L 5 R 48/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 205/00 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 48/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird die Beklagte in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 11. Juli 2003 sowie des Bescheides vom 20. Januar 1988 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2000 verurteilt, der Klägerin aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes I. Z. Berufsunfähigkeitsrente für die Zeit vom 1. Februar 1987 bis 31. Oktober 1996 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat der Klägerin ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 01.02.1987 bis 31.10.1996.

Die Klägerin ist die Witwe des 1943 geborenen und am 24.03.2001 verstorbenen Versicherten I. Z ... Dieser hatte nach seinen wiederholten eigenen Angaben zwischen 1959 und 1962 in seiner Heimat den Beruf des Malers erlernt und anschließend in seiner Heimat bis Ende 1968 Versicherungszeiten zurückgelegt. Pensionsanspruch aus der jugoslawischen Versicherung hat ab 01.07.1980 bestanden.

In Deutschland war der Versicherte vom 04.02.1969 bis 31.08. 1979 versicherungspflichtig beschäftigt. Laut Auskunft der H. Maschinenbau GmbH vom 23.03.1981 gegenüber der LVA Niederbayern-Oberpfalz war er vom 26.08.1969 bis 10.09.1976 als Spachtler und Lackierer im erlernten Beruf als Maler und Lackierer tätig. Die Entlohnung erfolgte nach dem Metalltarif für gelernte Arbeiter. Anschließend war er vom 20.10.1976 bis 31.01.1981 als Werkzeugschleifer (angelernte Tätigkeit) bei der Firma M. nach der Lohngruppe 7 entlohnt.

Wegen doppelseitiger Lungentuberkulose wurde der Versicherte vom 23.10.1975 bis 08.07.1976 stationär behandelt. Die Beklagte gewährte ihm Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit vom 01.12.1980 bis 30.04.1984. Aufgrund eines sozialgerichtlichen Vergleichs vom 05.02.1986 wurde ihm erneut Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit vom 03.07.1985 bis 31.01.1987 gewährt. Grundlage war ein Gutachten der Nervenärztin Dr.H. vom 03.02.1986, wonach der Versicherte wegen Zustands nach Lungen-Tbc, Verdacht auf chronischen Alkoholmissbrauch und Polyneuropathie sowie depressiv-neuroser Verstimmungszustände arbeitsunfähig und erwerbsunfähig war. In einem weiteren Gutachten vom 03.02.1986 hatte Dr.P. zusätzlich eine erhebliche Leberschädigung diagnostiziert.

Zusammen mit dem Weitergewährungsantrag vom 15.10.1986 wurde das Formblattgutachten JU 207 vom 15.12.1986 mit umfangreichen fachärztlichen Befunden inclusive einem Entlassungsbericht betreffend den stationären Aufenthalt vom 20.11. bis 09.12.1986 übersandt. Darin heißt es, aufgrund der Lungen-Tbc, eines anxiös-dysphorischen und beginnenden psychoorganischen Syndroms bei chronischem Alkoholismus und Leberschädigung seien dem Versicherten keinerlei Erwerbstätigkeiten mehr zumutbar. Nachdem der Versicherte der Aufforderung zur Untersuchung in Deutschland vom 15.09. und 02.12.1987 keine Folge geleistet hatte, lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 20.01. 1988 wegen fehlender Mitwirkung ab.

Am 29.02.1988 ging ein Schreiben des Versicherten vom 18.02. 1988 ein, worin er wegen des offensichtlichen Gesundheitszustands um die Weitergewährung von Versichertenrente bat. Dieses ließ die Beklagte unbeantwortet.

Am 07.04.1992 wurde der Versicherte erneut von der Invalidenkommission in Z. untersucht. Unter Berücksichtigung zahlreicher Fremdbefunde ab 1991 heißt es darin, wegen des Zustands nach Pneumothorax rechts im August 1991 seien dem Versicherten keine körperlichen Arbeiten mehr zumutbar. Zusätzlich bestehe ein Zustand nach langjährigem Alkoholabusus, derzeit abstinent, ein beginnendes psychoorganisches Syndrom und Wirbelsäulensyndrom. Leichte Arbeiten ohne Schicht, besonderem Zeitdruck, häufigem Heben und Tragen von Lasten und ohne besondere Bronchialbelastung seien auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zumutbar. Im zuletzt ausgeübten Beruf als Schleifer und Lackierer könne er nur noch unter zwei Stunden eingesetzt werden. Daraufhin lehnte die Beklagte den am 26.02.1992 gestellten Rentenantrag mit Bescheid vom 26.08.1992 ab und verwies ihn nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1992 wegen einer erneuten Antragstellung an den zuständigen Leistungsträger in Jugoslawien.

Am 21.10.1997 beantragte der Versicherte erneut die Gewährung von Rente. Wegen des Rezidivs der Lungentuberkulose war er vom 14.10.1996 bis 14.02.1997 stationär behandelt worden. Laut Gutachten der Invalidenkommission vom 05.02.1998 war ihm aufgrund des spirometrischen Befunds ab 21.10.1997 keinerlei Erwerbstätigkeit mehr zumutbar. Daraufhin gewährte die Beklagte dem Versicherten mit Bescheid vom 14.07.1998 ab 01.11.1997 Erwerbsunfähigkeitsrente.

Am 20.07.1999 beantragte der Versicherte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 01.02.1987 bis 31.10.1997 und machte geltend, die fehlende Mitwirkung 1987 und 1988 sei wegen nachgewiesener Reiseunfähigkeit erfolgt. Daraufhin teilte ihm die Beklagte am 11.08.1999 mit, sein Schreiben vom 18.02.1988 werde als Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 20.01.1988 gewertet. Nachdem der Versicherte auf Aufforderung zahlreiche Befunde aus der Zeit von 1986 bis 1999 übersandt hatte, bewilligte die Beklagte Erwerbsunfähigkeitsrente ab 01.11.1996 (Ausführungsbescheid vom 13.03.2000) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.01.2000).

Dagegen hat der Versicherte am 25.02.2000 Klage erhoben und vorgetragen, die vorgelegten medizinischen Unterlagen belegten, dass es zwischen 1987 und 1996 zu keiner Verbesserung des Gesundheitszustands gekommen sei. Er hat auch ein Arbeitszeugnis der Maschinenbaufirma H. vom 30.08.1976 vorgelegt, wonach das Arbeitsverhältnis als Spritzlackierer und Betriebsmaler nur deshalb beendet wurde, weil er wegen einer inzwischen ausgeheilten Krankheit nicht mehr als Spritzlackierer arbeiten konnte. Im Auftrag des Gerichts hat der Internist und Lungenarzt Dr.S. am 02.04.2001 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt. Danach lagen beim Versicherten vom 01.02.1987 bis 31.10.1996 folgende Gesundheitsstörungen vor:

1. Leicht- bis mittelgradige gemischtförmige restriktiv-ob-struktive Ventilationsstörung der Atmung ohne anhaltende Gasaustauschstörungen bei chronischer Bronchitis und Lungenblähung, Deformierungen der Bronchien im rechten Lungenoberlappen nach Tuberkulose und nach akutem Spontanpneumothorax rechts (August 1991), der ohne Komplikationen und ohne wesentliche Belüftungsstörungen der rechten Lunge ausheilte.

2. Alkoholtoxisch verursachte Fettleber-Hepatitis mit Verdacht auf Leberzirrhose, jedoch nur leichtere Synthese- und Entgiftungsstörungen bei über Jahre bestehendem Alkoholabusus, seit 1986 in Abstinenz.

3. Vorwiegend persönlichkeitsbedingte, reaktiv-neurotische Störungen infolge jahrelanger Arbeitslosigkeit und dadurch verursachter psychosozialer Konflikte bei einfacher Primärpersönlichkeit.

4. Leichtgradige alkoholtoxische Polyneuropathie beider Füße.

Gegenüber 1981 und 1982 sei hinsichtlich der Lungentuberkulose zweifellos eine entscheidende Besserung eingetreten und auch das Leberleiden habe nach einem akut-entzündlichen Schub im November 1986 eine wesentliche Besserung erfahren. Vom 01.02.1987 bis 1996 habe der Versicherte noch leichten bis gelegentlich mittelschweren Arbeiten im Gehen, Sitzen oder Stehen, bei güns-tiger Witterung auch im Freien nachgehen können. Nicht zumutbar gewesen seien Tätigkeiten mit häufigem Temperaturwechsel und Feuchtigkeit oder Nässe sowie mit Schadstoffbelastungen durch Rauch, Stäube oder Dämpfe. Auch Nachtschichten seien dem Versicherten nicht mehr zumutbar gewesen. Als Metallschleifer habe der Versicherte ebenso wenig wie als Spritzlackierer arbeiten können, auch die Tätigkeit als Zimmermaler sei nur in beschränktem Umfang zumutbar gewesen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe er jedoch unter den üblichen Arbeitsbedingungen noch regelmäßig arbeiten können.

Das Sozialgericht Landshut hat die Klage, gestützt auf das Gutachten Dr.S. mit Urteil vom 11.07.2003 abgewiesen. Es sei nicht nachgewiesen, dass der Eintritt einer Minderung der Erwerbsfähigkeit vor dem 01.11.1996 erfolgt sei.

Gegen das am 29.10.2003 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.01.2004 Berufung eingelegt. Sie hat geltend gemacht, der Versicherte habe die fehlende Untersuchung in den Jahren 1987/88 nicht zu vertreten, er sei damals nachweislich reiseunfähig gewesen. Nach dem 01.02.1987 sei ausweislich der vorliegenden medizinischen Unterlagen keine Besserung eingetreten, so dass Erwerbsunfähigkeitsrente auch im strittigen Zeitraum ab 01.02.1987 zu gewähren sei. Das Gericht hat den Psychiater Dr.S. mit einem Gutachten beauftragt. Dieser hat angesichts fehlender medizinischer Befunde aus der Zeit von August 1992 bis Januar 1996 eine sichere Aussage über den Gesundheitszustand im strittigen Zeitraum für nicht möglich gehalten. In den Monaten, in denen Befunde zur Verfügung stünden, hätten folgende Gesundheitsstörungen vorgelegen:

- Geringgradige restriktive und mäßiggradige obstruktive respiratorische Insuffizienz

- Chronische Bronchitis und Überblähung der Lungen

- Bronchiektasien in dem rechten oberen Lungenlappen

- Durch Fibrozirrhose zur Ruhe gekommene Tuberkulose des Lungenoberlappens rechts

- Zustand nach Pneumothorax im August 1991

- Alkoholtoxisch hervorgerufene Fettleberhepatitis bei Verdacht auf Leberzirrhose

- Chronischer Alkoholabusus

- Alkoholtoxische Polyneuropathie beider Füße

- Ängstlich-dysphorisch gefärbte neurotische Entwicklung.

Als Facharbeiter sei der Versicherte erheblich, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gering- bis mäßiggradig eingeschränkt gewesen. Leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung in geschlossenen Räumen, zeitweise auch im Freien seien zumutbar gewesen. Nicht zumutbar gewesen seien Arbeiten unter Zeitdruck, in Wechselschicht, bei Nacht, mit Zwangshaltungen und solche Arbeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände voraussetzten. Unzumutbar seien auch Arbeiten mit Publikumsverkehr gewesen. Die Frage nach der zeitlichen Leistungsfähigkeit könne nicht exakt beantwortet werden, weil ihm hierfür nicht die lückenlose ärztliche Dokumentation zur Verfügung stehe.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.10.2004 hat der Sachverständige ausgeführt, gestützt auf die in den Jahren 1985 und 1986 erhobenen Befunde sei der Versicherte nicht in der Lage gewesen, über den 31.12.1986 hinaus bis August 1992 berufliche Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Unter Berücksichtigung sämtlicher bisher gemachter Aussagen könne man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Aussage gelangen, dass sein Leistungsvermögen auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr gegeben war, obwohl theoretisch noch vollschichtige Leistungsfähigkeit vorlag. Durch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erschiene eine Einsatzfähigkeit in irgendeiner denkbaren Tätigkeit des freien Arbeitsmarkts nicht mehr möglich.

