L 4 B 125/05 KR

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 41/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 B 125/05 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 15. März 2005 wird aufgehoben.
II. Der Kostenansatz vom 1. Juli 2004 wird aufgehoben.

Gründe:

I.

Der Kläger, ein Krankenhausträger, erhob am 28.2.2000 beim Sozialgericht Bayreuth (SG) Klage gegen die Deutsche Angestelltenkrankenkasse (DAK) auf Zahlung von 6.986,90 Euro zuzüglich Zinsen für restliche Kosten stationärer Behandlungen für acht Versicherte der Krankenkasse. Am 27.01.2004 ordnete das SG mit Einverständnis der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens an im Hinblick auf vergleichbare, beim Bayerischen Landessozialgericht anhängige Fälle.

Der Klägerbevollmächtigte teilte am 13.05.2004 mit, dass die Beklagte aufgrund einer außergerichtlichen Einigung den Einigungsbetrag nebst Zinsen und Kosten bezahlt hat. Er hat den Rechtsstreit in vollem Umfange für erledigt erklärt.

Das SG hat mit Beschluss vom 28.05.2004 den Streitwert auf 6.996,80 Euro festgesetzt und mit Beschluss vom 24.01.2005 entschieden, dass der Kläger die Gerichtskosten trägt.

Bereits am 01.07.2004 waren vom SG die Gerichtskosten mit 151,00 Euro festgesetzt worden. Der Klägerbevollmächtigte legte hiergegen am 06.07.2004 Erinnerung ein. Der Gebührenansatz Nr.4110 des Kostenverzeichnisses in Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (Verfahren im allgemeinen) entfalle bei Zurücknahme der Klage vor Ablauf des Tages, an dem ein Beweisbeschluss, die Anordnung einer Beweiserhebung oder ein Gerichtsbescheid unterschrieben ist und früher als eine Woche vor Beginn des Tages, der für die mündliche Verhandlung vorgesehen war. Die Klage sei mit Schriftsatz vom 11.05.2004 zurückgenommen worden und ein Beweisbeschluss oder ähnliches habe zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen, so dass die Gebühr wieder entfallen sei.

Mit dem weiteren Beschluss vom 15.03.2005 hat das SG die Erinnerung gegen den Kostenansatz im 01.07.2004 als unbegründet zurückgewiesen. Sinn und Zweck der streitigen Gebühr sei es, für den betroffenen Personenkreis ein Kostenrisiko durch die Anrufung des Gerichts und die Aufrechterhaltung eines Verfahrens zu schaffen und dadurch die Prozessflut einzudämmen. Sie solle außerdem im Interesse der Prozesswirtschaftlichkeit die Abrechnung erstinstanzlicher Prozesse vereinfachen. Beides sei bei der Auslegung mit zu beachten; die nicht allein grammatikalisch nach dem reinen Wortlaut erfolgen dürfe. Unter Berücksichtigung auch der logischen, historischen und finalen Auslegung des gesamten Gebührentatbestandes (Nr.4110) stehe ein Ruhensbeschluss der unterschrieben Anordnung jedoch einer Beweiserhebung gleich. Nach dem Sinn und Zweck solle die Gebührenschuld nur dann entfallen, wenn der Richter nicht schon seine Arbeitskraft "in den Fall investiert" hat. Es müsse daher bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit der Klagerücknahme bedacht werden, ob eine individuelle Bearbeitung gerade dieses Verfahrens durch den zuständigen Richter aktenkundig ist. Im vorliegenden Falle habe sich der zuständige Kammervorsitzende mit der Rechtslage in Sachverhalten wie dem vorliegenden eingehend befasst und sich auch über obergerichtliche bzw. höchstrichterliche Rechtsprechung informiert. Damit habe er seine Anfrage nach einem Ruhen des Verfahrens begründet. Diese mit einem richterlichen Hinweis versehene Anfrage dokumentiere die individuelle Bearbeitung der Streitsache durch den zuständigen Richter und stehe dem Wegfall der Gebührenschuld entgegen. Die Klage sei nicht mehr rechtzeitig zurückgenommen worden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägerbevollmächtigten vom 18.3.2005, Nr.4110 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz enthalte eine abschließende Regelung. Das bloße Tätigwerden des Gerichts könne nicht die Gebühr für das Verfahren im allgemeinen auslösen. Der Ruhensbeschluss sei mit einem Beweisbeschluss, mit der Anordnung einer Beweiserhebung oder einem Gerichtsbescheid nicht vergleichbar. Eine Gleichsetzung verbiete sich schon aus dem Grund, dass das Kostenrecht für die Beteiligten eines Prozesses klar und eindeutig sein müsse. Eine erweiternde Auslegung über den Wortlaut der Vorschrift dahin, dass jede schriftliche Äußerung des Gerichts die Verfahrensgebühr auslöse, sei nicht zulässig. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt:
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 05.03. 2005 wird aufgehoben.
II. Der Erinnerung vom 05.07.2004 gegen den Kostenansatz im 01.07.2004 wird abgeholfen.

Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Beigezogen wurden die Akten des SG, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Bei dem angefochtenen Beschluss handelt es sich um eine Entscheidung des Sozialgerichts über eine Erinnerung des Kostenschuldners gemäß § 5 Abs.1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) in der bis 30.06.2004 geltenden Fassung. Die Beschwerde ist statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 50,00 Euro übersteigt (§ 5 Abs.2 Satz 1 GKG a.F.).

Die Beschwerde ist begründet.

Das Sozialgericht geht zutreffend davon aus, dass gemäß § 197a Abs.1 Satz 1 SGG Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes zu erheben sind, weil weder der Kläger noch die- Personen gehören. Damit sind gemäß § 1 Abs.1 GKG (a.F.) Kosten nach dem GKG zu erheben. Gemäß § 11 Abs.1 GKG (a.F.) werden die Kosten nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben. Teil 4 der Anlage 1 regelt die Verfahren vor der Sozialgerichtsbarkeit. Nach Kostenverzeichnis Nr.4110 ist danach für Verfahren im allgemeinen eine Gebühr zu erheben. Die Entscheidung des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss, dass diese Gebühr nicht entfalle, ist jedoch unzutreffend. Nach der ebenfalls im Kostenverzeichnis Nr.4110 getroffenen Regelung entfällt die Gebühr bei Rücknahme der Klage vor Ablauf des Tages, an dem ein Beweisbeschluss, die Anordnung einer Beweiserhebung oder ein Gerichtsbescheid unterschrieben ist und früher als eine Woche vor Beginn des Tages, der für die mündliche Verhandlung vorgesehen war. Dieser eindeutige Wortlaut ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht in der Richtung auszulegen oder auszudehnen, dass jede aktenmäßig dokumentierte Tätigkeit des Richters den Wegfall der Gebühr verhindert. Bei einem eindeutigem Wortlaut einer Norm besteht keine Möglichkeit, gegen diesen Wortlaut den Bürger unter Berufung auf einen mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers zusätzlich zu belasten. Gerade bei derartigen Kostensachen muss für den Prozessführenden Klarheit herrschen. Diese ist aber nicht gewährleistet, wenn nicht exakt geregelt ist, welche Tatbestände Kostenfreiheit noch erhalten bzw. bei welchen diese entfällt. Gerade weil im Kostenverzeichnis Nr.4110 eine begrenzte Anzahl einzelner, jeweils für sich leicht bestimmbarer Tatbestände aufgeführt ist, ist es ausgeschlossen, weitere Tatbestände hinzuzufügen (so auch Beschluss des Senats vom 18.04.2005 - L 4 B 607/04 KR).

Nach dem ab 01.07.2004 geltenden Recht lässt sich entnehmen, dass es nicht dem Willen des Gesetzgebers entspricht, dass eine Klagerücknahme keine Auswirkung auf die Gerichtskosten hat, wenn richterliche Arbeitszeit (aktenkundig) investiert wurde. Nach neuem Recht sind Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit in Teil 7 des Kostenverzeichnisses zum GKG geregelt. Nach dessen Nr.7111 ermäßigt sich der dreifache Gebührenansatz für Verfahren im allgemeinen (Nr.7110) auf den einfachen Satz, wenn die Klage vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung, oder wenn eine solche nicht stattfindet, vor dem Ablauf des Tages, an dem das Urteil oder der Gerichtsbescheid der Geschäftsstelle übermittelt wird, zurückgenommen wird. Die Ermäßigung soll auch eintreten, wenn ein Anerkenntnisurteil ergeht, ein gerichtlicher Vergleich geschlossen wird oder ein Anerkenntnis angenommen wird oder das Verfahren für erledigt erklärt wird. Die Gebührenermäßigung nach neuem Recht tritt ein, wenn der Richter sehr viel mehr Tätigkeiten erbracht hat und mehr Arbeitseinsatz erbracht hat, als es nach altem Recht für einen Gebührenentfall ausreichend war. Der Beschluss des Sozialgerichts ist deshalb ebenso wie der Kostenansatz aufzuheben.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs.8 GKG n.F.). Die Entscheidung ist endgültig (§ 66 Abs.3 Satz 3 GKG n.F., § 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved