L 5 KR 15/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 SF 5107/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 15/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 23. November 2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten auch des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen Beitragsforderungen aufgrund einer Betriebsprüfung.

Die Klägerin betreibt als Einzelfirma den Handel mit Neu- und Gebrauchtcomputern in H. mit der Internetpräsenz www ...de

Aufgrund einer Betriebsprüfung und der Auswertung von Ermittlungsergebnissen der Polizeiinspektion G. sowie des Arbeitsamtes P. machte die Beklagte zu 1) mit Nachforderungsbescheid vom 18.09.1998 Beiträge sowie Säumniszuschläge über insgesamt EUR 55.347,73 geltend. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 23.12.1998; Urteil des SG Landshut vom 08.11.2002 - S 4 SF 5002/99 P). Die dagegen eingelegte Berufung (Bayer. Landessozialgericht L 5 KR 61/03) nahm hat die Klägerin mit Schreiben vom 25.09.2004 zurück.

Unter dem 03.06.2004 hat die Klägerin Vollstreckungsgegenklage gegen die Beklagte zu 1) erhoben (SG Landshut S 8 SF 5086/04) sowie vorläufigen Rechtsschutz beantragt (SG Landshut S 8 SF 5085/04 ER). Diese Klage und den Antrag hat die Klägerin mit Telfax vom vom 09.08.2004, 21.31 Uhr, zurückgenommen.

Mit Telefax vom 10.08.2004, 10.35 Uhr, hat die Klägerin mit einem 36-seitigen Schriftsatz Vollstreckungsgegenklage gegen die Beklagten zu 1) bis 4) erhoben. Diesen Schriftsatz hat die Klägerin am 09.08.2004 unterzeichnet. Er ist identisch mit der Klage sowie dem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz vom 03.06.2004.

Zur Begründung der Klage und in Wiederholung des Vortrags aus dem erledigten Verfahren S 8 SF 5086/04 hat die Klägerin ausgeführt, dass der Beitragsbescheid vom 18.09.1998 unzutreffend sei. Sie hat geltend gemacht, die Eintragung einer Zwangssicherungshypothek über Euro 31.021,87 sei rechtswidrig. Es könnten gem. § 767 Zivilprozessordnung (ZPO) Einwendungen gegen den im Verwaltungsakt festgestellten Anspruch geltend gemacht werden, zumal ihr Widerspruch nicht eine materielle Überprüfung nach sich gezogen habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.11.2004 hat das Sozialgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der bestandskräftige Bescheid vom 18.09.1998 nicht mit der Klage angegriffen werden könne. Hinsichtlich der Beklagten zu 2) bis 4) fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Maßnahmen gegen die Eintragung der Zwangshypothek habe die Klägerin bereits erfolglos vor den Zivilgerichten ergriffen (Beschluss des Landgerichts P. vom 06.10.2004). Im Übrigen dürften im Vollstreckungsverfahren keine Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Bescheid geltend gemacht werden.

Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt mit der Begründung, dass sie Einwendungen gegen den im Bescheid festgestellten Anspruch geltend machen dürfe sowie dass die Zwangsvoll-streckung unzulässig sei, weil sie rechtshemmend materielle Einwendungen gegen den Ausgangsbescheid geltend mache. Die Beklagte zu 1) sei die richtige Beklagte, gegen welche die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO zu erheben sei. Ein gesetzlicher Forderungsübergang auf die Einzugsstellen bzw. Vollstreckungsstellen liege nicht vor, so dass sich die Klage gegen die Beklagte zu 1) wenden müsse.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 23.11.2004 sowie den Bescheid der Beklagten zu 1) vom 18.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.1998 aufzuheben und die Vollstreckung aus diesem Bescheid einzustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 23.11.2004 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Parallelrechtsstreite der Klägerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Landshut die Klage der Klägerin verworfen, denn diese ist aus mehreren Gründen unzulässig.

1. Wird eine Klage zurückgenommen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, § 102 Satz 2 SGG. Dies hat zur Folge, dass der prozessuale Anspruch auf gerichtliche Entscheidung über den Klagegegenstand verbraucht ist und dass der Kläger, der damit auf die weitere Verfolgung seiner Ansprüche verzichtet hat, nicht mehr wegen des gleichen Sachverhalts nochmals das Gericht anrufen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG Urteil vom 28.04.1967, SozR § 102 Nr.9; BSG vom 27.09.1983, SozR 1500 § 102 Nr.5).

Die Klägerin hatte bereits unter dem 03.06.2004 eine Vollstreckungsgegenklage erhoben mit den Anträgen:

"Aussetzung der Vollziehung bis zur Rechtskraft der Vollstreckungsgegenklage nach § 769 ZPO.

Die Zwangsvollstreckung aus dem Beitragsbescheid vom 18.09.1998 für unzulässig zu erklären.

Die Kosten des Rechtsstreites der Beklagten aufzuerlegen.

Weiterhin wird beantragt, den Beitragsbescheid vom 18.09.1998 für unzulässig zu erklären."

Zur Begründung hatte die Klägerin Einwendungen gegen den Beitragsbescheid und dessen Entstehung vorgetragen. Dieser Schriftsatz hatte begonnen mit den Worten "Die Vollstreckungsklage wird auf der Grundlage des § 767 ZPO geführt. Das Gericht des ersten Rechtszuges ist für die Klage ausschließlich zuständig." und geendet mit den Worten: "Ein Unternehmen ist ein filigranes Gebilde, bestehend aus Mensch, Mittel und Markt. Verschiebt sich der Markt ändern sich die Mittel - es bleibt letztenendes nur der Mensch. Handelt es sich nunmehr um junge Menschen, die überwiegend Lernende in derartigen schwierigen Zeiten sind, gehört ein derartiges Unternehmen geschützt und nicht angegriffen."

Diese Klage (sowie den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz) hat die Klägerin zurückgenommen, das entsprechende Telefax datiert vom 09.08.2004 und wurde um 21.31 Uhr übersandt. Mit Eingang dieses Telefaxes war die Klage zurückgenommen, eine gleichartige Klage durfte nicht mehr erhoben werden.

Die streitgegenständliche Klage datiert vom 10.08.2004, wurde per Telefax um 10.35 Uhr dem Sozialgericht Landshut übermittelt und enthält folgende Anträge:

"Aussetzung der Vollziehung bis zur Rechtskraft der Vollstreckungsgegenklage nach § 769 ZPO.

Die Zwangsvollstreckung aus dem Beitragsbescheid vom 18.09.1998 für unzulässig zu erklären.

Die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen.

Weiterhin wird beantragt, den Beitragsbescheid vom 18.09.1998 für unzulässig zu erklären. "

Die Klage wurde begründet mit den Worten "Die Vollstreckungsgegenklage wird auf der Grundlage des § 767 ZPO geführt. Das Gericht des ersten Rechtszuges ist für die Klage ausschließlich zuständig." Die Klagebegründung endet wie folgt: "Ein Unternehmen ist ein filigranes Gebilde, bestehend aus Mensch, Mittel und Markt. Verschiebt sich der Markt verändern sich die Mittel - es bleibt letztenendes nur der Mensch. Handelt es sich nunmehr um junge Menschen, die überwiegend Lernende in derartig schwierigen Zeiten sind, gehört ein derartiges Unternehmen geschützt und nicht angegriffen."

Nicht nur die einleitenden und die letzten Sätzen der Klage sind identisch mit der zurückgenommenen, sondern auch die übrigen 34 Seiten. Es handelt sich somit um das identische Begehren, dass die Klägerin bereits am 09.08.2004 rechtswirksam zurückgenommen hatte. Eine nochmalige Klageerhebung in gleicher Sache ist damit nicht mehr zulässig.

2. Anders als die zurückgenommene Klage vom 03.06.2004 richtet sich die streitgegenständliche formal auch gegen die Beklagten zu 2) bis 4). Aus dem gesamten Klagevorbringen ergibt sich jedoch, dass sich das klägerische Begehren auf eine Aufhebung des von der Beklagten zu 1) erlassenen Nachforderungsbescheides vom 18.09.1998 richtet. Dafür spricht auch die Bezeichnung als "Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO" sowie das gesamte übrige Vorbringen der Klägerin. Hierfür sind jedoch die Beklagten zu 2) bis 4) nicht die zutreffenden Adressaten, eine Klage gegen diese mit der inhaltlichen Anfechtung einer Entscheidung der Beklagten zu 1) ist unzulässig.

3. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist eine Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO bzw. gem. § 767 ZPO analog nicht zulässig. Die Besonderheiten einer Vollstreckungsgegenklage resultieren aus den Spezialitäten des Zivilprozesses, inbesondere der dortigen Präklusionsvorschriften. Diese haben es erforderlich gemacht, Einwendungen gegen einen titulierten Anspruch im gerichtlichen Wege vorbringen zu können, die nicht präkludiert sind. Diese Klageart passt somit nicht in das sozialgerichtliche Verfahren, welches durch den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) geprägt ist.

4. Soweit die Klägerin erneut eine Überprüfung des Ausgangsbescheides vom 18.09.1998 begehren sollte, wäre eine sofortige Klageerhebung nicht zuläsig (§ 87 SGG), weil es an einer vorangegangenen Entscheidung der Ausgangsbehörde, an einer Vorbefassung durch die Ausgangbehörde fehlt.

5. Soweit sich die Klägerin gegen die Eintragung einer Zwangshypothek wenden sollte, wäre die Klage unzulässig, wie das SG unter Bezugnahme auf den abweisenden Beschluss des Landgerichts P. vom 06.10.2004 zutreffend ausgeführt hat.

Nach alledem musste die Berufung in vollem Umfang ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs.2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die vorliegende Entscheidung konnte trotz Nichterscheinens der Klägerin im Termin vom 05.05.2005 ergehen; der Senat konnte die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin aufheben, weil dieses nicht zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes angeordnet worden war, sondern um der Klägerin die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels darzulegen.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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