L 10 AL 51/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 53/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 51/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 10.12.2003 sowie der Bescheid vom 27.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2002 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die teilweise Erstattung der von der Beklagten zu Gunsten der Unterhaltsberechtigten von der Arbeitslosenhilfe (Alhi) des Unterhaltsverpflichteten abgezweigten Beträge durch den Kläger in Höhe von zuletzt 880,01 EUR.

Der Kläger ist als Beistand für die 1983 und 1986 geborenen Kinder tätig geworden. Sie hatten gegenüber dem von der Mutter der Kinder geschiedenen Vater, der von der Beklagten nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld ab 17.10.2000 Alhi bezog, einen Unterhaltsanspruch, den dieser nicht ausreichend erfüllte.

Mit Schreiben vom 15.04.1999 beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Beistandschaft die Abzweigung des angemessenen Teiles der Leistungen und Überweisung an die zentrale Vormundschaftskasse wegen der Unterhaltspflichtverletzung des gegenüber der Beklagten Leistungsberechtigten.

U.a. mit Bescheid vom 12.10.2000 entsprach die Beklagte dem Abzweigungsbegehren ab 28.09.2000 in Höhe von täglich 18,55 DM. Hinsichtlich der jeweils konkreten Höhe der Abzweigungsbeträge ergingen weitere Bescheide am 24.10.2000 und 04.01.2001. Mit Schreiben vom 12.03.2001 erklärte der Kläger die Abzweigung für ruhend, woraufhin die Beklagte ab 01.04.2001 keine Abzweigung mehr vornahm. Der unterhaltsverpflichtete Leistungsempfänger hatte am 11.08.2000 erneut geheiratet.

Dem Leistungsberechtigten, der Widerspruch gegen die Abzweigungen eingelegt hatte, zahlte die Beklagte aufgrund des Abhilfebescheides vom 27.09.2001 die wegen Nichtberücksichtigung der Heirat zuviel abgezweigten Beträge.

Dem Kläger gegenüber stellte die Beklagte mit zum Gegenstand des durch den Leistungsberechtigten veranlassten Widerspruchsverfahrens gewordenem Bescheid vom 27.09.2001 die zutreffenden Abzweigungsbeträge vom 28.09.2000 bis 31.03.2001 neu fest, hob mit weiterem streitgegenständlichen und an den Kläger adressierten Bescheid vom 27.09.2001 die erfolgte Abzweigung hinsichtlich der überzahlten Beträge gemäß §§ 45, 49 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und forderte die Erstattung dieser Überzahlung in Höhe von 1.866,79 DM gemäß § 50 SGB X.

Den Widerspruch hiergegen begründete der Kläger damit, er habe die abgezweigten Beträge umgehend der Mutter der Unterhaltsberechtigten zur Verfügung gestellt. Diese seien bereits verbraucht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.12.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die abgezweigten Leistungen seien an den Kläger als Person oder Stelle erfolgt, die den Kindern Unterhalt gewähre (§ 48 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch -SGB I-).

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, er sei nur als Vertreter der Unterhaltsberechtigten tätig geworden und nicht Leistungsempfänger der abgezweigten Beträge gewesen. Er sei der falsche Adressat der Erstattungsforderung. Mit Urteil vom 10.12.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei zwar als Beistand tätig geworden, habe jedoch auch Unterhaltsvorschuss nach dem Unterhaltsvorschussgesetz an die Unterhaltsberechtigten erbracht und sei somit als Dritter i.S. des § 48 Abs 1 Satz 4 SGB I anzusehen. Somit bestehe ein sozialrechtliches Verhältnis zwischen den Parteien des Rechtsstreites. Gemäß § 49 SGB X und der hierdurch eingeschränkten Anwendbarkeit der §§ 45, 47 und 48 SGB X sowie gemäß § 50 SGB X sei die Aufhebung und Erstattungsforderung rechtmäßig.

Die hiergegen zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung hat der Kläger damit begründet, es handle sich nicht um einen Erstattungsstreit i.S. des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Unterhaltsvorschuss sei bereits seit dem 12. Lebensjahr der beiden Unterhaltsberechtigten nicht mehr durch ihn erbracht worden (Ende der Zahlung: 12.01.1995 / 20.03.1998). Zwischen dem gezahlten Unterhaltsvorschuss und der ab 28.09.2000 erfolgten Abzweigung bestehe daher keine Verbindung. Die abgezweigten Beträge seien an die Unterhaltsberechtigten weitergegeben worden. Die Beistandschaft selbst sei der Beklagten bekannt gewesen. Mit Schreiben vom 04.04.2005 hat sich der Kläger bereit erklärt, 74,46 EUR (=145,64 DM), die ihm infolge einer Fehlbuchung tatsächlich zugeflossen sind, an die Beklagte zu erstatten. Dieses Angebot hat die Beklagte als Teilanerkenntnis angenommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des SG Nürnberg vom 10.12.2003 - S 5 AL 53/03 - sowie den Bescheid der Beklagten vom 27.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2002 aufzuheben, soweit die Beklagte die Erstattung weiterer 880,01 EUR fordert.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die abgezweigten Beträge seien an den Kläger überwiesen worden und dieser sei damit Empfänger der Leistungen gewesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Klägers, die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig. Insbesondere handelt es sich nicht um einen Erstattungsstreit i.S. des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG. Der Kläger ist als Beistand (§ 1690 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- a.F. bzw. § 1716 BGB n.F. i.V.m. § 55 Abs 2 Satz 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch -SGB VIII-) und damit als Vertreter der Unterhaltsberechtigten aufgetreten. Er selbst hat keine eigenen Leistungen an die Unterhaltsberechtigten erbracht, die mit den abgezweigten Beträgen erstattet worden wären. Auf ihn sind daher die Unterhaltsansprüche der Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Leistungsverpflichteten nicht übergegangen oder übergeleitet worden. Damit handelt es sich vorliegend nicht um einen Erstattungsanspruch zwischen zwei juristischen Personen, vielmehr um einen Erstattungsanspruch, der von der Beklagten gegenüber den Unterhaltsberechtigten geltend zu machen ist. Ein Erstattungsstreit lag aber auch bei - wie von der Beklagten angenommen - übergeleiteten Ansprüchen nicht vor (vgl. u.a. Meyer-Ladewig, SGG, 7.Auflage, § 144 Rdnr 12), so dass offenbleiben kann, ob hier auf die von der Beklagten herangezogene oder die evtl. tatsächliche Anspruchsgrundlage für eine Rückforderung abzustellen ist.

Die Berufung ist auch begründet, soweit von der Beklagten Ansprüche über das Teilanerkenntnis hinaus geltend gemacht werden. Das Urteil des SG ist ebenso aufzuheben wie der Bescheid vom 27.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2002. Die Beklagte kann über den im Rahmen des Teilanerkenntnis geregelten Betrag hinaus gegenüber dem Kläger keine Erstattungsforderung geltend machen.

Der Kläger ist nämlich nicht der zutreffende Adressat des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides, denn die Beklagte hat die in unstreitig unzutreffender Höhe abgezweigten Beträge nicht an den Kläger erbracht. Insbesondere ist die Auszahlung nicht an eine Person oder Stelle erfolgt, die den Kindern Unterhalt gewährt hat (§ 48 Abs 1 Satz 4 SGB I). Der Kläger hat keinen Unterhalt an die Kinder (mehr) geleistet. Vielmehr hat er den Unterhaltsanspruch der Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten als Vertreter der Unterhaltsberechtigten geltend gemacht.

Der Kläger ist gemäß § 55 Abs 2 Satz 3 SGB VIII - für die Beklagte erkennbar, da im entsprechenden Antrag auf Abzweigung angegeben - als Beistand und damit Vertreter der beiden unterhaltsberechtigten Kinder aufgetreten und hat im Namen und für Rechnung der Unterhaltsberechtigten den Unterhaltsanspruch gegenüber dem unterhaltsverpflichteten Leistungsberechtigten im Wege der Abzweigung bei der Beklagten geltend gemacht und gebeten, die abgezweigten Beträge auf ein Konto der zentralen Vormundschaftskasse mit Angabe der speziellen Mündelkontonummer zu überweisen. Diese überwiesenen Beträge hat der Kläger an die Unterhaltsberechtigten ausbezahlt. Er hat insbesondere nicht eigene Leistungen an die Kinder - Unterhaltsvorschuss wurde seit dem 12. Lebensjahr der beiden Unterhaltsberechtigten nicht mehr geleistet - und damit evtl. auf den Kläger übergegangene Ansprüche der Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten mit den abgezweigten Beträgen verrechnet. Hierfür fehlen, abgesehen von dem im Teilanerkenntnis betroffenen, fehlgebuchten Betrag, jegliche Anhaltspunkte. Leistungsempfänger waren somit auch aus Sicht der Beklagten allein die Unterhaltsberechtigten. Ohne Bedeutung bleibt dabei, dass die Bescheide über die erfolgende Abzweigung an den Kläger adressiert waren. Dieser war lediglich Vertreter der Kinder.

Die Aufhebung und Erstattungsforderung war gegen den Empfänger der abgezweigten Beträge, nämlich gegen die seit 12.01.2001 bzw. 20.03.2004 volljährigen Kinder zu richten. Nach § 1712 Abs 1 Nr 2 BGB ist nämlich der Beistand nur zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen berechtigt und vertretungsbefugt. Er ist aber nicht Vertreter im Verfahren gegen die Kinder.

Die Bescheide über die erfolgende Abzweigung hätte die Beklagte - soweit die Voraussetzungen hierfür vorlagen - gegenüber den Kindern aufheben und ihre Erstattung überzahlter Leistungen von diesen fordern müssen. Dies hat sie nicht getan. Sie hat sich auch nicht an den Kläger als vermeintlichen Vertreter der Kinder gewandt, wollte und hat vielmehr allein den Kläger als Adressaten - nicht lediglich als Zustellungsadressaten - der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung verstanden wissen wollen. Aus Sicht des Empfängers, d.h. des Klägers, war dies ebenso zu werten.

Damit sind die angegriffenen Bescheide nicht gegenüber dem zur evtl. Erstattung verpflichteten Empfänger der Abzweigungsbeträge ergangen. Der Kläger war nicht Empfänger, sondern lediglich eine Art "Zwischenstation" bei der Auszahlung an die damals Unterhaltsberechtigten. Ohne Bedeutung bleibt hier, ob die Bescheide über die Abzweigung an den zutreffenden Adressaten ergangen sind.

Nach alledem ist das Urteil des SG sowie der Bescheid vom 27.09.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2002 aufzuheben, soweit nach dem Teilanerkenntnis noch Streit bestand. Ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Kläger besteht nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved