kann er ohne Gefahr für die Restgesundheit nicht mehr verrichten. Dennoch besteht weiterhin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein ausreichendes Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten, wobei als qualitative Leistungseinschränkungen das Vermeiden von Heben und Tragen von Lasten über 10 Kilogramm, Arbeiten mit häufigem Bücken und Überkopfarbeiten sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und der Exposition inhalativer Noxen (Gas, Staub, Rauch, Dampf) zu nennen sind. Einschränkungen hinsichtlich des Anmarschweges zur Arbeitsstätte bestehen dagegen nicht. Der Gutachter mahnte im Hinblick auf erhebliches Übergewicht, Hypertriglyzeridämie und schlechte Blutzuckereinstellung eine disziplinierte Lebensführung insbesondere hinsichtlich diätetischer Maßnahmen an, die eine Verbesserung des Gesamtzustandes herbeiführen könnten; auch solle durch eine gezielte Krankengymnastik die muskuläre Dysbalance im Bereich der Wirbelsäule verbessert werden mit dem Ziel einer Gesamtverbesserung des körperlichen Zustandes. Die Einholung weiterer Gutachten hielt der Sachverständige bei ausreichender Vorbegutachtung nicht für erforderlich.

In der mündlichen Verhandlung beschränkte der Kläger sein Begehren auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit nach altem Recht, deutete aber bereits an, dass er eventuell in der Berufungsinstanz die Klage hinsichtlich der Erwerbsunfähigkeit erweitern und einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) stellen wolle. Er wurde vom Erstgericht darauf hingewiesen, dass es sich bei der Beschränkung des Klageantrags um eine Klageänderung handle. Der Vertreter der Beklagten benannte die Tätigkeit eines einfachen Pförtners als für den Kläger in Betracht kommende Verweisungstätigkeit.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 08.07.2003 ab. Es legte im wesentlichen dar, dass der Kläger nicht berufsunfähig sei und eine Umdeutung des ursprünglichen Antrages auf Durchführung von Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation vom 17.12.1999 in einen Rentenantrag nicht in Betracht komme, da der Kläger im Zeitpunkt der Entlassung aus der medizinischen Reha-Maßnahme im April 2000 nicht vermindert erwerbsfähig gewesen und auch die gewährte Leistung zur medizinischen Rehabilitation nicht erfolglos gewesen sei. Das berufliche Leistungsvermögen des Klägers sei zwar eingeschränkt, da er die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Schlosserhelfer nur noch unter zwei Stunden täglich verrichten könne; dennoch sei der Kläger in der Lage, leichtere körperliche Arbeiten ohne Nachtarbeit vollschichtig zu verrichten, wie sich schon aus dem Entlassungsbericht der Medizinischen Klinik P. ergebe. Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reiche es nicht aus, wenn ein Versicherter seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben könne. Es müsse ihm auch eine Verweisung auf andere Tätigkeiten nicht mehr zumutbar sein (so BSG u.a. in SozR 2200 § 1246 RVO Nr.138). Die soziale Wertigkeit des bisherigen Berufes des Klägers, nach der sich die soziale Zumutbarkeit von Verweisungstätigkeiten richte, entspreche bei Zugrundelegung des vom Bundessozialgericht entwickelten Berufsgruppenschemas der Gruppe der angelernten Tätigkeiten. Das Gericht sei zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen, dass er dem oberen Bereich dieser Gruppe (mit Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 Monaten bis zu 24 Monaten) zuzuordnen sei. Er könne daher nicht auf alle ungelernten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden; zumutbare Verweisungstätigkeiten müssten sich durch Qualitätsmerkmale, wie etwa das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnen. Als solche Tätigkeit komme die von der Beklagten benannte Tätigkeit eines einfachen Pförtners in Betracht. Es handle sich in der Regel um eine körperlich leichte Tätigkeit, die vornehmlich im Sitzen mit der Möglichkeit zu gelegentlichem Gehen und Stehen ausgeübt werde. Sie sei dem Kläger mit dem verbliebenen körperlichen Leistungsvermögen zumutbar. Unerheblich sei, ob ihm ein entsprechender Arbeitsplatz auch tatsächlich vermittelt werden könne, da bei einem vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der Rentenversicherung zu tragen sei.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil und begehrt nunmehr wieder die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, "hilfsweise Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung; ferner hilfsweise eine Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Grund des Antrages auf Rehabilitationsleistungen vom November 2000". Er trägt vor, er sei gesundheitlich so massiv eingeschränkt, dass für ihn allenfalls Schonarbeitsplätze in Frage kämen, da mit vielen Ausfallzeiten zu rechnen sei, werde ihn kein wirtschaftlich denkender Arbeitgeber einstellen. Die von der Beklagten benannte Tätigkeit des Pförtners sei als Nischenberuf anzusehen, der in der Regel nur betriebsintern vergeben werde. Das SG habe die ihm obliegende Amtsermittlung insofern nicht vollständig ausgeschöpft. Es hätte eine berufskundliche Stellungnahme zu weiteren Verweisungstätigkeiten einholen müssen. Im Übrigen beharrt der Kläger weiter auf der Auffassung, die Reha-Anträge von Juli 1999 und vom 28.07.2000 seien in einen Rentenantrag umzudeuten.

Hinsichtlich des Berufungsbegehrens vertritt der Klägerbevollmächtigte die Auffassung, trotz der Beschränkung des Klageantrags im erstinstanzlichen Verfahren auf Rente wegen Berufsunfähigkeit könne "in jeder Lage des Verfahrens in der Tatsacheninstanz auf einen anderen oder erweiterten Antrag übergegangen werden", nachdem die angefochtenen, streitbefangenen Bescheide eine Rentenleistung abgelehnt hätten. Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich inzwischen verschlechtert, er habe sich diverser orthopädischer und internistischer Eingriffe unterziehen müssen, eine volle Erwerbsminderungsrente sei nunmehr gerechtfertigt.

Der zunächst zuständige 5. Senat zog die Unfallakten der Süddeutschen Metallberufsgenossenschaft bei (Arbeitsunfall mit Knieverletzung im Jahre 1984, anerkannte MdE 20 %, Abfindungszahlung von ca. 33.000 EUR im Jahre 2004; zuvor zuletzt chirurgisches Gutachten vom 26.03.2004), ferner die ärztlichen Unterlagen des zuständigen Arbeitsamts (amtsärztliche Untersuchung durch Dr.R. am 22.01.2001, Annahme einer unter vollschichtigen Leistungsfähigkeit mit verminderter Belastbarkeit: leichte, zwischenzeitlich auch mittelschwere Tätigkeiten mit Möglichkeit zum Haltungswechsel und weiteren Einschränkungen drei bis unter sechs Stunden täglich). Nach Wechsel der Zuständigkeit des Senats wurden ferner die Akte S 16 SB 525/02 des parallel laufenden Schwerbehindertenverfahrens des SG München mit den darin befindlichen Facharztgutachten auf nervenärztlichem und internistischen Gebiet des Dr.M. vom 16.10.2003 und des Dr.L. vom 10.04.2004 beigezogen.

Der Kläger, der zunächst die Neurologin und Psychiaterin Dr.G. A. und den Chirurgen Dr.L. als Gutachter nach § 109 SGG benannt hatte, beantragte nach Ablehnung eines solchen Gutachtens durch Dr. A. die Anhörung des Orthopäden und Sozialmediziners Dr.L ... In seinem Gutachten nach § 109 SGG vom 19.11.2004 beantwortet dieser die Frage nach den die Erwerbsfähigkeit des Klägers beeinträchtigenden Gesundheitsstörungen fachübergreifend wegen der sich gegenseitig beeinflussenden Störungen wie folgt: "Arthrose des linken Schultergelenks mit degenerativen Veränderungen der Rotatorenmanschette, links deutlicher als rechts; Arthrose des linken Kniegelenks; degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit Blockierungsneigung im Bereich der mittleren Brustwirbelsäule und Ausbildung einer Pseudostenokardie, ferner als übernommene Diagnosen: Diabetes mellitus, chronische Ösophagogastritis, arterielle Hypertonie, chronische Raucherbronchitis, chronische Polyneuropathie, Folgen des Diabetes mit Retinopathie, chronische Alkoholerkrankung - vermutlich Rückfall".

Der Gutachter, bei dessen Untersuchung der Kläger erstmals wieder angegeben hatte, derzeit nicht trocken zu sein, vertrat die Auffassung, der Kläger könne aus der Sicht seines Fachgebietes nur noch leichte Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen mit der Möglichkeit zum Wechsel, jedoch ohne Überkopfarbeiten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, an gefährdenden Maschinen und ohne Akkord- und Schichtarbeiten, acht Stunden täglich verrichten. Er sei nicht mehr in der Lage, seiner letzten Erwerbstätigkeit als Schlosser nachzugehen und könne sich auf andere Erwerbstätigkeiten "sicherlich nur schwer umstellen, da die wieder ausgebrochene Alkoholsucht vermutlich eine Einschränkung der Motivationsbereitschaft hierzu" zeigen werde. Einschränkungen bei der Zurücklegung von Wegen sah Dr.L. nicht. Die Frage nach einer verminderten Erwerbsfähigkeit bei Abschluss der Reha-Maßnahmen im März 2001 beantwortete der Gutachter dahin, dass eine verminderte Erwerbsfähigkeit bestanden habe, wie aus dem Abschlussbericht zur ambulanten Rehabilitation des leitenden Arztes der Fachambulanz zur Behandlung von Suchterkrankungen in D. , Dr.D. , vom 11.04.2001 (Bl.62 Gutachtensheft der Beklagten) hervorgehe; der aus neurologischer Sicht beschriebene orthopädische Funktionsbericht sei etwas dürftig, spiegele aber die heutige Situation wider, wobei anzunehmen sei, dass sich die orthopädischen Befunde zwischenzeitlich vermutlich etwas verstärkt hätten.

Die Beklagte nahm durch ihren Ärztlichen Dienst (Dr.K., 22.12.2004) dahingehend Stellung, dass dem Kläger in Übereinstimmung mit der früheren Beurteilung im Verwaltungsverfahren auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten sechs Stunden und mehr mit qualitativen Einschränkungen möglich seien. Der Kläger, der allenfalls als Angelernter im oberen Bereich einzustufen sei, könne medizinisch und sozial zumutbar auf die Tätigkeit als einfacher Pförtner, Montierer, Sortierer und Verpacker verwiesen werden.

Der Klägerbevollmächtigte hat auf die Anfrage des Senats vom 11.01.2005 zur Frage der Aufrechterhaltung der Berufung sich nicht mehr geäußert. Die Beiziehung der Akten des inzwischen ebenfalls in der Berufungsinstanz anhängigen Parallelverfahrens im Schwerbehindertenrecht (L 15 SB 122/04) durch den Senat ergab, dass die auf Erhöhung des Grades der Schwerbehinderung von 40 auf 50 gerichtete Klage (Verfahren S 16 SB 525/02) mit Urteil des Sozialgerichts München vom 16.09.2004 insofern teilweise Erfolg hatte, als die Beklagte entsprechend einem vom Kläger nicht angenommenen Vergleichsangebot verpflichtet wurde, den GdB in der Zeit vom 04.10.2001 bis 30.04.2002 in Höhe von 50 und ab 01.05.2002 wieder in Höhe von 40 festzustellen. Dies wurde mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründet, insbesondere dem Vorschlag des Dr.L. in seinem internistischen Gutachten vom 10.04. 2004, dass nach einer Bewährungszeit von zwei Jahren nach Eintritt der Alkoholabstinenz maßgebliche Gesundheitsstörungen durch den Alkoholismus nicht mehr vorlägen. Der Kläger begehrte mit seiner Berufung die Feststellung eines GdB in Höhe von 50 ab 01.05.2002 und trug u.a. vor, er lege großen Wert darauf, dass ihm der Schwerbehindertenschutz zum Zeitpunkt 01.10.2003 zukomme, denn er beziehe zwischenzeitlich Altersrente. Die Anerkennung als Schwerbehinderter hätte zur Folge, dass er einen wesentlich geringeren Abschlag bei der Rente hinnehmen müsse. Im Erörterungstermin vom 16.03.2005 trug er vor, vor ca. einem Jahr wieder rückfällig geworden zu sein und alle zwei Wochen bis zu einem halben Liter Schnaps zu trinken. In einem ärztlichen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr.R. vom 23.03.2005 wurde der Kläger jedoch als "derzeit trocken" bezeichnet und die Frage nach einem Rückfall dahin beantwortet, der Kläger habe bis 1999 getrunken, seither eher gesund gelebt. Laut dem vom 15. Senat beigezogenen chirurgischen Gutachten des Dr.B. vom 26.03.2004, erstellt für die Berufsgenossenschaft wegen der beauftragten Abfindung, hatte sich der Kläger bei der dortigen Untersuchung ebenfalls als trocken bezeichnet hatte.