Dazu hat Dr.L. von Seiten der Beklagten am 27.12.2004 ausgeführt, die Aussage des Sachverständigen sei nicht nachvollziehbar. Es sei kein Befund erkennbar, der die Gebrauchsfähigkeit der Hände einschränke. Das Gutachten aus dem Jahre 1992 sei von Dr.S. nicht ausreichend diskutiert worden. Woraus er eine Summierung ableite, sei nicht nachvollziehbar.

Demgegenüber hat der Klägerbevollmächtigte das Gutachten des Sachverständigen für überzeugend gehalten. Die Erwerbsunfähigkeitsrente sei gerechtfertigt. Zumindest stehe Rente wegen Berufsunfähigkeit zu.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 11.07.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20.01.1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2000 zu verurteilen, ab 01.02.1987 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte erklärt sich in der mündlichen Verhandlung am 25.04.2005 bereit, der Klägerin für ihren verstorbenen Ehemann Rente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 01.02.1987 bis 31.10.1996 zu gewähren. Soweit das Begehren der Klägerin über dieses Angebot hinausgeht, beantragt sie, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 11.07.2003 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 11.07.2003 ist ebenso abzuändern wie der Bescheid der Beklagten vom 20.01.1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2000. Als Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes hat die Klägerin Anspruch auf die dem Versicherten zustehende Rente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 01.02.1987 bis 31.10.1996. Im Übrigen ist ihre Berufung unbegründet. Es ist nicht erwiesen, dass der Versicherte im streitigen Zeitpunkt erwerbsunfähig war.

Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide beurteilt sich entsprechend der Rentenantragstellung vom 15.10.1986 nach dem bis zum In-Kraft-Treten des SGB VI am 01.01.1992 geltenden Recht der RVO. Danach erhielt der Versicherte Rente wegen Berufsunfähigkeit, der berufsunfähig war und zuletzt vor Eintritt der Berufsunfähigkeit eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, wenn die Wartezeit erfüllt war (§ 1246 Abs.1 RVO). Unstreitig hatte der Versicherte, der vom 01.12.1980 bis 30.04.1984 und wieder vom 03.07.1985 bis 31.01.1987 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen hat, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Er war auch berufsunfähig. Dies hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung anerkannt, so dass sich weitere Ausführungen erübrigen.

Die Klägerin hat hingegen keinen Anspruch auf die Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente für ihren verstorbenen Ehemann.

Erwerbsunfähig ist der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder von Schwäche seine körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann (§ 1247 Abs.2 RVO und im gleichen Sinn § 44 Abs.2 SGB VI in der vom 01.01.1992 bis 31.12.2001 geltenden Fassung). Zweifellos war der Versicherte nicht nur ab Beginn seiner Lungenerkrankung bis zum Ende der ersten Rentengewährung am 31.01.1987 und wieder ab dem Auftreten des Rezidivs im Oktober 1996 in seiner Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt.

Das Ausmaß der vorhandenen qualitativen Leistungseinschränkungen ist weitgehend unstrittig. Die Beklagte hat sich dem vom Sozialgericht zugezogenen Sachverständigen Dr.S. angeschlossen, der als Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde besonders geeignet erscheint, die im Vordergrund stehenden Gesundheitsstörungen sachgerecht zu beurteilen. Danach lagen im Zeitraum vom 01.02.1987 bis 31.10.1996 eine leicht- bis mittelgradige gemischtförmige, restriktiv obstruktive Ventilationsstörung der Atmung bei chronischer Bronchitis und Lungenblähung und Bronchiektasien vor, nachdem die Tuberkulose des rechten Lungenoberlappens unter Schrumpfung zur Ruhe gekommen war. Der akute Spontanpneumothorax rechts, der im August 1991 einen stationären Krankenhausaufenthalt zur Folge hatte, war ohne Komplikationen und ohne wesentliche Belüftungsstörungen ausgeheilt. Darüber hinaus bestanden eine alkoholtoxisch verursachte Fettleberhepatitis, eine leichtgradige ebenso alkoholtoxische Polyneuropathie beider Füße und eine vorwiegend persönlichkeitsbedingte, reaktiv neurotische Störung bei einfacher Primärpersönlichkeit. Unzumutbar waren dem Versicherten daher Tätigkeiten mit häufigem Temperaturwechsel, mit Feuchtigkeit oder Nässe sowie mit Schadstoffbelastungen durch Rauch, Stäube oder Dämpfe. Auch Nachtschichten waren dem Versicherten nicht zumutbar. Dr.S. hat ebenso wie Dr.S. Arbeiten unter besonderem Zeitdruck für ausgeschlossen erachtet. Nachvollziehbar ist schließlich, dass der Versicherte aufgrund seiner einfachen Primärpersönlichkeit und nur vierjähriger Schulausbildung keine höher qualifizierten Tätigkeiten ausüben konnte. Nicht gefolgt werden kann Dr.S. jedoch, wenn er auch Arbeiten ausschließt, die die Gebrauchsfähigkeit der Hände voraussetzen. Zutreffend wendet Dr.L. in seiner Stellungnahme vom 27.12.2004 ein, es sei kein Befund erkennbar, woraus eine Minderung der Leistungsfähigkeit in diesem Bereich geschlossen werden könne. Im Positiven konnte der Versicherte also noch leichte und ruhige Arbeiten zu ebener Erde in geschlossenen, sauberen und temperierten Räumen erbringen. Voraussetzung war, dass es sich um einfache handwerkliche Tätigkeiten handelte.

