L 3 U 126/99 ZVW

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 24 U 610/88
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 126/99 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.11.1995 aufgehoben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin fordert von der Beklagten die Rückzahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Beiträge, die die Klägerin als rechtsgrundlos geleistet betrachtet, ergeben in den Jahren von 1975 bis 1985 - einschließlich der von der Vorgängerin und späteren Komplementärin der Klägerin, der B. GmbH, gezahlten Beiträge - eine Summe von insgesamt DM 365.136,01. Im vorliegenden Verfahren fordert die Klägerin von der Beklagten jedoch nur noch die Erstattung der von ihr selbst seit 1981 gezahlten Beiträge, die sich nach den Berechnungen der Klägerin - und ohne Berücksichtigung der von Seiten ihrer Vorgängerin erbrachten Beitragszahlungen - auf DM 215.717,60 belaufen. Diesen Beiträgen lag in der Zeit bis Ende 1983 ein Versicherungsverhältnis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zugrunde; in der Zeit vom 01.01.1984 bis 30.04.1984 bestand insoweit ein Versicherungsverhältnis im Sinne einer Formalversicherung (vgl. Urteil des BSG vom 02.02.1999 in diesem Rechtsstreit - B 2 U 3/98 R). Schon mit Bescheid vom 09.03.1976 hatte die Beklagte der Firma B. GmbH - der Vorgängerin und späteren Komplementärin der Klägerin - die Aufnahme in ihr Unternehmerverzeichnis mitgeteilt und den Beginn der Mitgliedschaft auf den 01.09.1975 festgesetzt. Am 11.06.1976 erhielt die Beklagte eine Mitteilung über einen tödlichen Arbeitsunfall eines jugoslawischen Arbeitnehmers der B. GmbH auf einer Baustelle in der DDR; dabei war auf dem verwendeten Formular zur Meldung an die Beklagte nur ein Wohnort des Verunglückten in Jugoslawien vermerkt; ob er auch in der Bundesrepublik Deutschland einen Wohnsitz gehabt habe, war darin als fraglich bezeichnet worden.

In der Beitragsakte der Beklagten sind als jugoslawische Arbeitnehmer der Klagepartei, die in deren Diensten einen Unfall erlitten haben, bei jeweils ausdrücklicher Nennung eines Unfallaktenzeichens und des Unfalltages u.a. aufgeführt: V. I., am 21.04.1981 B. A., am 13.06.1981 B. B., am 20.05.1982 R. B., am 08.07.1982 B. I., am 26.07.1982 D. U., am 29.09.1982 B. I., am 08.10.1982 S. S., am 22.08.1982 E. O., am 17.10.1983 T. S., am 21.06.1983 K. O., am 15.02.1984.

