L 15 BL 4/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 BL 3/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 BL 4/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13.01.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am 1945 geborene und am 2002 verstorbene Ehefrau des Klägers, M. G., beantragte im Oktober 1999 beim Beklagten die Gewährung von Blindengeld. Dem Antrag war ein Bericht des Neurologen S. vom 23.09.1999 beigefügt, wonach bei M. G. u.a. ein organisches Psycho-Syndrom bei Zustand nach rezidivierenden cerebralen Ischämien sowie ein Zustand nach Hinter- und Vorderwandinfarkt bestünden.

Der Beklagte holte einen Bericht und ein Gutachten des Augenarztes Dr.Sch. vom 03.11./13.12.1999 ein. Der Sachverständige, der bei beidäugiger Prüfung (korrigiert) eine Sehschärfe von 0,16 feststellte, gelangte zu keinen exakten Ergebnissen bei der Gesichtsfeldmessung. Auf seinen Vorschlag holte der Beklagte daraufhin ein weiteres Gutachten des Dr.M. (Universitäts-Augenklinik W.) vom 07.03.2000 ein. Dieser Sachverständige stellte eine Reihe von Unstimmigkeiten zwischen den Angaben bei verschiedenen Messungen/Tests sowie den objektiven Befunden und dem Verhalten von M. G. fest und äußerte deshalb den dringenden Verdacht der Aggravation. Der Visus für die Ferne wurde in der Universitäts-Augenklinik W. mit 0,032, für die Nähe mit 0,1 festgestellt; am rechten Auge bestanden Gesichtsfeldreste von 40 Grad (nasal) bzw. 45 Grad (unten) sowie von 5 Grad (temporal und oben).

Mit Bescheid vom 23.05.2000 lehnte es der Beklagte ab, der Ehefrau des Klägers Blindengeld zu gewähren, weil die Sehschärfe auf dem rechten Auge mehr als 1/50 (0,02) betrage und auch keine anderweitigen Störungen des Sehvermögens (insbesondere Gesichtsfeldeinschränkungen) vorlägen, die einer Sehschärfe von nicht mehr als 1/50 gleichzuachten wären.

Gegen diesen Bescheid legte die Ehefrau des Klägers Widerspruch ein. Sie übersandte dazu einen Bericht des Augenarztes Dr.R. vom 24.05.2000 sowie weitere medizinische Unterlagen (Mitral- klappenersatz u.a.m.) vor. Dr.R. bestätigte einen Visus von 0,3 auf dem rechten sowie auf dem linken Auge, dies allerdings bei beidseitigem Ausfall des linken Gesichtsfeldes (homonyme Hemianopsie infolge Schlaganfall).

Der Beklagte holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Ärztin für Allgemein- und Sozialmedizin Dr.N. vom 29.06.2000 ein und wies den Widerspruch der Ehefrau des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 15.08.2000 zurück: Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 1/50 gleichzuachtende Sehstörung läge nicht vor. Eine solche wäre bei der vorhandenen Sehschärfe nur dann gegeben, wenn die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 30 Grad vom Zentrum entfernt wäre, was bei der Ehefrau des Klägers nicht der Fall sei. Die von Dr.R. attestierte homonyme Hemianopsie sei bei der Untersuchung in der Universitäts-Augenklinik W. nicht bestätigt worden.

Dagegen hat die Ehefrau des Klägers am 07.09.2000 Klage beim Sozialgericht Würzburg erhoben und beantragt, den Beklagten zur Zahlung von Blindengeld ab Oktober 1999 zu verurteilen.

Das Sozialgericht hat mit Einverständnis der Beteiligten das Ruhen dieses Verfahrens angeordnet, weil die Ehefrau des Klägers am 17.09.2000 erneut beim Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Blindengeld gestellt hatte.

In diesem neuerlichen Verwaltungsverfahren zog der Beklagte Berichte des Dr.R. vom 21.08., 12.09. und 09.11.2000 bei, des Weiteren einen die Ehefrau des Klägers betreffenden cranialen MRT-Befund vom 17.10.2000 und einen Bericht der Universitäts-Augenklinik W. vom 08.10.2000. Auf Veranlassung des Beklagten erstattete die Augenärztin Dr.M1. am 12.02.2001 ein Gutachten. Trotz deutlicher Aggravation befürwortete die Sachverständige die Gewährung von Blindengeld nach Buchstabe f) der einschlägigen Richtinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft, weil sie eine vollständige homonyme Hemianopsie als gesichert ansah und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30 Grad Durchmesser besitze. In ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme zu diesem Gutachten vom 22.02.2001 führte Dr.N. aus, im August 2000 sei es zu einer erneuten Sehverschlechterung aufgrund einer weiteren Mangeldurchblutung gekommen. Die Ehefrau des Klägers habe aus diesem Grund im August 2000 auch Dr.R. wegen einer subjektiv empfundenen Sehverschlechterung aufgesucht. Trotz der auch von Dr.M1. konstatierten Aggravation sei daher ab August 2000 vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Blindengeld auszugehen. Mit Bescheid vom 06.03.2001 gewährte der Beklagte daraufhin der Ehefrau des Klägers Blindengeld mit Wirkung ab 01.09.2000.

Im wieder aufgenommenen Klageverfahren hat der Beklagte am 03.04.2001 ein Vergleichsangebot unterbreitet, indem er sich u.a. bereit erklärte, auch für August 2000 Blindengeld zu zahlen. Ein entsprechender Vergleich ist nicht zustande gekommen. Das Sozialgericht hat daraufhin den Augenarzt Dr.P1. mit der Erstattung eines Gutachtens zu der Frage beauftragt, ob bei der mittlerweile verstorbenen Ehefrau des Klägers schon zwischen 13.10.1999 und August 2000 Blindheit nach dem BayBlindG vorgelegen habe. In seinem am 17.06.2002 erstatteten Gutachten ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass ab 07.03. 2000 (Gutachten Universitäts-Augenklinik W.) die im Zusammenhang mit homonymer Hemianopsie geforderte horizontale Ausdehnung des Gesichtsfeldes von 30 Grad nicht mehr gegeben gewesen sei und auch die Sehschärfe zu diesem Zeitpunkt mit nicht mehr als 0,1 angenommen werden könne, so dass ab März 2000 eine der Blindheit gleichzuachtende Sehstörung vorgelegen habe.

Der Beklagte hat sich diesem Gutachten nicht anzuschließen vermocht und zur Begründung eine versorgungsärztliche Stellungnahme der Medizinaldirektorin P2. vom 17.07.2002 vorgelegt. Danach bestünden erhebliche Zweifel, ob bei der Ehefrau des Klägers jemals Blindheit im Sinn des Bayerischen Blindengeldgesetzes (BayBlindG) vorgelegen habe. Denn die Annahme sowohl eines Visus von 0,1 als auch einer horizontalen Gesichtsfeldausdehnung von nicht mehr als 30 Grad durch die Sachverständige Dr.M1. sei in keiner Weise objektiviert und müsse wegen der bei sämtlichen gutachtlichen Untersuchungen - auch bei Dr.M1. - konstatierten Aggravation in Zweifel gezogen werden.

In der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2004 hat der Kläger das Vergleichsangebot des Beklagten (Blindengeld auch für August 2000) als Teilanerkenntnis angenommen und darüber hinaus beantragt, entsprechend der Beurteilung durch den Sachverständigen Dr.P1. Blindengeld von März bis Juli 2000 zu gewähren.

Mit Urteil vom gleichen Tag hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es stützte sich dabei auf das Gutachten der Sachverständigen Dr.M1. und die versorgungsärztliche Stellungnahme der Medizinaldirektorin P2 ...

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt: Wie sich aus dem Bericht des Neurophysiologen Prof.Dr.G. vom 08.03.2002 ergebe, sei bei der Klägerin 1999 postoperativ nach Ersatz der Mitralklappe ein rechtsseitiger Hirninfarkt im Bereich des Temporallappens aufgetreten, als dessen Folge es zu einer homonymen Hemianopsie gekommen sei. Weitere - spätere - Infarkte seien von Prof. Dr.G. ausgeschlossen worden. Daraus folge, dass bereits ab März 2000 Blindheit vorgelegen habe. Das Sozialgericht habe im Übrigen versäumt, den Sachverständigen Dr.P1. mündlich oder schriftlich zu den Einwendungen des Beklagten (Medizinaldirektorin P2.) zu hören.

Der Senat hat die einschlägige Blindengeldakte des Beklagten beigezogen und ergänzende gutachtliche Stellungnahmen des Sachverständigen Dr.P1. vom 19.07./06.09.2004 eingeholt. Dr.P1. vertrat die Auffassung, da die von Dr.M1. im Februar 2001 erhobenen Befunde sich nicht wesentlich von denen der Universitäts-Augenklinik W. vom März 2000 unterschieden, sei nicht klar, aus welchen Gründen diese Befunde nicht akzeptiert würden. Es sei zwar der Verdacht der Aggravation erhoben worden, "dieser konnte aber auch von Dr.M1. nicht vollständig ausgeräumt werden". Auf den gerichtlichen Hinweis, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Annahme von Blindheit ab März 2000 (Visus 0,1 gekoppelt mit einem Gesichtsfeld von weniger als 30 Grad horizontal) müsse mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein, stellte der Sachverständige diese Beweisanforderung in Zweifel und erklärte, der Wahrscheinlichkeitsgrad im streitigen Fall sei als "sehr wahrscheinlich (75 % Wahrscheinlichkeit)" anzunehmen, auf keinen Fall wolle er sich als Gutachter auf eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit festlegen.

Die Beteiligten haben sich zu den Ausführungen des Dr.P1. schriftsätzlich geäußert; der Kläger zweifelte dabei ebenfalls an, dass der Nachweis von Blindheit mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu führen sei und meinte im Übrigen, es obliege der Entscheidung des Gerichts und nicht dem Sachverständigen, festzustellen, ob ein derartig hoher Beweismaßstab erfüllt sei.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 13.01.2004 und des Bescheides vom 23.05.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2000 zu verurteilen, ihm als Sonderrechtsnachfolger seiner Ehefrau M. G. Blindengeld für den Zeitraum 01.03. mit 31.07.2000 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil der Sach- und Rechtslage entspreche.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf den Inhalt der zu Beweiszwecken beigezogenen Blindengeldakte der Ehefrau des Klägers Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (Art.7 Abs.2 BayBlindG i.V.m. §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); sie ist jedoch nicht begründet.

Wie der Beklagte und das Sozialgericht zutreffend entschieden haben, ist es für den streitigen Zeitraum 01.03. mit 31.07.2000 nicht mit der erforderlichen "an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" (Vollbeweis) bewiesen, dass die Sehschärfe auf dem besseren Auge der Ehefrau des Klägers nicht mehr als 1/50 betrug oder bei ihr allein oder neben der Visusminderung Störungen des Sehvermögens - insbesondere Gesichtsfeldeinschränkungen - von einem solchen Schweregrad bestanden, dass sie einer Beeinträchtigung der Sehschärfe von maximal 1/50 auf dem besseren Auge gleichzuachten gewesen wären (Art.2 Abs.2 Satz 2 Nrn.1 und 2 BayBlindG).

Entgegen den Auffassungen der Klägerseite und auch des Sachverständigen Dr.P1. steht es außer Zweifel, dass das Gericht sich die volle Überzeugung von den beweiserheblichen Tatsachen - hier: den Blindheit nach dem BayBlindG bedingenden Befunden - verschaffen muss. Die volle Überzeugung verlangt zwar keine absolute Sicherheit bei der Sachverhaltsfeststellung, die im Übrigen kaum je zu erzielen wäre; sie erfordert aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, d.h. einen so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, Rdnr.6a zu § 103, 5 zu § 118, 3b zu § 128 jeweils mit weiteren Nachweisen). Die geringere Beweisanforderung der "hinreichenden Wahrscheinlichkeit" kann im vorliegenden Fall keine Anwendung finden; dieser Beweismaßstab gilt (nur) bei der Feststellung des Ursachenzusammenhanges im sozialen Entschädigungsrecht (vgl. z.B. § 1 Abs.3 BVG) und in der gesetzlichen Unfallversicherung.

Darüber hinaus gilt im sozialgerichtlichen Verfahren der Grundsatz der sog. "objektiven Beweislast". Danach trägt jeder Beteiligte die Beweislast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Das gilt für das Vorhandensein positiver wie für das Fehlen negativer Tatbestandsmerkmale. Kann das Gericht trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten bestimmte Tatsachen nicht feststellen (non liquet), so geht diese verbliebene Ungewissheit zu Lasten desjenigen, der aus dieser Tatsache einen Anspruch ableiten will (Meyer- Ladewig, a.a.O., Rdnr.19a zu § 103; 6 zu § 118, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Die Ehefrau des Klägers, bei der weder das Augenlicht vollständig fehlte (Art.1 Abs.2 Satz 1 BayBlindG) noch eine Sehschärfe auf dem besseren Auge von nicht mehr als 1/50 (0,02) vorlag (Art.1 Abs.2 Satz 2 Nr.1 BayBlindG), hat die Voraussetzungen für die Gewährung von Blindengeld nur dann erfüllt, wenn neben der bei ihr zweifelsfrei bestehenden Visusminderung Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestanden, dass sie einer Beeinträchtigung der Sehschärfe von maximal 1/50 auf dem besseren Auge gleichzuachten waren (Art.1 Abs.2 Satz 2 Nr.2 BayBlindG). Derartige gravierende sonstige Störungen des Sehvermögens lagen für den fraglichen Zeitraum 01.03. bis 31.07.2000 nicht vor bzw. sind jedenfalls nicht ausreichend bewiesen.

Für derartige anspruchsbegründende Kombinationen von Visusminderungen mit sonstigen Störungen des Sehvermögens ist auf die unter Rdnr.23 in die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" 1996 (AP) aufgenommenen Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) zurückzugreifen. In Frage kommen hier die Buchstaben a) und f) der Richtlinien der DOG. Danach ist eine der Blindheit gleichzuachtende Sehstörung gegeben a) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 30 Grad vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50 Grad unberücksichtigt bleiben;

f) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30 Grad Durchmesser besitzt.

Weder die Voraussetzungen des Buchstaben a) noch diejenigen des Buchstaben f) der Richtlinien der DOG sind gegeben bzw. ausreichend sicher bewiesen.

Homonyme Hemianopsie bezeichnet eine Halbseitenblindheit, bei der auf beiden Augen die gleiche Gesichtsfeldhälfte ausgefallen ist. Eine solche würde sich durch den Anfang 1999 im Anschluss an einen operativen Mitralklappenersatz erlittenen ischämischen Infarkt im rechten Occipitallappen mit entsprechendem Untergang von Hirngewebe erklären. Der Augenarzt Dr.R., der die Ehefrau des Klägers aus diesem Anlass im Februar 1999 untersuchte, stellte auch eine homonyme Hemianopsie mit linksseitigem Gesichtsfeldausfall beidseits fest (Bestätigung vom 24.05.2000). Auch die Sachverständige Dr.M1. und Medizinaldirektorin P2. gingen von einer homonymen Hemianopsie aus. Die Gesichtsfelduntersuchungen vom 07.03.2000 in der Universitäts-Augenklinik W. ergaben allerdings minimale Gesichtsfeldreste linsseitig. Nimmt man trotzdem eine homonyme Hemianopsie für den streitigen Zeitraum an, so scheitern die Voraussetzungen des Buchstaben f) der Richtlinien der DOG zum einen daran, dass entsprechend den Messungen der Universitäts-Augenklinik W. der Durchmesser des (rechtsseitigen) restlichen Gesichtsfeldes auf dem rechten Auge im horizontalen Bereich mehr als 30 Grad, nämlich 40 Grad nasal, betrug. Zum anderen sind die Voraussetzungen des Buchstaben f) der Richtlinien der DOG deshalb nicht erfüllt, weil es nicht mit der notwendigen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bewiesen ist, dass die Sehschärfe der Ehefrau des Klägers in der fraglichen Zeit nicht mehr als 0,1 (1/10) betrug. Die Sehschärfe, die von Dr.R. im Februar 1999 noch mit 0,3 und von Dr.Sch. im Dezember 1999 noch mit 0,16 gemessen wurde, wurde bei der Untersuchung im März 2000 in W. zwar mit 0,032 (ca. 1/30) angegeben. Gleichzeitig wurde aber in der gutachtlichen Stellungnahme zu dieser Untersuchung darauf hingewiesen, dass erhebliche Zweifel an diesem auf den Angaben der Ehefrau des Klägers beruhenden Wert bestünden. Denn bei der Überprüfung des Sehens im Rahmen der Sehschuluntersuchung habe sich in 1 m Entfernung ein Visus von 0,4 bis 0,5 gezeigt; bei der Überprüfung mit dem Bagolini-Test habe die Ehefrau des Klägers sehr unglaubwürdige und widersprüchliche Angaben gemacht; sie habe im Titmus-Stereo-Test das Stereobild positiv erkennen können, bei der Überprüfung mit den Cardiff-Cards habe sich ein Visus von 0,32 ergeben, auch habe sich das Bewegungs- und Greifverhalten der Ehefrau des Klägers nicht mit dem angegebenen Visus von 0,032 vereinbaren lassen. Es bestehe deshalb dringender Verdacht auf Aggravation. Da ein entsprechender dringender Aggravationsverdacht auch von der Sachverständigen Dr.M1. aufgrund der Angaben der Ehefrau des Klägers bei der Untersuchung am 31.01.2001 geäußert wurde, hält der Senat es nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad des Vollbeweises für erwiesen, dass der Visus der Ehefrau des Klägers im streitigen Zeitraum März mit Juli 2000 nicht mehr als 0,1 betrug.

Wollte man das Vorliegen einer homonymen Hemianopsie entsprechend den von der Universitäts-Augenklinik W. (Dr.M.) geäußerten Zweifeln (der insbesondere am linken Auge bei der Goldmann-Perimetrie gefundene zentrale Gesichtsfeldrest - Röhrengesichtsfeld - passe nicht zum Zustand nach Apoplex) nicht als sicher bewiesen ansehen, so wäre für die Beurteilung des Vorliegens einer der Blindheit gleichzuachtenden Sehstörung Buchstabe a) der Richtlinien der DOG einschlägig. Aber auch dessen Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zum einen kann es, wie oben ausgeführt, nicht als gesichert angenommen werden, dass bei der Ehefrau des Klägers im fraglichen Zeitraum eine Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger vorlag; eine Reihe von Testergebnissen und die zum Teil widersprüchlichen Angaben der Ehefrau des Klägers sprechen eher für einen besseren Visuswert.

Hinzu kommt, dass die am 07.03.2000 durchgeführten Gesichtsfeldmessungen am rechten Auge auf einer Gesichtsfeldhälfte ein Restgesichtsfeld festgestellt wurde, das deutlich über die 30-Grad-Grenze hinaus ging (nasal 40 Grad, unten 45 Grad).

Sonstige das Sehvermögen betreffende Störungen sind aus den Akten nicht ersichtlich. Insbesondere wurde die Ehefrau des Klägers bei der Untersuchungam 07.03.2000 als wach und aufmerksam beschrieben; sie habe Fragen detailliert und differenziert beantwortet.

Auch der Sachverständige Dr.P1., der bei seinen Beurteilungen irrigerweise einen falschen Beweismaßstab anlegte, bestätigt diese Auffassung: In seiner letzten gutachtlichen Stellungnahme vom 06.09.2004 führte er aus, er könne sich keinesfalls mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit dahingehend festlegen, dass bereits ab März 2000 die Voraussetzungen für die Gewährung von Blindengeld nach dem BayblindG bei der Ehefrau des Klägers vorgelegen hätten.

Damit in Übereinstimmung stehen auch die Ausführungen des Ärztlichen Dienstes des Beklagten (insbesondere versorgungsärztliche Stellungnahme Medizinaldirektor P2. vom 17.07.2002), die im anhängigen Verfahren im Wege des Urkundenbeweises verwertet worden sind.

Ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Blindengeld nach dem BayBlindG ab August 2000 vorlagen, hatte der Senat nicht zu entscheiden.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13.01.2004 musste nach alldem zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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