L 14 RA 132/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 RA 122/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 132/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 6. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rückforderung einer Rentennachzahlung.

Die Beklagte gewährte der Klägerin in Ausführung eines gerichtlichen Vergleichs mit Bescheid vom 26.11.1999 rückwirkend zum 01.03.1998 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Für die Zeit vom 01.03.1998 bis 31.12.1999 errechnete sie eine Nachzahlung von DM 8.819,01. Auf Seite 3 des Rentenbescheides hieß es dazu, der Nachzahlungsbetrag werde überwiesen, da Ansprüche anderer Leistungsträger auf Ersatz ihrer Leistungen aus dem Nachzahlungsbetrag bisher nicht bekannt geworden seien; falls solche Leistungen jedoch für den Nachzahlungszeitraum erbracht worden seien, werde gebeten, den Rentenbescheid den entsprechenden Stellen unverzüglich vorzulegen.

Die Klägerin hatte in der Zeit ab 01.03.1998 von der Barmer Ersatzkasse A. (BEK) Krankengeld bezogen. Mit Schreiben vom 11.01.2000 machte diese gegenüber der Beklagten unter Bezugnahme auf eine zuvor bereits mit Schreiben vom 17.02.1998 erfolgte Anmeldung eines Erstattungsanspruchs erneut ihren Anspruch auf Erstattung geltend.

Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 03.03.2000 zu der beabsichtigten Rückforderung eines Betrages von DM 8.102,42 gemäß § 50 Abs.2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) an: die Klägerin habe die Fehlerhaftigkeit des Rentenbescheides gekannt bzw. seine Fehlerhaftigkeit erkennen müssen (§ 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X).

Die Klägerin berief sich demgegenüber auf ihr Vertrauen in die Richtigkeit des Rentenbescheides und teilte mit, der Rentenbescheid vom 26.11.1999 sei umgehend sowohl bei der BEK als auch beim zuständigen Arbeitsamt und bei der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse (KZVK) D. zur Prüfung vorgelegt worden, die Fehlerhaftigkeit des Bescheides sei von niemandem erkannt worden. Im Übrigen sei sie nicht mehr bereichert, sie habe über den Nachzahlungsbetrag längst verfügt.

Mit Bescheid vom 04.04.2000 forderte die Beklagte die für die Zeit vom 01.03.1998 bis 22.10.1998 gezahlte Nachzahlung von DM 8.102,42 gemäß § 50 Abs.2 SGB X zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Nachzahlung sei nicht durch den Rentenbescheid vom 26.11.1998 gedeckt; § 45 SGB X finde entsprechende Anwendung; die Klägerin habe auf Grund der Ausführungen im Rentenbescheid erkennen können, dass die Doppelzahlung von Versichertenrente und Krankengeld nicht mit dem Gesetz vereinbar sei.

Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, anlässlich der Vorlage des Rentenbescheides bei der BEK habe der dortige Bedienstete auf die Frage nach einem Erstattungsanspruch der BEK geäußert, das Gegenteil sei der Fall, es könne zu einer Erstattung von einbehaltenen Mitgliedsbeiträgen in Höhe von DM 800,- bis DM 1.000,- kommen.

Die Beklagte reduzierte mit Teilabhilfebescheid vom 08.01.2001 im Hinblick auf ihr eigenes Verschulden an der Überzahlung den Rückforderungsbetrag um die Hälfte auf DM 4.051,21.

Eine Rückfrage der Beklagten bei der BEK ergab, dass über eine dortige Vorsprache der Klägerin wegen etwaiger Erstattungsansprüche aus den Akten nichts ersichtlich sei; eine an die Klägerin erfolgte Auskunft des Inhalts, dass ein Erstattungsanspruch nicht bestehe, sei aber auszuschließen (Schreiben vom 01.10.2001).

Den weiter aufrecht erhaltenen Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2002 zurück. Die Nachzahlung sei ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erfolgt und daher gemäß § 50 Abs.2 SGB X zu erstatten. Durch die nachträgliche Bewilligung der Rentenzahlung hätten die seitens der BEK gezahlten Krankengeldleistungen als Vorschuss auf die zu erwartenden Rentenleistungen gegolten und einen Erstattungsanspruch gemäß § 103 SGB X ausgelöst. Damit sei die Nachzahlung nicht durch den Rentenbescheid gedeckt gewesen. Auf den Rückforderungsanspruch seien §§ 45 und 48 SGB X anzuwenden. Die Klägerin habe mit der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch die BEK rechnen müssen. Ihrem Vorbringen, sie habe den Rentenbescheid bei der BEK vorgelegt und zur Antwort erhalten, ein Erstattungsanspruch bestehe nicht, könne nicht gefolgt werden, denn die BEK habe auf Rückfrage eine solche Auskunft ausgeschlossen. Im Übrigen hätte sich die Klägerin auch im Falle einer entsprechenden Auskunft mit Rückfragen an die Beklagte wenden müssen. Ihre Erstattungspflicht bestehe unabhängig von einem möglichen Verbrauch der erbrachten Leistung.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) machte die Klägerin erneut geltend, die Fehlerhaftigkeit des Rentenbewilligungsbescheides vom 26.11.1999 sei trotz seiner Vorlage bei der BEK, beim Arbeitsamt, bei ihrem Arbeitgeber (Diakonie N.) und der Kirchlichen Zusatzversorgungskasse von keiner Seite festgestellt worden. Eine zusätzliche Verpflichtung, sich noch einmal mit Rückfragen zur Rechtmäßigkeit der Rentennachzahlung an die Beklagte zu wenden, habe nicht bestanden. Dies hätte eine Überspannung ihrer Informationspflichten bedeutet. Bezüglich der geltend gemachten Entreicherung trug sie vor, der Sollstand ihres Girokontos habe am 22.11.1999 DM 7.118,89 betragen, durch die Rentennachzahlung sei ein Ausgleich erfolgt.

Auf Rückfrage des SG teilte die BEK mit Schreiben vom 07.10. 2002 mit, es sei aus den dortigen Unterlagen nachweisbar, dass der fragliche Rentenbescheid persönlich in der Geschäftsstelle vorgelegt und kopiert worden sei, ein Eingangsstempel sei jedoch nicht vorhanden. Die Klägerin legte ein an sie gerichtetes Schreiben der BEK vom 03.09.2002 vor,in dem bestätigt wurde, dass die Vorlage vermutlich am 06.12.1999 durch ihren Ehemann, an den bei zwei Mitarbeitern noch Erinnerungen bestünden, erfolgt sei.

Das SG vernahm im Wege der Beweisaufnahme die Zeugen H. O. (Ehemann der Klägerin), M. W. und S. Z. (beide BEK), W. S. (Diakonie N.) und C. K. (Arbeitsamt A.).

Die Zeugen L. , S. und K. konnten sich an ein persönliches Gespräch mit dem Ehemann der Klägerin nicht erinnern; der Zeuge W. bestätigte, dass der Ehemann der Klägerin im fraglichen Zeitraum ein oder zweimal bei ihm vorgesprochen habe. An genaue Gesprächsinhalte oder die Vorlage des fraglichen Rentenbescheides hatte er keine Erinnerung. Er äußerte allerdings, dass der Zeuge O. alles sehr genau genommen habe, und bezeichnete dessen Angaben über seine Vorsprache als glaubwürdig.

Der Ehemann der Klägerin gab an, er habe nach Erhalt des Rentenbescheides durch den Bevollmächtigten wegen des Hinweises auf Seite 3 des Bescheides mehrere Kopien gefertigt und sei damit nach den Aufzeichnungen in seinem Terminkalender am Montag, den 06.12.1999, u.a. zu dem zuständigen Sachbearbeiter bei der BEK gegangen um zu erfragen, ob die BEK von seiner Frau noch Geld zu bekommen habe. Dieser habe geantwortet: "Nein, in der Regel gibt es eine Erstattung in Höhe von DM 1.000,-". Die Rentennachzahlung sei wenige Tage später überwiesen worden, das Konto, das mit einem Minusbetrag von ca. DM 7.000,- belastet gewesen sei, sei dadurch ausgeglichen worden. Erst vor Weihnachten, als seine Ehefrau bei der BEK telefonisch nach dem Verbleib des noch erwarteten Geldes gefragt habe, sei ihr gesagt worden, es stimme etwas nicht, es sei von der Beklagten zuviel an sie gezahlt worden.

