L 14 R 4093/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 16 RA 380/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 4093/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 27. März 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig sind Beginn und Höhe einer Altersrente.

Der 1939 geborene Kläger, der seit 1946 als Vertriebener im Bundesgebiet lebt und hier überwiegend im öffentlichen Dienst beschäftigt war (nachversicherte Zeiten von September 1954 bis August 1958, Mai 1959 bis März 1964, April 1970 bis März 1974, dazwischen Hochschulausbildung als Forstwirt von April 1966 bis März 1970), war seit 1979 fortlaufend arbeitslos gemeldet. Seinen am 19.08.1999 gestellten Antrag auf Altersrente nach § 38 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) a.F. wegen Arbeitslosigkeit lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.11.1999 ab mit der Begründung, die Voraussetzungen des § 38 SGB VI seien nicht erfüllt. Der Kläger habe weder die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt - vorhanden seien insoweit lediglich 179 anrechenbare Monate -, noch habe er in den letzten zehn Jahren vor der Rentenantragstellung mindestens acht Jahre an Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt; im verlängerten Zehnjahreszeitraum von Juni 1963 bis August 1999 seien lediglich 80 Beitragsmonate nachgewiesen.

Mit seinem Widerspruch begehrte der Kläger weiterhin Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und Vollendung des 60. Lebensjahres. Während des Widerspruchsverfahrens erhob er im März 2001 Untätigkeitsklage zum Sozialgericht (SG). Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2001 unter erneuter ausführlicher Darlegung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen zurück. Sie verwies u.a auf die Möglichkeit des Bezugs einer Altersrente nach § 236 SGB VI ab Vollendung des 63. Lebensjahres. Der Kläger führte die Untätigkeitsklage nunmehr als Anfechtungs- und Leistungsklage mit dem Ziel einer vorzeitigen Altersrente fort.

Mit Bescheid vom 10.07.2002, der Gegenstand des Verfahrens wurde, erkannte die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Altersrente für langjährig Versicherte nach § 236 SGB VI ab 01.09.2002 (Vollendung des 63. Lebensjahres) an. Der Rentenzahlbetrag belief sich auf 336,12 Euro. Schriftsätzlich teilte die Beklagte dazu mit, es bestehe keine gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherungspflicht, da der Kläger nach Mitteilung der zuständigen AOK M. die notwendigen Vorversicherungszeiten nicht erfülle. Mangels eines Versicherungsverhältnisses bestehe auch kein Anspruch auf Beitragszuschüsse.

Mit weiterem Bescheid vom 13.09.2002 berechnete die Beklagte die Rente unter Bewertung der Beitragszeiten zwischen September 1954 und März 1974 als Beitragszeiten nach § 54 Abs.3 SGB VI wegen beruflicher Ausbildung neu (neuer monatlicher Rentenzahlbetrag 341,14 Euro).