In dieser Zeit führten die B. GmbH und die Beklagte wegen der Frage der Versicherungspflicht solcher Arbeitnehmer längere Korrespondenz. Mit Schreiben vom 15.06.1984 bat die Klägerin die Beklagte schließlich um "genaue Überprüfung" der Beitragspflicht, nachdem bei ihr infolge einer Mitteilung durch die AOK Bedenken aufgetreten seien, da nur Arbeiten in der DDR ausgeführt würden. Mit Schreiben vom 21.08.1984 teilte die Klägerin sodann mit, auf der Grundlage der Ergebnisse einer eingehenden Besprechung mit einem Vertreter der AOK sei davon auszugehen, dass die Beschäftigten der Klägerin nicht der gesetzlichen Sozialversicherung angehören könnten, weil sie keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland hätten; die Einstellung werde jeweils direkt von der Baustellenleitung vorgenommen; die Beschäftigten kämen direkt aus Jugoslawien über Staaten des Ostblocks auf die Baustellen der Klägerin in der DDR; in dem Büro der Klägerin in München werde lediglich die Abrechnung vorgenommen. Mit Aktenvermerk vom 26.10.1984 hielt die Beklagte fest, dass die Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland nur eine kaufmännische Angestellte und eine Reinigungskraft beschäftige; die übrigen - in der DDR tätigen - Arbeitnehmer seien bis auf wenige Ausnahmen aus Jugoslawien gekommen und direkt in Jugoslawien eingestellt worden. Zum Ablauf des Monats April hatte die Klägerin schließlich der Beklagten erklärt, die Zahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung einstellen zu wollen. Zugleich hatte sie für die Zeit ab 01.05.1984 durch einen privatrechtlichen Abschluss von Versicherungsverträgen für ihre in der DDR tätigen Beschäftigten Versicherungsschutz geschaffen. Mit Schreiben ihres Steuerberaters vom 20.12.1984 an die AOK stellte die Klägerin einen Antrag auf Beitragserstattung für alle Zweige der Sozialversicherung für den Fall, dass nicht in allen Zweigen der Sozialversicherung ein gültiges Versicherungsverhältnis angenommen werde. Mit Beitragsbescheid vom 03.06.1985 forderte die Beklagte gleichwohl noch ausstehende Beiträge für die Zeit bis zum 30.04.1984 in Höhe von DM 25.280,00 zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von DM 910,00. Mit Schreiben vom 24.11.1986 beanstandete die Klägerin gegenüber der Beklagten die Belastung mit Beiträgen in den Jahren seit 1975. Mit Schreiben vom 12.12.1986 beantragte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Rückzahlung ihrer Beiträge. Mit Schreiben vom 02.04.1987 forderte die Klägerin von der Beklagten nochmals ausdrücklich die Rückzahlung der von ihr geleisteten Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung. Mit Schreiben vom 13.10.1987 erwiderte die Beklagte, sie könne für den Zeitraum vor dem 30.04.1984 Beiträge nicht erstatten, da sie bis zu diesem Zeitpunkt auch Leistungen erbracht habe.

Mit Schreiben vom 21.10.1987 erhob der spätere Prozeßbevollmächtigte der Klägerin gegen diese Erklärung der Beklagten in deren Schreiben vom 13.10.1987 Widerspruch; hilfsweise erbat er einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid. Dem Standpunkt der Beklagten, dass sie bis zum 30.04.1984 auch Leistungen erbracht habe, könne so nicht gefolgt werden, denn insgesamt seien 464 Personen in die Beitragspflicht einbezogen gewesen, die Beklagte hätte Leistungen jedoch nur für fünf in der DDR beschäftigte Personen erbracht, Arbeitsunfälle hätte es dort überhaupt nur neun gegeben.

Mit Bescheid vom 09.03.1988 stellte die Beklagte fest, dass das Unternehmen der Klägerin erloschen sei und dass deshalb ab 01.01.1988 keine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung mehr bestehe. Mit Bescheid vom 27.09.1988 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 13.10.1987 zurück; es sei für den fraglichen Zeitraum wirksam Versicherungsschutz begründet worden; jedenfalls habe eine sogenannte "Formalversicherung" bestanden, weshalb die Beiträge schon deshalb nicht zu Unrecht entrichtet worden seien; schließlich seien auch Versicherungsleistungen erbracht worden, so dass auch dadurch die Rückzahlungspflicht ausgeschlossen werde.

Hiergegen reichte die Klägerin beim Sozialgericht München am 30.06.1988 Klage ein mit den Anträgen, den Bescheid der Beklagten vom 13.10.1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.1988 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, auch die Beitragsbescheide aus den Jahren 1982 bis 1986 aufzuheben und die von der Klägerin für die Jahre 1981 bis 1984 für die nicht versicherungspflichtigen Arbeitnehmer geleisteten Beiträge zu erstatten.

Aus den seitens der Beklagten dem Erstgericht zur Verfügung gestellten Unterlagen ist u.a. zu ersehen, dass der Arbeitnehmer O. E. am 17.10.1983 auf der Baustelle eine Bänderverletzung erlitten und deswegen ärztliche Behandlung in Anspruch genommen hatte; der Arbeitnehmer S. T. war laut Unfallanzeige auf der Baustelle am 21.06.1983 von der Leiter gefallen und infolgedessen wegen einer Verschlimmerung seiner Beschwerden ab 07.07.1983 krank geschrieben. Einen am 04.04.1995 vor dem Sozialgericht München abgeschlossenen Vergleich mit dem Inhalt, dass die Beklagte der Klägerin und der Firma B. GmbH die geleisteten Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung erstatte nach Aufrechnung der Leistungen, die die Beklagte für Arbeitsunfälle in den beiden Unternehmen bis 31.12.1992 gewährt habe, widerrief die Klagepartei; die Beträge, die die Beklagte für von ihr aufgebrachte Versicherungsleistungen ansetzen wolle, erschienen viel zu hoch.

Die Beklagte erklärte demgegenüber, in der von der Klägerin geforderten Summe seien auch Beiträge für in der Bundesrepublik Deutschland tätig gewesene Arbeitnehmer enthalten. Zudem habe sie für Arbeitsunfälle im Betrieb der Klägerin und von deren Vorgängerin in der Zeit bis 31.12.1992 insgesamt an gesetzlichen Versicherungsleistungen DM 399.017,41 aufgewendet und nicht nur rund DM 50.000,00, wie die Klägerin behaupte; an Beiträgen seien in den Jahren bis 1981 durch die Firma B. GmbH an die Beklagte insgesamt DM 291.853,67 gezahlt worden, in den Jahren von 1981 bis 1986 durch die Klägerin weitere DM 229.928,81.

Die Klägerin beharrte in diesem Zusammenhang jedoch darauf, dass die Firma B. GmbH an Beiträgen für direkt angeworbene und in der DDR beschäftigte Arbeitnehmer bis einschließlich 1980 an die Beklagte DM 145.268,41 und die Klägerin selbst seit 1980 weitere DM 219.867,60 gezahlt hätten; für den Vierjahreszeitraum von 1981 bis 1984 ergeben sich insoweit aus dem Vortrag der Klägerin wie dargelegt Beitragsleistungen in Höhe von DM 215.717,60. Zusammen sei - so der Vortrag der Klagepartei - eine rechtsgrundlose Beitragsleistung von insgesamt DM 365.136,01 erfolgt. Die Firma B. GmbH habe die Klägerin dazu ermächtigt, ihre Erstattungsansprüche gegenüber der Beklagten im Wege einer Prozessstandschaft geltend zu machen; hilfsweise seien diese Ansprüche an die Klägerin auch abgetreten.

Gegen dieses Vorgehen wandte die Beklagte ein, dass es insoweit bereits an einem Bescheid und an dem erforderlichen Vorverfahren fehle.

Das Sozialgericht lud die AOK Bayern zum Verfahren bei.

Mit Urteil vom 14.11.1995 gab das Sozialgericht unter Abänderung der zugrundeliegenden Bescheide dem Grunde nach der Klage statt, soweit damit Beiträge für die nicht versicherungspflichtigen Arbeitnehmer aus den Jahren 1981 bis 1985 zurückgefordert werden; die Beitragsbescheide seien rechtswidrig gewesen, da bei den ohne Inlandsberührung eingesetzten Arbeitnehmern keine Versicherungspflicht bestanden habe; dem Erstattungsanspruch stehe auch die Ausschlussklausel des § 26 Abs.2 1. Halbsatz SGB IV nicht entgegen, weil diese im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht angewendet werden könne.

Hiergegen wandte sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Zur Begründung trug sie vor, der die Versicherungs- und Beitragspflicht bis 30.04.1984 regelnde Bescheid vom 03.06.1985 sei nicht angefochten worden und somit rechtsverbindlich geworden; außerdem habe die Beklagte mit ihrem Verhalten nur dem Geist des § 762 Abs.2 RVO Rechnung getragen; auch begründe eine bloße Formalversicherung ein vollwertiges Versicherungsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten einschließlich der Pflicht zur Beitragszahlung.

Einen am 23.10.1997 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich, wonach die Beklagte zur Abgeltung sämtlicher Beitragserstattungsansprüche bis einschließlich 1984 an die Klägerin DM 152.000,00 zu zahlen habe, widerrief die Klägerin.

Mit Urteil vom 16.12.1997 wies der Senat die Berufung zurück und ließ die Revision zu. Zur Begründung war ausgeführt, die in den Jahren 1982 bis 1985 erlassenen Bescheide seien wegen fehlender Versicherungspflicht der unmittelbar in der DDR eingesetzten Arbeitnehmer der Klägerin rechtswidrig gewesen und ebenso wie der Bescheid vom 13.10. 1987 und der Widerspruchsbescheid vom 27.09.1988 gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X aufzuheben. Der Erstattungsanspruch scheitere auch nicht an der Ausschlussregelung des § 26 Abs. 2 SGB IV, da diese auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sei. Eine Begrenzung der Erstattungspflicht bestehe hier nur über die vierjährige Verjährungsfrist des § 27 Abs. 2 SGB IV, die vorliegend aber wegen der Begrenzung des Erstattungsbegehrens auf Beiträge ab dem Jahre 1981 eingehalten sei.

Mit Urteil vom 02.02.1999 (B 2 U 3/98 R) hat das BSG das Urteil des Senats vom 16.12.1997 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurück verwiesen. Ob und in welchem Umfang die Beitragsbescheide der Beklagten für den Zeitraum vom 06.04.1981 bis zum 30.04.1984 im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X unrechtmäßig seien und der Klägerin ein Erstattungsanspruch nach § 26 Abs. 2 1. Halbsatz SGB IV zustehe, sei anhand des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts nicht abschließend zu entscheiden gewesen. Zwar hätten die ohne Inlandsberührung in der ehemaligen DDR beschäftigten Mitarbeiter der Klägerin wegen § 3 Nr. 1 SGB IV nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung der Bundesrepublik Deutschland unterlegen (§ 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO); zumindest in der Zeit bis Dezember 1983 habe für die in der ehemaligen DDR beschäftigten Arbeitnehmer der Klägerin auch keine sog. Formalversicherung bestanden; dies sei nur anzunehmen für den Zeitraum vom 01.01.1984 bis 30.04.1984. Was die Pflicht zur Erstattung von Beiträgen angeht, so ergebe sich diese grundsätzlich aus § 26 Abs. 2 1. Halbsatz SGB IV; etwas anderes könne nur gelten, wenn der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht erstattet worden sind, Leistungen erbracht habe oder zu erbringen habe. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts habe die Beklagte im hier streitigen Beitragszeitraum aufgrund von Arbeitsunfällen Versicherungsleistungen für einige der nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherungspflichtigen Arbeitnehmer der Klägerin erbracht. Dementsprechend sei im Sinne des § 26 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alternative SGB IV der Erstattungsanspruch der Klägerin betreffend die zu Unrecht entrichteten Beiträge für den Zeitraum zunächst für die Zeit von 1981 bis 1983 ausgeschlossen, soweit aufgrund eines oder mehrerer Versicherungsfälle in diesem Beitragszeitraum Leistungen erbracht worden seien. Diese sogenannte zweite Verfallklausel des § 26 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alternative SGB IV sei auch in der gesetzlichen Unfallversicherung anzuwenden. Die Regelung des § 26 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alternative SGB IV habe den Zweck, bei einer Fehlversicherung ein Versicherungsverhältnis zu fingieren, wenn der Versicherungsträger Leistungen erbracht habe. Ein in dieser Weise Versicherter solle sich, wenn er die Leistungen in Anspruch genommen habe, nicht auf der Beitragsseite so verhalten können, als habe eine Mitgliedschaft nicht vorgelegen, um so mit einem auf die vollen Beiträge gerichteten Erstattungsanspruch jede finanzielle Beteiligung an den Aufwendungen der Versichertengemeinschaft rückgängig zu machen. Dieser Gedanke habe als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben in der gesetzlichen Regelung seinen Niederschlag gefunden. Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung komme somit als faktisch Versicherter und Beitragszahler im Sinne des § 26 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alternative SGB IV nur der Unternehmer in Betracht. Er werde aufgrund der Beitragsleistung gegenüber seinen versicherungspflichtig Beschäftigten von der Unternehmerhaftpflicht befreit. Nichts anderes geschehe in tatsächlichem Sinne bei einem fingierten Versicherungsverhältnis. Für den Beitragszeitraum sei der Unternehmer entweder wegen der Leistungserbringung durch die Berufsgenossenschaft von seiner Haftung gegenüber den betroffenen Beschäftigten befreit worden oder das Haftungsrisiko habe sich nicht realisiert. Diese faktische Freistellung vom Haftungsrisiko entspreche typischerweise einem bestehenden Versicherungsverhältnis. Ein nicht hinnehmbares Risiko einer zivilrechtlichen Haftung bestehe danach für den Unternehmer nicht; selbst wenn ein faktisches Versicherungsverhältnis nicht zum Ausschluss der Unternehmerhaftung führe, würde eine zivilrechtliche Klage mangels eines verbleibenden Schadens kaum Erfolgsaussicht haben. Es erscheine somit unbillig und widersprüchlich, wollte der Unternehmer trotz Haftungsbefreiung einen Teil oder die gesamten Beiträge eines Leistungsfalles herausverlangen. Dies sei nur möglich, wenn es an jeder Form eines Zusammenhanges zwischen den zu erstattenden Beiträgen und den erbrachten oder zu erbringenden Leistungen fehle, weil die nach Art und Höhe gleiche Leistung auch ohne die zu Unrecht entrichteten Beiträge zu gewähren gewesen wäre. Nach diesen Maßstäben könne somit für den Beitragszeitraum von 1981 bis 1983 über einen Erstattungsanspruch der Klägerin erst entschieden werden, wenn feststehe, ob die Beklagte Arbeitsunfälle der an sich nicht versicherten Beschäftigten im betreffenden Zeitraum anerkannt und hierfür ggf. durchgehend Leistungen erbracht habe. Auch für den Beitragszeitraum der Formalversicherung von Januar bis April 1984 fehlten Feststellungen des Berufungsgerichts über das Vorliegen eines entschädigungspflichtigen Versicherungsfalles sowie ggf. über die Dauer des Leistungszeitraumes. Zwar müsse eine im Rahmen einer Formalversicherung erbrachte Beitragsleistung jedenfalls gegenüber einem an sich auch zuständigen Unfallversicherungsträger grundsätzlich als zu Recht erfolgt betrachtet werden, und eine rückwirkenden Beendigung einer Formalversicherung sei grundsätzlich unzulässig. Andererseits stehe dem Unfallversicherungsträger als anderem Subjekt und Partner des formalrechtlichen Mitgliedschafts- und Versicherungsverhältnisses kein eigener Vertrauensschutz zu. Daraus folge, dass jedenfalls dann, wenn noch kein Versicherungs- und Leistungsfall eingetreten sei, das formalrechtliche Mitglied als zugleich Versicherter auf den ihm allein zustehenden Vertrauensschutz verzichten könne, um damit dem formalen Rechtsverhältnis die sachliche Rechtfertigung zu entziehen und seine rückwirkende Aufhebung zu verlangen. Auch über die Frage, ob die Klägerin für den Zeitraum von Januar bis April 1984 insoweit durch ihr Erstattungsbegehren wirksam auf ihren Vertrauensschutz verzichtet habe, könne erst entschieden werden, wenn feststehe, ob in dem genannten Zeitraum bei einem der formal versicherten Beschäftigten ein Versicherungs- und Leistungsfall eingetreten sei.

Die Beklagte hat daraufhin im Berufungsverfahren noch vorgetragen, aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts lasse sich für die beiden Zeiträume jeweils nur die gleiche Konsequenz ziehen, nämlich dass die Beiträge verfallen seien, wenn auch nur eine Versicherungsleistung im jeweiligen Zeitraum zu erbringen gewesen sei. Nachweislich seien sowohl im Zeitraum von 1981 bis 1983 als auch im Jahre 1984 Leistungen aus in diesen Jahren eingetretenen Versicherungsfällen erbracht worden. Beispielhaft hat die Beklagte insoweit noch vorgetragen, für den am 21.04.1981 verunglückten Arbeitnehmer I. V. sei ein Betrag von ca. DM 3.000,00 gezahlt worden, und für den am 08.07. 1982 tödlich verunglückten Arbeitnehmer R. bzw. an dessen Hinterbliebene sei ein Betrag von rund DM 300.000,00 gezahlt worden.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts München abzuweisen.

Demgegenüber beantragt die Klägerin, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt.

Die Klägerin hat noch vorgetragen, das versicherte Risiko in der gesetzlichen Unfallversicherung sei nicht der Betrieb. Versichert sei das Risiko, dass der Unternehmer gegenüber jedem einzelnen Arbeitnehmer haftpflichtig werde, der einen Ar- beitsunfall erleide. Deshalb sei auch die Unfallversicherung eine personenbezogene Versicherung, auch wenn die Beiträge aufgrund der Gesamtlohnsumme des Unternehmens erhoben würden. Denn bei diesem Erhebungsmodus handle es sich nur um eine verwaltungstechnische Vereinfachung, die aber am Rechtscharakter und an der Funktion der Unfallversicherung nichts ändere. Der Unternehmer sei zwar der Versicherungsnehmer, das versicherte Risiko stellten aber jeweils die einzelnen Arbeitnehmer dar. Ein Unternehmer versichere somit eine Vielzahl von Risiken, näm- lich die Unfallrisiken aller seiner versicherungspflichtigen oder formalversicherten Beschäftigten. Der Versicherungscharakter der gesetzlichen Unfallversicherung nötige nicht dazu, für jeden Unternehmer als Versicherungsnehmer von einem einheit- lichen Risiko auszugehen. Eine Versicherung, in der das Unternehmen als solches das Risiko darstelle, wäre beispielsweise eine Versicherung gegen die Unternehmerhaftpflicht bei Wasser- schäden nach dem Wasserhaushaltsgesetz oder für das Betriebsrisiko eines Kernkraftwerks, wie sie nach dem Atomgesetz vorgeschrieben ist. In derartigen Fällen werde das von dem Betrieb als solchem als einer einheitlichen Gefahrenquelle ausgehende Risiko versichert. Dieses Risiko sei als solches nicht aufteilbar, während das in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherte Risiko nur eine Bündelung von Einzelrisiken, nämlich der Unfallrisiken der einzelnen Arbeitnehmer des Unternehmens darstelle. Die Anwendbarkeit und Reichweite der Verfallklausel des § 26 Abs. 2 SGB IV könne nicht von der Art der Beitragserhebung abhängen. Außerdem werde auch in der Unfallversicherung das versicherungspflichtige Entgelt für jeden einzelnen Arbeit- nehmer ermittelt. Da es sich bei den hier streitbefangenen faktischen Versicherungsverhältnissen und Formalversicherungsverhältnissen um im Gedanken des Vertrauensschutzes begründete Tatbestände handle, könne die Reichweite dieses Vertrauensschutzes nicht davon abhängig sein, wie der Gesetzgeber den Modus der Beitragserhebung ausgestalte. Es müsse also für die Beurteilung der hier zu entscheidenden Frage auf die einzelnen Beschäftigungsverhältnisse abgestellt werden, sowie darauf, ob jeweils in dem betreffenden Beschäftigungsverhältnis ein Arbeitsunfall eingetreten sei oder nicht; nur in dieser Vorgehensweise spiegele sich die grundsätzlich anzunehmende Personenbezogenheit des einzelnen Risikos wider. Es sei somit davon auszugehen, dass Beiträge nach § 26 Abs. 2 SGB IV nur dann ver- fallen seien, wenn für den jeweiligen Bemessungszeitraum aus dem zugrundeliegenden Beschäftigungsverhältnis Versicherungsleistungen erbracht worden seien.

Im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts sowie auf die zwischenzeitlich ergangenen Entscheidungen II. und III. Instanz und die dazu gehörenden Gerichtsakten, sowie auf die in diesen Entscheidungen genannten Beweismittel Be- zug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das Ersturteil ist zu beanstanden. Die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten sind zu Recht ergangen. Die Beklagte hat der Klägerin keine Beiträge zu erstatten. Denn einem Erstattungsanspruch steht die Ausschlussklausel des § 26 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alternative SGB IV entgegen.

Nach dieser Vorschrift sind zu Unrecht geleistete Beiträge u.a. dann nicht zu erstatten, wenn der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht hat. Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie sowohl in der Zeit von 1981 bis 1983 als auch von Januar bis April 1984 aus Arbeitsunfällen, die sich auf Arbeitnehmer der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin beziehen, aus deren Ver- sicherungspflicht die streitbefangenen Beiträge resultieren, Versicherungsleistungen erbracht hat. Dieser Vortrag wird durch in den Akten der Beklagten enthaltenen Aufzeichnungen bestätigt, sodass der Senat keinen Anlass sieht, anderen Richtigkeit zu zweifeln.

Damit ist die Ausschlussklausel des § 26 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alternative SGB IV erfüllt; ein Erstattungsanspruch ist entfallen.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass hier differenziert werden müsse nach den einzelnen Arbeitnehmern, auf die sich die Beitragsleistung beziehe, und gefragt werden müsse, ob jeder einzelne dieser Arbeitnehmer in den Genuss von Versicherungsleistungen gekommen sei; dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Wegfall des Erstattungsanspruchs beim Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen nicht pauschal für jeweils ein ganzes Kalenderjahr eintrete, sondern dass dies für jeden Monat gesondert geprüft werden müsse.

Was die Forderung einer Differenzierung nach Versicherungsverhältnissen einzelner Arbeitnehmer angeht, so steht diese im Widerspruch zu der Auslegung des § 26 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alternative SGB IV in der Auslegung durch das BSG in seiner Entscheidung vom 02.02.1999. Denn danach ist die sogenannte zweite Verfallklausel des § 26 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alternative SGB IV grundsätzlich auch in der gesetzlichen Unfallversicherung anzuwenden. Die Regelung des § 26 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alternative SGB IV hat den Zweck, bei einer Fehlversicherung ein Versicherungsverhältnis zu fingieren, wenn der Versicherungsträger Leistungen erbracht hat. Ein so Versicherter soll sich, wenn er die Leistungen in Anspruch genommen hat, nicht auf der Beitragsseite so verhalten können, als habe eine Mitgliedschaft nicht vorgelegen, um so mit einem auf die vollen Beiträge gerichteten Erstattungsanspruch jede finanziellen Beteiligung an den Aufwendungen der Versichertengemeinschaft rückgängig zu machen. Dieser Gedanke hat als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben in der gesetzlichen Regelung seinen Niederschlag gefunden. Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung kommt somit als faktisch Versicherter und Beitragszahler im Sinne des § 26 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alternative SGB IV nur der Unternehmer in Betracht. Er wird aufgrund der Beitragsleistung gegenüber seinen versicherungspflichtig Beschäftigten von der Unternehmerhaftpflicht befreit. Nichts anderes geschieht in tatsächlichem Sinne bei einem fingierten Versicherungsverhältnis. Für den Beitragszeitraum ist der Unternehmer entweder wegen der Leistungserbringung durch die Berufsgenossenschaft von seiner Haftung gegenüber den betroffenen Beschäftigten befreit worden oder das Haftungsrisiko hat sich nicht realisiert. Diese faktische Freistellung vom Haftungsrisiko entspricht typischerweise einem bestehenden Versicherungsverhältnis. Ein nicht hinnehmbares Risiko einer zivilrechtlichen Haftung besteht danach für den Unternehmer nicht. Auch Ansatzpunkte für eine Differenzierung nach den einzelnen Arbeitnehmern ergeben sich vor diesem Hintergrund nicht.

Auch eine Berechnung nach Monaten anstatt nach Jahren kommt nicht in Betracht. Denn die Berechnung und Erhebung der Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung erfolgt jährlich (§§ 741, 745 RVO), folglich ist auch der im Sinne des § 26 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alternative SGB IV maßgebende Zeitraum, aus dessen Beiträgen Versicherungsleistungen erbracht sein müssen, hier der Zeitraum von jeweils einem Kalenderjahr.

Es kann auch dahingestellt bleiben, ob für die Anwendung der Verfallklausel des § 26 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alternative SGB IV die Erbringung von Leistungen im jeweiligen Beitragsjahr genügt, oder ob gefordert werden muss, dass in jedem Beitrags- jahr auch ein zu Leistungen der Beklagten führender Versicherungsfall eingetreten ist. Denn aus den Unterlagen der Beklagten ergibt sich, dass in der Tat in jedem der hier zu beurteilenden Jahre wenigstens ein Versicherungsfall eingetreten ist. Dies gilt nach der Überzeugung des Senats nicht nur für die Jahre 1981 bis 1983, in denen jeweils beträchtliche und damit offensichtlich anspruchsbegründende Unfallfolgen dokumentiert sind, sondern auch für das Jahr 1984, in dem ebenfalls ein Unfall (K. O.) verzeichnet ist, ohne dass im einzelnen erkennbar wäre, welche Folgen dieser Unfall gehabt hat. Denn nachdem die Beklagte auch in diesem Fall offensichtlich tätig geworden war, ist auch in diesem Fall das Bestehen des Versicherungsverhältnisses zwischen den Parteien realisiert worden.

Schließlich kann sich die Klagepartei auch nicht auf die Überlegung berufen, der Berufung der Beklagten auf die sogenannte zweite Verfallklausel des § 26 Abs. 2 1. Halbsatz 2. Alternative SGB IV sei hier wegen eines unerträglichen Missverhältnis- ses zwischen dem Umfang der vorenthaltenen Beiträge und den erbrachten Leistungen unzulässig. Ob und nach welchen Maßstäben in einem solchen Zusammenhang überhaupt von einer treuwidrigen Vorenthaltung an sich nicht geschuldeter Versicherungsbeiträge gesprochen werden kann, braucht an dieser Stelle nicht weiter geklärt zu werden. Denn die von der Beklagten genannten Beträge schließen die Berechtigung eines solchen Gegeneinwandes bereits aus, und auch die von Klageseite im Laufe des Verfahrens in diesem Kontext eingeräumten DM 50.000,00 würden zum gleichen Ergebnis führen, selbst wenn sie sich auf den gesamten dieser Auseinandersetzung zugrunde liegenden Zeitraum beziehen würden und nicht nur auf die streitgegenständlichen knapp vier Jahre.

Die Kostenentscheidung beruht auf dem Ergebnis des Verfahrens und ergeht im Rahmen des § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 SGG besteht nun nicht mehr.
Rechtskraft
Aus
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