L 11 B 249/05 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 SO 139/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 249/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 18.05.2005 wird aufgehoben. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der am 1926 geborene Antragsteller (Ast) ist pflegebedürftig (Pflegestufe II). Er lebt seit dem 03.04.2003 im A.Altenheim.

Der Ast verfügt über eine Altersrente in Höhe von derzeit monatlich 1.249,55 EUR sowie über eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 182,11 EUR. Seine Ehefrau bezieht eine Altersrente in Höhe von monatlich 58,97 EUR. An Mietkosten hat sie monatlich 521,56 EUR zu tragen. Dieser Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Für den Zeitraum vom 03.04.2003 bis zum 31.12.2004 hatte der Antragsgegner (Ag) mit Bescheid vom 03.03.2002 die Restkosten der nicht durch Leistungen der Pflegekasse und der Eigenbeteiligung nach dem früheren § 28 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gedeckten Hilfe zur Pflege bis auf Weiteres übernommen und einen monatlichen Barbetrag (Taschengeld) zur persönlichen Verfügung des Ast und Bekleidungsbeihilfe bewilligt. Ab April 2003 hatte die Ehefrau des Ast einen Kostenbeitrag in Höhe von 73,00 EUR direkt an die Einrichtung zu zahlen. Zudem wurde verfügt, dass das zum Zeitpunkt der Antragstellung noch übersteigende Vermögen des Ast an den Ag auszubezahlen sei (Ziffer 3 des Bescheids vom 03.03.2004).

Auch diese Angaben sind unstreitig. Der Bescheid vom 03.03.2004 ist ausweislich der Behördenakte bestandskräftig geworden.

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 13.01.2005 hob der Ag unter der Überschrift "Umstellung der Sozialhilfeleistungen von Bundessozialhilfegesetz (BSHG) auf Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII)" den vorgenannten Bescheid vom 03.03.2004 mit Wirkung ab dem 01.01.2005 auf. Er bewilligte dem Ast nunmehr Leistungen nach dem am 01.01.2005 in Kraft getretenen Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Form eines Barbetrages und der Bekleidungsbeihilfe sowie der Hilfe zur Pflege, soweit diese Bedarfe nicht durch Leistungen der Pflegeversicherung und durch notwendige Eigenbeteiligung gedeckt sind. Hingegen versagte er die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff SGB XII) und von Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen (§§ 27 ff, § 35 SGB XII; so Ziffer 3 des Bescheids vom 13.01.2005). Zur teilweisen Deckung der Heimkosten sei aus dem Einkommen des Ast und seiner Ehefrau ein Betrag in Höhe von 621,00 EUR einzusetzen und bei der Einrichtung einzubezahlen (so Ziffer 4 des Bescheids vom 13.01.2005). Die Ehefrau des Ast solle umgehend Grundsicherungsleistungen beim örtlich zuständigen Sozialhilfeträger beantragen.

Die Betreuerin des Ast erhob am 17.01.2005 hiergegen Widerspruch, über den - soweit aus den Akten ersichtlich - bislang nicht entschieden worden ist.

Die Landeshauptstadt München lehnte mit Bescheid vom 02.03.2005 den Antrag der Ehefrau des Ast auf Leistungen nach dem SGB XII insgesamt ab.

Am 07.04.2005 beantragte der Ast beim Sozialgericht München (SG), den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig zu verpflichten, ihm Sozialhilfeleistungen nach Maßgabe des bis zum 31.12.2004 geltenden Bescheids vom 03.03.2004 weiter zu gewähren.

Der Ehefrau des Ast sei es nach Abzug der geforderten Eigenbeteiligung nicht mehr möglich, aus dem gemeinsamen Einkommen den Lebensunterhalt zu bestreiten. Durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch seien zum einen die Kosten des in der Einrichtung gewährten notwendigen Lebensunterhaltes gemäß § 35 Abs 1 SGB XII bestimmt, der dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Satz 1 Nrn 1 bis 3 SGB XII zu entsprechen habe, und zum anderen durch die Einführung des § 82 Abs 4 SGB XII, der die Beteiligung an diesen Kosten auf die häusliche Ersparnis begrenze. Die Regelung des früheren § 85 Abs 1 Nr 3 Satz 2 BSHG finde sich wörtlich in § 82 Abs 4 SGB XII wieder. Im Ausschussbericht (BT-Drs 15/3977 S.8) sei zur Begründung ausgeführt, dass sich keine Änderung für die bisherige Bewilligungspraxis ergebe. Auch bei der Unterbringung nur eines Ehepartners im Heim bleibe ein gemeinsamer Haushalt bestehen.

Der Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.

Mit In-Kraft-Treten des SGB XII hätten sich die Voraussetzungen zur Gewährung der Sozialhilfe in einer vollstationären Einrichtung grundlegend geändert. Die Vorschrift des früheren § 27 Abs 3 BSHG sei ersatzlos gestrichen worden. Damit gelte die Vereinfachung, dass die Hilfe in besonderen Lebenslagen in einem Heim auch den darin erbrachten Lebensunterhalt umfasse, ab dem 01.01.2005 nicht mehr. Diese Änderungen zur bisherigen Bewilligungspraxis seien vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen. Es sollte erreicht werden, dass für die Leistungen des Lebensunterhaltes alle Leistungsberechtigten ihr Einkommen in gleicher Weise einzusetzen hätten, unabhängig davon, ob der Lebensunterhalt innerhalb einer stationären Einrichtung oder außerhalb einer solchen erbracht werde. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gingen denen der Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 19 Abs 2 Satz 3 SGB XII vor. Der Grundsicherungsbedarf des Ast sei mit 621,00 EUR unstreitig ermittelt worden. Das dem Ast verbleibende Einkommen reiche aus, diesen Grundsicherungsbedarf vollständig zu decken. Für alle weiteren Leistungen (Barbetrag im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe zur Pflege) sei kein Einkommensansatz verlangt worden. Dem Ast könne bis zur Entscheidung der Widerspruchsbehörde zugemutet werden, einen Teil seiner eigenen Rente bei der Einrichtung einzuzahlen. Damit bestehe auch nicht die Gefahr, dass dem Ast seitens der Einrichtung gekündigt werde.

Das SG verpflichtete mit Beschluss vom 18.05.2005 den Ag, dem Ast vorläufig ab 07.04.2005 bis 31.08.2005 längstens jedoch bis zur Entscheidung über den Widerspruch Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII unter Anrechnung einer häuslichen Ersparnis von 76,93 EUR zu gewähren. Im Übrigen wies das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Der Ast habe einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach § 82 Abs 4 SGB XII könne von einer Person, die in einer teilstationären oder stationären Einrichtung lebe, die Aufbringung der Mittel für Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII nur verlangt werden, soweit Aufwendungen für den häuslichen Haushalt erspart werden. Der Wortlaut beschränke diese Bestimmung zwar auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Dem Willen des Gesetzgebers folgend, habe dies aber auch im Falle von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu gelten. Das ergebe sich u.a. aus dem systematischen Zusammenhang, in dem § 82 Abs 4 SGB XII stehe. In der unterschiedlichen Abfassung der Absätze 3 und 4 des § 82 SGB XII könne nämlich keine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gesehen werden. Eine andere Entscheidung führe zu einem dem Gericht nicht verständlichen Wertungswiderspruch.

Hiergegen wendet sich der Ag mit seiner beim Bayer. Landessozialgericht am 31.05.2005 eingegangenen Beschwerde.

Da der notwendige Lebensunterhalt der Ehefrau des Ast auch im Falle des geforderten Kostenbeitrages gedeckt bleibe, bestehe schon kein Anordnungsgrund. Es bestehe aber auch kein Anordnungsanspruch. Es sei nicht Aufgabe der Verwaltung, ein Gesetz nach dem Willen des Gesetzgebers auszulegen, sofern das Ergebnis dem Gesetzestext eindeutig widerspreche. Zudem gehe aus der Gesetzesbegründung zum SGB XII hervor, dass der Gesetzgeber den Willen gehabt habe, für jede gewährte Leistung die entsprechenden Einkommensvorschriften separat anzuwenden. Gerade aus diesem Grund sei der frühere § 27 Abs 3 BSHG ersatzlos gestrichen worden. Darüber hinaus sei es ebenfalls Wille des Gesetzgebers gewesen, eine erhöhte Heranziehung der Leistungsberechtigten zu erreichen, sonst hätte er nicht die Einkommensgrenzen vereinheitlicht und gesenkt. Nur zur Vermeidung von weiteren Verfahren habe er, der Ag, deshalb bis zur Entscheidung im Eilverfahren die geforderten Leistungen bewilligt.

Er beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 18.05.2004 aufzuheben und den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen.

Der Ast tritt dem entgegen. Die Rechtsfolge, die der Ag sehe, entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers. In keinem anderen Bundesland werde nach Umstellung auf das SGB XII so verfahren. Es bestehe zudem ein Anordnungsgrund. Der Ehefrau des Ast verbleibe nach Abzug der monatlichen Fixkosten und der Eigenbeteiligung ab Januar 2005 monatlich noch ca 207,93 EUR zum Leben. Derzeit bestehe eine offene Heimkostenforderung in Höhe von 2.740,00 EUR, so dass die Kündigung des Heimvertrages drohe. Es werde daran erinnert, dass der Antrag der Ehefrau des Ast auf Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung mit Bescheid vom 02.03.2005 von der Landeshauptstadt München abgelehnt worden sei.

Er beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Ag ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde des Ag ist zudem begründet, weil ihn das SG zu Unrecht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet hat, über die bislang ab dem 01.01.2005 gewährten Leistungen hinaus ab dem 07.04.2005 bis 31.08.2005 längstens jedoch bis zur Entscheidung über den Widerspruch Leistungen der Grundsicherung im Alter unter Anrechnung einer häuslichen Ersparnis von 76,93 EUR zu gewähren. Etwa darüber hinausgehende Ansprüche sind nicht Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4. Auflage 2005, RdNr 643).

Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass der Ast Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86 b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung - ZPO -; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86 b RdNr 41).

Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl dazu im Einzelnen BVerfG vom 12.05.2005 Az: 1 BvR 569/05) zeigt sich, dass dem Ast für sein Begehren seit dem 01.01.2005 kein Anordnungsanspruch mehr zur Seite steht.

Da es sich bei der Bewilligung von Sozialhilfeleistungen nach dem früheren BSHG nicht um rentengleiche Dauerleistungen handelte (vgl dazu jetzt Rothkegel, Sozialhilferecht, 2005, S.103 ff), kann der Ast einen solchen Anordnungsanspruch nicht aus dem früheren Bewilligungsbescheid vom 03.04.2004 herleiten, den der Ag mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 13.01.2005 gemäß §§ 45 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben hat.

Nachdem der Ag auch weiterhin auf der Grundlage des Bescheides vom 13.01.2005 die Kosten der Unterbringung des Ast (Pflegestufe II) in der Pflegeversicherung übernimmt und die Ablehnung des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Übrigen (so Ziff 1 Satz 2 des Beschlusses des SG vom 18.05.2005) nicht angefochten worden ist, geht es den Beteiligten im vorliegenden Beschwerdeverfahren allein noch um die Frage der Einkommensanrechnung im Falle der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, wenn der Leistungsberechtigte in einer teilstationären oder - wie hier - in einer stationären Einrichtung untergebracht ist.

Richtig ist, dass der frühere § 27 Abs 3 BSHG bestimmte, dass die Hilfe in besonderen Lebenslagen, wird sie in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung oder in einer Einrichtung zur teilstationären Betreuung gewährt, auch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt einschließlich der einmaligen Leistungen nach Abschnitt 2 des BSHG umfasste. Folge dieser Regelung war es, dass sich die Einkommensgrenze für teilstationär oder stationär untergebrachte Leistungsberechtigte nach den Vorschriften über die Einkommensgrenzen für die Hilfe in besonderen Lebenslagen nach den früheren §§ 79 ff BSHG berechneten (vgl. dazu Schellhorn/Schellhorn, BSHG 16.Aufl 2002, § 27 RdNrn 23 ff; Fichtner, BSHG, 2.Aufl 2003, § 27, RdNr 4). Der Ast konnte neben dem Regelsatz und den Kosten der Unterkunft Mehrbedarfe für sich und seine Ehefrau nach § 23 Abs 1 BSHG geltend machen, während ihm bei der Einkommensanrechnung die Vergünstigungen gemäß § 79 Abs 1 Nr 1, § 81 Abs 1 Nr 5 BSHG zur Seite standen.

Auch im Recht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung galten bis zum 31.12.2004 diese Vergünstigungen bei der Einkommensanrechnung, weil § 3 Abs 2 GSiG auf die §§ 76 bis 88 BSHG, also auch auf § 85 Abs 1 Nr 5 BSHG verwies.

Diese Bestimmungen sind mit Ablauf des 31.12.2004 außer Kraft getreten.

Am 01.01.2005 ist gemäß Art 70 Abs 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl I S.3022) das SGB XII in seinen wesentlichen Teilen in Kraft getreten, mit dem das bisherige Sozialhilferecht neu gefasst wurde und zugleich die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, bis dahin im Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) vom 26.06.2001 (BGBl I S.1310) geregelt, zu einer Leistung der Sozialhilfe (§§ 41 ff SGB XII) erklärt wird. Das zwischen den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff SGB XII) und der Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff SGB XII) gleichwohl Unterschiede bestehen, zeigt sich nicht zuletzt aus der unterschiedlichen Leistungsberechtigung (§ 19 Abs 1, 2 SGB XII), dem Erfordernis der Antragstellung bei Grundsicherungsleistungen gemäß § 18 Abs 1 SGB XII sowie den besonderen Regelungen beim Vermögenseinsatz und bei der Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen gemäß § 43 SGB XII.

Mit der Eingliederung in das Sozialgesetzbuch hat der Gesetzgeber aber auch das Recht der Sozialhilfe insgesamt neu gestaltet. Die Zweiteilung der Sozialhilfe in die Hilfe zum Lebensunterhalt einerseits und die Hilfen in besonderen Lebenslagen andererseits kennt das SGB XII nicht mehr. Die früheren einmaligen Leistungen sind durch eine umfassende Pauschalierung weitgehend bedeutungslos geworden (siehe dazu Linhart in Linhart/ Adolph, SGB II, SGB XII und AsylblG, 43. AL, Stand: Juli 2005, Teil I "Vorbemerkungen" Abschnitt C RdNrn 21 ff). Zudem hat der Gesetzgeber letztlich, was unten noch näher ausgeführt wird, die Einkommensgrenzen hinsichtlich der nach dem SGB XII zu gewährenden Hilfen im Sinne einer Vereinheitlichung neu geregelt.

Die von den Beteiligten im Beschwerdeverfahren allein noch aufgeworfene Frage beantwortet sich vor diesem Hintergrund wie folgt: Die hier im Streit stehenden Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind seit dem 01.01.2005 in den §§ 41 ff SGB XII geregelt. § 42 SGB XII bemisst in seinem Satz 1 den Umfang dieser Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, während § 41 Abs 2 SGB XII die Anrechnung von Einkommen und Vermögen regelt. Einkommen ist nach § 41 Abs 2 SGB XII gemäß §§ 82 - 84 SGB XII anzurechnen, das heißt, der Leistungsberechtigte hat vorrangig seinen Bedarf aus seinem Einkommen iS des § 82 SGB XII zu decken. Gemäß § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahmen der Leistungen nach dem SGB XII, der Grundrente nach dem BVG und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem BEntschG für Schaden am Leben sowie an Körper und Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Der Ag hat insoweit, das ist unstreitig, die Einkommensanrechnung rechtsfehlerfrei durchgeführt.

§ 82 Abs 4 SGB XII regelt als Ausnahme dazu, dass von einer Person, lebt sie in einer teilstationären oder stationären Einrichtung, die Aufbringung der Mittel für die Leistungen nach dem Dritten Kapitel - das sind die Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt - aus dem eigenen Einkommen nur verlangt werden kann, soweit Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden. Diese Vorschrift trifft, ihrem klaren Wortlaut folgend, nur die Leistungen nach dem Dritten Kapitel und eben nicht die Leistungen nach dem Vierten Kapitel, also Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, um die es hier geht. Dass der Kläger keine Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII, sondern nur Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beanspruchen kann, ergibt sich wiederum aus § 19 Abs 2 Satz 3 SGB XII.

Der Senat sieht sich mithin wegen der insoweit klaren Gesetzeslage gehindert, anders zu entscheiden.

Er vermag insbesondere der Auffassung des SG nicht beizutreten, dass nach dem Willen des Gesetzgebers bzw aus der systematischen Stellung des § 82 Abs 4 SGB XII heraus anderes zu entscheiden wäre.

Sollte ein "Wille" des Gesetzgebers dahin bestanden haben, dass sich bei der Einkommensanrechnung im Falle der stationären Unterbringung gegenüber dem früheren BSHG auch im Falle der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit "nichts ändere", in diesem Sinne zitiert das SG den parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundesministerin für Gesundheit und soziale Sicherung Thönnes (vgl dazu etwa das Sitzungsprotokoll über die Bundestagssitzung vom 23.02.2005; Plenarprotokoll 15/159, S 14884 - 14886), ist festzustellen, dass ein solcher "Wille" nicht Eingang in das Gesetz gefunden hat.

Die Behauptung, die Verweisungsnorm in § 41 Abs 2 SGB XII ergebe, dass § 82 Abs 4 SGB XII auch für Bezieher von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gelte (Plenarprotokoll 15/159, S.14885, 3. Absatz), verkennt die Rechtsnatur der Vorschrift, bei der es sich eben nicht um eine bloße Rechtsgrundverweisung handelt, und die zudem die Bestimmung des § 82 SGB XII nicht entsprechend für anwendbar erklärt, sondern die Einkommensanrechnung gemäß § 82 SGB XII, also unter Beachtung der dortigen Tatbestandsvoraussetzungen bestimmt.

Die am 01.01.2005 in Kraft getretenen übrigen gesetzlichen Regelungen deuten eher auf eine andere Intention des Gesetzgebers hin.

Korrespondierend mit der (wortgenauen) Fassung des § 82 Abs 4 SGB XII bestimmt § 35 Abs 1 Satz 1 SGB XII, dass der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen den darin erbrachten sowie in stationären Einrichtungen zusätzlich den weiteren notwendigen Lebensunterhalt umfasst. Satz 2 der Vorschrift regelt, dass der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen dem Umfang der Leistungen der Grundsicherung nach § 42 Satz 1 Nrn 1 - 3 SGB XII entspricht.

Bereits an dieser Stelle ist festzuhalten, dass § 35 Abs 1 SGB XII den notwendigen Lebensunterhalt (Bedarfsseite) bestimmt, während § 82 Abs 4 SGB XII die Frage der Einkommensanrechnung betrifft, so dass aus § 35 Abs 1 Satz 2 SGB XII nicht im Umkehrschluss auf die Anwendbarkeit des § 82 Abs 4 SGB XII auf Bezieher von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung geschlossen werden kann.

Was die Intention des Gesetzgebers für diese (Neu-)Regelungen betrifft, führt Armborst in LPK-SGB XII, 7.Aufl 2005, § 35 RdNr 1 u.a. aus, die Bedeutung der Regelung in § 35 Abs 1 SGB XII ergebe sich hauptsächlich daraus, dass sie die bisher in § 27 Abs 3 BSHG geregelte Verklammerung von Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen auflöse. Die Hilfe in besonderen Lebenslagen umfasse in den teilstationären und stationären Einrichtungen nicht mehr den dort gewährten Lebensunterhalt, der vielmehr gesondert festgesetzt und geleistet werden müsse. Ziel der Trennung sei die Herauslösung der Bestandteile der Komplexleistung im stationären Bereich, um so einerseits die Leistungen zu denjenigen, die ambulant erbracht werden, vergleichbar zu machen. Andererseits kann auf diese Weise dem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, dass der Nachrang der Sozialhilfe und die Selbsthilfemöglichkeiten im Bereich der Deckung des Lebensunterhaltes sich von denen deutlich unterscheiden, die hinsichtlich der Bedarfe bestehen, die durch Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen gedeckt werden. Mit der Auflösung der Klammern zwischen Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen wird der Leistungsberechtigte grundsätzlich in die gleiche Lage versetzt, wie eine Person, die ambulante Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen bezieht. Als Resultat soll die leistungsberechtigte Person die Leistungen und deren Kosten im ambulanten sowie im stationären Bereich vergleichen und sich als "Marktkunde" die günstigsten Leistungen auswählen. Für das Verwaltungsverfahren trete insoweit eine Vereinfachung ein, als der Träger der Sozialhilfe nicht insgesamt in Vorleistung trete und dann durch komplizierte Ermittlung der zumutbaren Belastung den Nachrang über einen Kostenbeitragsbescheid wieder herstellen müsse.

