L 2 P 12/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 4 P 87/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 12/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 06. Dezember 2000 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
II. Die Parteien haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Entscheidung der beklagten Landesverbände der Pflegekassen, die diese ohne das Einvernehmen mit dem klagenden überörtlichen Träger der Sozialhilfe getroffen haben.

Die beklagten Pflegekassenverbände sprachen in einer Sitzung am 24.06.1996 unter anderem dem A.heim M. , einer von der Diözese Regensburg betriebenen vollstationären Pflegeeinrichtung, den Bestandsschutz nach § 73 Abs. 3 Satz 2 SGB XI in der Fassung des Artikel 1 Pflegeversicherungsgesetz vom 26.05.1994, Bundesgesetzblatt I 1014, ab. Anwesend waren hierbei zwei Vertreter des Klägers, die gegen diese Entscheidung votierten. Das fehlende Einvernehmen wurde in der Niederschrift festgehalten. Dem Träger des Pflegeheims gegenüber wurde die Ablehnung mit Bescheid vom 13.06.1996 ausgesprochen.

Mit Schreiben vom 16.06.1999 machte der Kläger gegenüber den Beklagten die Unwirksamkeit der Ablehnung geltend. Nachdem diese die Rechtskraft der Entscheidung geltend gemacht hatten, hat der Kläger am 11.08.1999 Klage erhoben und beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die Entscheidung vom 24.06.1996 zurückzunehmen und den Bestandsschutz für die Zeit vom 01.07.1996 bis 30.11.1996 festzustellen. Die Entscheidung sei ohne sein Einvernehmen erfolgt und deshalb rechtswidrig gewesen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.12.2000 abgewiesen. Zwar habe die Entscheidung nach § 73 Abs. 3 Satz 2 SGB XI nicht ohne das Einvernehmen des Klägers getroffen werden können, nach der Konfliktlösungsregelung des § 81 Abs. 1 Satz 3 SGB XI habe der Kläger jedoch überstimmt werden können.

Mit seiner Berufung beantragt der Kläger, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 06.12.2000 aufzuheben und die Beklagten zu verpflichten, ihre Entscheidung hinsichtlich der Ablehnung des Bestandsschutzes für das A.heim in M. zurückzunehmen und den Bestandsschutz für die Zeit vom 01.07. bis 30.11.1996 festzustellen.

Er ist der Meinung, die Entscheidung ohne sein Einvernehmen sei nichtig und eine Klagefrist deshalb nicht einzuhalten. Sofern dies anders zu sehen sei, gälten die Vorschriften der §§ 53 ff SGB X wie beim Abschluß von Versorgungsverträgen. Es wäre dann in entsprechender Anwendung des § 182 BGB seine Zustimmung erforderlich gewesen und die ohne diese Zustimmung erfolgte Entscheidung unwirksam.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließen sich der Meinung des Sozialgerichts an und machen darüber hinaus geltend, dass die Klage nicht zulässig gewesen sei, weil die Klagefrist abgelaufen sei.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Sie ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Die Klage ist nicht innerhalb der Frist des § 66 Abs. 2 SGG erhoben worden. Danach ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, wenn eine Belehrung über den Rechtsbehelf unterblieben oder unrichtig erteilt ist, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei.

Bei der Entscheidung der Beklagten über die Verweigerung des Bestandsschutzes handelte es sich um einen Verwaltungsakt (BSG SozR 3-3300 § 73 Nr. 1), der nicht nur gegen den Träger des Pflegeheims wirkt, sondern auch gegen den Kläger, soweit es seine Rechte als Verfahrensbeteiligter betrifft. Es fehlt zwar an der nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X notwendigen Bekanntgabe dieser bis dahin intern getroffenen Entscheidung an den Kläger, damit sie ihm gegenüber wirksam wurde. In Ansehung der Rechtsmittelfristen, im vorliegenden Fall der Klagefrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG, gilt jedoch die sichere Kenntnis des von dem Verwaltungsakt in seinen Rechten betroffenen Dritten von der Entscheidung als der Zeitpunkt, von dem an ihm nach Treu und Glauben die Berufung darauf versagt ist, dass die Entscheidung nicht amtlich mitgeteilt wurde (vgl. Bundesverwaltungsgericht E 44, 294). Das war im vorliegenden Fall der Tag der Sitzung am 24.06.1996, an der die Vertreter des Klägers teilgenommen und mitgestimmt hatten und bei der das fehlende Einvernehmen festgehalten wurde. Die Klage, bezüglich deren es eines Vorverfahrens nicht bedurfte (vgl. BSG a.a.O.), war deshalb drei Jahre später nicht mehr zulässig.

Der Kläger kann dem gegenüber nicht die Nichtigkeit der Entscheidung vom 24.06.1996 geltend machen, mit der Folge, dass er an keine Klagefrist gebunden wäre, weil die Nichtigkeit jederzeit geltend gemacht werden kann, und zwar auch in einer Anfechtungsklage (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage § 54 Rdnr. 8; § 55 Rdnr. 14 ff).

Nach § 40 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Entscheidung der Beklagten diesen Kriterien angesichts der vom Sozialgericht ausgeführten und mit Literaturstellen belegten Rechtsmeinung entsprechen würde (vgl. BSG Beschluss vom 23.02.2005, Az.: B 2 U 408/04 B). Die vorliegende Fallgestaltung ist in § 40 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB X ausdrücklich geregelt. Danach ist ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb nichtig, weil die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist. Unter diese Vorschrift fallen alle Entscheidungen ohne Herbeiführung eines im Gesetz geregelten Einvernehmens (v. Wulffen/Roos Kommentar zum SGB X, 5. Auflage § 40 Rdnr. 21; Stelkens-Bonk-Sachs, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz 6. Auflage § 44 Rdnr. 181 ff). Die Entscheidung der Beklagten kann deshalb nicht als nichtig angesehen werden. Sie richtet sich auch nicht nach den Regeln für öffentlich-rechtliche Verträge nach den §§ 53 ff SGB X. Wie bereits ausgeführt, mündet sie gegenüber dem von der Verweigerung des Bestandsschutzes Betroffenen in einen Verwaltungsakt und richtet sich damit nicht nach dem Recht für öffentlich-rechtliche Verträge. Der Kläger seinerseits wird auch bei der von ihm gewünschten Entscheidung der Beklagten nicht Partei eines Versorgungsvertrages, § 72 Abs. 2 Satz 2 SGB XI.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 Abs. 4 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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