L 19 RJ 456/00 ZVW

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 9 Ar 596/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 RJ 456/00 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.02.1996 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 13.02.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.1995 verurteilt, dem Kläger ab 01.03.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten sämtlicher Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der 1938 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Türkei. Er hat nach seinen Angaben in Deutschland von 1964 bis 1982 als Hilfsarbeiter gearbeitet, war anschließend arbeitsunfähig und arbeitslos und hat für die Zeit vom 31.10.1982 bis 31.12.1984 Rente auf Zeit wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen. Der Kläger ist am 31.12.1985 in die Türkei zurückgekehrt. In der Zeit vom 06.05.1991 bis 17.02.1994 war er dort wiederum versicherungspflichtig beschäftigt (im Umfang von 33 Kalendermonaten lt. Bestätigung des türkischen Versicherungsträgers).

Den bereits im August 1984 gestellten Antrag auf Weitergewährung der Zeitrente lehnte die damals zuständige LVA Württemberg mit Bescheid vom 24.06.1985 ab mit der Begründung, über den Rentenwegfallzeitpunkt hinaus sei der Kläger weder berufs- noch erwerbsunfähig.

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Reutlingen mit Urteil vom 13.11.1986 abgewiesen, weil der Kläger seit Januar 1985 nicht (mehr) wenigstens berufsunfähig sei.

Die dagegen eingelegte Berufung begründete der Kläger mit dem Vorbringen, er sei krank in die Türkei zurückgekehrt; seine Krankheit verschlimmere sich laufend. Das LSG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 25.03.1988 die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger sei zumindest seit 1985 in der Lage, als Hilfsarbeiter oder sonst auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Vollschicht Arbeiten zu verrichten.

Am 13.10.1993 beantragte der Kläger bei der nunmehr zuständigen Beklagten erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der Beklagten wurden ein "ausführlicher ärztlicher Bericht" (TR 12), basierend auf einer vom 16.05.1994 erfolgten Untersuchung, und Berichte türkischer Krankenhäuser vom 26.05.1994 und vom 16.06.1994 übermittelt. In Auswertung dieser Berichte kam der ärztliche Dienst der Beklagten (Dr.P.) in der prüfärztlichen Stellungnahme vom 24.01.1995 zu dem Ergebnis, der Kläger sei seit Antragstellung (Oktober 1993) nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit im nennenswerten Umfang nachzugehen.

Mit Bescheid vom 13.02.1995 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab: Beim Kläger bestehe seit 17.02.1994 (Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung in der Türkei) Erwerbsunfähigkeit; auch habe er die allgemeine Wartezeit von 5 Jahren erfüllt. Im maßgebenden Zeitraum vom 17.02.1989 bis 16.02.1994 seien jedoch nur insgesamt 33 Monate (türkische) Beitragszeiten vorhanden. Damit sei die besondere Anspruchsvoraussetzung des § 44 Abs 1 Nr 2 SGB VI von "36 Monaten Pflichtbeiträgen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalles" nicht erfüllt; Rente könne deshalb nicht gewährt werden. Den gegen die Rentenablehnung erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 17.07.1995 zurück. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung seien nicht erfüllt.

Die gegen diese Entscheidung beim Sozialgericht Bayreuth erhobene Klage begründete der Kläger im Wesentlichen mit seiner schlechten wirtschaftlichen Situation. Er habe in Deutschland 20 Jahre lang gearbeitet, weshalb ihm eine Rente zustehen müsse. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 06.02.1996 abgewiesen. Es hat die Feststellungen der Beklagten übernommen, dass der Kläger seit 17.02.1994 erwerbsunfähig sei, dass er aber mit den von 1991 bis 1994 in der Türkei entrichteten Beiträgen die erforderliche Pflichtbeitragszeit von 36 Monaten nicht erreiche. Dem Kläger stehe auch keine Rente nach "altem Recht" zu. Er sei auch nach 1984 noch erwerbsfähig gewesen, wie sich aus dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 25.03.1988 ergebe.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 15.04.1996 Berufung eingelegt und im Wesentlichen auf seine schwierige finanzielle Situation und seinen schlechten Gesundheitszustand hingewiesen; auch habe ihm niemand zuvor gesagt, dass ihm Versicherungszeiten fehlen würden.

Aus dem von der Beklagten übersandten Versicherungsverlauf ergibt sich, dass der Kläger den letzten Pflichtbeitrag zur deutschen Rentenversicherung im Mai 1982 entrichtet hat, daran anschließend Leistungen wegen Krankheit und Arbeitslosigkeit erhalten und vom 31.10.1982 bis 31.12.1984 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit bezogen hat.

Mit Urteil vom 17.06.1998 hat das LSG das Urteil des SG Bayreuth aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.02.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.07.1995 verurteilt, dem Kläger ab 01.03.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren. Zur Begründung war im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger, der die allgemeine Wartezeit erfüllt habe, sei seit dem 17.02.1994 erwerbsunfähig. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rentengewährung seien aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als erfüllt anzusehen. Die damals zuständige LVA Württemberg habe ihre Beratungspflicht nach § 14 SGB I gegenüber dem Kläger nicht oder nicht ausreichend erfüllt. Der Kläger sei deshalb so zu stellen, als sei eine Beitragszahlung zur Anwartschaftserhaltung noch nach § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI möglich. Mit den Hinweisen im Bescheid vom 24.06.1985 sei der Beratungspflicht nicht entsprochen worden. Der Kläger hätte vielmehr spätestens nach Abschluss des damaligen Berufungsverfahrens darauf hingewiesen werden müssen, dass er zur Aufrechterhaltung seiner Anwartschaft für spätere Versicherungsfälle lückenlos ab 1985 freiwillige Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten müsse und dass er dazu auch die Möglichkeit habe. Denn die Nachentrichtungsfristen des § 1418 RVO seien durch das mit dem Antrag auf weitere Rentengewährung im August 1984 eingeleitete und erst mit der Rechtskraft des im April 1988 zugestellten Berufungsurteils abgeschlossene Rentenverfahren nach § 1420 Abs 2 RVO unterbrochen gewesen. Das deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen habe zwar zu keiner Zeit dem in der Türkei lebenden türkischen Staatsangehörigen die Möglichkeit zur Begründung einer freiwilligen Versicherung in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung eingeräumt. Eine in der Bundesrepublik Deutschland begründete freiwillige Versicherung habe aber nach Art 2 Abs 5 des Zusatzabkommens vom 02.11.1984 zum vorgenannten Abkommen fortgesetzt werden können. Diese Möglichkeit habe der Kläger auch 1988/1989 noch gehabt, weil es für die Prüfung der Berechtigung zur freiwilligen Versicherung im Rahmen des § 1420 Abs 2 RVO auf den Zeitraum ankomme, "für den" die Beiträge entrichtet würden und der Kläger über den Wegfall der Zeitrente hinaus noch bis zum 31.12.1985 seinen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe. Einer tatsächlichen Beitragsentrichtung hätte es nach § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI nicht bedurft. Dies gelte nach der Rechtsprechung des BSG auch, wenn das Recht zur Beitragsentrichtung aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches bestehe.

Das BSG hat auf die Revision der Beklagten hin mit Urteil vom 05.04.2000 dieses Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Zutreffend sei das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die begehrte Rente nur in Anwendung der Sonderregelung des § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches wegen fehlerhafter Beratung erfüllen könne. Die Beklagte müsse sich insoweit zurechnen lassen, dass die LVA Württemberg bei Erlass ihres ablehnenden Bescheides im Juni 1985 den Kläger nicht über die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung seines Versicherungsschutzes bei einem späteren Versicherungsfall der verminderten Erwerbsfähigkeit unterrichtet und die Möglichkeit aufgezeigt habe, diese durch fortlaufende Zahlung freiwilliger Beiträge zu bewirken. Es bedürfe jedoch noch Ermittlungen darüber, ob der Kläger bei richtiger Belehrung diese Beiträge während seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik und danach in der Türkei auch entrichtet hätte. Diesbezüglich sei zu ermitteln, ob der Kläger bei zutreffender Beratung bereit und in der Lage gewesen wäre, für die Zeit von Januar bis Juni 1985 und danach bis zur Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung in der Türkei im Mai 1991 - soweit nicht andere Anwartschaftserhaltungszeiten vorlägen - fortlaufend freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung zu entrichten. Dazu sei bei der Frage, ob der Kläger die notwendigen Mittel gehabt hätte, allen Möglichkeiten einer Mittelbeschaffung nachzugehen. Bedürftigkeit allein schließe die Möglichkeit der Beitragsentrichtung nicht aus, wenn sich der Kläger die notwendigen Mittel durch ein Darlehen oder familiäre Unterstützung hätte beschaffen können.

Der Senat hat den Kläger dementsprechend befragt. Dieser hat mit Schreiben vom 12.05.2004 mitgeteilt, dass er sicher von einer damals möglichen freiwilligen Beitragsentrichtung Gebrauch gemacht hätte; er sei jedoch von keiner Stelle über die Gestaltungsmöglichkeiten informiert worden. Um den sozialversicherungsrechtlichen Mindestschutz zu gewährleisten, hätte er auch nach seiner Rückkehr in die Türkei noch freiwillige Beiträge (zur deutschen Rentenversicherung) leisten können. Seine finanzielle Lage sei damals ganz anders gewesen als derzeit. Er habe einige kleine Ersparnisse gehabt und wäre in der Lage gewesen, die erforderlichen Beiträge auch nach der Rückkehr in die Türkei zu leisten. Er habe damals auch zwei Häuser gehabt, mit deren Verkauf oder Beleihung er sich die Beiträge hätte leisten können. Allerdings habe er im Laufe der Jahre diese Güter verkaufen müssen, weil er sonst kein Einkommen mehr hatte und seine Familie versorgen musste. Es sei ihm bewusst, wie wichtig es sei, einen sozialen Schutz zu genießen; er sei sich aber auch dessen bewusst, dass man für diese Leistung eine Gegenleistung erbringen müsste, wie vorliegend eine Beitragsleistung.

Die Beklagte hält dem entgegen, dass durch diese Aussage die Zweifel an der Kausalität zwischen der unterbliebenen Beratung durch die LVA und der unterbliebenen Beitragsleistung durch den Kläger nicht ausgeräumt würden. Die Angaben des Klägers seien auch nicht objektivierbar und stünden im Widerspruch zu den früheren Angaben des Klägers zu seiner wirtschaftlichen Lage. Das BSG habe auch darauf hingewiesen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass es gerechtfertigt sein könnte, die materielle Beweislast für die Ursächlichkeit auf die Beklagte zu verlagern.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.02.1996 und den Bescheid der Beklagten vom 13.02.1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17.07.1995 aufzuheben und die Beklagte zur verurteilen, ihm aufgrund des Rentenantrags vom 13.10.1993 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten und die Prozessakte des SG Bayreuth vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 10.02.2003 hat die Beklagte dem Kläger ab 01.02.2003 Regelaltersrente gewährt. Die Beklagte hat weiter darauf hingewiesen, dass in vorläufiger Ausführung des berufungsgerichtlichen Urteils vom 17.06.1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gewährt wurde (für die Zeit vom 17.06.1998 bis 31.10.2000).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig.

Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich auch als begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.03.1994 (bis zum Beginn der Altersrente am 01.02.2003). Er hat die allgemeine Wartezeit für diese Rente gemäß § 44 Abs 1, 50 Abs 1 SGB VI erfüllt. Zutreffend hat die Beklagte festgestellt, dass der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit am 17.02.1994 eingetreten ist. Bis dahin ist der Kläger einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in der Türkei nachgegangen.

Mit der Annahme dieses Leistungsfalles erfüllt der Kläger auch die weiteren Voraussetzungen für eine Rentengewährung. Er kann zwar nicht das durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 eingeführte Erfordernis von 36 Pflichtbeiträgen in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalles nachweisen, denn er hat im maßgeblichen Zeitraum nur 33 Monate an Beitragszeiten in der Türkei zurückgelegt. Die Erwerbsunfähigkeit ist auch nicht aufgrund eines Tatbestandes eingetreten, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig als erfüllt gilt.

Die besonderen versicherungsrechtlichen Zugangsvoraussetzungen für die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sind jedoch aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches als erfüllt anzusehen. Das BSG hat im Urteil vom 05.04.2000 die übrigen Voraussetzungen für das Vorliegen eines Herstellungsanspruches als gegeben angesehen, hat jedoch noch Ermittlungen darüber für erforderlich gehalten, ob der Kläger bei richtiger Beratung die erforderlichen Beiträge während seines Aufenthalts in Deutschland und danach in der Türkei auch entrichtet hätte. Zur Beantwortung dieser Kausalitätsfrage war noch zu prüfen, ob der Kläger bei zutreffender Beratung bereit und in der Lage gewesen wäre, für die Zeit von Januar bis Juni 1985 und danach bis zur Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäfigung in der Türkei im Mai 1991 - soweit nicht andere Anwartschaftserhaltungszeiten gegeben waren - fortlaufend freiwillige Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten.

Hierzu hat die Befragung des Klägers ergeben, dass dieser bei entsprechender Beratung (durch die Beklagte oder einen anderen Leistungsträger) bereit und auch in der Lage gewesen wäre, die erforderlichen freiwilligen Beiträge für die vorgenannten Zeiten zu entrichten. Die Voraussetzungen für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs sind als erfüllt anzusehen.

Zur Frage der Bereitwilligkeit hat der Kläger auf Anfrage mitgeteilt, dass er nach entsprechender Aufklärung vor seinem Wegzug aus Deutschland oder auch danach noch von der Möglichkeit der freiwilligen Beitragsentrichtung Gebrauch gemacht hätte, da er sich auf jeden Fall den "Mindestschutz" aus der deutschen Sozialversicherung erhalten wollte. Die Erhaltung der Rentenanwartschaft durch freiwillige Beiträge wäre für den Kläger eine durchaus zweckmäßige Gestaltungsmöglichkeit gewesen, da er einen Großteil seines Arbeitslebens in Deutschland verbracht und auch bereits Rente aus der deutschen Versicherung bezogen hatte. Dass sich der Kläger selbst für erwerbsunfähig gehalten hat (über den Dezember 1984 hinaus), beweist sein Weitergewährungsantrag und das durchgeführte sozialgerichtliche Verfahren, das im Jahre 1988 beendet war. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger mit dem Zuwarten auf die Altersrente ab vollendetem 65. Lebensjahr zufrieden gegeben hätte. Von der hier zweckmäßigen Entrichtung freiwilliger Beiträge ab 1985 war der Kläger aber schon allein wegen fehlender Beratung ausgeschlossen, so dass es auf andere Überlegungen, die an der Bereitwilligkeit zur Beitragsleistung Zweifel aufkommen lassen könnten, nicht entscheidend ankommt.

Nach der Überzeugung des Senats wäre der Kläger auch finanziell in der Lage gewesen, freiwillige Beiträge im erforderlichen Umfang zu leisten. Der Kläger hat auf gerichtliche Anfrage erklärt, dass er nach der Rückkehr in die Türkei einige kleinere Ersparnisse hatte und dass er damals auch noch Eigentümer zweier Häuser war, die er dann später verkaufen musste. Es kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, wann der Verkauf der Immobilien erfolgt ist; denn entweder hätten ihm die Sachwerte (als Grundlage für eine Beleihung) oder der Kaufpreis zur Verfügung gestanden, um die notwendigen Beiträge zu leisten. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Kläger im Mai 1991 in der Türkei wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und daraus Einkommen - in unbekannter Höhe - bezogen hat. Für den Senat erscheint es insgesamt plausibel und überzeugend, dass der Kläger auch nach der Rückkehr in die Türkei über einen finanziellen Rückhalt verfügte, der sich aus (möglicherweise noch in Deutschland erworbenen) Ersparnissen, den Wert zweier Hausgrundstücke in der Türkei und dem Einkommen aus der späteren Erwerbstätigkeit zusammensetzte. Auch wenn es weiterhin dem Kläger obliegt, seine finanziellen Möglichkeiten für die Entrichtung von Beiträgen nach Deutschland aufzuzeigen, dürfen an den Nachweis keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Das BSG hat im Urteil vom 05.04.2000 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dem Kläger alle Möglichkeiten der Mittelbeschaffung, also auch etwa durch ein Darlehen oder durch familiäre Unterstützung, zugestanden werden müssen.

Der Senat ist demnach überzeugt, dass der Kläger willens und in der Lage gewesen wäre, die notwendigen freiwilligen Beiträge zur deutschen Versicherung zu entrichten.

Da es für die Anwendung von § 241 Abs 2 Satz 2 SGB VI allein darauf ankommt, ob der Kläger aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zu stellen ist, als ob er die fehlenden Beiträge noch zahlen dürfte, bedarf es vorliegend der tatsächlichen Beitragsentrichtung nicht. Der Kläger erfüllt demnach alle Voraussetzungen für eine Rentengewährung wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 01.03.1994 bis zum 31.01.2003. Nur klarstellend soll darauf hingewiesen werden, dass dieser Rentenanspruch durch die von der Beklagten gezahlte "Urteilsrente" teilweise erfüllt ist und dass dem Kläger neben den Bezug der Altersrente eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht weiter zusteht.

Da der Berufung des Klägers stattzugeben war, hat die Beklagte diesem die außergerichtlichen Kosten sämtlicher Rechtszüge zu erstatten.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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