Das SG hob mit Urteil vom 06.05.2003 den Bescheid vom 04.04. 2000/Widerspruchsbescheid vom 01.03.2002 auf, soweit ihm nicht durch Bescheid vom 08.01.2001 abgeholfen worden war, und verpflichtete die Beklagte zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Es führte aus, der Rückforderungsanspruch der Beklagten lasse sich weder aus § 50 Abs.2 noch aus § 50 Abs.1 SGB X herleiten. § 50 Abs.2 SGB X, wonach Leistungen zu erstatten seien, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden seien, scheide als Anspruchsgrundlage aus, weil die Berufsunfähigkeitsrente einschließlich der Nachzahlung auf Grund des Rentenbescheides vom 26.11.1999 und damit nicht ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sei. Der Bescheid sei auch nicht für die Vergangenheit zurückgenommen worden oder auf andere Weise erledigt. Dass die nachträgliche Bewilligung der Rente wegen der Vorleistung der BEK zu einem Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X geführt habe, bedeute nicht, dass die bereits überwiesene Nachzahlung nicht auf der Grundlage eines Bescheides erfolgt sei. Die Rückforderung überzahlter, auf einem begünstigenden Verwaltungsakt beruhender Sozialleistungen setze vielmehr entweder nach § 45 i.V.m. § 50 Abs.1 SGB X die vorherige Rücknahme des bewilligenden Verwaltungsaktes voraus oder unter den Voraussetzungen des § 38 SGB X i.V.m. § 50 Abs.5 SGB X den Erlass eines Berichtigungsbescheides. Eine Leistung sei nur dann ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht, wenn sie weder formell auf einer ausgesprochenen Bewilligung noch materiell auf einem gesetzlichen Anspruch des Empfängers beruhe (BSG, SozR 3-1300 § 45 Nr.2).

Weiter führte das SG aus, der Rückforderungsbescheid vom 04.04. 2000 sei angesichts seines Wortlautes mit der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 50 Abs.2 SGB X auch keiner dahin gehenden Auslegung zugänglich, dass er sinngemäß gleichzeitig die Rücknahme des leistungsbewilligenden Verwaltungsaktes enthalte. Auch eine Umdeutung in einen kombinierten Rücknahme- und Rückforderungsbescheid nach §§ 50 Abs.1, 45 SGB X scheide im Hinblick darauf aus, dass die Beklagte ausdrücklich von einer ohne Verwaltungsakt erfolgten Überzahlung ausgegangen sei und auch nicht in einer Hilfsbegründung die Voraussetzungen eines solchen kombinierten Bescheides dargelegt habe. Die Umdeutung sei auch deshalb ausgeschlossen, weil die bei einer Entscheidung nach § 50 Abs.2 SGB X vorzunehmende entsprechende Anwendung der §§ 45 und 48 SGB X die Notwendigkeit von Ermessenserwägungen mit entsprechenden Wertungen und Abwägungen erfordere. Die nach § 50 Abs.2 SGB X vorzunehmende Ermessensausübung sei aber der bei Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes gebotenen Ermessensausübung nicht gleichzusetzen (BSG, Urteil vom 10.03.1987 in SozR 1300 § 50 Nr.15). Von einer Ermessensreduzierung auf Null im Hinblick auf eine Bösgläubigkeit der Klägerin als Leistungsempfängerin sei insoweit auch nicht auszugehen. Der dazu ergangenen Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (u.a. Urteil vom 25.01.1994 in SozR 3-1300 § 50 Nr.16) folge das SG nicht; es sei kein Grund ersichtlich, warum im Falle des im Sinne von § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X bösgläubigen Empfängers von den allgemeinen Grundsätzen der Ermessensreduzierung auf Null abgewichen werden sollte. Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck des § 45 SGB X stünden einer Ermessensreduzierung auf Null allein schon wegen der Kenntnis der Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsakts i.S.d. § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X entgegen. Der Verwaltung sei nach Abs.1 und der Systematik der Absätze 1 und 2 des § 45 SGB X auch dann ein Ermessen eingeräumt, wenn der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte und daher sein Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes nicht schutzwürdig sei. Auch blieben andere wesentliche für die Rücknahmeentscheidung bedeutsame Umstände des Einzelfalles bei einer Ermessensreduzierung auf Null allein wegen Bösgläubigkeit des Empfängers unberücksichtigt.

Im übrigen legte das SG dar, dass die Klägerin nach seiner Überzeugung im Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides auch nicht bösgläubig im Sinne von § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X gewesen sei. Auch insoweit seien weder die Voraussetzungen des § 50 Abs.2 Satz 2 noch des Abs.1 SGB X gegeben. Die Gesamtwürdigung der Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sowie der Aussagen der einvernommenen Zeugen ergebe, dass weder die Klägerin noch ihre Vertreter bei Erlass des Bescheides dessen Rechtswidrigkeit positiv gekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hätten. Die Klägerin sei den ihr auferlegten Sorgfaltspflichten nachgekommen, die von der Beklagten im Rentenbescheid selbst konkretisiert worden seien. Sie habe darauf vertrauen dürfen, bei unverzüglicher Vorlage des Bescheids bei den darin genannten Stellen ihren Pflichten in vollem Umfang nachzukommen. Darin, dass sie nicht zusätzlich Rücksprache mit der Beratungsstelle der Beklagten gehalten habe, sei keine besonders schwere Verletzung der erforderlichen Sorgfalt zu sehen. Es müsse genügen, dass sie bzw. ihr Ehemann sich bei der BEK als Leistungsträger der Krankengeldzahlung nach möglichen Erstattungsansprüchen erkundigt hätten. Auf Grund des Schreibens der BEK vom 07.10.2002 und der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung, insbesondere der Aussagen des Zeugen O. , stehe fest, dass dies am 06.12. 1999 der Fall gewesen sei. Der Zeuge O. habe auch glaubwürdig bekundet, dass er von dem zuständigen Bearbeiter zur Antwort erhalten habe: "Nein, in der Regel gibt es eine Erstattung (von Mitgliedsbeiträgen) von DM 1.000,-". Der insoweit von ihm zitierte Zeuge W. habe sich zwar selbst nicht konkret an das Gespräch erinnert, habe aber die Angaben des Zeugen O. als glaubwürdig bezeichnet. Nach dem gesamten Sachverhalt könne eine Bösgläubigkeit der Klägerin bzw. ihres Ehemannes, die sie sich zurechnen lassen müsste, erst zu dem Zeitpunkt angenommen werden, als sie vor Weihnachten von einer anderen Mitarbeiterin der BEK die Auskunft erhalten habe, es stimme etwas nicht, die Beklagte habe zuviel an die Klägerin ausbezahlt. Zu diesem Zeitpunkt sei die erbrachte Nachzahlung bereits "verbraucht" gewesen bzw. eine Entreicherung durch den Ausgleich ihres mit einem Negativsaldo belasteten Kontos eingetreten. Das SG legte weiter dar, dass auch von einer Bösgläubigkeit des Bevollmächtigten der Klägerin zum Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbescheides nicht auszugehen sei. Angesichts der aufforderungsgemäßen Vorlage des Bescheides bei den entsprechenden Stellen mit der Bitte um Prüfung sei eine weitergehende Sorgfaltspflicht des Bevollmächtigten ebenfalls nicht zu begründen.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie vertritt weiter die Auffassung, die Rückforderung des streitigen Nachzahlungsbetrages richte sich nach § 50 Abs.2 SGB X, auch sei die Klägerin hinsichtlich der erhaltenen Nachzahlung bösgläubig gewesen. Auf § 50 Abs.1 SGB X könne die Rückforderung der überzahlten Rentennachzahlung nicht gestützt werden, weil der zugrundeliegende Rentenbescheid vom 26.11.1999 nicht rechtswidrig sei und daher auch nicht teilweise zum Zwecke der Rückforderung der Nachzahlung habe aufgehoben werden können. Bei der tatsächlichen Auszahlung der Rentenachzahlung handle es sich nicht um einen Verwaltungsakt. Dessen Wesensgehalt sei die Begründung, Auflösung oder ausdrückliche Feststellung eines Rechtsverhältnisses. Ein solches Wesen sei der Auszahlung nicht beizumessen. Vielmehr gehe es bei dem Auszahlungsvorgang um schlichtes Verwaltungshandeln, welches im Falle der Geltendmachung einer Rückforderung von § 50 Abs.2 SGB X erfasst werde. Darüber hinaus sei zu sehen, dass nach der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X, soweit ein Erstattungsanspruch bestehe, der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Erstattung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt gelte. Er werde so behandelt, als habe er die endgültige Leistung bereits erhalten. In Höhe des Erstattungsanspruchs verliere so im vorliegenden Fall das Krankengeld seinen Charakter als solches und sei nunmehr als Rentenzahlung anzusehen. Unter diesen Umständen stelle sich die Auszahlung der Nachzahlung in Höhe des Erstattungsanspruchs als eine nicht vom Rentenbescheid gedeckte ungerechtfertigte Doppelleistung dar. Aber selbst wenn man von einer Auszahlung der Rentennachzahlung auf Grund eines Verwaltungsakts ausgehe, bleibe § 50 Abs.2 SGB X als Rechtsgrundlage für die Rückforderung gegeben. Aus dem Zusammenspiel beider Regelungen der Absätze 1 und 2 des § 50 SGB X ergebe sich für den dort nicht geregelten Fall eines nicht aufgehobenen, sondern "auf andere Art und Weise" erledigten Verwaltungsakts (§ 39 Abs.2 SGB X), dass einer Leistungsrückforderung stets eine Vertrauensschutz- oder Ermessensprüfung vorauszugehen habe. Dies lege es nahe, § 50 Abs.2 SGB X entsprechend immer dann anzuwenden, wenn die Leistungsbewilligung auf andere Weise als durch Rücknahme oder Aufhebung nach §§ 45 ff. SGB X fortgefallen sei. Eine solche Fallkonstellation sei vorliegend gegeben, weil die Rentennachzahlung auf dem Bescheid vom 26.11.1999 beruhe, dieser aber zum Zwecke der Rückforderung nicht aufgehoben werden könne, weil ansonsten der gesamte Rentenanspruch für die Vergangenheit entfalle. Die Beklagte beruft sich zu ihrem Vorbringen auf ein Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 29.03.1996 - L 6 A 20/95 - betreffend die Rückforderung einer zunächst einbehaltenen, später nach Befriedigung eines Erstattungsanspruchs des Sozialamts, aber ohne Berücksichtigung eines weiteren Erstattungsanspruchs der Krankenkasse ausgezahlten Rentennachzahlung nach § 50 Abs.2 SGB X.

Zur Frage der Bösgläubigkeit der Klägerin vertritt die Beklagte die Auffassung, diese könne letztlich dahingestellt bleiben; jedenfalls müsse sich die Klägerin die Bösgläubigkeit ihres Bevollmächtigten zurechnen lassen. Als Anwalt hätte er mit seinen rentenrechtlichen Kenntnissen u.a. über das Nicht-in-Betracht-Kommen eines Doppelbezugs von Krankengeld und Berufsunfähigkeitsrente für den gleichen Zeitraum bei Prüfung des Rentenbescheides ohne Schwierigkeiten die diesbezügliche Fehlerhaftigkeit feststellen können; auf Grund der Ausführungen zur Nachzahlung auf Seite 3 des Bescheides sei für ihn ohne weiteres zu erkennen gewesen, dass die Beklagte bei der Auszahlung der Nachzahlung Ansprüche anderer Stellen nicht berücksichtigt habe. Seine Bösgläubigkeit i.S.v. § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X werde auch nicht dadurch beseitigt, dass der Rentenbescheid den von der Klägerin genannten Stellen vorgelegt worden sei.

Schließlich führte die Beklagte an, die Verwendung von Leistungen zur Schuldentilgung - wie von der Klägerin hinsichtlich des Teilbetrages von DM 7.118,89 vorgetragen - sei nicht als Verbrauchen i.S.v. § 45 Abs.2 Satz 2 SGB X zu verstehen.

Die Klägerin trägt u.a. vor, es ergebe sich schon aus der im Rückforderungsbescheid vom 04.04.2000 enthaltenen Formulierung " ... die aufgrund unseres Rentenbescheids vom 26.11.1999 angewiesene Nachzahlung wird wegen ... zurückgefordert", dass die streitige Rentennachzahlung auf Grund eines Verwaltungsakts erfolgt sei. Eine Rückforderung komme im übrigen aber mangels ihrer Bösgläubigkeit im Sinne von § 45 Abs.2 Satz 3 SGB X nicht in Betracht. Für die Frage der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis komme es auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts/Rentenbescheides an; ihr Bevollmächtigter sei aber, wie sich aus der Vollmacht ergebe, nur für die Durchführung des Klageverfahrens und nicht auch für die juristische Überprüfung des Rentenbescheids bevollmächtigt gewesen; dementsprechend habe er den Rentenbescheid mangels eines entsprechenden Mandats ungeprüft an sie weitergeleitet. Es liege daher in seiner Person weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 26.11.1999 vor.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.05.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten wie auf die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, erweist sich aber nicht als begründet.

Zutreffend hat das Erstgericht den Bescheid vom 04.04.2000 nach umfangreicher Beweisaufnahme aufgehoben, soweit er nicht bereits durch Teilabhilfebescheid vom 08.01.2001 abgeändert worden war, und den Rückforderungsanspruch der Beklagten verneint. Auch nach Auffassung des Senats ist ein solcher nicht gegeben. Dabei kann letztlich dahin gestellt bleiben, ob das SG zu Recht davon ausgegangen ist, dass die streitbefangene Nachzahlung für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.10.1998 nicht "ohne Verwaltungsakt" im Sinne von § 50 Abs.2 SGB X zu Unrecht erbracht worden ist, oder ob in dieser Bestimmung, ggfs. in entsprechender Anwendung, die zutreffende Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch zu sehen ist.

Gegen die mit der Berufung erneut geltend gemachte Rechtsauffassung der Beklagten, die Auszahlung der Nachzahlung an die Klägerin sei nicht auf Grund eines Verwaltungsaktes erfolgt, sondern stelle lediglich schlichtes Verwaltungshandeln dar, spricht, dass hier nicht die typische Fallgestaltung eines bloßen Zahlungsvorgangs (z.B. Zahlung über eine ausdrückliche Bewilligung hinaus, etwa auf Grund eines technischen Versehens, oder der Fall einer Weiterzahlung trotz vorheriger Entziehung der Leistung) vorliegt. Die Auszahlung des Nachzahlungsbetrages an die Klägerin erfolgte vielmehr auf Grund einer im Rentenbescheid enthaltenen ausdrücklichen Auszahlungsentscheidung der Beklagten nach einer zumindest ansatzweise erfolgten vorherigen Prüfung von Erstattungsansprüchen, die allerdings mit dem materiellen Recht nicht in Einklang stand.

Selbst wenn man darin keine Regelung im Sinne eines Verwaltungsakts sieht, sondern mit der Beklagten von einer Auszahlung im Wege schlichten Verwaltungshandelns ausgeht, ergibt sich kein Rückforderungsanspruch der Beklagten. Das gleiche gilt, wenn man alternativ im Hinblick auf die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X von einem Fortfall bzw. der Erledigung der Leistungsbewilligung für den Nachzahlungszeitraum "auf andere Weise" als durch Rücknahme bzw. Aufhebung nach §§ 45 ff. SGB X (vgl. § 39 Abs.2 SGB X) ausgeht. Auf den in diesen Fällen auf § 50 Abs.2 SGB X direkt oder in entsprechender Anwendung zu stützenden Rückforderungsanspruch ist § 45 SGB X entsprechend anzuwenden (§ 50 Abs.2 Satz 2 SGB X). Das SG, das die Voraussetzungen dieser Vorschrift im einzelnen dargelegt hat, ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass von einer Bösgläubigkeit der Klägerin im Sinne von § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB X als Voraussetzung für die Rückforderung nicht auszugehen ist.

Das Vertrauen des Begünstigten in eine Leistung ist danach nicht schutzwürdig, wenn er wusste oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht wusste, dass die ihm gewährte Leistung nicht zustand; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Eine Bösgläubigkeit, also positives Wissen oder Wissenmüssen (grobe Fahrlässigkeit) der Klägerin - und ihres Ehemannes, dessen Wissen sie sich zurechnen lassen müsste - bei Erhalt des im Rentenbescheid ausgewiesenen Nachzahlungsbetrages in dem genannten Sinne kann nicht bejaht werden. Insbesondere ist sie nicht bereits deshalb anzunehmen, weil ihr als Betroffener der frühere Krankengeldbezug bekannt war und sie nach den Hinweisen im Rentenbescheid mit einer Erstattungsforderung der BEK habe rechnen müssen. Der Abklärung dieser Frage diente die Vorlage des Rentenbescheides bei der Krankenkasse; eine konkrete Erstattungsforderung ergab sich für die Klägerin auf Grund des Gesprächsverlaufs jedoch nicht, wohl aber umgekehrt die Aussicht auf eine zu erwartende Rückzahlung von Mitgliedsbeiträgen.

Die Vorsprache ihres Ehemannes bei der BEK kann nach dem gesamten Akteninhalt einschließlich des Ergebnisses der Zeugeneinvernahmen in der mündlichen Verhandlung als nachgewiesen angesehen werden; lediglich seine Angabe, der Sachbearbeiter habe auf die Frage, ob die BEK noch Geld von der Klägerin zu erhalten habe, geäußert: "Nein, in der Regel gibt es eine Erstattung (von Mitgliedsbeiträgen) von ca. DM 1.000,- ", ist nicht belegt. Sie kann aber als glaubwürdig angesehen werden, da der als Zeuge vernommene zuständige frühere Sachbearbeiter der BEK den Ehemann der Klägerin als jemanden beschrieben hat, der alles sehr genau genommen habe und glaubwürdig sei. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Klägerin mit der Vorlage ihres Rentenbescheids bei den darin genannten Stellen den ihr von der Beklagten auferlegten Sorgfaltspflichten voll umfänglich nachgekommen ist. Es kann ihr daher nicht vorgeworfen werden, dass sie sich nicht zusätzlich auch noch an die Beratungsstelle der Beklagten selbst gewandt habe.

Vorliegend könnte von einer groben Fahrlässigkeit der Klägerin nur ausgegangen werden, wenn die Beklagte mit ihren Ausführungen im Rentenbescheid klargestellt hätte, dass der Klägerin für den vergangenen Zeitraum die Rentennachzahlung (an den Versicherungsträger) und nicht das Krankengeld (an die Krankenkasse) zurückzahlen müsse, falls ein gesetzlich umschriebener, nicht gerechtfertigter Doppelzug von Sozialleistungen vorliegen würde; weiterhin hätte die Beklagte die Klägerin darauf hinweisen sollen, dass sie sich beim Versicherungsträger selbst wegen Doppelbezugs melden müsse. Die Hinweise der Beklagten im Rentenbescheid sind aber viel zu vage, unvollständig und damit sogar irreführend. Es wurde hier der Eindruck erweckt, die Klägerin habe unter Umständen das Krankengeld zurück zu zahlen und sich deswegen mit der Krankenkasse in Verbindung zu setzen, die dann die Entscheidungskompetenz hinsichtlich ungerechtfertigter Leistungen habe oder zumindest das Notwendige selbstständig - nunmehr ohne weiteres Zutun des Versicherten - veranlassen werde. Aufgrund des Sachverhalts - die Krankenkasse verneinte (zu Recht) ihren Anspruch gegenüber der Klägerin auf Rückforderung des Krankengelds - wurde endgültig bei der Klägerin ein Vertrauenstatbestand geschaffen, zumal gesicherte Anhaltspunkte dafür nicht vorhanden sind, dass auch die Auskunft gegeben wurde, die Klägerin müsse nun mit einer Rückforderung der Beklagten rechnen.

Angesichts der besonderen Umstände des Falles ist schließlich auch nicht von einer der Klägerin zuzurechnenden Bösgläubigkeit ihres bevollmächtigten Rechtsanwalts auszugehen, dessen Mandat nach dem Vorbringen der Klägerin mit Abschluss des Vergleichs im Rentenverfahren vor dem Sozialgericht und Übermittlung des ihm zugeleiteten Rentenbescheids endete. Selbst wenn man dem nicht folgt, hätte die Beklagte auch insoweit durch ihre unbehelflichen Hinweise im Rentenbescheid keinesfalls den Eindruck erweckt, die Rentennachzahlung werde gegebenenfalls zurückgefordert, sondern allenfalls, dass die Klägerin unter Umständen das bezogene Krankengeld rückzuerstatten habe, was aber nach Vorlage des Rentenbescheids bei der Krankenkasse noch von dort aus abzuklären sei.

Die Berufung konnte nach allem keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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