Es ist jedoch nicht nachgewiesen, dass die Leistungsfähigkeit des Versicherten in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt war. Zwar hat der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr.S. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.10.2004 zusammenfassend festgestellt, dass der Versicherte auf dem Boden der bestehenden komplex ausgestalteten Multimorbidität über den 31.12.1986 hinaus bis August 1992 nicht in der Lage gewesen sei, berufliche Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen vollschichtig zu verrichten. Für die darüber hinaus gehende Zeit bis Januar 1996 sah er sich schon aufgrund fehlender ärztlicher Unterlagen nicht in der Lage, den Gesundheitszustand zuverlässig zu beurteilen. Zu Recht bemängelt Dr.L. , dass dem Sachverständigen in der Einschätzung der zeitlichen Leistungsfähigkeit nicht gefolgt werden kann, wenn er schreibt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gegeben gewesen, obwohl theoretisch noch vollschichtige Arbeits- und Leistungsfähigkeit vorgelegen habe. "Durch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen erscheine eine Einsatzfähigkeit in irgendeiner denkbaren Tätigkeit des freien Arbeitsmarkts nicht mehr möglich". Seine Auffassung begründet der Sachverständige mit dem Rückgriff auf die 1985 und 1986 erhobenen weitreichenden Befunde. Dabei lässt er allerdings außer Acht, dass aus dem Formblattgutachten JU 207 aus dem Jahr 1992 ein vollschichtiges Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts hervorgeht. Dieses Formblattgutachten stützte sich auf eine körperliche Untersuchung und Befragung des Versicherten. Nachdem die Befunde aus dem Jahr 1985 und 1986 lediglich eine Zeitrente begründet haben und 1992 ein vollschichtiges Leistungsvermögen bejaht worden ist, ist es nicht nachgewiesen, dass und in welchem Umfang der 1986 nachgewiesene Zustand fortbestanden hat. Anhaltspunkte für eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen fehlen. Mit seinem Restleistungsvermögen war der Versicherte in der Lage, eine Vielzahl von Tätigkeiten zu verrichten, wie sie üblicherweise auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefordert werden. Mangels wesentlich eingeschränkten Geh-, Seh- und Hörvermögens bei ausreichender Belastbarkeit von Wirbelsäule und Herzkreislaufsystem erscheinen Verrichtungen wie zum Beispiel Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Verpacken, Aufsicht und Kontrolle möglich. Erwerbsunfähigkeit ist daher nicht nachgewiesen.

Es mag sein, dass der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage war, den Vorladungen der Beklagten zur Untersuchung in Deutschland Folge zu leisten. Die fehlende Aufklärung des medizinischen Sachverhalts geht jedoch zu seinen Las-ten. Hierauf hat das Sozialgericht zutreffend hingewiesen.

Aus diesen Gründen war die Berufung nur teilweise begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Damit wurde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Beklagte dem erst unmittelbar vor der Verhandlung gestellten Hilfsantrag entsprochen hat.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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