L 14 R 4042/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RA 177/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 4042/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Februar 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als selbständiger Golflehrer.

Der 1969 geborene, aus Schottland stammende Kläger war seit 1993 in Deutschland als selbständiger Golflehrer tätig. Am 25.09.2001 stellte er Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr.1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Er gab an, vor dem 10.12.1998 eine vergleichbare Form der Altersvorsorge getroffen zu haben, und legte Bestätigungen über zwei zum 01.12.1999 und zum 01.09.2001 abgeschlossene Lebensversicherungen (monatliche Raten 106,86 bzw. 50,- Euro) sowie den Einkommensteuerbescheid für 1998 des Finanzamts K. (Allgäu) vom 08.11.1999 (darin ausgewiesen: DM 3.271,- an Versicherungsbeiträgen) vor. Ferner ließ er der Beklagten eine undatierte Bestätigung seiner Mutter M. H. zukommen, wonach diese im Jahre 1998 und früher vom Kläger Geld erhalten habe, um es für ihn in Schottland zu investieren. Auf Rückfrage der Beklagten bezüglich weiterer Nachweise über die für ihn in Schottland angelegten Vermögenswerte übersandte der Kläger ein an seine Mutter gerichtetes Schreiben der H. vom 25.04.2002, dem Spareinlagen der Mutter in Höhe von 15.156,- Pfund zu entnehmen waren, ferner ein Testament der Mutter vom 03.05.2002, in dem diese den Kläger und seinen Bruder als Erben eingesetzt hatte. Die Beklagte lehnte die beantragte Befreiung von der Versicherungspflicht mit Bescheid vom 03.06.2002 ab. Eine anderweitige Vorsorge vor dem 10.12.1998 sei nicht nachgewiesen, die testamentarischen Regelungen der Mutter reichten dafür nicht aus.

Der Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 06.05.2003).

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) berief sich der Kläger weiterhin darauf, dass seine Mutter von ihm erwirtschaftetes Geld für ihn angelegt habe. Der eigentliche Zweck des § 231 Abs.6 SGB VI sei durch die inzwischen erfolgte ausreichende Absicherung des Klägers erreicht. Auf die Frage der Rechtzeitigkeit der Altersvorsorge vor dem 10.10.1998 könne es dagegen nicht entscheidend ankommen. Im Übrigen verletze das Vorgehen der Beklagten das Recht des Klägers auf freie Berufsausübung und der europarechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit, wenn sie eine in Schottland bestehende Altersvorsorge einer inländischen Vorsorge nicht als gleichwertig erachte.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 11.02.2004 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung in der Tätigkeit als selbständiger Golflehrer. Als selbständig tätiger Lehrer ohne einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer sei er nach § 2 Satz 1 Nr.1 SGB VI versicherungspflichtig. Diese Bestimmung sei nicht verfassungswidrig, insbesondere verstoße sie nicht gegen Art.2 Abs.2 und Art.3 Grundgesetz - GG - (Entscheidung des BSG vom 12.10.2000 in SozR 3-2600 § 2 Nr.5). Ein Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach der befristeten Befreiungsmöglichkeit des § 231 Abs.6 SGB VI bestehe trotz rechtzeitiger Antragstellung und ausreichender Vorsorge für den Fall der Invalidität und des Alters bis zum 30.09.2001 nicht, da es an einem Nachweis fehle, dass der Kläger bereits vor dem im Gesetz genannten Stichtag 10.12.1998 eine anderweitige Vorsorge für Alter und Invalidität getroffen habe. Hierzu reiche die undatierte Bestätigung der Mutter über eine Geldanlage für den Kläger nicht aus. Sie lasse u.a. offen, ob überhaupt Geld auf den Namen des Klägers angelegt worden sei. Dies sei aber zu fordern, damit der Kläger im Falle des Alters und der Invalidität darauf zurückgreifen könne. Zweifel daran bestünden angesichts der in diesem Zusammenhang vorgelegte Bankbescheinigung über ein dort angelegtes Guthaben der Mutter. Auch die im Einkommensteuerbescheid des Jahres 1998 bezifferten Versicherungsbeiträge belegten keine Altersvorsorge, da es sich um Beiträge zur Kranken-, Unfall- oder Haftpflichtversicherung handeln könne. Es bleibe insgesamt unverständlich, warum der Kläger trotz entsprechender Hinweise des Gerichts nicht weitere Belege über 1998 und früher auf seinen Namen in Schottland angelegte Vermögensbeträge vorgelegt habe. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast gehe der fehlende Nachweis zu Lasten des Klägers.

Weiter legte das SG unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 19.03.2002 (C - 393/99) dar, ein Verstoß gegen EG-rechtliche Bestimmungen, insbesondere die Niederlassungsfreiheit oder die Berufsfreiheit betreffend, sei nicht ersichtlich. Der Kläger werde durch die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht daran gehindert, den Beruf eines Golflehrers zu ergreifen und in Deutschland auszuüben. Art.39 und 43 EGVtr sollten den Angehörigen der Mitgliedstaaten die Ausübung jeder Art der Erwerbstätigkeit im gesamten Gebiet der Gemeinschaft erleichtern entgegen nationalen Regelungen, die sie im Falle ihrer Tätigkeit über das Hoheitsgebiet eines einzigen Mitgliedstaates hinaus benachteiligen könnten. Eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit habe der Vertrag jedoch nicht vorgesehen.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil und macht im wesentlichen erneut geltend, seine inzwischen verstorbene Mutter habe in seiner Heimat u.a. im Jahre 1998 für ihn Geld für seine Altersversorgung angelegt. Dies sei hinreichend bewiesen, weitere Anforderungen an eine bestimmte Altersversorgung würden nach § 231 Abs.6 SGB VI zunächst nicht verlangt. Vor dem Hintergrund, dass die Betroffenen regelmäßig von ihrer Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr.1 SGB VI nichts gewusst hätten, müsse es ausreichen, wenn der Nachweis einer der gesetzlichen Versicherungspflicht vergleichbaren Höhe bzw. Art und Weise der Altersversorgung bis zum Abschluss des jeweiligen Befreiungsverfahrens vorliege. Diese Auslegung entspreche auch der Handhabung der Beklagten in anderen Fällen. Sie habe zudem oft über Jahre hinweg die Vorschriften über die Versicherungspflicht der Selbständigen nicht angewandt bzw. nicht vollständig dazu ermittelt. Für die Betroffenen entstehe dann durch die späte Geltendmachung ein Interessenkonflikt wegen der eingegangenen erheblichen finanziellen Verpflichtungen für die private Altersversorgung einerseits und den Einzahlungen bei der Beklagten andererseits. Auch für den Kläger, der seinen Lebensabend nicht in Deutschland verbringen werde, stelle die Geltendmachung der Versicherungsbeiträge durch die Beklagte und die strenge Auslegung des § 236 Abs.6 SGB VI durch das Erstgericht einen erheblichen finanziellen Nachteil dar.

Weiter bringt der Kläger vor, die in § 2 SGB VI getroffenen Regelungen zur Versicherungspflicht selbständig Erwerbstätiger, die nur wenige und unter nicht sachgerechten Kriterien zusammengestellte Katalogberufe "ohne Berücksichtigung der jeweiligen Situation" betreffe, verstoße gegen Art.3 GG und sei mit der durch EG-Recht garantierten Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 11.02.2004 sowie des Bescheides vom 03.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.05.2003 zu verpflichten, den Kläger von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf das nach ihrer Meinung zutreffende angefochtene Urteil. Im Übrigen legt sie ihren Bescheid vom 14.02.2005 vor, mit dem sie das Ende der Versicherungspflicht des Klägers gemäß § 4 Abs.4 SGB VI wegen Aufgabe der selbständigen Tätigkeit auf Grund seines Umzugs nach Italien feststellt und für die vergangene Zeit vom 01.12.2000 bis 31.12.2003 eine Beitragsforderung von 14.754,- Euro erhebt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogene Versichertenakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, erweist sich aber nicht als begründet.

Zutreffend hat das Erstgericht festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr.1 SGB VI nicht vorliegen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.

Der Kläger unterlag während seiner Tätigkeit als Golflehrer in Deutschland der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr.1 SGB VI, wonach selbständig tätige Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, versicherungspflichtig sind. Die Regelung, die beinahe seit den Anfängen der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland in ähnlicher Form besteht (vgl. die Ausführungen zur Entstehungsgeschichte im Urteil des BSG vom 12.10.2000 in SozR 3-2600 § 2 Nr.5), ist nicht verfassungswidrig. Sie verletzt insbesondere weder das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, noch verstößt sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz oder das europarechtliche Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Verhaltensweisen (BSG, a.a.O.). Ebenso ist eine verfassungswidrige Einschränkung des Rechts auf freie Berufsausübung und der Niederlassungsfreiheit durch die bestandene Versicherungspflicht und ihre Durchsetzung durch die Beklagte als zuständigen Versicherungsträger nicht ersichtlich. Der in Deutschland wohnende und nicht an ein System der sozialen Sicherheit eines anderen EU-Mitgliedstaats angeschlossene Kläger unterliegt bei Aufnahme und Ausübung seiner selbständigen Erwerbstätigkeit den Bestimmungen des Aufnahmestaats (vgl. Art.30 EGVtr). Wie das Erstgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH vom 19.03.2002 - C-393/99 und C-394/99 - zutreffend dargelegt hat, ist eine vollständige Harmonisierung der Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit durch den EG-Vertrag nicht vorgesehen.

§ 231 Abs.6 SGB VI, dessen Voraussetzungen das SG im einzelnen dargelegt hat, enthielt eine befristete Befreiungsmöglichkeit für am 31.12.1998 selbständig Erwerbstätige, die der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nrn.1 - 3 und § 229a Abs.1 SGB VI unterlagen. Hintergrund für diese Regelung war, dass etliche dieser Selbständigen im Zuge der zum 01.01.1999 in Kraft getretenen Einführung der Rentenversicherungspflicht für sogenannte arbeitnehmerähnliche Selbständige nach § 2 Satz 1 Nr.9 SGB VI erstmals erfuhren, dass sie schon vor Inkrafttreten dieser Neuregelung rentenversicherungspflichtig waren, und oftmals bereits anderweitig für ihr Alter vorgesorgt hatten. Die deshalb unter engen Voraussetzungen für diesen Personenkreis durch Gesetz vom 03.04.2001 (BGBl. I 467) eingeführte befristete Befreiungsmöglichkeit entsprach der zuvor mit Wirkung vom 01.01. 1999 für die arbeitnehmerähnlichen Selbständigen in § 231 Abs.5 SGB VI getroffenen Regelung durch Gesetz vom 19.12.1998 (BGBl. I 4843) und Gesetz vom 20.12.1999 (BGBl. I 2000).

Der Kläger übte zu dem im Gesetz genannten Zeitpunkt, dem 31.12.1998 (dem Tag vor Inkrafttreten der neu eingeführten Versicherungspflicht für arbeitnehmerähnliche Selbständige nach § 2 Satz 1 Nr.9 SGB VI), eine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit im Sinne von § 2 Satz 1 Nr.1 SGB VI aus und hat auch innerhalb der Frist bis 30.09.2001 die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt. Er hat jedoch die weiter vom Gesetz geforderte Voraussetzung einer vor dem 10.10.1998 getroffenen anderweitigen Vorsorge im Sinne des § 231 Abs.5 Satz 1 oder Satz 2 SGB VI für den Fall des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensalters sowie im Todesfall für Hinterbliebene nicht erfüllt. Er hat weder vor dem 10.10.1998 mit einem öffentlichen oder privaten Versicherungsunternehmen einen die Risiken der Invalidität und des Alters absichernden Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag mit einer der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechenden Beitragszahlung abgeschlossen noch eine vergleichbare Form der Vorsorge durch Vermögen - ebenfalls bezogen auf den Zeitpunkt 10.12.1998 - nachgewiesen, durch das eine Sicherung für den Fall der Invalidität und des Erlebens des 60. oder eines höheren Lebensjahres sowie im Todesfall für Hinterbliebene im wirtschaftlichen Wert einer solchen Lebens- oder Rentenversicherung gewährleistet ist.

Die vorgewiesenen Versicherungsverträge wurden erst nach dem genannten Zeitpunkt abgeschlossen. Eine sonstige Vorsorge durch Vermögen in dem dargelegten Sinn ist nicht nachgewiesen. Den vagen Formulierungen in der undatierten Bestätigung der Mutter des Klägers ist Entsprechendes nicht zu entnehmen. Auch deren testamentarische Verfügungen konnten die geforderte eigene Vermögensvorsorge des Klägers nicht ersetzen.

Der Kläger kann nicht damit gehört werden, dass es ausreichen müsse, wenn die anderweitige Altersvorsorge in dem gesetzlich geforderten Umfang erst bei Abschluss des Befreiungsverfahrens gegeben sei und dies beim Kläger der Fall sei. Zwar lässt § 231 Abs.6 Satz 1, 2.Halbsatz SGB VI genügen, wenn die vor dem 10.10.1998 getroffene Vermögensvorsorge bis zum 30.09.2001 entsprechend ausgestaltet wurde. Beim Kläger mangelt es jedoch - wie bereits dargelegt - am Nachweis einer vor dem 10.10.1998 erfolgten privaten Altersvorsorge im Sinne dieser Vorschrift. Der gewählte Stichtag ist der gleiche wie in § 231 Abs.5 SGB VI, er orientiert sich am Zeitpunkt der 2./3. Lesung des Gesetzentwurfs über die Einführung der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr.9 SGB VI. Er ist damit sachlich vertretbar und nicht willkürlich, ein Verfassungsverstoß liegt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verfassungsmäßigkeit von Stichtagen nicht vor (vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 08.04. 1987 - SozR 2200 § 1246 Nr.142; BSG, Urteil vom 01.12.1999 in SozR 3-5050 § 22 Nr.7 S.46).

Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen. Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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