In der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2005 teilte der Vertreter der Beklagten mit, der Kläger beziehe seit Vollendung des 60. Lebensjahres Altersrente gemäß § 237 SGB VI.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 08.07.2003 sowie des Bescheides vom 05.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 zu verpflichten, dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, ferner hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit auf Grund des in einen Rentenantrag umgedeuteten Antrags auf Rehabilitationsleistungen vom 28.07.2000 bzw. vom 17.12.1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Versichertenakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143 ff., 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), sie erweist sich aber nicht als begründet. Das darüberhinaus in der Berufungsinstanz wieder aufgegriffene, auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung gerichtete Klagebegehren ist unzulässig.

1. Das ursprünglich auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise auf Rente wegen voller oder teilweise Erwerbsminderung gerichtete Klagebegehren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht auf die Rente wegen Berufsunfähigkeit beschränkt. Er hat damit seine darüberhinaus gehende Rechtsschutzbitte zurückgezogen. Die darin zu sehende teilweise Klagerücknahme hat zur Folge, dass die Hauptsache insoweit erledigt ist (§ 102 Satz 2 SGG). Einer erneuten Geltendmachung steht die insoweit eingetretene Bindungswirkung des angefochtenen Bescheides entgegen, es sei denn, es liegt eine auch in der Berufungsinstanz noch mögliche, gemäß § 99 SGG zulässige Klageänderung vor. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Eine Klageänderung ist gemäß § 99 Abs.1 SGG zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Der Senat sieht das in der Berufungsinstanz geänderte Begehren nicht als sachdienlich an. Es hatte bereits im Klageverfahren keine Aussicht auf Erfolg, so dass es dort nicht mehr weiter verfolgt, aber ohne spätere Veränderung sofort wieder mit Berufungsantrag aufgenommen wurde. Die Beklagte hat ihrerseits nicht in die Klageänderung eingewilligt. Dies hat sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt, nachdem sie sich zuvor auch schriftsätzlich nicht ausdrücklich mit dem neuen Begehren auseinandergesetzt hatte. Die auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI a.F. sowie hilfsweise auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 43 Abs.1 und 2 SGB VI n.F. erweiterte Klage war daher (als unzulässig) abzuweisen.

2. Das angefochtene Ersturteil ist nicht zu beanstanden. Den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 Abs.2 SGB VI a.F. hat das Erstgericht zu Recht abgewiesen, weil die von ihm im einzelnen aufgeführten Voraussetzungen nicht gegeben sind. Es hat sich umfassend mit den zahlreichen ärztlichen Gutachten und dem Inhalt des von ihm eingeholten Gutachtens des Dr.M. auseinandergesetzt und den Sachverhalt rechtlich zutreffend gewürdigt. Danach ist ein Rentenanspruch des Klägers weder nach neuem Recht aufgrund des Rentenantrags vom 12.11.2001 (§ 240 SGB VI n.F.) noch nach altem Recht (§ 43 Abs.2 SGB VI a.F.) aufgrund eines gemäß § 116 SGB VI umgedeuteten Rehaantrages gegeben. Nach dem auch für den Senat schlüssigen und überzeugenden Gutachten des Dr.M. vom 13.02.2003 besteht noch ein ausreichendes vollschichtiges Leistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wie insbesondere auch für die von der Beklagten aufgezeigte Tätigkeit eines einfachen Pförtners.