In Ergänzung dazu stellt Brühl in LPK-SGB XII, aaO, § 82 RdNr 87 fest, dass der durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung der Sozialhilfe in das Sozialgesetzbuch vom 09.12.2004 in § 82 SGB XII eingefügte Abs 4 eine Folge davon sei, dass im SGB XII anders als im BSHG beim Aufenthalt in Einrichtungen Unterhalts- und Lebenslagenmaßnahmebedarf getrennt werde. Der in der Einrichtung anfallende Unterhaltsbedarf (Grundpauschale, Investitionskostenanteil, weiterer notwendiger Unterhaltsbedarf wie insbesondere Kleidung und Barbetrag) - der nach der chaotisch-dilettantischen Fassung des § 35 Abs 1 Satz 2 SGB XII den Grundsicherungsbedarf "entspreche", also in diesem Umfang rechnerisch anzusetzen sei - stelle die Höchstgrenze für den Einkommenseinsatz dar, die allenfalls bei der Soll-Aufbringung des Satzes 2 erreicht werden könne.

Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2005, § 35 RdNr 2 meint, § 35 Abs 1 SGB XII enthalte eine wesentliche Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage nach dem früheren § 27 Abs 3 BSHG. Die in Einrichtungen zu leistende Hilfe zum Lebensunterhalt zähle danach nicht mehr zur Hilfe in besonderen Lebenslagen bzw heute zu den Leistungen nach § 19 Abs 3 SGB XII, sondern gehöre nunmehr zu den Leistungen nach dem Dritten Kapitel "Hilfe zum Lebensunterhalt". Das habe erhebliche Auswirkungen, weil die Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII nicht greife.

Nach Linhart/Adolph ist die Regelung in § 82 Abs 4 SGB XII wegen des klaren Wortlautes der Norm im Falle von Leistungen nach den §§ 41 ff SGB XII nicht anwendbar. Nachdem der Gesetzgeber mit dem Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.03.2005 (BGBl I, S.818) Bezieher von Grundsicherungsleistungen lediglich in den § 82 Abs 3 SGB XII einbezogen hat und eben nicht auch in den Anwendungsbereich des § 82 Abs 4 SGB XII, könne von einer Regelungslücke nicht (mehr) gesprochen werden (Linhart/ Adolph, aaO, § 41 RdNr 74b).

Aus dem Gesagten ergibt sich auch, dass der Kontext, in dem § 82 Abs 4 SGB XII steht, nichts anderes bestimmt. § 82 Abs 1 und 2 SGB XII betreffen alle Hilfearten des SGB XII, während die Absätze 3 und 4 dieser Bestimmung nur auf die dort jeweils genannten Hilfearten anzuwenden sind. § 43 SGB XII enthält daneben hinsichtlich des Einsatzes von Vermögen und der Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen eine Sonderregelung bei Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Von einem gesetzgeberischen Versehen vermag der Senat infolge dessen nicht auszugehen. Zum einen sind die entscheidungserheblichen Normen der §§ 41, 42, 35, 82 SGB XII insoweit nicht widersprüchlich, sondern ergänzen sich dahingehend, dass Leistungen in Einrichtungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt gehören und nicht Teil der Hilfe zur Pflege sind. Die durch Art 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferecht in das Sozialgesetzbuch vom 09.12.2004 (BGBl I S. 3005) angefügte Bestimmung in Abs 4, vergleiche auch den früheren § 82 Abs 3 Satz 1 SGB XII, lässt bei der Einkommensanrechnung Ausnahmen hier nur im Falle der Bewilligung von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu. Während der Bundesgesetzgeber mit dem Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.03.2005 (BGBl I S.818) m.W. ab dem 30.03.2005 die Vorschrift des § 82 Abs 3 SGB XII geändert hat und den dort vorgesehenen 30 vH-Satz auf die Hilfe für Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit ausdehnte, hat er eine gleichzeitige Änderung der Bestimmung des § 82 Abs 4 SGB XII nicht vorgenommen. Der Senat geht, mangels anderer Anhaltspunkte davon aus, dass der Bundesgesetzgeber bei der "Korrektur" des § 82 Abs 3 SGB XII den direkt darauf folgenden Absatz 4 nicht übersehen hat, sondern eine Gesetzesänderung hier nicht beabsichtigt hat.

Es besteht zur Überzeugung des Senats mithin kein Raum für die Rechtsprechung, im Wege der verfassungskonformen Auslegung oder gar im Wege der Analogie contra legem zu entscheiden. Der Gesetzgeber handelt hier noch im Rahmen seiner gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit, die die Gerichtsbarkeit auch dann zu respektieren hat, wenn Gesetzesänderungen angesichts langjähriger zweifelsfreier und interessensgerechter gesetzlicher Regelungen aus nur noch schwer nachvollziehbaren Gründen erfolgen. Bejaht man aber einen solchen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum bei der vorliegenden Einkommensanrechnung, sind weitere Fragen nach etwaigen Wertungswidersprüchen nicht mehr entscheidungserheblich.

Jedenfalls seit der Änderung des § 82 Abs 3 SGB XII durch das Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.03.2005 (vgl dazu oben) kann der Senat keine planwidrige Regelungslücke (mehr) erkennen (siehe dazu BVerwG vom 29.09.1998 BVerwGE 107, 231 = NVwZ 1999, 196 = DÖV 1999, 341 = Buchholz 402.25 § 26 AsylVfG Nr 5 mwN; ebenso BSG vom 25.06.2002 SozR 3-2500 § 38 Nr 4 = FEVS 54, 249), bei der sich die Anwendung des § 82 Abs 4 SGB XII geradezu aufdrängt (BVerwG vom 22.08.1986 NVwZ 1987, 55 = Buchholz 451.533 AFoG Nr 7).

Hat der Gesetzgeber in der Sache eine andere Rechtsfolge gewollt, etwa die Beibehaltung der bis zum 31.12.2004 ausgeübten Praxis, so ist er gehalten, den verabschiedeten Gesetzestext in Einklang mit seinem tatsächlichen Willen zu bringen.

Nachdem es einen sachlichen Unterschied darstellt, ob der Leistungsberechtigte Hilfe zum Lebensunterhalt oder aber Hilfe der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhält, lässt sich aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Grundgesetz (GG) nicht gegen den Gesetzeswortlaut herleiten, dass beide Personenkreise in der Einkommensanrechnung zwingend gleichzustellen wären. Der Senat meint ein gewisses Äquivalent darin zu erkennen, dass § 43 SGB XII für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung andererseits eine gewisse Erleichterung beim Vermögenseinsatz und bei der Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen mit sich bringt.

Mithin ergibt sich auch bei der vom Bundesverfassungsgericht geforderten und notwendigen Güter- und Folgenabwägung, dass der Antrag des Ast auf vorläufigen Rechtsschutz keinen Erfolg haben kann. Die vom Ast dargelegte Lebenssituation verlangt nicht, im oben genannten Sinne contra legem zu entscheiden. Eine Kündigung des Heimvertrages steht nicht im Raum. Die finanzielle Versorgung der Ehefrau des Ast scheint auch bei Aufbringung der geforderten Eigenmittel gewährleistet zu sein, was daraus zu ersehen ist, dass ihr Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII von der Landeshauptstadt München mangels Bedürftigkeit abgelehnt worden ist. Gegebenenfalls wird der zuständige Sozialhilfeträger über ihren Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII vor dem Hintergrund der vom Ast geforderten Eigenbeteiligung neu zu entscheiden haben. Nachdem es hier nur um die Frage der Einkommensanrechnung geht, sieht der Senat zudem keine Gefahr, dass Vermögenswerte des Ast bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache unwiderbringlich verloren gehen könnten.

Nach alledem kann die Beschwerde des Ast insgesamt keinen Erfolg haben, ohne das es auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ankäme.

Dem Ast bleibt es vorbehalten, die hier begehrten Leistungen im Wege eines Hauptsacheverfahrens weiter zu verfolgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Es gibt keinen Anlass, vom Grundsatz abzuweichen, dass der unterlegene Teil die Kosten trägt, so dass eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Ast durch den Ag nicht auszusprechen war. Der Ag hat den Rechtsstreit weder mutwillig veranlasst noch unnötig Kosten verursacht (vgl zu alledem Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 193 RdNrn 12a ff).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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