L 6 R 57/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 928/01 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 57/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger, der 1942 geboren und Staatsangehöriger der Republik Bosnien und Herzegowina ist, hat in seiner Heimat den Beruf eines Maschinentischlers erlernt und dort zunächst vom 02.06.1957 bis 26.05.1966 versicherungspflichtig gearbeitet. In der Bundesrepublik Deutschland hat er den erlernten Beruf im Rahmen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Zeitraum 13.06.66 bis 08.06.1977 ausgeübt. Nach seiner Rückkehr aus Deutschland in sein Heimatland war er ab 17.10.1977 bis 10.10. 1986 als Taxifahrer tätig. Seit 11.10.1986 bezieht er in seiner Heimat Invalidenrente.

Einen ersten auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit gerichteten Antrag des Klägers vom 08.07.1986 hat die Beklagte abgelehnt (Bescheid vom 01.10.1987). Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos. Die gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 17.01.1989 - S 4 Ar 5063/88.Ju - eingelegte Berufung wurde mit Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 13.11.1990 - L 5 Ar 441/89 - zurückgewiesen, weil nach den medizinischen Ermittlungen der Kläger nicht wenigstens berufsunfähig war.

Am 12.10.2000 stellte der Kläger einen weiteren Antrag, den die Beklagte mit Bescheid vom 01.12.2000 ablehnte. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger medizinische Unterlagen vor, woraufhin der sozialärztliche Dienst der Beklagten ausführte, das Leistungsvermögen des Klägers sei ab dem 25.07.1999 sowohl im Beruf als Tischler als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf unter zwei Stunden täglich gesunken.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Versicherte habe keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Zwar stehe nach der im Widerspruchsverfahren durchgeführten Überprüfung des Leistungsvermögens fest, dass seit dem 25.07.1999 jedenfalls Berufsunfähigkeit vorliege. Der maßgebenden Zeitraum von fünf Jahren vor der Antragstellung vom 25.07.1994 bis 24.07.1999 enthalte jedoch keine Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung. Die letzte Pflichtbeitragszeit in der Bun- desrepublik Deutschland habe am 08.06.1977 geendet. Nach den Rechtsvorschriften des Heimatlandes des Klägers lägen anrechnungsfähige Versicherungszeiten nur bis 10.10.1986 vor. Der Kläger habe zwar die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren vor dem 01.01.1984 erfüllt, es sei ab dem 01.01.1984 aber nicht jeder Kalendermonat vor Eintritt der Berufsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt; unbelegt sei der Zeitraum vom 01.11.1986 bis 30.06.1999. Die Zahlung freiwilliger Beiträge für Zeiten ab dem 01.01.1999 sei nicht mehr möglich, auch nicht unter Berücksichtigung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Zwar sei der Kläger nach Abschluss des Berufungsverfahrens vor dem Bayer. Landessozialgericht nicht konkret über die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes aufgeklärt worden. Aufgrund der finanziellen Verhältnisse sei er aber nicht in der Lage gewesen, laufend freiwillige Beiträge zur deutschen Rentenversicherung zu leisten.

Dagegen richtet sich die am 19.04.2001 erhobene Klage zum Sozialgericht Hamburg, das den Rechtsstreit an das Sozialgericht Landshut verwies. Zur Begründung führte der Kläger aus, er sei ein Pflegefall und nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Mit Urteil vom 08.12.2003 wies das Sozialgericht Landshut die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente. Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lägen nicht vor. Die Regelungen in §§ 43 Abs.1 Nr.2, § 44 Abs.1 Nr.2 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.), die die versicherungsnahe Belegungsdichte zur Begründung eines Anspruchs auf Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente forderten, seien nach höchstrichterlicher Rechtsprechung verfassungsgemäß. Nachdem zuletzt im Oktober 1986 ein Pflichtbeitrag zu der in der Heimat bezogenen Invalidenrente nachgewiesen sei, wären die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur bei Eintritt der verminderten Erwerbsfähigkeit bereits im November 1988 erfüllt. Noch im Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 13.11.1990 sei aber ein vollschichtiges Leistungsvermögen festgestellt worden. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch stünde dem Kläger nicht zu, weil der Kläger nicht in der Lage sei, freiwillige Beiträge zu leisten.

Am 02.02.2004 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm am 10.01.2004 zugestellte Urteil beim Sozialgericht Landshut ein. Zur Begründung trug er vor, dass er aufgrund seines sehr schlech- ten gesundheitlichen Zustands seit drei Jahren von seiner Ehefrau gepflegt werde, die deshalb auch nicht in der Lage sei, eine Vollzeitbeschäftigung auszuüben. Aufgrund humaner und moralischer Aspekte solle ihm wenigstens Berufsunfähigkeitsrente gezahlt werden, damit er anständige Nahrung und medizinische Versorgung erhalten könne. Der Kläger legte den neuropsychiatrischen Befundbericht des Klinischen Zentrums Serbisches S. vom 22.04.2005 mit der Feststellung von Pflege- und Hilfsbedürftigkeit des Klägers nach einem vor sechs Jahren erlittenen Schlaganfall vor.

Der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.12.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund seines Antrags vom 12.10.2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise eine Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut S 4 Ar 5063/88.Ju, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts L 5 Ar 441/89, der Akten des Sozialgerichts Landshut und des Bayer. Landessozialgerichts zu diesem Verfahren sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.12.2003 ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.2001 und des daher grundsätzlich möglichen Rentenbeginns vor dem 01.01.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen (§ 300 Abs.2 SGB VI).

Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 43 Abs.1 SGB VI a.F. bzw. § 44 Abs.1 SGB VI a.F. für einen Rentenanspruch wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sind nicht gegeben. Zwar hat die Beklagte aufgrund der im Widerspruchsverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen zutreffend ein berufliches Leistungsvermögen des Klägers von nur noch unter drei Stunden täglich festgestellt und damit die gesundheitlichen Voraussetzungen eines Rentenanspruchs nach den §§ 43 Abs.2 SGB VI a.F., 44 Abs.2 a.F. als erfüllt angesehen. Allerdings liegen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vor. Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die für die Begründung eines Rentenanspruchs erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur dann gegeben wären, wenn die Absenkung des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers bereits im November 1988 eingetreten wäre. Der Senat folgt diesbezüglich in vollem Umfang den Gründen des angefochtenen Urteils und sieht daher insofern gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Feststellung eines anspruchsbegründenden früheren Zeitpunkts für den Eintritt des reduzierten beruflichen Leistungsvermögens nicht möglich ist. Das Bayer. Landessozialgericht hat noch im Urteil vom 13.11.1990 nach Einholung von zwei Sachverständigengutachten einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bei fehlenden gesundheitlichen Voraussetzungen verneint.

Der Anspruch des Klägers auf Invalidenrente seit 11.10.1986 nach dem Recht seines Herkunftslandes vermag ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Das Bayer. Landessozialgericht hat in seinem Urteil vom 13.11.1990 darauf aufmerksam gemacht, dass der Anspruch auf eine deutsche Rente wegen Erwerbs- oder Berufs- unfähigkeit unabhängig davon allein nach den deutschen Rechtsvorschriften und entsprechend den hiesigen sozialmedizinischen Grundsätzen festzustellen ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen.

Das Sozialgericht und die Beklagte im Widerspruchsbescheid haben ausgeführt, die Beklagte habe nach Abschluss des o.g. Verfahrens vor dem Bayer. Landessozialgericht versäumt, den Kläger über die Möglichkeit aufzuklären, mit der Entrichtung freiwilliger Beiträge den Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten. Der Kläger bezieht jedoch seit 11.10.1986 Invalidenrente und lebt nach seinen Angaben zusammen mit seiner Ehefrau bei äußerst angespannten finanziellen Verhältnissen. Das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass deshalb zur Begründung eines Rentenanspruchs die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht weiterhelfen. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger seit dem Abschluss des o.g. Berufungsverfahrens zur Entrichtung freiwilliger Beiträge jemals imstande gewesen ist (vgl. BSG, Urteil vom 23.5.1996 - 13 RJ 17/95; Bayer. LSG, Urteil vom 29.11.1994 - L 5 Ar 115/94).

Dementsprechend hat der Kläger weder im Klageverfahren, noch - nach der Bestätigung der Auffassung der Beklagten durch das Sozialgericht - im Berufungsverfahren in irgend einer Weise eine Bereitschaft zur Entrichtung freiwilliger Beiträge zu erkennen gegeben.

Nach den ab 01.01.2001 geltenden §§ 43, 240 SGB VI hat der Kläger auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, denn das ab diesem Zeitpunkt maßgebende Recht weicht bezüglich der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht von den vorher geltenden Bestimmungen ab.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.12.2003 war somit zurückzuweisen.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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