L 8 AL 241/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 440/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 241/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7a AL 138/05 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung des Arbeitslosengeldes (Alg) ab 01.01.1998 und die Erstattung von 3.085,04 DM (1.577,35 EUR) streitig.

Der 1948 geborene Kläger war bis 22.04.1997 als Wachdienstmitarbeiter beschäftigt. Die Beklagte bewilligte ihm nach Krankengeldbezug bis 23.05.1997 zunächst ab 16.07.1997 Alg für 362 Tage.

Am 08.01.1998 legte der Kläger Gehaltsabrechnungen der Firma S.L. GmbH vor über ein "Aushilfsgehalt" von jeweils 390,00 DM für die Monate November und Dezember 1997. Die Firma gab mit Schreiben vom 23.02.1998 an, der Kläger sei bis zu seiner eigenen Kündigung als Aushilfe beschäftigt gewesen; geplant sei lediglich ein stundenweiser Einsatz gewesen, er habe jedoch wesentlich mehr gearbeitet, weshalb das Lohnbüro angewiesen worden sei, ihn der Sozialversicherungspflicht zu unterwerfen. In dem weiteren Schreiben vom 19.03.1998 wurde mitgeteilt, der Kläger habe im Monat Januar 1998 wesentlich mehr gearbeitet und bis Februar 1998 schätzungsweise 6.000,00 DM brutto erarbeitet. Eine Abrechnung habe bisher nicht erfolgen können, weil der Kläger die Abrechnungsunterlagen unterschlagen habe und sich weigere, eine Lohnsteuerkarte vorzulegen.

Mit Schreiben vom 23.03.1998 hörte die Beklagte den Kläger dazu an, dass er vom 01.01. bis 28.02.1998 Alg in Höhe von 3.250,31 DM zu Unrecht bezogen habe, weil er seitdem in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Mit Bescheid vom 15.04.1998 hob die Beklagte die Bewilligung des Alg ab 01.01.1998 auf und forderte die Erstattung von 3.085,04 DM sowie der entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 702,13 DM.

In seinem hiergegen eingelegten Widerspruch gab der Kläger an, von der Firma S.L. GmbH monatlich 610,00 DM erhalten zu haben, vom Arbeitgeber aber gezwungen worden zu sein, Vollzeit zu arbeiten (ohne Arbeitsvertrag und ohne Lohn). Er habe beim Arbeitsgericht Klage erhoben, weil ihm die Firma noch ca. 6.000,00 DM schulde.

Bei einer polizeilichen Vernehmung am 07.07.1998 gab der Kläger u.a. an, er habe im Januar 1998 mindestens 50 Stunden wöchentlich und im Februar bis 16.02.1998 wöchentlich 36 Stunden gearbeitet; für Januar seien 610,00 DM gezahlt worden, für Februar nichts.

Mit weiterem Bescheid vom 11.02.1999 hob die Beklagte die Bewilligung ab 21.10.1997 ganz auf und forderte die Erstattung von weiteren 3.713,00 DM. In dem hiergegen eingelegten Widerspruch gab der Kläger an, nur zehn Stunden wöchentlich gearbeitet zu haben.

Der Kläger hatte mit Schreiben vom 26.02.1998 Klage zum Arbeitsgericht München (27 Ca 3098/98) erhoben mit dem Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbestehe. Er sei seit 20.10.1997 als Skiservice-Arbeiter beschäftigt. Die Schreiben des Arbeitgebers vom 17. und 18.02.1998, in denen eine fristlose bzw. ordentliche Kündigung des Klägers zum 27.02. 1998 bestätigt werde, seien unrichtig. Am 02.02.1999 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach Einigkeit bestand, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung mit Ablauf des 15.03.1998 beendet worden sei, der Kläger der Beklagten die in seinem Besitz befindlichen Auftragsbelege und Lohnsteuerkarten übergebe und der Arbeitgeber bis spätestens 12.03.1999 dem Kläger korrigierte Lohnabrechnungen für den Zeitraum Oktober 1997 bis März 1998 erteile.

Der Arbeitgeber errechnete sodann für Oktober 1997 ein bereits gezahltes Gehalt von 610,00 DM, für November 1997 von 390,00 DM und für Dezember 1997 von 850,45 DM. Für Januar 1998 erstellte er eine Lohnabrechnung über ein Gehalt von 1.625,87 brutto und 1.282,81 netto, für Februar über ein Bruttogehalt von 1.308,32 und ein Nettogehalt von 1.032,27 DM und für März 1998 (Lohnfortzahlung bis 15.03.1998) über einen Nettoverdienst von 1.491,09 DM. Bei den Abrechnungen legte der Arbeitgeber einen Stücklohn zugrunde, und zwar für den sogenannten kleinen Skiservice DM 4,00, für den großen Skiservice DM 5,50, für Montagen 8,70 DM, für IAS 2,00 DM, für Schlittschuhe ebenfalls 2,00 DM und für den Superservice 8.00 DM.

Der Kläger erhob erneut Klage zum Arbeitsgericht München (35 Ca 4481/99) mit dem Antrag, ihm für die Monate November 1997 bis März 1998 je 2.000,00 DM netto zu zahlen. Er habe eine Arbeitswoche von sechs Tagen mit insgesamt 50 Stunden gehabt. Mit Urteil vom 06.08.1999 hat das Arbeitsgericht den Arbeitgeber verurteilt, an den Kläger 512,89 DM netto nebst 4 % Zinsen zu bezahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Kläger könne von der Beklagten die Zahlung von 512,89 DM netto als Urlaubsabgeltung für acht Urlaubstage verlangen. Weiteren Ansprüchen stehe der Vergleich vom 02.02.1999 entgegen, in dem die Parteien übereingekommen seien, dass die Beklagte aufgrund der Stücklohnvereinbarung abrechne. Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Berufung 7 Sa 956/99 hat der Kläger geltend gemacht, jeweils ab 10.00 Uhr morgens vollschichtig gearbeitet zu haben; nach dem entsprechenden Tarifvertrag habe er Anspruch auf einen Stundenlohn von 19,01 DM. Das LAG München vernahm in der mündlichen Verhandlung am 29.03.2000 drei Zeugen. Die Kammer wies sodann darauf hin, dass der gerichtliche Vergleich vom 02.02. 1999 einer Inanspruchnahme des Arbeitgebers auf die tarifliche Mindestvergütung auch bei Einigung der Parteien über eine Stücklohnvergütung nicht entgegenstehe, weil der Kläger auf die tarifliche Mindestleistung nicht wirksam habe verzichten können. Die Parteien schlossen daraufhin einen Vergleich, in dem sie sich darüber einig waren, dass die Beklagte auf der Basis des gerichtlichen Vergleichs vom 02.02.1999 ordnungsgemäß abgerechnet habe und die an den Kläger erfolgten Lohnzahlungen nach Maßgabe der geleisteten Arbeitsstunden im Rahmen des Lohntarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern gelegen hätten, somit Ansprüche des Klägers auf eine Differenz zur tariflichen Mindestvergütung nicht mehr bestünden.

Die Beklagte wies die Widersprüche des Klägers gegen die Bescheide vom 15.04.1998 und 11.02.1999 mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2002 als unbegründet zurück. Der Kläger sei ab 21.10. 1997 nicht mehr arbeitslos im Sinne der §§ 101 Abs.1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), 118 Abs.1 Sozialgesetzbuch (SGB) III gewesen, weil er eine mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausgeübt habe. Dies ergebe sich aus seinen Einlassungen gegenüber der Kriminalpolizei.

Hiergegen hat der Kläger zum Sozialgericht München (SG) Klage erhoben. Mit Urteil vom 18.05.2004 hat das SG den Bescheid vom 11.02.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03. 2002 aufgehoben; den Bescheid vom 15.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2002 hat es aufgehoben, soweit die Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurückgefordert wurden, im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Für die Dauer der mehr als kurzzeitigen Beschäftigung vom 01.01.1998 bis März 1998 habe dem Kläger kein Alg zugestanden, da er in diesem Zeitraum nicht mehr arbeitslos gewesen sei. Aus den beigezogenen Aktenunterlagen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts München ergebe sich, dass der Kläger unter Berücksichtigung der von der Firma L. und vom Kläger selbst gemachten Angaben in der Zeit von Januar 1998 bis März 1998 mehr als kurzzeitig im sozialversicherungspflichtigen Umfang beschäftigt gewesen sei. Die Beklagte habe jedoch keinen Anspruch auf Erstattung der entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Für die Zeit vom 21.10. bis 31.12.1997 sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen, das dem Kläger bewilligte Alg wegen Wegfalles der Arbeitslosigkeit aufzuheben, da der Kläger, wie sich aus den beigezogenen Akten des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts ergebe, nur in kurzzeitigem Umfang gearbeitet habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, der geltend macht, vom Arbeitgeber für die Monate Januar und Febru- ar 1998 die monatlichen Entgelte von 1.282,91 DM bzw. 1.032,27 DM nicht erhalten zu haben; zudem habe er das Arbeitsamt von der Tätigkeit der Firma S.L. ordnungsgemäß benachrichtigt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.05.2004, soweit es die Klage abgewiesen hat, und den Bescheid vom 15.04.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.03.2002 ganz aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger habe lediglich die Aufnahme einer Nebenbeschäftigung mitgeteilt. Später habe er angegeben, bereits im Oktober mindestens 40 Stunden an neun Tagen gearbeitet zu haben. Diesen Tätigkeitsumfang habe er am 17.02.1999 bestritten; insoweit könne nachvollzogen werden, dass er gegenüber der Firma S.L. Lohnnachforderungen über nicht geleistete Arbeitsstunden erhoben und - konfrontiert mit den Rechtsfolgen einer für den Bezug von Alg fehlenden Anspruchsvoraussetzung - gegenüber der Beklagten Gegenteiliges behauptet habe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten, der beigezogenen Akten des Arbeitsgerichts München (37 Ca 3098/98, 35 Ca 4481/99), des Landesarbeitsgerichts München (7 Sa 956/99) und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Zu Recht hat das SG die Klage, soweit es ihr nicht entsprochen hat, abgewiesen, da die Bescheide der Beklagten insoweit nicht zu beanstanden sind.

Der Kläger hatte ab 01.01.1998 keinen Anspruch auf Alg mehr, da er eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung ausgeübt hat und deshalb nicht mehr arbeitslos im Sinne des § 118 Abs.2 SGB III war. Auch ab Beendigung der tatsächlichen Beschäftigung im Februar 1998 hatte er keinen Anspruch auf Alg, da er arbeitsunfähig, d.h. nicht arbeitsfähig im Sinne des § 119 Abs.3 Nr.1 SGB III war und zudem der Anspruch gemäß § 143 Abs.1 SGB III wegen des in Form von Lohnfortzahlung bezogenen Arbeitsentgelts bis 15.03.1998 ruhte.

Dass der Kläger ab 01.01.1998 eine Beschäftigung von wenigstens 15 Stunden pro Woche ausgeübt hat, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.04.1998, in der polizeilichen Vernehmung vom 07.07.1998 sowie in seinen Schriftsätzen in den Verfahren vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht. Ständig hat er angegeben, eine vollschichtige bzw. annähernd vollschichtige Beschäftigung ausgeübt zu haben. Auch wenn seine Klagen auf höheres Entgelt vor dem Arbeitsgericht letztlich erfolglos blieben, so sprechen auch die vom Arbeitgeber für die Monate Januar bis März 1998 erstellten Lohnabrechnungen für eine Beschäftigung von wenigstens 15 Stunden pro Woche. Sein Bevollmächtigter hat im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht München geltend gemacht, dem Kläger stehe ein tariflicher Stundenlohn von 19,01 DM zu. Setzt man diesen Stundenlohn in Beziehung zu dem für Januar 1998 abgerechneten Bruttolohn von 1.625,87 DM, so ergibt sich eine monatliche Stundenzahl von 85,52 Stunden und eine wöchentliche von 19,73 DM. Für Februar 1998 entspricht der Bruttolohn von 1.308,32 DM einer monatlichen Stundenzahl von 68,82 und einer wöchentlichen von 15,88 Stunden.

Die Beklagte war gemäß §§ 48 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB X, 330 Abs.3 Satz 1 SGB III berechtigt und verpflichtet, die Bewilligung des Alg ab 01.01.1998 aufzuheben, da durch den Wegfall des Anspruches eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen hatten, eingetreten ist. Der Kläger hat erst verspätet mitgeteilt, dass er eine mindestens 15 Stunden pro Woche umfassende Beschäftigung ausgeübt hat, und ist damit seiner Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Veränderungen der Verhältnisse zumindest grob fahrlässig nicht rechtzeitig nachgekommen. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass der Kläger zunächst nur einen Nebenverdienst, also eine unter 15 Stunden pro Woche liegende Beschäftigung gemeldet hat. Zudem ist auch die Voraussetzung des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X erfüllt, da der Kläger zumindest wissen musste, ohne grob fahrlässig zu handeln, dass durch die Aufnahme einer mindestens 15 Stunden pro Woche umfassenden Beschäftigung kein Anspruch auf Alg mehr besteht. Hierüber ist er, worauf das SG zu Recht hinweist, in dem ihm bei Arbeitslosmeldung übergebenen Merkblatt für Arbeitslose belehrt worden.

Somit war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 18.05.2004 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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