Die weitere Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz hat die Ermittlungen des Erstgerichts bestätigt. Das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr.L. erbringt gegenüber dem bisherigen Gutachten im Klage- und Rentenverfahren nichts wesentlich Neues. Eine relevante Verschlechterung ist nicht eingetreten. Auch nach den Aussagen des Dr.L. kann der Kläger seinen zuletzt ausgeübten Beruf eines angelernten Schlossers nicht mehr ausüben, wohl aber leichten körperlichen Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen (in wechselnder Körperposition, ohne Überkopfarbeiten, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Beschäftigung an gefährdenden Maschinen, ohne Akkord- und Schichtarbeiten) nachgehen. Einschränkungen bei der Zurücklegung von Wegen sah der Gutachter nicht. Seine weiter geäußerte Annahme, der Kläger könne sich auf andere Erwerbstätigkeiten sicherlich nur "sehr schwer umstellen, da die wieder neu ausgebrochene Alkoholsucht vermutlich eine Einschränkung der Motivationsbereitschaft hierzu" zeigen werde, teilt der Senat so nicht. Abgesehen davon, dass hier lediglich eine (fachfremde) Vermutung geäußert wird, hält der Senat diesbezügliche Äußerungen des Klägers angesichts der gesamten Umstände für eher zweckgerichtet und so nicht glaubhaft.

Nachdem im Übrigen auch für den Senat nachvollziehbaren Gutachten des Dr.L. kann der Kläger noch vollschichtige Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten, auf die er als angelernter Arbeitnehmer verweisbar ist. Insbesondere kann er die von der Beklagten aufgezeigte und auch vom Erstgericht bejahte Tätigkeit eines einfachen Pförtners noch ausüben. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten handelt es sich dabei nicht um eine Nischentätigkeit oder um eine reine Schontätigkeit. Vielmehr gibt es nach den wiederholten Auskünften der Bundesagentur für Arbeit in vergleichbaren Fällen und der ständigen Rechtsprechung der Sozialgerichte für einfache Pförtner - anders als für den sogenannten gehobenen Pförtner, dessen Aufgabenbereich anspruchsvollere Tätigkeiten mit betriebsbezogenen Kenntnissen umfasst und daher auch in der Regel betriebsintern mit älteren, leistungsgeminderten Arbeitnehmern besetzt wird - weiterhin genügend entsprechende Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt.

Für die vom Kläger begehrte Umdeutung eines zuvor gestellten Rehaantrags gemäß § 116 Abs.2 SGB VI in einen Rentenantrag ist nach allem kein Raum mehr. Der Kläger ist nicht vermindert erwerbsfähig im Sinne der Rentengesetze, erst recht nicht lässt sich feststellen, dass die aufgrund der zuvor gestellten Rehaanträge gewährten medizinischen Leistungen zur Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen wären, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert hätten. Es handelte sich um aufeinander folgende, zunächst stationär, dann ambulant erfolgte Entwöhnungsbehandlungen. Das Ziel der Maßnahmen wurde eindeutig erreicht - der Kläger hat sich selbst gegenüber den untersuchenden Ärzten während des Verfahrens mehrfach als "seit vielen Jahren trocken" bezeichnet und wurde auch von allen Gutachtern als arbeitsfähig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angesehen. Anderslautende Aussagen des Klägers im Jahre 2004 bzw. 2005 bezüglich eines erneuten übermäßigen Alkoholkonsums sind - unabhängig von ihrer Glaubwürdigkeit - für den in Frage stehenden Zeitraum zwischen 1999 und 2001 nicht mehr relevant.

Bei dieser Sachlage hatte die Berufung keinen Aussicht auf Erfolg. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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