Mit der weiter aufrecht erhaltenen Klage begehrte der Kläger Altersrente bereits ab 01.09.1999, die Erhöhung des monatlichen Rentenzahlbetrages auf 725,00 Euro durch die Bewertung weiterer Zeiten als Zeiten beruflicher Ausbildung und durch Berücksichtigung weiterer Anrechnungszeiten, ferner die Bewilligung von Beitragszuschüssen nach §§ 106, 106a SGB VI zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Das SG wies die Klage nach eingehender Erörterung sämtlicher Klagepunkte in der mündlichen Verhandlung mit Urteil vom 27.03.2003 ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, die nach Erteilung des Widerspruchsbescheides zulässigerweise als Anfechtungs- und Leistungsklage fortgeführte Klage sei unbegründet. Mit den beiden Gegenstand des Verfahrens gewordenen Rentenbescheiden vom 10.07.2002 und 13.09.2002 sei die dem Kläger zustehende Altersrente zutreffend zuerkannt und berechnet worden. Für eine Altersrente vor Vollendung des 63. Lebensjahres seien die jeweiligen Voraussetzungen nicht erfüllt, insbesondere seien die Voraussetzungen für eine Altersrente nach § 38 SGB VI in der im Jahre 1999 geltenden Fassung nicht gegeben: selbst wenn die Wartezeit von 15 Jahren noch durch Leistung eines weiteren Monatsbeitrags erfüllt werden könnte, fehle es an der zusätzlichen Bedingung der Belegung von acht Jahren mit Pflichtbeiträgen in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente. Auch die Voraussetzungen einer Altersrente wegen Erwerbsminderung oder Schwerbehinderung lägen unstreitig im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vor. Die ab dem 63. Lebensjahr zuerkannte Rente sei der Höhe nach zutreffend festgestellt worden. Bei der Rentenberechnung seien sämtliche nachgewiesenen Beitragszeiten sowie beitragsfreie und beitragsgeminderte Zeiten berücksichtigt worden. Anspruch auf Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung gem. §§ 106, 106a SGB VI bestehe mangels entsprechender freiwilliger Versicherung des Klägers nicht, als sogenannte akzessorische Leistungen seien sie vom Bestehen der maßgeblichen Vertragsbeziehung abhängig. Anhaltspunkte dafür, dass das Kranken- oder Pflegeversicherungsverhältnis unzutreffend verneint worden wäre, beständen nicht. Schließlich sei auch die Ermittlung von Entgeltpunkten im Bescheid vom 13.09.2002 nicht zu beanstanden. Insbesondere die in einem früheren SG-Verfahren zusätzlich anerkannten Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug seien zutreffend bei der Ermittlung der Wartezeit, nicht aber bei der Feststellung von Entgeltpunkten berücksichtigt worden. Im übrigen habe sich der Kläger in seiner eigenen Aufstellung von Beitragszeiten insofern geirrt, als er einzelne Beitragszeiten irrtümlich doppelt berücksichtigt habe.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil. Neben einer "Ruhezeit" des Verfahrens im Jahr 2003 begehrt er unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen insbesondere im früheren Schriftsatz vom 01.01.2003 in erster Linie die Rentenerhöhung durch Berücksichtigung von insgesamt 33 mit dem Faktor 0,9 zu vervielfältigenden Entgeltpunkten (10 Entgeltpunkte für 183 Beitragsmonate, sieben zusätzliche Entgeltpunkte für 114 Monate beruflicher Ausbildung, sechs Monate berufliches Praktikum und 48 Monate an Studienzeiten, ferner 16 zusätzliche Entgeltpunkte für insgesamt 349 Monate an Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit). Nach seiner Ansicht müsste sich seine Rente auf diese Weise auf 725,- Euro belaufen. Ersatzweise begehre er "Rentenerhöhung überhaupt".

Der Kläger, der den Rechtsstreit nicht für entscheidungsreif hält, weil die Beklagte sich nicht ausreichend zu seinem Vorbringen geäußert habe, beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 27.03.2003 und unter Abänderung des Bescheides vom 22.11.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.11.2001 sowie der Bescheide vom 10.07.2002 und 13.09.2002 zu verpflichten, ihm ab September 1999 unter Berücksichtigung der von ihm in seinen Schreiben vom 10.10. 2002 und 01.01.2003 geltend gemachten rentenrechtlichen Zeiten und unter Gewährung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung eine höhere Altersrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf das angefochtene Urteil und auf ihr bisheriges Vorbringen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form - und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 ff. Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, erweist sich aber nicht als begründet.

Der Senat geht im Hinblick auf das nicht immer deutliche Vorbringen des Klägers in unübersichtlichen Schriftsätzen trotz einer möglicherweise von ihm beabsichtigten Eingrenzung des Berufungsbegehrens auf eine höhere Altersrente durch die gewünschte Berechnung von Entgeltpunkten davon aus, dass Gegenstand des Berufungsverfahrens das durch Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem SG formulierte Klagebegehren ist. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme auf die erstinstanzlichen Schriftsätze vom 01.01.2003 und 10.10.2002. Der Rechtsstreit ist entgegen der Meinung des Klägers entscheidungsreif.

Zu Recht hat das Erstgericht festgestellt, dass die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind. Die dem Kläger zustehende Altersrente wurde zutreffend ab 01.09.2002 zuerkannt und berechnet. Alle nachgewiesenen Beitrags-, beitragsfreien und beitragsgeminderten Zeiten wurden berücksichtigt, auch die Ermittlung von Entgeltpunkten in dem nunmehr maßgeblichen Neuberechnungsbescheid vom 13.09.2002 sowie die Ablehnung von Beitragszuschüssen zu einer Kranken- und Pflegeversicherung entsprechen der Rechtslage. Auf die Ausführungen des Erstgerichts kann zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs.2 SGG Bezug genommen werden.

Zur Ergänzung ist im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren, mit dem er insbesondere auf seinen unzutreffenden Berechnungen zur Rentenhöhe insistiert, noch folgendes hinzuzufügen: Zum einen hat die Beklagte der Rentenberechnung zu Recht 179 Beitragsmonate zugrundegelegt. Die vom Kläger angesetzte Anzahl von 183 Beitragsmonaten schließt nach seinem eigenen Vorbringen die (noch nicht erfolgte) Nachzahlung von freiwilligen Beiträgen für vier Monate (September 1958, August bis Oktober 1966) ein. Eine Nachzahlung freiwilliger Beiträge wäre gem. § 207 Abs.1 SGB VI für Zeiten schulischer Ausbildung, die nicht als Anrechnungszeiten berücksichtigt wurden und nicht bereits mit Beiträgen belegt sind, noch bis zur Bestandskraft der angefochtenen Rentenbescheide bzw. bis zur Rechtskraft des Berufungsurteils auch heute noch möglich, allerdings nicht für die vom Kläger angesprochenen Monate. Im September 1958 war der Kläger nach seinem Ausscheiden aus dem Postdienst im August 1958 kurzfristig aushilfsweise berufstätig, eine schulische Ausbildung ist nicht belegt. Die Monate August bis Oktober 1966 sind ebenfalls nicht belegungsfähig: damals fand während der Hochschulausbildung der zweite Teil einer sogenannten Praktischen Lehrzeit statt, für die offensichtlich keine Versicherungspflicht bestand; dieser Teil der Ausbildung ist jedoch bereits gem. § 58 Abs.1 Satz 1 Nr.4 SGB VI als Anrechnungszeit berücksichtigt.

In jedem Fall lässt sich feststellen, dass eine Nachzahlung für die vom Kläger gewünschte Anzahl von vier Ausbildungsmonaten nur zu einer nicht nennenswerten Rentenerhöhung führen würde, die sich für den Kläger, der immer wieder über finanziellen Notstand klagte, kaum rentiert: ein früherer Rentenbeginn (Altersrente nach § 38 SGB VI a.F.) kann damit - wie im angefochtenen Urteil dargelegt - nicht erreicht werden, weil es insoweit jedenfalls an dem weiteren Erfordernis von mindestens acht Jahren an Pflichtbeitragszeiten im maßgebenden Zehnjahreszeitraum vor Rentenbeginn fehlt. Vorhanden sind in einem (verlängerten) Fünfjahreszeitraum von Juni 1963 bis August 1999 lediglich 82 Pflichtbeiträge (und nicht - wie im Bescheid vom 22.11.1999 zunächst angegeben - 80 Pflichtbeiträge).

Darüber hinaus ist die vom Kläger vorgenommene Berechnung von Entgeltpunkten schon deshalb unzutreffend, weil er versicherungsrechtliche Zeiten zugrundelegt, die nach dem im Zeitpunkt des Rentenbeginns (01.09.2002) geltenden Rentenrecht nicht zur Anrechnung kommen können. So erhalten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung der beitragsfreien Zeiten die Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung, die über drei Jahre hinausgehen, keine Entgeltpunkte, es können daher nurmehr für 36 Monate Hochschulausbildung Entgeltpunkte berechnet werden, vgl. § 74 Satz 4 SGB VI in der vor dem 01.01.2005 geltenden Fassung. Ebenso können nurmehr 54 Monate für Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Leistungsbezug Berücksichtigung finden. Die langen Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug wirken sich dagegen bei der Berechnung von Renten mit einem Rentenbeginn nach dem Jahr 2000 nicht mehr aus, vgl. § 74 Satz 5 SGB VI in der vor dem 01.01.2005 geltenden Fassung. Darüber hinaus können die im Versicherungsverlauf nicht anerkannten Zwischenzeiten ohne Nachweis, die der Kläger in seiner Aufstellung und Berechnung mit aufgeführt und berücksichtigt hat (Zeiten zwischen Oktober 1958 und April 1959, September 1964 und April 1965 sowie Mai 1965 bis Januar 1966), sowie die als Überbrückungszeiten bezeichneten, in einem früheren SG-Verfahren als "Überbrückungstatbestand", nicht aber als Zeiten der Arbeitslosigkeit anerkannten Zeiten nach dem Ausscheiden aus dem Forstdienst wegen Beendigung des Referendariats (29.03.1974 - 13.05.1975, 01.09. 1976 - 27.09.1977) ebenfalls nicht zu einer rentenrechtlichen Anrechnung kommen. Sie dienen lediglich als Überbrückung zwischen versicherungspflichtiger Beschäftigung oder Tätigkeit und einer nachfolgenden Anrechnungszeit (Tatbestand für die gem. § 58 Abs.2 SGB VI erforderliche Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit), stellen selbst aber keine Anrechnungszeit dar.

Zu den Ausführungen des Klägers bedarf es entgegen seiner Meinung keiner weiteren ausführlichen schriftsätzlichen Begründungen der Beklagten. Diese hat durch ihre Stellungnahme zum Berufungsbegehren ausreichend dargelegt, dass sich aus ihrer Sicht daraus keine neuen Gesichtspunkte gegenüber den umfangreichen Erörterungen im erstinstanzlichen Verfahren und den Ausführungen im angefochtenen Urteil ergeben.

Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved