L 8 AL 298/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 35 AL 573/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 298/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 7. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung eines Eingliederungszuschusses (EgZ) in Höhe von DM 33.963,30 streitig.

Die Klägerin betreibt die Firma "M.E." in München. Sie beantragte am 12.11.1998 einen EgZ für die Einstellung von Herrn K.H. (H.) als technischer Betriebsleiter in der Betriebsstätte Erfurt für die Dauer von zwölf Monaten in Höhe von 50 v.H. Nach dem Arbeitsvertrag vom 13.11. 1998 betrug das monatliche Entgelt DM 6.000 brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Im Antrag verpflichtete sich die Klägerin unter anderem, den EgZ zurückzuzahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderzeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspreche, längstens jedoch von zwölf Monaten nach Ende des Förderungszeitraums beendet werde.

Mit Bescheid vom 10.12.1998 wurde der Klägerin für die Zeit vom 16.11.1998 bis 15.11.1999 ein EgZ mit einem Förderungssatz von 50 v.H. und einem monatlichen Zuschussbetrag von DM 3.400,02 bewilligt. Am 31.08.1999 wurde die Betriebsstätte Erfurt aufgelöst. H. wurde nunmehr nach dem Arbeitsvertrag vom 30.08.1999 bei einem reduzierten Gehalt von DM 2.950 brutto und einer verringerten wöchentlichen Arbeitszeit von 28 Stunden als Betriebsingenieur in München beschäftigt. Mit Schreiben der Klägerin vom 17.06.1999 - dieses Schreiben wurde der Beklagten erst im Widerspruchsverfahren vorgelegt - an H. war dessen Arbeitsbereich wesentlich verändert worden. H. sollte nunmehr nicht mehr für den Vertrieb von Katalysatoren zuständig sein, sondern im Fertigungsbereich mit dem Schweißgerät arbeiten.

Mit Bescheid vom 14.09.1999 bewilligte die Beklagte der Klägerin nach Vorlage des Arbeitsvertrages vom 30.08.1999 für den Zeitraum vom 01.09.1999 bis 15.11.1999 einen EgZ in Höhe von DM 1.672,65 monatlich. H. kündigte wegen der wirtschaftlichen Lage der Firma das Arbeitsverhältnis am 09.11.1999 fristlos. Die Klägerin habe ihm mitgeteilt, dass sie nicht in der Lage sei, das Gehalt für November 1999 zu zahlen. Eine weitere Gehaltskürzung sei ihm nicht mehr zumutbar, da er dann seine finanziellen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen könne.

Mit Bescheid vom 16.08.2000 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung der Leistung gemäß § 223 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) mit Wirkung vom 01.09.1999 ganz auf. Für H. sei die Weiterbeschäftigung bei der schlechten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und der ab November 1999 angekündigten Gehaltskürzung nicht zumutbar. Somit habe die Klägerin den Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch H. selbst zu vertreten. Es seien keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine andere Entscheidung hätten begründen können. Insoweit sei eine Überzahlung in Höhe von DM 33.963,30 eingetreten, weshalb dieser Betrag von der Klägerin nach § 223 Abs.2 SGB III zu erstatten sei.

Mit Bescheid vom 22.08.2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass durch ein Versehen der Erstattungsbescheid vom 16.08. 2000 ein fehlerhaftes Datum enthalte. Anstelle von "für die Zeit vom 01.09.1999 bis 09.11.1999" müsse es richtigerweise "für die Zeit vom 16.11.1998 bis 09.11.1999" heißen.

Zur Begründung des Widerspruchs trug die Klägerin vor, gemäß § 223 Abs.2 Nr.1 SGB III sei der EgZ dann nicht zurückzuzahlen, wenn der Arbeitgeber berechtigt gewesen sei, das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers lägen, oder aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Bereich entgegenstünden, zu kündigen. Der nunmehr geltende § 233 SGB III unterscheide zwischen tatsächlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer, soweit der Arbeitgeber dies nicht zu vertreten habe, um dem bisher nicht geregelten Fall, dass der Arbeitgeber berechtigt gewesen sei, zu kündigen. Hierbei spreche § 223 Abs.2 Nr.1 SGB III gerade nicht von einer tatsächlichen Beendigung, sondern bloß von der Möglichkeit der Kündigung. H. sei aufgrund seiner Qualifikation, die sich im Laufe des Arbeitsverhältnisses herauskristallisiert habe, nicht geeignet gewesen, den von ihr ausgeschriebenen Arbeitsplatz auszufüllen und den Anforderungen gerecht zu werden. In ihrem Betrieb sei umfangreicher Versuchsmusterbau notwendig. H. habe zwar eine Ingenieurausbildung, die notwendige Schlosserausbildung habe er jedoch nicht nachweisen können. Er sei auch nicht bereit gewesen, sich eine solche im Rahmen von Fortbildungsmaßnahmen, trotz Aufforderung und Abmahnung durch sie, zumindest in der notwendigen Form anzueignen. So sei sogar eine verhaltensbedingte Kündigung mit H. besprochen worden. H. sei ihr mit seiner Kündigung vom 09.10.1999 lediglich zeitlich zuvorgekommen. Sie habe also die Berechtigung aufgrund von Tatsachen gehabt, die in der Person des H. gelegen hätten, zu kündigen. Der EgZ sei somit nicht zurückzuzahlen. Darüber hinaus habe sie auch die Berechtigung, das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Gründen zu kündigen. Die Auftragslage zur Zeit der Kündigung sei sehr schlecht gewesen. Insgesamt habe sie sowohl die Berechtigung zu einer betriebs- als auch zu einer personenbedingten Kündigung gehabt. Dass man trotz Vorliegens dieser Voraussetzungen nicht davon Gebrauch gemacht habe, könne ihr nicht zum Nachteil gereichen und sei vom Gesetzeswortlaut her auch nicht notwendig. Nach nachgeholter Anhörung gemäß Schreiben vom 07.02.2001 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2001 den Widerspruch als unbegründet zurück. Denn die Gründe für die Eigenkündigung des H. seien eindeutig durch die Klägerin zu vertreten. Soweit diese nunmehr vortrage, H. wäre einer fristlosen Kündigung nur zuvorgekommen und habe bereits zwei Abmahnungen erhalten, werde darauf hingewiesen, dass die vorliegenden Abmahnungen unwirksam seien, weil diese keinen Hinweis auf eine Kündigung bei Nichterfüllung der Forderungen enthalten würden.

Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht (SG) München erhobenen Klage hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Ergänzend hat sie darauf hingewiesen, dass H. auf die Folgen der Nichterfüllung hingewiesen worden sei. Trotz der Abmahnung sei jedoch in der Folgezeit keine Besserung eingetreten. Dieses gelte auch für die Abmahnung vom 25.10.1999. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.05.2004 ist Herr K.H. als Zeuge einvernommen worden. Wegen der Einzelheiten seiner Bekundungen wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Mit Urteil vom 07.05.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen.

Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, das SG habe das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ordnungsgemäß gewürdigt und die in diesem Verfahren anzuwendenden arbeitsrechtlichen Grundlagen verkannt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.05.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.08.2000 in der Gestalt des Bescheides vom 22.08.2000 und des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass es der Klägerin nicht gelungen sei, substantiiert das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist darzulegen. Die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei weder nachvollziehbar dargelegt noch erschließe sie sich aus dem Geschehensablauf unmittelbar. Unbestritten sei auch die schleppende Lohnzahlung durch die Klägerin, die umso schwerer wiege, als ein Teil des Lohns bereits durch sie (die Beklagte) getragen worden sei.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.

Zu Recht hat das SG München mit Urteil vom 07.05.2004 die Klage abgewiesen, da die Bescheide der Beklagten vom 16.08.2000 und 23.03.2001 nicht zu beanstanden sind.

Denn die Klägerin ist zur Rückzahlung des gewährten EgZ für die Zeit vom 16.11.1998 bis 09.11.1999 in Höhe von DM 33.963,30 verpflichtet.

Gemäß § 223 Abs.2 SGB III in der bis zum 31.07.1999 geltenden Fassung, die hier maßgeblich ist (vgl. Urteil des BSG vom 21.03.2002 - Az.: B 7 AL 48/01 R), ist der EgZ zurückzuzahlen, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch von zwölf Monaten nach Ende des Förderungszeitraums beendet wird.

Unstreitig ist das Arbeitsverhältnis des H. während des Förderungszeitraums vom 16.11.1998 bis 15.11.1999 durch dessen Kündigung am 09.11.1999 beendet worden. Unstreitig wurde die Klägerin im Antrag auf die Voraussetzungen einer Rückzahlungsverpflichtung hingewiesen und unstreitig hat die Beklagte in den Bewilligungsbescheiden vom 10.11.1998 und 14.09.1999 auf die Bestimmungen im Antrag verwiesen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt hier nicht die Ausnahmeregelung des § 223 Abs.2 Satz 2 Nr.1 SGB III vor, wonach eine Rückzahlungspflicht entfällt, wenn der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Denn die Klägerin war nicht berechtigt, dem H. fristlos zu kündigen. Wichtige Gründe im Sinne von § 223 Abs.2 Satz 2 Nr.1 SGB III sind insbesondere solche, die nach den einschlägigen arbeitsrechtlichen Vorschriften (u.a. § 626 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) zur fristlosen Auflösung eines Arbeitsverhältnisses berechtigen.

Nach § 626 Abs.1 BGB kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Der hauptsächlich von der Klägerin vorgetragene Grund zur Berechtigung einer fristlosen Kündigung, nämlich die nicht ausreichenden Schweißkenntnisse des H., kann nicht greifen. Denn H. war gemäß dem Arbeitsvertrag vom 30.08.1999 als Betriebsingenieur in der Betriebsstätte München angestellt. Gemäß dem ursprünglichen Arbeitsvertrag war er in der Niederlassung Erfurt als technischer Betriebsleiter angestellt worden. Die Tätigkeit eines Betriebsingenieurs umfasst aber nicht zwingend besondere, hoch qualifizierte Fähigkeiten auf dem Gebiet der Schweißtechnik. Der Klägerin war auch bekannt, dass H. als Diplomingenieur keine Ausbildung als Schweißer haben konnte. Der Forderung der Klägerin an den H,. einen Schweißlehrgang zu absolvieren, musste dieser nicht folgen, da nach seinem unbestrittenen Vortrag ein derartiger Lehrgang ca. DM 2.000 gekostet hätte. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass H. seit Monaten nur zögerliche Gehaltszahlungen erhalten hatte und sich von daher einen Schweißlehrgang nicht leisten konnte. So hat H. zwar eingeräumt, dass er schweißen könne, die Klägerin hat aber gewusst, dass er kein ausgebildeter Schweißer ist.

Auch sind die Voraussetzungen des § 223 Abs.2 Satz 2 Nr.2 SGB III nicht gegeben. Danach entfällt eine Rückzahlungsverpflichtung, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf das Bestreben des Arbeitnehmers hin erfolgt, ohne dass der Arbeitgeber den Grund hierfür zu vertreten hat. Die Gründe für die vorzeitige Lösung des Arbeitsverhältnisses lagen im Verantwortungsbereich der Klägerin, insbesondere in ihren wirtschaftlichen Verhältnissen. Ohne Gehaltzahlung war H. die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar, weil er damit seinen finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte.

Somit war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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