L 8 AL 217/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 AL 635/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 217/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22. April 2004 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bestimmung des Insolvenzgeldzeitraums streitig.

Der am 1968 geborene Kläger war Monteur bei der Firma F. (Inhaber G.S.). Gegen die Kündigung durch den Arbeitgeber zum 28.02.2002 erhob er Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Augsburg. Mit Versäumnisurteil vom 02.07.2004 stellte dieses fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die erfolgte Kündigung nicht beendet worden sei, sondern fortbestehe. Das Arbeitsverhältnis wurde durch den Insolvenzverwalter zum 15.08.2003 gekündigt. Mit Beschluss vom 12.09.2002 eröffnete das Insolvenzgericht Neu-Ulm das Konkursverfahren über das Vermögen der Firma F. auf Antrag des Inhabers von Anfang Juli 2002. Am 14.08.2002 beantragte der Kläger Insolvenzgeld. Zu diesem Zeitpunkt bezog er seit 18.07.2002 von der Beklagten Arbeitslosengeld (Alg).

Mit Bescheid vom 09.07.2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger entsprechend der Insovenzgeldbescheinigung für die Zeit vom 12.06. bis 11.09.2002 Insolvenzgeld in Höhe von insgesamt 5.365,52 EUR unter Abzug des zeitgleichen Alg.

Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, hier sei der Zeitraum Dezember 2001 bis Februar 2002 als Insolvenzgeldzeitraum zugrunde zu legen, weil er nach dem 28.02.2002 nicht mehr in der Firma gearbeitet habe. Mit seiner Klage zum Arbeitsgericht habe er lediglich vorsorglich seinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung geltend gemacht. Über den 28.02.2002 hinaus habe er zu keinem Zeitpunkt seine Arbeitskraft dem früheren Arbeitgeber angeboten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2003 wies die Beklakte den Widerspruch als unbegründet zurück. Das Arbeitsverhältnis habe nicht durch Kündigung vom 28.01.2002 zum 28.02.2002 geendet, sondern darüber hinaus fortbestanden. Demnach habe es am Tag der Insolvenzeröffnung am 12.09.2002 noch Bestand gehabt. Gemäß § 183 Abs.1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei somit der Insolvenzgeldzeitraum für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses, für die noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt bestanden, festzusetzen. Dies sei der Zeitraum vom 12.06. bis 11.09.2002. In diesem Zeitraum hätten noch offene Arbeitsentgeltansprüche in Höhe von 5.967,74 EUR bestanden. Da der Kläger in diesem Zeitraum Alg bezogen habe und auch beschäftigt gewesen sei, sei das Insolvenzgeld um das Alg in Höhe von 1.798,16 EUR und das Entgelt aus dem Arbeitsverhältnis in Höhe von 602,22 EUR zu mindern. Es habe sich somit ein Auszahlungsbetrag von 3.567,36 EUR errechnet. Die Bestimmung des § 183 Abs.1 SGB III lasse eine andere Festsetzung des Insolvenzgeldzeitraumes und des am 12.09.2002 noch bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht zu.

Zur Begründung der zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage hat der Kläger ausgeführt, entgegen der Ansicht der Beklagten habe sein Arbeitsverhältnis tatsächlich mit Ablauf des 28.02.2003 geendet. Die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit habe bereits zum 15.04.2002 vorgelegen. Deshalb sei der Zeitraum Dezember 2001 bis Februar 2002 als Insolvenzgeldzeitraum zugrunde zu legen. Weiter werde auf die neueste Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), abgedruckt in JHW 2003, S.2371, hingewiesen, die sich ebenfalls mit der Frage der Berechnung des Anfangszeitpunktes für das Insolvenzgeld beschäftigt habe. Wie dem Urteil zu entnehmen sei, solle für die Berechnung des Insolvenzgeldzeitraums gerade nicht der Zeitraum herangezogen werden, in dem das Arbeitsverhältnis wegen eines Erziehungsurlaubs ruhe und aus diesem Grund kein Anspruch auf Arbeitsentgelt bestehe.

Mit Urteil vom 22.04.2002 hat das SG den Bescheid vom 09.07. 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2003 dahingehend abgeändert, als Insolvenzgeld für den Zeitraum der drei Monate vor Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (statt vor Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens) in gesetzlicher Höhe zu gewähren sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf den Sachverhalt sei die Richtlinie 80/987/ EWG vom 20.10.1980 in der Interpretation durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH-Urteil vom 15.05.2003 - RS.C-160/01, NZS S.647 ff.) anzuwenden. Nach Art.3 Abs.2 1. - der Richtlinie in der damaligen Fassung hätten Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen können, damit Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betroffen hätten, sicherstellen. Der nach Art.3 Abs.1 genannte Zeitpunkt sei nach Wahl der Mitgliedsstaaten entweder der Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers oder der Zeitpunkt der Kündigung zwecks Entlassung des betreffenden Arbeitnehmers wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Der EuGH habe im angegebenen Urteil entschieden, dass § 183 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB III mit der höherrangigen Richtlinie nicht vereinbar sei, soweit für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums auf die Entscheidung über den Antrag auf Eröffung des Insolvenzverfahrens abgestellt werde und nicht auf den Zeitpunkt der Einreichung dieses Antrags. Das EU-Sozialrecht modifiziere die entsprechenden Vorschriften des nationalen Rechts, gehe dem nationalen Recht als vorrangige Bestimmungen vor. Erst durch die Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.09.2002 sei die Richtlinie 80/987/EWG dahingehend geändert worden, dass im nationalen Recht auf die Eröffnung des Verfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers abgestellt werden könne. Ab der Änderung, die den im Verfahren maßgeblichen Zeitraum nicht mehr betreffe, verstoße § 183 SGB III nicht mehr gegen die EWG-Richtlinie. Im Klageverfahren sei jedoch noch - wie dargestellt - die Vorgängerregelung in der Interpretation des Europäischen Gerichtshof anzuwenden gewesen. Die Klage sei abzuweisen gewesen, soweit die Zahlung von Insolvenzgeld für den Zeitraum 01.12.2001 bis 08.02.2002 erreicht hätte werden sollen. Maßgeblich sei das Bestehen und das arbeitsrechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses, also der Kündigungstermin, zu dem das Arbeitsverhältnis geendet habe. Nachdem das Arbeitsverhältnis aufgrund des Urteils des Arbeitsgerichts Augsburg vom 02.07. 2002 nicht durch die Kündigung des Klägers zum 28.02.2002 sein Ende gefunden habe, sondern erst durch die spätere Kündigung zum 15.08.2002 durch den Insolvenzverwalter, habe kein Anspruch auf Insolvenzgeld für die Monate Dezember 2001 bis Februar 2002 bestanden.

Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, den Aus- führungen des SG zur Anwendung der Richtlinie 80/987/EWG vom 20.10.1980 in der Interpretation durch das EuGH-Urteil vom 15.05.2003 könne nicht in vollem Umfang gefolgt werden. Der EuGH habe in seinem Urteil vom 15.05.2003 entschieden, dass Art.3 Abs.2 und Art.4 Abs.2 der Richtlinie 80/987/EWG dahingehend auszulegen sei, dass diese der Bestimmung des § 183 Abs.1 SGB III entgegen stehen würde, soweit als Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (Insolvenzereignis) der Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nicht der Zeitpunkt der Einreichung des Antrags zugrunde gelegt werde. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergebe sich demnach unstreitig, dass der Zeitpuntk der Einreichung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Berücksichtigung der genannten Richtlinie maßgeblicher Zeitpunkt für die Festlegung des Insolvenzgeldzeitraumes sei. Nicht bestritten werde ebenfalls, dass damit die Vorschrift des § 183 Abs.1 Satz 1 SGB III folglich insoweit gegen die Richtlinie verstoße. Der EuGH besitze nach den Vorschriften des EGV das Entscheidungsmonopol bezüglich der zuletzt verbindlichen Auslegung des gesamten Gemeinschaftsrechtes, so dass dessen oben näher ausgeführte Auslegung in der Richtlinie 80/987/EWG grundsätzlich maßgeblich sei. Folge man den Ausführungen des EuGH, sei es Sache der nationalen Gerichte, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechtes zu gewährleisten. Aufgrund dessen müsse nach Auffassung des EuGH das zuständige Gericht die Auslegung des nationalen Rechtes soweit wie möglich an Wortlaut und Zweck der einschlägigen Richtlinie ausrichten, um das verfolgte Ziel zu erreichen. Hinsichtlich der richtlinienkonformen Auslegung sei jedoch zu berücksichtigen, dass hier eine solche an der eindeutigen Regelung des § 183 Abs.1 SGB III scheitere, welche für die Festlegung des Insolvenzgeldzeitraumes als Insolvenzereignis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugrunde lege. Eine Auslegung dieser Vorschrift im Einklang mit der Richtlinie 80/987/EWG sei daher nicht möglich. Bei der Richtlinie handele es sich nicht um unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht. Die Richtlinie wäre zwar grundsätzlich nach den Vorschriften des EGV in innerstaatliches Recht umzusetzen gewesen. Jedoch sei der Inhalt und damit auch die Auslegung durch den EuGH zu diesem Bereich aufgrund des nicht erfolgten Transformationsaktes hier nicht anwendbar. Infolgedessen könne auch das SG nicht das innerstaatliche Recht - hier § 183 Abs.1 SGB III - außer Acht lassen. Die einschlägigen Vorschriften seien vielmehr anzuwenden, da nicht nur die Verwaltung, sondern auch die Sozialgerichtsbarkeit an die bestehenden nationalen Gesetze gebunden sei. Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld bestehe - auch unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils - ausschließlich für die Zeit vom 12.06. bis 11.09.2002. Des Weiteren werde ergänzend auf das Urteil des BSG vom 20.06.2001 - B 11 AL 3/01 R - vewiesen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.04.2004 so- wie den Bescheid vom 09.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2002 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG Augsburg vom 22.04.2004 für zutreffend. Das Urteil des BSG stamme aus dem Jahr 2001, wohingegen die Entscheidung des EuGH, welche Grundlage für das Urteil des SG gewesen sei, aus dem Jahr 2003 stamme. Die Entscheidung des BSG betreffe die Frage, ob eine "Vorverlagerung" des Insg-Zeitraums möglich bzw. zulässig sei. Wie auf Seite 9 des Urteils ausgeführt werde, habe der Gesetzgeber damals § 141b Abs.1 AFG dahingehend neu gefasst, als an die Stelle der letzten drei Monate vor dem Insolvenzereignis die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses ge- treten seien. Das zitierte Urteil des BSG befasse sich gerade nicht mit der vom EuGH entschiedenen Problematik, sondern mit der Frage der Verschiebung des kompletten Dreimonatszeitraums. Die Entscheidung des EuGH, auf den Zeitpunkt der Einreichung des Insolvenzantrags abzustellen, sei nach alledem sachgerecht und stelle keine Verschiebung des Garantiezeitraums dar. Es werde vielmehr mit der Wahl dieses Zeitpunkts sichergestellt, dass es zu keinen Unbilligkeiten und Ungerechtigkeiten komme, die infolge eines längeren Verfahrensprozesses bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen können. Das SG habe alle diese Argumente zutreffend berücksichtigt, insbesondere auch die Rechtsauffassung des EuGH.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtswege Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), ein Auschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als begründet.

Zu Unrecht hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 09.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2003 dahingehend abgeändert, als Insolvenzgeld für den Zeitraum der drei Monate vor Antragstellung auf Eröffnung des Konkursverfahrens (statt vor Beschluss über Eröffnung des Insolvenzverfahrens) in gesetzlicher Höhe zu gewähren sei und "lediglich" im Übrigen die Klage abgewiesen.

Denn der Bescheid vom 09.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2003 entspricht der Sach- und Rechtslage. Zu Recht hat die Beklagte den Insolvenzgeldzeitraum auf die Zeit vom 12.06. bis 11.09.2002 festgelegt.

Gemäß § 183 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld bei Eröffung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, wenn sie für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

Mit Beschluss des Insolvenzgerichtes vom 11.09.2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma F. - Inhaber G.S. - eröffnet. Aufgrund des Versäumnisurteils des Arbeitsgerichts Augsburg steht fest, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung seines ehemaligen Arbeitgebers vom 28.01. zum 28.02.2002 nicht beendet wurde, sondern darüber hinaus fortbestand. Erst durch die Kündigung durch den Insolvenzverwalter vom 15.08.2003 wurde das Arbeitsverhältnis beendet.

Entgegen der Auffassung des SG im angefochtenen Urteil ist nicht auf die Antragstellung auf Eröffnung des Konkursverfahrens abzustellen, sondern vielmehr auf die Entscheidung des Konkursgerichts. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Richtlinie 80/987/EWG vom 28.10.1980.

Zwar knüpft diese Richtlinie tatsächlich an den Antragszeitpunkt an, während § 183 Abs.1 Satz 1 SGB III auf die dort genannten Insolvenzereignisse abstellt; jedoch ist die Bestimmung trotz dieser Abweichung anzuwenden.

Nach Art.4 Abs.2 1. - Richtlinie 80/987/EWG müssen die Mitgliedsstaaten, soweit sie die in Art.3 der Richtlinie vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtung begrenzen, die Befriedigung der das Arbeitsentgelt betreffenden nicht erfüllten Ansprüche für die drei letzten Monate des Arbeitsvertrags oder des Arbeitsverhältnisses sicherstellen, die innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen. Gegenüber dieser Bestimmung enthält die Deutsche Insolvenzsicherung eine günstigere und damit zulässige Regelung (vgl. Hennig, SGB III, vor §§ 183 bis 189 Rz.21 bis 35).

Soweit das SG und auch der Kläger aus der Entscheidung des EuGH vom 15.05.2003 - RS.C-160/01 - herleiten wollen, der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers im Sinne des Art.4 Abs.2 1. - Richtlinie 80/987/EWG falle ohne jegliche Dispositionsmöglichkeit des nationalen Gesetzgebers immer mit dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung zusammen, verkennen sie den Hintergrund und die Reichweite dieser Entscheidung. Tragender Grund des EuGH war die Erwägung, dass die Befriedigung von Ansprüchen der Arbeitnehmer nicht gewährleistet ist, wenn einerseits von der durch Art.4 Abs.2 1. - der Richtlinie eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, die nicht erfüllten Ansprüche aus den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses nur insoweit zu sichern, als sie innerhalb einer sog. Referenzzeit von mindestens sechs Monaten vor dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen und wenn andererseits in Ländern, die sich für diese Option entschieden haben, Verfahren über Insolvenzanträge so lange dauern, dass die Referenzzeit im Sinne des Art.4 Abs.2 1. - der Richtlinie verstrichen sein kann, ehe über den Insolvenzantrag entschieden ist. Dies hat den EuGH bewogen, den Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags als "Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers" anzusehen. Damit wird verhindert, dass die betroffenen Arbeitnehmer jegliche Ansprüche gegen die Garantieeinrichtung dadurch verlieren, dass innerhalb des Referenzzeitraums keine Zeit des Arbeitsverhältnisses liegt, weil das zuständige Insolvenzgericht länger als sechs Monate für die Entscheidung über den Insolvenzantrag benötigt.

Auf das deutsche Insolvenz-Recht treffen die Erwägungen des EuGH schon deshalb nicht zu, weil der Gesetzgeber auf eine Referenzzeit gänzlich verzichtet hat. Es ist in der Bundesrepublik Deutschland sichergestellt, dass Arbeitnehmr für Lohnausfälle, die sie in den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses erlitten haben, stets einen Ausgleich beanspruchen können, völlig unabhängig davon, in welchen vor dem Insolvenzereignis liegenden Zeitraum diese drei Monate fallen und wieviel Zeit das Konkurseröffnungsverfahren in Anspruch nimmt. Der durch die Richtlinie 80/987/EWG angestrebte Mindestschutz der Arbeitnehmer für einen Zeitraum von drei Monaten (Art.4 Abs.2, 1. - der Richtlinie) wird somit durch die deutschen Insolvenz-Vorschriften wegen des Fehlens einer Referenzzeit optimal gewährleistet. Eine Vorverlegung des Insolvenz-Zeitraums auf die Zeit bis zum Konkursantrag würde demgegenüber einen Rückschritt bedeuten, weil viele Arbeitnehmer einen wesentlichen Teil des Lohnausfalls erst in der Zeit zwischen dem Konkursantrag und der Entscheidung darüber erleiden.

Da das deutsche Insolvenz-Recht einen Referenz-Zeitraum zur Begrenzung von Ansprüchen der Arbeitnehmer nicht enthält, können Zeiten vor und nach der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestützt sein. Es handelt sich dabei ersichtlich um eine gegenüber der Richtlinie günstigere Regelung, wie sie durch Art.9 Richtlinie 80/987/EWG ausdrücklich zugelassen ist.

Zudem kann nach der Rechtsprechung des EuGH der einzelne Arbeitnehmer keine unmittelbaren Ansprüche aus der Richtlinie ableiten, die das Recht des Mitgliedstaates nicht vorsieht.

Sollte man eine unzureichende Umsetzung der EG-Insolvenzrichtlinien durch §§ 183 ff. ausnahmsweise hinsichtlich des nach europäischem Recht vorgesehenen Mindestausfallzeitraums von acht Wochen vor dem Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrages annehmen (Gagel, § 183 Rdnr.84 bis 89), handelt es sich um einen Staatshaftungsanspruch auf Schadensersatz wegen unterbliebener Umsetzung der Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber, der nach deutschem Haftungsrecht zu beurteilen ist und sich weder gegen die Bundesagentur richtet noch die Sozialgerichtsbarkeit zur Entscheidung vorsieht (BSG SozR 3-4100 § 141b Nr.23). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen §§ 183 ff. SGB III greifen nicht durch (BSG, a.a.O.).

Somit war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.04.2004 in vollem Umfang aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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