L 11 AL 358/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 16/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 358/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.07.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Bewilligung von Eingliederungszuschuss (EGZ) für die Einstellung der Ehefrau in das Unternehmen des Klägers.

Der Kläger ist Inhaber eines Marktforschungsunternehmens (Einzelfirma). Er erteilte der Beklagten am 04.12.2001 einen Vermittlungsauftrag für eine Sektretariatskraft. Am 12.04.2002 beantragte er bei der Beklagten telefonisch die Gewährung von EGZ für seine bereits zum 01.04.2002 als Assistentin der Geschäftsführung bei ihm tätige Ehefrau S. W. (geboren 1943; Anstellungsvertrag vom 05.04.2002). Frau W. ist gelernte Industriekauffrau und war zuletzt vom 01.01.2000 bis 31.03.2002 vorwiegend krank bzw. bezog Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Mit Schreiben vom 17.04.2002 wies die Beklagte den Kläger auf die verspätete Antragstellung hin, die zur Ablehnung führen müsse. Diesen Antrag auf EGZ verfolgte der Kläger nicht weiter. Zum 31.05.2002 entließ der Kläger seine Ehefrau aus wirtschaftlichen Gründen.

Am 28.06.2002 beantragte er bei der Beklagten für die Einarbeitung seiner Ehefrau erneut EGZ für die Dauer von 12 Monaten in Höhe von 50 vH des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts einschließlich des pauschalierten Anteils an den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen. Die Ehefrau solle zum 01.08.2002 wiederum als Assistentin der Geschäftsführung (Sekretariatsarbeiten, Stellvertretung im allgemeinen Sekretariat, Organisation von Geschäftsreisen, Unterstützung der Außenorganisation beim Ausbau des Interviewerstabs, Entscheidungsvorbereitung im Personalbereich) mit 22 Stunden/Woche bei einem monatlichen Arbeitsentgelt von 1.750,00 EUR eingestellt werden (Arbeitsvertrag vom 26.07.2002). In den letzten Monaten habe sich die Auftragslage seines Instituts wieder wesentlich gebessert (Schreiben des Klägers vom 28.06.2002). Die Ehefrau beendete die streitgegenständliche Tätigkeit bei ihrem Ehemann zum 31.05.2003 (Rentenantrag vom 01.06.2003).

Mit Bescheid vom 16.09.2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf EGZ ab, nachdem sie erstmals am 04.09.2002 erfahren hatte, dass es sich bei Frau W. um die Ehefrau des Klägers (E. V.) handelte. Für die Einstellung der Ehefrau sei die Initiative nicht vom Arbeitsamt ausgegangen. Auch habe für die zu besetzende Stelle kein Vermittlungsauftrag des Klägers vorgelegen. Im anschließenden Widerspruchsverfahren vertrat der Kläger die Ansicht, seine Ehefrau erfülle als ältere Arbeitnehmerin die Voraussetzungen einer Förderung, zumal Frau J. vom Arbeitsamt N. die Förderung zugesagt habe.

Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 11.12.2002 zurück. Es habe zwar vom 04.12.2001 bis 03.06.2002 ein Vermittlungsauftrag des Klägers für eine Sekretariatskraft vorgelegen. Dieses Stellenangebot sei jedoch mit der Begründung zurückgenommen worden, dass diese Stelle besetzt worden sei. Fast gleichzeitig sei Frau W. jedoch "wegen Arbeitsmangels" gekündigt worden. Da diese erst wieder zum 01.08.2002 eingestellt worden sei, bestehe kein Zusammenhang mit dem Stellenangebot vom 04.12.2001. Eine Förderungszusage sei dem Kläger vom Arbeitsamt nicht erteilt worden.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben und vorgetragen: Frau J. habe dazu geraten, das am 01.04.2002 mit seiner Ehefrau begründete Arbeitsverhältnis wieder zu kündigen, beim Arbeitsamt anschließend einen neuen Antrag auf Zuschuss zu stellen und nach dessen Bewilligung einen neuen Arbeitsvertrag mit der Ehefrau zu schließen. Die Einstellung einer Sekretärin (ab 02.04.2002) und einer Projektmitarbeiterin (ab 06.05.2002) habe mit der Position seiner Ehefrau nichts zu tun gehabt. Die Rücknahme des Stellenangebots am 03.06.2002 sei mit Rücksicht auf die geplante Wiedereinstellung der Ehefrau erfolgt. Dies sei Frau J. bekannt gewesen. Es sei im Übrigen kein Grund ersichtlich, die Förderung der Einstellung eines Ehegatten nur unter besonderen Erschwernissen zuzulassen. Immerhin seien Ehe und Familie grundgesetzlich geschützt.

Das SG hat die Arbeitsvermittlerin J. und die Ehefrau des Klägers als Zeugen gehört. Frau J. hat bestritten, die Anregung gegeben zu haben, den ersten Arbeitsvertrag wieder aufzulösen und anschließend einen neuen Antrag auf EGZ zu stellen. An eine mündliche Förderungszusage könne sie sich nicht erinnern.

Frau W. hat ausgesagt, sie habe den ersten Antrag auf EGZ nach dem Gespräch mit Frau J. nicht mehr weiter verfolgt. Frau J. habe beim ersten Antrag keine weiteren Schwierigkeiten gesehen und den Tipp mit dem Zweitantrag gegeben. Ihre - der Zeugin - Entlassung zum 31.05.2002 habe im Zusammenhang mit dem Wegfall eines Auftrages gestanden.

Mit Urteil vom 14.07.2004 hat das SG die Klage abgewiesen. Es stehe nicht fest, dass die Zeugin J. die Initiative zur Umgehung von Formvorschriften ergriffen habe. Die Beklagte habe daher eine Ermessensentscheidung treffen dürfen und wegen der Ehegatteneigenschaft der Zeugin W. einen Anspruch zutreffend verneint.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Richtlinien der Beklagten, dass die Ehefrau eines Arbeitgebers nicht gefördert werden könne, verstießen gegen Artikel 6 Grundgesetz (GG). Der Aussage der Zeugin W. komme höhere Glaubwürdigkeit zu als der der Zeugin J. , da der "Tipp" der Zeugin J. für Frau W. ein einmaliger Vorgang gewesen sei, an den sie sich deshalb erinnere. Der Inhalt dieser Zeugenaussage sei entscheidungserheblich. Im Übrigen könne es für die Förderung nicht darauf ankommen, ob die Vermittlungsinitiative von der Arbeitsverwaltung oder vom Arbeitgeber ausgehe. Zum 03.06.2002 habe er eine offene Stelle mit Frau U.G. - durch Vermittlung der Beklagten und unter Gewährung von EGZ - besetzt. Für diese Stelle sei seine Ehefrau jedoch nicht vorgesehen gewesen. Diese habe ab 01.08.2002 tatsächlich für ihn gearbeitet und zwar Termine geplant und vereinbart, Reisen organisiert, Gruppendiskussionen zusammengestellt, Büromöbel für ein neues Teststudio ausgesucht, Personalangelegenheiten erledigt sowie Verhandlungen mit dem Vermieter und Handwerkern geführt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung auf EGZ habe dem Arbeitsamt noch ein Vermittlungsauftrag von ihm vorgelegen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 14.07.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Eingliederungszuschuss für seine Ehefrau S. W. zu gewähren, hilfsweise festzustellen, dass die Ablehnung des Eingliederungszuschusses rechtswidrig war.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die durch Dienstanweisungen aufgestellten allgemeinen Ermessensgrundsätze seien vorliegend zu Recht angewandt worden. Sie dienten der Verhinderung eines möglichen Missbrauchs von Förderleistungen. Im Übrigen schlössen diese die Förderung von Ehegatten nicht generell aus. Im vorliegenden Fall sei die Initiative zur Einstellung von Frau W. nicht von ihr - der Beklagten - ausgegangen. Ein Vermittlungsauftrag des Klägers für den mit Frau W. besetzten Arbeitsplatz habe ebenfalls nicht vorgelegen. Das am 03.06.2002 zurückgenommene Stellenangebot für eine Sekretariatskraft stehe mit Frau W. nicht im Zusammenhang, da diese erst am 01.08.2002 wieder eingestellt worden sei.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.

Nach § 223 Abs 1 Nr 1 SGB III in der vom 01.10.2000 bis 31.12.2003 gültigen Fassung ist eine Förderung ausgeschlossen, wenn zu vermuten ist, dass der Arbeitgeber die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses veranlasst hat, um einen Eingliederungszuschuss zu erhalten. Somit ist die Förderung schon dann ausgeschlossen, wenn hinreichende Anhaltspunkte eine entsprechende Vermutung zulassen (Brandts in Niesel, SGB III, 2.Aufl § 223 RdNr 4).

Im vorliegenden Fall besteht nicht nur eine Vermutung, sondern es steht durch den Vortrag des Klägers selbst und durch Einvernahme der Zeugin W. zur Überzeugung des Senats fest, dass das vom 01.04.2002 bis 31.05.2002 dauernde Beschäftigungsverhältnis der W. bei ihrem Ehemann nur deshalb gekündigt wurde, damit die Voraussetzungen für die Bewilligung eines EGZ geschaffen werden sollten. Der Kläger beruft sich insoweit auf einen entsprechenden "Tipp" der Arbeitsvermittlerin J. , dem er nachgekommen sei. Er hält in diesem Zusammenhang auch die Aussage seiner Ehefrau vom 14.07.2004 zur (behaupteten) entsprechenden Anregung der Frau J. für entscheidungserheblich und die Aussage seiner Ehefrau insoweit für besonders glaubwürdig.

Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Behauptung des Klägers und der Aussage der Zeugin W. - Frau J. bestreitet, einen solchen "Tipp" gegeben zu haben - steht mithin zur Überzeugung des Senats fest, dass alleiniger Beweggrund der Beendigung des mit W. bestehenden Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2002 die Absicht war, W. zur Erlangung des EGZ wieder erneut einzustellen.

Dies ergibt sich auch aus dem Schreiben des Klägers vom 28.06.2002 an das Arbeitsamt. Danach hatte sich bereits "in den letzten Monaten" die Auftragslage seines Instituts wieder wesentlich gebessert. Folglich wäre angesichts dieser schon Monate bestehenden guten Auftragslage die Entlassung der Ehefrau zum 31.05.2002 - jedenfalls aus wirtschaftlichen Gründen, andere hat der Kläger nicht geltend gemacht - nicht erforderlich gewesen.

Die Berufung kann daher bereits aus den genannten Gründen keinen Erfolg haben.

Nicht entscheidungsrelevant ist in diesem Zusammenhang, ob - wie der Kläger und die Zeugin W. behaupten - die Zeugin J. diesen "Tipp" tatsächlich gegeben hat. Eine solche (mündliche) Anregung - wenn sie denn gegeben wurde - würde ohnehin keine rechtswirksame Zusicherung darstellen, da die Schriftform unabdingbare Wirksamkeitsvoraussetzung ist (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB X). Auch über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch könnte der Kläger keine für ihn günstige Entscheidung erreichen, denn der eingetretene (vermeintliche) Nachteil könnte nicht durch eine rechtlich zulässige Amtshandlung beseitigt werden (Meyer-Ladewig, SGG, 8.Aufl, § 131 RdNr 4 a). Die Voraussetzungen für einen Förderungsausschluss gemäß § 223 Abs 1 Nr 1 SGB III lagen nämlich weiterhin vor.

Abweichend von der Auffassung des Klägers hat die Beklagte die Förderung von Ehegatten nicht generell ausgeschlossen, so dass der vom Kläger behauptete Verstoß gegen Art 6 GG oder ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 GG) schon deshalb nicht vorliegen kann.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 14.07.2004 ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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