L 11 AL 517/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 695/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 517/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.10.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen vom 01.11.2002 bis 23.01.2003.

Der am 1971 geborene Kläger ist griechischer Staatsangehöriger und war vom 10.07.1989 bis 10.09.1999 als Gabelstaplerfahrer und zuletzt vom 12.09.1999 bis zum 30.09.2000 als Aushilfe bei der Firma T. GmbH & Co K, A., beschäftigt.

Aufgrund seiner Arbeitslosmeldung und seines hierauf gerichteten Antrages vom 04.10.2000 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 04.01.2000. Im Anschluss hieran bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe.

Mit Schreiben vom 29.10.2002 bot die Beklagte dem Kläger eine Stelle als Gabelstaplerfahrer bei Firma E. Zeitarbeit GmbH in A. an.

Mit Datum vom 31.10.2002 teilte die Firma E. Zeitarbeit GmbH, A., der Beklagten mit, der Kläger habe sich am 30.10.2002 vorgestellt. Er sei nicht eingestellt worden, weil er für die Tätigkeit für nicht geeignet gehalten worden sei. Er sei bereits seit 2 1/2 Jahren arbeitslos und habe keine Praxis mehr als Staplerfahrer. Zudem habe er bei der Vorstellung kaum ein Wort gesagt und mit den Händen in der Tasche "rumgestanden". Bereits seine äußere Erscheinung habe keine Einstellung zugelassen.

Der Kläger seinerseits gab an, er sei nicht eingestellt worden, weil der Arbeitsplatz bereits besetzt gewesen sei.

Mit Bescheid vom 13.11.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er das Zustandekommen eines ihm angebotenen Beschäftigungsverhältnisses vereitelt habe und deshalb gemäß § 144 SGB III eine 12-wöchige Sperrzeit eingetreten sei. Für die Zeit vom 01.11.2002 bis 23.01.2003 ruhe deshalb sein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe. Er erhalte Leistungen erst nach Ablauf dieser Sperrzeit.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Er sei bei der Firma E. Zeitarbeit GmbH, A., gewesen und habe sich dort beworben. Ihm sei gesagt worden, die Stelle sei bereits besetzt und man habe keine Arbeit für ihn.

Im anhängigen Widerspruchsverfahren erklärte der Angestellte L. der E. Zeitarbeit GmbH, A., gegenüber der Widerspruchsstelle u.a., der Kläger habe sich so verhalten, dass an eine Einstellung nicht zu denken gewesen sei. Er habe beim Vorstellungsgespräch den Vermittlungsvorschlag ausgepackt und habe lediglich Arbeitsamt gesagt. Dabei habe er die ganze Zeit über die Hände in den Manteltaschen gelassen und kaum geredet. Er habe sich dann vor allem am Gehalt interessiert gezeigt. Daraufhin habe er die Stelle nicht bekommen. Seine mangelnde Praxis in den letzten Jahren sei nicht ausschlaggebend gewesen. Es wäre durchaus möglich gewesen, ihn einzusetzen. Wenn er sich anders benommen hätte, wäre er auch eingestellt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Die hiergegen erhobene Klage des Klägers ging beim Sozialgericht Würzburg am 18.12.2002 ein.

Der Kläger beantragte, den Bescheid der Beklagten vom 13.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2002 aufzuheben.

Es reiche für den Tatbestand des Vereitelns iS des § 144 SGB III nicht aus, wenn der Arbeitslose aufgrund seines Verhaltens für eine Einstellung nicht in Frage komme. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitslose das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses gezielt (aktiv) vereitele, er also arglistig, bewusst und gewollt die Rücknahme des Arbeitsangebotes bewirke. Von einem derartigen Verhalten könne keine Rede sein. Bereits zum Zeitpunkt als der Kläger die Stelle angeboten bekommen habe, sei diese bereits besetzt gewesen, was der Sachbearbeiter Rickert vom Arbeitsamt A. dem Kläger so auch mitgeteilt habe. In der Hoffnung, vielleicht doch noch eine Stelle bei der Firma E. Zeitarbeit GmbH, A., zu finden, habe er sich gleichwohl dort vorgestellt. Ihm sei aber mitgeteilt worden, dass die Stelle als Gabelstaplerfahrer bereits anderweitig besetzt sei. Eine entsprechende Erklärung sei auch auf dem mitgebrachten Formular vermerkt worden. Dieses Formular habe der Kläger an das Arbeitsamt zurückgegeben. Aus dem Verhalten, dass er kaum ein Wort gesprochen bzw die ganze Zeit mit den Händen in den Manteltaschen herumgestanden hätte, könne nicht auf den eindeutigen Willen des Klägers geschlossen werden, dass er das Arbeitsverhältnis verweigere.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe die Grenzen der Freiheit des Arbeitslosen bei der Führung des Einstellungsgespräches durch sein Verhalten eindeutig überschritten. Er habe das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses mithin verhindert. Das Verhalten eines Arbeitslosen bei einem Vorstellungsgespräch müsse im Rahmen dessen liegen, was ein Arbeitgeber üblicherweise von einem an einer Arbeitsaufnahme interessierten Bewerber erwarten könne.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG bestätigte der kaufmännische Angestellte L. auf Vorhalt und als Zeuge vernommen die Richtigkeit seiner Angaben über das Vorstellungsgespräch mit dem Kläger am 30.10.2002. Weiterhin bekräftigte er, dass er es mit Sicherheit vermerkt hätte, wenn die Stelle bereits besetzt gewesen und dies der Grund für die Nichteinstellung des Klägers gewesen wäre. Er könne sich jedoch auch insoweit erinnern, dass der Kläger später noch einmal vorgesprochen habe und nach einer Stelle gefragt habe. Aufgrund des schlechten Eindrucks beim ersten Mal sei jedoch wiederum von dessen Einstellung abgesehen worden. Im Übrigen habe er den Eindruck gehabt, dass der Kläger ihn gut verstanden hätte. Er habe sich auch alleine vorgestellt, soweit er sich erinnern könne.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 27.10.2004 ab. Die Behauptung des Klägers, die von der Beklagten angebotene Stelle sei bei seiner Vorstellung am 30.10.2004 bereits anderweitig besetzt gewesen, sei durch die Aussage des Zeugen widerlegt. Insoweit erscheine es auch nicht mehr erforderlich, weitere Zeugen zu vernehmen. Der Kläger habe durch sein Auftreten und die Art seiner Präsentation die Ablehnung der Einstellung provoziert. Hierwegen könne auch nicht auf seine mangelnde Sprachkenntnis verwiesen werden, nachdem er sich seit seinem 18. Lebensjahr in Deutschland aufhalte und seit über 10 Jahren hier arbeite.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner beim Bayer. Landessozialgericht am 23.12.2004 eingegangenen Berufung, mit der er teilweise seine bisherigen Einlassungen wiederholt. Er erinnere sich an einen anderen Verlauf des Gespräches vom 30.10.2002. Ihm sei unter Verstoß gegen elementare Regeln der Höflichkeit nicht angeboten worden, seinen Mantel abzulegen, weshalb nicht zu beanstanden sei, dass er die Hände in die Manteltaschen gesteckt habe. Dass er beim Gespräch vom 30.10.2002 kaum etwas gesagt habe, beruhe im Wesentlichen darauf, dass das Gespräch seitens des Arbeitgebers nach wenigen Sätzen abgebrochen worden sei.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.10.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 13.11.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2002 aufzuheben.

Die Beklagte tritt dem im Berufungsverfahren entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Der Berichterstatter konnte gemäß § 155 Abs 3 und 4 SGG an Stelle des Senats als Einzelrichter entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben. Die Beteiligten haben zudem auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 124 Abs 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Gemäß dem durch Job-AKTIV-Gesetz vom 10.12.2001 (BGBl I S 3443) mit Wirkung ab dem 01.01.2002 neu gefassten § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht angenommen und nicht angetreten oder die Anbahnung eines solchen Beschäftigungsverhältnisses, insbesondere das Zustandekommen eines Vorstellungsgespräches, durch sein Verhalten verhindert hat (Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet. Während ihres Laufes ruht der Leistungsanspruch (§ 198 Satz 1 iVm § 144 Abs 2 Satz 2 SGB III). Sie dauert 12 Wochen, sofern kein Ausnahmetatbestand gemäß § 198 Satz 1 iVm § 144 Abs 3 SGB III vorliegt.

Der Kläger ist durch Aushändigung des Merkblattes I für Arbeitslose über diese Rechtslage hinreichend belehrt worden. Die Aushändigung dieses Merkblattes hat er am 30.04.2002 durch Unterschrift bestätigt. Das ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III erforderliche Rechtsfolgenbelehrung findet sich im Beschäftigungsangebot der Beklagten vom 29.10.2002.

Der Kläger hat die Anbahnung eines ihm von der Beklagten angebotenen Beschäftigungsverhältnisses durch sein Verhalten iS des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III verhindert. Das ergibt sich aus der Einvernahme des Zeugen L. durch das SG. Nachdem der Kläger dieser Zeugenaussage keine entscheidenden Gesichtspunkte mehr entgegensetzen konnte und auch im Übrigen keine Anhaltspunkte an der Glaubwürdigkeit der Aussage des Zeugen bestehen, bedürfte es keiner darüber hinausgehenden Sachverhaltsaufklärung im Berufungsverfahren mehr.

Der Zeuge L. bestätigte eingangs seiner Vernehmung vor dem SG die Richtigkeit seiner Angaben vom 31.10.2002 gegenüber der Beklagten, wonach der Kläger "bei der Vorstellung kaum ein Wort gesagt und mit den Händen in der Tasche rumgestanden" habe, so dass bereits seine "äußere Erscheinung" eine Einstellung nicht zugelassen habe. Er gab weiter an, dass die Stelle zum Zeitpunkt der Vorstellung des Klägers noch nicht besetzt gewesen sei. Seine Einlassung hierzu, wenn die Stelle bereits besetzt gewesen wäre und der Kläger deshalb abgelehnt worden wäre, hätte er das mit Sicherheit vermerkt, überzeugt. Der Kläger konnte durch seine Darstellungen zum Ablauf des Vorstellungsgespräches im Berufungsverfahren auch nicht ansatzweise den Wahrheitsgehalt der Aussagen des Zeugen L. in Zweifel ziehen. Zudem hatte der Zeuge keinerlei Veranlassung, wahrheitswidrige Angaben zu machen. Er konnte sich bei seiner Einvernahme vor dem SG an den Kläger erinnern, weil dieser, wie er unbestrittenermaßen angab, später noch einmal vorgesprochen und nach einer Stelle gefragt habe. Auch zum späteren Zeitpunkt sei der Kläger wegen seines "schlechten Eindrucks" den er beim ersten Mal hinterlassen habe, nicht eingestellt worden. Diese ergänzende Einlassung des Zeugen L. zeigt, dass er sich nicht nur konkret an die Situation erinnerte, die bei ihm einen nachwirkenden Eindruck hinterlassen hat, sondern auch konkrete Fakten vor dem SG angab, die er noch aktuell im Gedächtnis hatte, was die Überzeugungskraft seiner Aussage untermauerte.

Nach alledem besteht keine Veranlassung mehr, die vom Kläger im Schriftsatz vom 17.12.2002 genannten Zeugen zu vernehmen. Sie waren am streitentscheidenden Vorstellungsgespräch nicht beteiligt und können deshalb hierzu aus eigener Wahrnehmung nichts beitragen.

Die Ausführungen des Klägers im Berufungsverfahren stellen die Zeugeneinvernahme nicht ansatzweise in Frage. Seine ursprüngliche Einlassung, die Stelle sei bereits besetzt gewesen, wiederholt er hier nicht mehr. Den gegen ihn erhobenen Vorwurf, er habe bei seinem Vorstellungsgespräch noch nicht einmal die Hände aus den Manteltaschen genommen, bestreitet er letztlich nicht und setzt dem entgegen, man habe ihn auch nicht gebeten, seinen Mantel abzulegen. An den genauen Inhalt des - insgesamt sehr kurzen - Vorstellungsgespräches erinnere er sich nicht (mehr). Verständigungsprobleme macht er substantiiert nicht geltend. Dass das Gespräch zwischen dem Kläger und dem Zeugen seinerzeit sehr kurz war, steht aber der Anwendung des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III nicht entgegen. Durch sein Auftreten hat sich der Kläger zur Überzeugung des Gerichts nicht so verhalten, wie dies üblicherweise von einem an der Arbeitsaufnahme interessierten Arbeitslosen erwartet werden kann (dazu Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, 2. Auflage 2004, § 144 RdNr 72), sondern er hat durch die Art und Weise seines Auftretens vielmehr bereits ein weiterführendes Vorstellungsgespräch verhindert.

Der Kläger hat, außer dass er seinerseits die "elementaren Regeln der Höflichkeit" durch den Zeugen verletzt sah, keine Rechtfertigung für sein Verhalten, das nur als Desinteresse an der Arbeitsstelle ausgelegt werden konnte, vorgetragen, so dass auch die subjektive Seite des Tatbestandes des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III erfüllt ist.

Damit ist gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB III eine 12-wöchige Sperrzeit mit Beginn des 01.11.2002 (§ 198 Satz 1 iVm § 144 Abs 2 Satz 1 SGB III) eingetreten, weil kein Anhaltspunkt dafür zu ersehen ist, dass die Sperrzeit von 12 Wochen für den Kläger nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten könnte (§ 144 Abs 3 Satz 1 SGB III). Für eine solche besondere Härte hat der Kläger auch im Berufungsverfahren nichts vorgetragen.

Demzufolge ruhte der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.11.2002 bis 23.01.2003 (§ 198 Satz 1 iVm § 144 Abs 2 Satz 2 SGB III).

Der Bewilligungsbescheid über die Arbeitslosenhilfe war somit für diesen Zeitraum aufzuheben. Rechtsgrundlage hierfür ist § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 330 Abs 3 SGB III. Ein zumindest grob fahrlässiges Verhalten des Klägers liegt nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 4100 § 103 Nrn 36, 37) in der Regel schon dann vor, wenn das Arbeitsamt in einem ausgehändigten Merkblatt - wie hier - deutlich und verständlich auf bestimmte Pflichten hingewiesen hat und der Leistungsbezieher gleichwohl, ohne dass es sachliche Gründe hierfür gibt, dagegen verstößt. Gemäß § 330 Abs 2 SGB III hatte die Beklagte deshalb den Bewilligungsbescheid auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ein Ermessen stand ihr insoweit nicht zur Seite.

Die weiteren Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung, nämlich Anhörung, Einhaltung der Frist, liegen vor.

Die Berufung ist nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die eine Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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