L 13 R 4128/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 10 An 29/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 R 4128/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 20. September 1995 wird zurückgewiesen.
II. Die weitergehenden Klagen werden abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG).

Der 1933 geborene Kläger war nach erfolgreichem Abschluss eines Studiums der Chemie in der damaligen DDR

- vom 5. Januar 1959 bis 29. Februar 1960 als Diplom-Chemiker an der medizinischen Akademie M. ,

- vom 1. März 1960 bis 20. Juni 1980 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften (AdW) am Institut für Mikrobiologie und experimentelle Therapie J. (Z.), - vom 1. Dezember 1980 bis 19. Februar 1981 als wissenschaftli cher Mitarbeiter am Bezirksinstitut für Veterinärwesen J. und

- vom 1. April 1981 bis 10. August 1983 als wissenschaftlicher Mitarbeiter des VEB J. J. beschäftigt.

Vom 21. Juli 1980 bis 30. November 1980 und vom 20. Februar 1981 bis 31. März 1981 war der Kläger arbeitslos.

Am 11. August 1983 zog er in das Bundesgebiet zu.

Mit Urkunde vom 14. November 1963 wurde dem Kläger mit Wirkung ab 1. Oktober 1961 als Diplom-Chemiker an der AdW eine zusätzliche Altersversorgung in entsprechender Anwendung der Verordnung vom 12. Juli 1951 über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der DDR (VO AVIwiss) gewährt.

Die Beklagte stellte die Zeit vom 1. Oktober 1963 bis 20. Juni 1980 - mit Ausnahme verschiedener Krankheitszeiten und Arbeitsausfallstage - als Zeit der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften zu Berlin und der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin (AVI AdW/AdL - Zusatzversorgungssystem Nr. 5 der Anlage 1 zum AAÜG) sowie die nachgewiesenen Arbeitsentgelte für diese Zeit fest (Bescheid vom 9. September 2004).

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, auch seine wissenschaftliche Tätigkeit vom 5. Januar 1959 bis 30. September 1963 sei als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem festzustellen, wobei der Kläger davon ausging, er habe als wissenschaftlicher Mitarbeiter der AdW der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen (AVIwiss - Zusatzversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 1 zum AAÜG) angehört. Dieses Versorgungssystem habe bereits ab 12. Juli 1951 bestanden. Da seine Tätigkeit am Z. durch rechtswidrige Kündigung zum 20. Juni 1980 beendet worden, die Zusatzversorgung nach 15 Jahren aber unkündbar gewesen sei, müsse im Rahmen des Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes (2. SED-UnBerG) außerdem die Zeit vom 21. Juni 1980 bis 10. August 1983 der AVIwiss zugeordnet werden.

Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 1995). Die Zeit vom 5. Januar 1959 bis 30. September 1963 sei keinem Zusatzversorgungssystem zuzurechnen, da für die Einbeziehung des Klägers in die zusätzliche Altersversorgung der DDR eine Einzelentscheidung erforderlich gewesen und diese erst zum 1. Oktober 1963 erfolgt sei. Mit dem Ausscheiden aus der AdW sei die Anwartschaft auf Zusatzversorgung erloschen. Ob aufgrund des 2. SED-UnBerG weitere Zugehörigkeitszeiten festzustellen seien, sei im Rahmen eines Rehabilitierungsverfahrens nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) durch die hierfür zuständige Landesbehörde zu prüfen, gegen deren Entscheidung der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. Der Zusatzversorgungsträger sei an diese Entscheidung gebunden. Nach Ausstellung einer Rehabilitierungsbescheinigung werde die Beklagte den Bescheid gemäß § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) von Amts wegen überprüfen.

Einen Rehabilitierungsantrag hat der Kläger am 17. Januar 1991 und nach eigenen Angaben nochmals am 31. Oktober 1995 gestellt.

Mit der am 1. März 1995 zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, auch die Zeit vom 5. Januar 1960 bis 1. Oktober 1963 und vom 21. Juni 1980 bis 10. August 1983 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVI anzuerkennen und festzustellen, dass die Beklagte nach dem 2. SED-UnBerG verpflichtet sei, für Opfer des SED-Regimes im Bedarfsfall eine Vergleichsberechnung des Rentenanspruches nach den seit der Rentenreform 1992 gültigen Bestimmungen zu erstellen.

Im Laufe des Klageverfahrens hat sich der Kläger auch gegen die Feststellung rentenrechtlicher Zeiten durch die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als Rentenversicherungsträger gewandt, insbesondere gegen die beschränkte Anrechnung von Ausbildungszeiten, die fehlende Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten als Chemiewerker (27. August 1951 bis 17. September 1952), als werksgeförderter Student (1954/56) und als Arbeitsloser (vom 1. November 1958 bis 31. Dezember 1958), die Leistungsgruppeneinstufung nach dem Fremdrentengesetz (FRG) sowie die Anerkennung von Beiträgen zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung der DDR (FZR) und eine Verurteilung zu rentenrechtlichen Auskünften (über die Möglichkeit zur Nachzahlung von Beiträgen für Ausbildungszeiten und die daraus resultierende Rentensteigerung) beantragt.

Das SG hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 20. September 1995). Soweit der Kläger sich gegen die Vormerkung von Versicherungszeiten durch den Rentenversicherungsträger wende, sei die Klage unzulässig beziehungsweise unbegründet, da dies nicht Angelegenheit der Beklagten und zudem nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides sei. Der angefochtene Bescheid selbst sei rechtmäßig. Der Kläger sei durch eine Einzelfallentscheidung mit Wirkung ab 1. Oktober 1963 für die Tätigkeit als Diplom-Chemiker bei der AdW in die AVI AdW/AdL einbezogen worden. Eine generelle Einbeziehung aller bei der AdW tätigen Hochschulabsolventen habe es nach der (entsprechend anzuwendenden) VO AVIwiss zu keinem Zeitpunkt gegeben. Für die streitige Zeit an der medizinischen Akademie in M. sei dem Kläger keine zusätzliche Altersversorgung bewilligt worden. Eine Zuordnung der Zeit vor dem 1. Oktober 1963 zu einem Zusatzversorgungssystem für das Gesundheits- und Sozialwesen, d.h. für Ärzte, Zahnärzte, Apotheker etc. in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens (Nr. 6 bis 8 der Anlage 1 zum AAÜG), könne ebenfalls nicht erfolgen, da für diesen Bereich frühestens 1979 eine zusätzliche Altersversorgung eingeführt worden sei. Dasselbe gelte für die 1975 eingeführte zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates, wobei die medizinische Akademie in M. aber auch nicht Teil des Staatsapparates gewesen sei. Zeiten nach dem 20. Juni 1980 seien nicht (mehr) der AVI zuzuordnen, weil der Anspruch auf Zusatzversorgung gemäß § 5 der 1. Durchführungsbestimmung (DB) zur VO AVIwiss mit dem Ausscheiden aus der AdW erloschen sei beziehungsweise bei Erreichen einer Anwartschaft von mehr als 15 Jahren zumindest nicht mehr habe fortgeschrieben werden können. Eine Rehabilitierungsbescheinigung für Zeiten ab 21. Juni 1980 liege noch nicht vor.

Gegen das ihm am 21. September 1995 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. Oktober 1995 (Eingang beim SG) Berufung eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, es sei in der DDR gängige Praxis gewesen, in der Regel nach zweijähriger Zugehörigkeit zur jeweiligen Institution rückwirkend eine Zusatzversorgung durch Aushändigung einer entsprechenden Urkunde zu gewähren. Die Zusatzversorgung sei nach 15-jähriger Laufzeit in der Regel unkündbar gewesen. Im Übrigen sei die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der AdW rechtswidrig erfolgt. Deshalb sei seine gesamte wissenschaftliche Tätigkeit in der ehemaligen DDR von 1959 bis 1983 einschließlich der Zeiten politisch bedingter Arbeitslosigkeit als Zeit der Zugehörigkeit zur AVIwiss anzuerkennen und als Arbeitentgelt das ungekürzte Bruttoeinkommen, das nicht zutreffend vom Arbeitgeber angegeben worden sei, festzustellen. Er verlange weiterhin eine Vergleichs-Rentenberechnung und diverse Korrekturen des rentenrechtlichen Versicherungsverlaufs u. a. bezüglich weiterer Pflichtbeitragszeiten als Student/Praktikant und der Leistungsgruppenzuordnung (nunmehr im Rentenbescheid vom 8. März 1996, mit dem dem Kläger ab 1. Dezember 1995 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zuerkannt wurde).

Das (Z) J. hat aufgrund der vom Kläger erhobenen Einwände gegen die bescheinigten Arbeitsentgelten eine geänderte Bescheinigung über Arbeitsentgelte für die Jahre 1960 bis 1980 erstellt. Für das Jahr 1961 ergab sich eine Erhöhung um eine nicht berücksichtigte Nachzahlung in Höhe von 300 Mark, die übrigen Entgelte wurden nach Überprüfung in der bisher bescheinigten Höhe bestätigt (Bescheinigung vom 6. Juni 1996 mit Begleitschreiben vom 5. Juni 1996).

Das Landesamt für Rehabilitation und Wiedergutmachung des Landes Thüringen (Landesamt) hat auf den Antrag des Klägers vom 17. Januar 1991 die Zeit vom 1. Mai 1957 bis 4. Januar 1959 sowie vom 1. Januar 1983 bis 10. August 1983 als Verfolgungszeit im Sinne des BerRehaG anerkannt, den Kläger für diese Zeiträume der Versichertengruppe 2 (Angestellte), Qualifikationsgruppe 1, Wirtschaftsbereich 19 der Anlage 13 und 14 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) beziehungsweise der Anlage 1 Nr. 4 zum SGB VI (vom 1. Mai 1957 bis 4. Januar 1959) und dem Zusatzversorgungssystem der C.-Stiftung J. (vom 1. Januar bis 10. August 1983) zugeordnet sowie eine verfolgungsbedingte Unterbrechung der Ausbildung vom 1. September 1951 bis 17. September 1952 festgestellt, eine weitergehende berufliche Rehabilitation insbesondere für Zeiten nach dem 20. Juni 1980 jedoch abgelehnt (Bescheide vom 8. Januar 1998 und 14. April 1999). Das Verwaltungsgericht M. hat eine Klage gegen diese Entscheidung mit rechtskräftigem Urteil vom 9. April 2003, Az.: 1 K 406/99.Me, abgewiesen.

Die Beklagte hat die Zeit vom 1. Mai 1957 bis 29. Februar 1960 der AVIwiss (Nr. 4), vom 1. März 1960 bis 20. Juni 1980 der AVI AdW/AdL (Nr. 5) und vom 1. Dezember 1980 bis 19. Februar 1981 der AVIwiss (Nr. 4) zugeordnet und die erzielten Brutto-Arbeitsentgelte bis zur Beitragsbemessungsgrenze ungekürzt festgestellt (Bescheide vom 15. und 18. Juni 1999).

Der Kläger hat dagegen eingewandt, aufgrund der Unkündbarkeit seiner Versorgungszusage vom 14. November 1963 nach 15-jähriger Laufzeit habe die Zugehörigkeit zur AVIwiss (Nr. 4) mindestens bis zum Verlassen der DDR am 10. August 1983 fortbestanden. Im übrigen bestimme § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG ausdrücklich, dass ein von den Regelungen der Versorgungssysteme vorgesehener Verlust der Anwartschaft bei einem Ausscheiden vor dem Leistungsfall als nicht eingetreten gelte.

Mit Bescheid vom 10. September 1999 hat die Beklagte dem Kläger an Stelle einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit eine Regelaltersrente bewilligt.

Sowohl die Beklagte als auch die BfA als Rentenversicherungsträger haben darauf hingewiesen, dass die BfA als Rentenversicherungsträger nicht verfahrensbeteiligt ist, die ergangenen Rentenbescheide nicht Gegenstand des hier anhängigen Verfahrens sind und die Einwendungen gegen die Rentenbescheide im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X geprüft werden. Einer Klageänderung haben beide Träger nicht zugestimmt. Die Beklagte hat außerdem darauf hingewiesen, dass für die Feststellung der Zeit vom 1. April 1981 bis 10. August 1983 (Beschäftigung als wissenschaftlicher Mitarbeiter des VEB J.) als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem gemäß § 1 Abs. 2 des Zusatzversorgungssystem-Gleichstellungsgesetzes (ZVsG) die E.-Stiftung zuständiger Zusatzversorgungsträger ist.

Der Kläger beantragt sinngemäß:

I. das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 20. September 1995 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 9. September 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 1995 und i.d.F. der Bescheide vom 15. und 18. Juni 1999 zu verpflichten, 1. die Zeit vom 1. März 1960 bis 20. Juni 1980 dem Zusatzversorgungssystem Nr. 4 (statt Nr. 5) der Anlage 1 zum AAÜG zuzuordnen,

2. die Zeit von 21. Juni 1980 bis 10. August 1983 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 4 der Anlage 1, hilfsweise Nr. 1 der Anlage 1 (AVItech), mit einem monatlichen Arbeitsentgelt in Höhe von 1.105 Mark festzustellen.

II. die Beklagte zu verurteilen,

1. Regelaltersrente bereits ab 4. Februar 1998 zu zahlen,

2. einbehaltene Rentenzahlbeträge zu verzinsen,

3. die Rentenbescheide vom 8. März 1996 und 10. Septem ber 1999 bezüglich der unter I. geltend gemachten Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungs system zu korrigieren,

4. eine Probeberechnung auf der Grundlage einer Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 5 zum AAÜG für die Zeit vom 2. Januar 1959 bis 11. August 1983 zu erstellen,

III. die Rentenbescheide vom 8. März 1996 und 10. September 1999 hinsichtlich der Anwendung des FRG und des AAÜG zu prüfen sowie

IV. unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Thüringischen Landesamtes für Rehabilitierung und Wiedergutmachung vom 14. April 1999 die Zeit vom 21. Juni 1980 bis 10. August 1983 als Verfolgungstatbestand anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, des SG und des LSG (Az.: L 13 VR 2/96.An) sowie der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Die im Berufungsverfahren erstmals erhobenen Klagen sind unzulässig.

Das Urteil ergeht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

1. Gegenstand des Verfahrens ist nur der Bescheid der Beklagten vom 9. September 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Februar 1995 und in der Fassung der Bescheide vom 15. und 18. Juni 1999, mit dem die Beklagte Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG und die in diesen Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt hat.

Die dem Kläger von der BfA als Rentenversicherungsträger erteilten Rentenbescheide vom 8. März 1996 und 10. September 1999 sind - ebenso wie frühere Kontenklärungsbescheide und Rentenauskünfte - nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Wird nach Klageerhebung der (angefochtene) Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt, so wird auch der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 SGG). Die Bescheide der BfA als Rentenversicherungsträger beruhten zwar bezüglich der dort genannten Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auf dem hier angefochtenen Bescheid der BfA als Zusatzversorgungsträger, soweit er mit verbindlicher Wirkung für den Rentenversicherungsträger rentenrechtliche Tatbestände festgestellt hat. Der angefochtene Bescheid selbst wurde durch die Bescheide des Rentenversicherungsträgers - insbesondere die ergangenen Rentenbescheide - aber weder abgeändert noch ersetzt. Auch eine entsprechende Anwendung des § 96 SGG kommt hier schon mangels Identität der erlassenden Behörde nicht in Betracht (vgl. Meyer-Ladewig, SGG-Kommentar, 7. Auflage, § 96 Rdnr. 6). Die Zuständigkeit der Beklagten als Zusatzversorgungsträger erstreckt sich, worauf der Kläger wiederholt hingewiesen worden ist, nicht auf die Gewährung von Leistungen und den Erlass rentenrechtlicher Bescheide nach dem SGB VI (vgl. zur funktionellen Trennung zwischen Zusatz- und Rentenversicherungsträger BSG SozR 3-8570 § 1 Nr. 1). Die BfA als Rentenversicherungsträger ist ihrerseits nicht am Verfahren beteiligt und hat einer entsprechenden Klageänderung (§ 99 SGG) ausdrücklich nicht zugestimmt. Eine solche Klageänderung erscheint auch nicht sachdienlich, da der ursprüngliche Streitgegenstand lediglich die für den Rentenversicherungsträger ohnehin bindende Feststellung rentenrechtlicher Tatbestände nach dem AAÜG, die geänderte Klage jedoch die Feststellung und Berücksichtigung anderer rentenrechtlicher Zeiten sowie Leistungs- und Auskunftsansprüche nach dem SGB VI und somit einen völlig anderen Streitgegenstand und einen anderen Beklagten betrifft.

Dasselbe gilt für die vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren beantragte Abänderung des Widerspruchsbescheides des Landesamtes vom 14. April 1999. Dieser Bescheid hat weder im Sinne des § 96 SGG den angefochtenen Bescheid der Beklagten abgeändert oder ersetzt, noch liegt eine zulässige oder sachdienliche Klageänderung nach § 99 SGG vor.

2. Die Klage gegen den Bescheid des Landesamtes vom 14. April 1999 (Antrag zu IV.) ist auch deshalb unzulässig, weil hierfür nicht der Rechtsweg zu den Sozialgerichten, sondern zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist. Außerdem ist das LSG mangels funktioneller Zuständigkeit nicht befugt, über eine im Berufungsverfahren erhobene Klage erstinstanzlich zu entscheiden. Das LSG entscheidet außer in Fällen des § 96 SGG nur über Rechtsmittel gegen Urteile und Beschlüsse eines SG. Eine erstinstanzliche Entscheidung durch das LSG ist selbst in Fällen gewillkürter Klageänderung nicht zulässig (vgl. BSG SozR-1500 § 29 Nr. 1). Im Übrigen ist der Bescheid aufgrund des rechtskräftigen klageabweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts M. vom 9. April 2003 bestandskräftig geworden und somit einer (nochmaligen) gerichtlichen Überprüfung entzogen.

3. Auch soweit der Kläger Leistungs- und Auskunftsansprüche bezüglich der ihm bewilligten Altersrente geltend macht (Anträge zu II.) und die Überprüfung seiner Rentenbescheide beantragt (Antrag zu III.) sind die Klagen mangels zulässiger Klageänderung unzulässig. Auf die Ausführungen zu 1. wird insoweit verwiesen. Das SG hat es deshalb zu Recht abgelehnt, über die hierauf gerichteten Klagen sachlich zu entscheiden. Bezüglich der erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachten Überprüfung der Rentenbescheide fehlt im Übrigen auch hier eine erstinstanzliche Zuständigkeit des LSG.

4. Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren beantragt hat, die Zeit vom 1. März 1960 bis 20. Juni 1980 dem Zusatzversorgungssystem Nr. 4 (statt 5) der Anlage 1 zum AAÜG zuzuordnen (Antrag I. 1.) ist die Klage wegen fehlender funktioneller Zuständigkeit des LSG und wegen fehlenden Vorverfahrens (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG) unzulässig. Die Zuordnung dieser im angefochtenen Bescheid als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG anerkannten Zeit war nicht Gegenstand des Widerspruchs- und Klageverfahrens und kann ungeachtet der Tatsache, dass die Beklagte sich auf die insoweit erfolgte Klageänderung eingelassen hat (§ 99 Abs. 1 Alt. 1 SGG), vom LSG nicht erstinstanzlich entschieden werden (vgl. BSG a.a.O.). Im Übrigen ist der angefochtene Bescheid insoweit mangels (rechtzeitigen) Widerspruchs bestandskräftig geworden (§ 77 SGG; vgl. BSG Urteil vom 27.07.2004 - B 4 RA 1/04 R -) und eine Anfechtungsklage ohne Vorverfahren nicht zulässig.

Die Klage wäre aber auch unbegründet, denn die Beklagte hat die Zeit vom 1. März 1960 bis 20. Juni 1980 zutreffend dem Zusatzversorgungssystem Nr. 5 der Anlage 1 zum AAÜG zugeordnet. Dieses Versorgungssystem erfasste (nur) im Wege der Einzelfallentscheidung u. a. Beschäftigte der AdW mit Hochschulabschluss, wobei die Durchführung der Versorgung entsprechend der Verordnung über die AVIwiss (Anlage 1 Nr. 4 zum AAÜG) erfolgte. Eine Zuordnung zur AVIwiss selbst erfolgte somit nicht, wobei sich aufgrund der entsprechenden Anwendung der Verordnung zur AVIwiss aber im Ergebnis weder bezüglich des Umfangs der damaligen Versorgungszusage noch bezüglich der Überführung in die Rentenversicherung nach dem AAÜG und dem SGB VI für den Kläger aus der Zuordnung zum Zusatzversorgungssystem Nr. 5 der Anlage 1 zum AAÜG rentenrechtliche Nachteile ergeben. Insbesondere sieht das AAÜG bezüglich der AVIwiss und der AVI AdW/AdL keine unterschiedlichen Kriterien für die Feststellung der Zeiten der Zugehörigkeit und der tatsächlich erzielten, für die Ermittlung der Endgeltpunkte nach dem SGB VI maßgebenden Arbeitsentgelte vor.

5. Bezüglich des Klageantrags I. 2. hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen.

Gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG teilt der zuständige Versorgungsträger dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung zum Zwecke der Überleitung der im jeweiligen Zusatzversorgungssystem erworbenen Anwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung insbesondere die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die Höhe der erzielten Entgelte, begrenzt auf die Beitragsbemessungsgrenze (§ 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG i.V.m. Anlage 3 zum AAÜG), als rentenrechtliche Tatbestände mit. Die mitgeteilten Zeiten gelten gemäß § 5 Abs. 1 AAÜG als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung. Die rentenrechtliche Bewertung dieser Tatbestände erfolgt in Anwendung des SGB VI durch den Rentenversicherungsträger.

a) Die Zeit vom 1. Dezember 1980 bis 9. Februar 1981 ist von der Beklagten bereits antragsgemäß der Anlage 1 Nr. 4 zum AAÜG zugeordnet worden. Insoweit ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage entfallen. Die Arbeitsentgelte wurden zutreffend in Höhe der tatsächlichen Arbeitsentgelte festgesetzt.

b) die Zeit vom 21. Juni 1980 bis 30. November 1980 und vom 20. Februar 1981 bis 10. August 1983 ist keinem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 (oder 2) zum AAÜG zuzuordnen. Die Zugehörigkeit zur AVI AdW/AdL endete mit dem Ausscheiden des Klägers aus der dortigen Beschäftigung am 20. Juni 1980, denn die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem setzt neben der tatsächlichen (bei der AVItech unter bestimmten Umständen auch fiktiven) Einbeziehung die Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit voraus. Da die Zugehörigkeit zur AVI AdW/AdL von einer Beschäftigung in einer der dort genannten Akademien abhängig war, konnten Beschäftigungen, die außerhalb dieser Akademien ausgeübt wurden, eine Zugehörigkeit zu diesem Zusatzversorgungssystem nicht begründen.

Dem steht § 1 Abs. 1 S. 2 ALG nicht entgegen. Sah danach eine Versorgungsordnung den Verlust der Anwartschaft bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor Eintritt des Leistungsfalles vor, so gilt dieser Verlust als nicht eingetreten. Dementsprechend sind die vom Kläger bis zum 20. Juni 1980 erworbenen Anwartschaften in den Zusatzversorgungssystemen Nr. 4 und 5 der Anlage 1 zum AAÜG mit Beendigung der zu Grunde liegenden Tätigkeiten nicht untergegangen, sondern in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen. § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG fingiert jedoch - entgegen der Ansicht des Klägers - nur den Fortbestand bereits erworbener Anwartschaften und nicht den Fortbestand der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem über das Ende der der Versorgungszusage zu Grunde liegenden Beschäftigung hinaus im Sinne des Erwerbs weiterer Anwartschaften mit der Folge, dass spätere Beschäftigungszeiten diesem Zusatzversorgungssystem zuzuordnen wären. Auch die behauptete Unkündbarkeit der Versorgungszusage würde - ihre bundesrechtliche Beachtlichkeit unterstellt - lediglich einem Verlust der tatsächlich erworbenen Anwartschaften entgegen stehen, jedoch nicht zur Einbeziehung weiterer Beschäftigungszeiten außerhalb der vom Zusatzversorgungssystem erfassten Beschäftigung führen. Eine solche Regelung war bereits dem DDR-Recht fremd und ist auch dem hier allein maßgebenden (primären und sekundären) Bundesrecht nicht zu entnehmen.

c) Die Zeiten der Arbeitslosigkeit vom 21. Juni 1980 bis 30. November 1980 und vom 20. Februar 1981 bis 31. März 1981 sind ebenfalls keinem Zusatzversorgungssystem zuzuordnen. Der Kläger hat in dieser Zeit tatsächlich keine die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem begründende Beschäftigung ausgeübt und keine berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelte erzielt.

d) Die Zeit vom 1. April 1981 bis 31. Dezember 1982 ist, wie die Zeit vom 1. Januar bis 10. August 1983, dem Zusatzversorgungssystem der C.-Stiftung J. zuzuordnen. Zuständiger Versorgungsträger hierfür ist, wie dem Kläger mehrfach mitgeteilt wurde, nicht die Beklagte, sondern die E.-Stiftung (§ 1 Abs. 2 ZVsG). Die Beklagte hat es daher zu Recht abgelehnt, für diese Zeiträume Feststellungen nach §§ 5 und 8 AAÜG zu treffen. Eine Weiterleitung des Feststellungsbegehrens an die Stiftung hat der Senat angeregt. Der Kläger hat jedoch ausdrücklich die Verurteilung der Beklagten beantragt.

Die Voraussetzungen für eine Einbeziehung dieses Zeitraumes in die AVItech (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) sind, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, nicht erfüllt. Zwar setzte die Einbeziehung in dieses Zusatzversorgungssystem nach der Verordnung vom 17. August 1950 (VO AVItech) - entgegen der Praxis in der DDR - keine Einzelfallentscheidung voraus, doch gehörte der Kläger als Diplom-Chemiker nicht zu dem nach der 2. DB zur VO AVItech von diesem Versorgungssystemen erfassten Personenkreis. Er war insbesondere nicht berechtigt, eine der dort genannten Berufsbezeichnungen zu führen. Im Übrigen setzt eine (fiktive) Einbeziehung in die AVItech voraus, dass der Versicherte am 30. Juni 1990 - d.h. bei Schließung des Versorgungssystems - noch eine entsprechende Tätigkeit in einem volkseigenen oder diesem gleichgestellten Produktionsbetrieb ausgeübt hat. Dies war beim Kläger, der bereits im Oktober 1983 die DDR verlassen hat, nicht der Fall (vgl. zuletzt BSG Urteil vom 10. Februar 2005 - Az: B 4 RA 48/04 R -).

e) Die weiteren Feststellungen der Beklagten, insbesondere zur Höhe der tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Feststellungen beruhen auf den von den früheren Arbeitgebern erstellten Entgeltbescheinigungen. Vom Kläger vorgetragene Einwände hinsichtlich der bescheinigten Entgelte für die Jahre 1960 bis 1980 haben sich nach Überprüfung und Erläuterung durch das (Z) im laufenden Verfahren mit Ausnahme einer geringfügigen Entgelterhöhung für das Jahr 1961 als gegenstandslos erwiesen und wurden seither vom Kläger nicht mehr geltend gemacht.

f) Eine Zuordnung der Zeiten der Arbeitslosigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 (oder 2) zum AAÜG oder eine Festsetzung höherer als der tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte ist auch nicht im Wege der Rehabilitation nach dem 2. SED-UnBerG erfolgt. Soweit das zuständige Landesamt einen entsprechenden Antrag des Klägers bestandskräftig abgelehnt hat, sind die Beklagte und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit hieran tatbestandlich gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Feststellung weiterer Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem allein aufgrund einer während des Berufungsverfahrens ergangenen, für die Beklagte bindenden Rehabilitationsentscheidung erfolgte, sind Klage und Berufung mit Ausnahme einer geringfügigen Erhöhung des festzustellenden Arbeitsentgelts für das Jahr 1961 im Ergebnis erfolglos geblieben. Dementsprechend sind dem Kläger außergerichtlich Kosten nicht zu erstatten.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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