L 6 R 690/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 1022/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 690/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15. November 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Witwenrente aus der Versicherung ihres früheren geschiedenen Ehemannes K.S ...

K.S., geboren am 1936 und verstorben am 1999, der österreichischer Staatsangehöriger und in der Bundesrepublik Deutschland vom 20.09.1960 bis 31.03.1990 versicherungspflichtig beschäftigt war, erhielt von der Beklagten ab 01.05.1992 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die am 30.09.1949 geborene Klägerin ist ebenfalls österreichische Staatsangehörige.

Die zwischen der Klägerin und K.S. am 10.07.1970 geschlossene Ehe wurde durch das seit 04.03.1986 rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts T. vom 16.01.1986 geschieden. Ein Versorgungsausgleich wurde nicht durchgeführt, weil das österreichische Scheidungsrecht einen solchen nicht vorsah. K.S. wurde verpflichtet, monatliche Unterhaltszahlungen für das Kind Helmut Karl zu Händen der Klägerin zu entrichten.

Die Klägerin hat am 30.12.1987 wieder geheiratet. Diese Ehe hat das Amtsgericht T. mit seit 07.03.2002 rechtskräftigem Urteil vom 28.09.2001 geschieden.

Mit dem bei dem Beklagten am 22.11.1999 eingegangenen Antrag begehrt die Klägerin die Zahlung von Witwenrente aus der Versicherung von K.S ... Mit Bescheid vom 20.01.2000 lehnte die Beklagte die Zahlung von Witwenrente mit der Begründung ab, die gesetzlichen Voraussetzungen seien schon deshalb nicht erfüllt, weil die Ehe mit K.S. nach dem 01.07.1977 geschieden worden sei. Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, das österreichische Scheidungsrecht sehe einen Versorgungsausgleich nicht vor. Sie habe in dieser Ehe zwei Kinder groß gezogen und bis zum Tod ihres geschiedenen Ehemanns Unterhaltszahlungen erhalten. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Anspruch auf Witwenrente setze voraus, dass die Witweneigenschaft, also keine Wiederheirat, vorliege und die Ehe vor dem 01.07.1977 geschieden worden sei. Keine dieser Voraussetzungen sei erfüllt.

Dagegen richtet sich die am 29.06.2000 zum Sozialgericht München erhobene Klage. Ein Versorgungsausgleich habe nach dem zum Zeitpunkt der Scheidung geltenden internationalen Privatrecht nicht durchgeführt werden können, weil das österreichische Recht für die Ehescheidung und die Scheidungsfolgen maßgebend gewesen sei, das aber einen Versorgungsausgleich nicht vorgesehen habe. K.S. habe zum Zeitpunkt der Scheidung über keinerlei Einkünfte verfügt. Die Klägerin habe, ohne Kinderunterhalt geltend gemacht zu haben, beide Kinder versorgt und sei zum damaligen Zeitpunkt voll erwerbstätig gewesen. Sie sei so zu behandeln, als wäre die Ehe nicht geschieden. Bis zum dritten Lebensjahr ihrer Tochter habe sie ihre berufliche Tätigkeit einstellen müssen. Dadurch sei eine Versorgungslücke entstanden. Mittlerweile sei sie erwerbsunfähig.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 15.11.2004 ab. Die Klägerin habe wegen des Zeitpunkts der Scheidung nach dem 01.07.1977 keinen Anspruch auf Rente aus der Versicherung des früheren Ehemanns. Im Übrigen verweist das Sozialgericht auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Am 14.12.2004 ging die Berufung der Klägerin gegen dieses ihr am 20.11.2004 zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein. Zur Begründung wiederholt sie den bisherigen Vortrag.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Klägerin beantragt (sinngemäß), den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15.11. 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund ihres Antrags vom 22.11.1999 Witwenrente aus der Versicherung von K.S. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Rentenakten der Beklagten und der Klageakte des Sozialgerichts Landshut, der Akten des Bayer. Landessozialgerichts L 5 RJ 138/02 und zu diesem Verfahren sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15.11.2004 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, denn die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Witwenrente aus der Versicherung von K.S ...

Nach § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben. Wegen der erneuten Eheschließung der Klägerin nach der Scheidung von K.S. sind diese Voraussetzungen nicht gegeben.

Auch ein Anspruch auf Witwenrente für geschiedene Ehegatten setzt voraus, dass die Ehe vor dem 01.07.1977 geschieden wurde und die geschiedene Ehefrau zu Lebzeiten des Versicherten nicht wieder geheiratet hat (§ 243 Abs.1 Nrn.1, 2 SGB VI). Beide Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

Die Ehe der Klägerin mit K.S. wurde mit dem am 04.03.1986 rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts T. geschieden, also nicht vor dem 01.07.1977. Für Scheidungen ab diesem Zeitpunkt hat das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.06.1976 (BGBl I 1421) mit der Gewährung des Versorgungsausgleichs die abgeleitete Hinterbliebenenversorgung durch die eigene Versicherung des ausgleichsberechtigten Ehegatten ersetzt (KassKomm-Gürtner § 243 SGB VII Rdnr.2). Zwar kommt der Klägerin ein entsprechender Versorgungsausgleich nicht zugute, weil das Scheidungsurteil vom 16.01.1986 einen Versorgungsausgleich ausschloss. Allerdings bedeutet dies nicht, dass deshalb hier die Regelungen des § 243 SGB VI nicht anzuwenden wären.

Zum Zeitpunkt der Scheidung hatten beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Damit war zwar ein deutsches Gericht in dieser Ehesache zuständig (§ 606a ZPO), die Scheidung erfolgte aber gemäß Art.17 EGBGB in der Fassung vom 14.06. 1976, gültig bis 31.08.1986, nach dem Recht, das im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend war. Diese unterliegen gemäß Art.14 Abs.1 Nr.1 EGBGB dem Recht des Staates, dem beide Ehegatten angehören. Somit erfolgte die Scheidung nach österreichischem Recht, also ohne Durchführung eines Versorgungsausgleiches und damit abweichend vom deutschem Recht gemäß §§ 1587 ff. BGB.

§ 243 SGB VI sieht für diesen Fall keine Ausnahmeregelung vor. Allein das gesetzgeberische Motiv für die Regelung des § 243 SGB VI, bei Scheidungen vor Einführung des Versorgungsausgleichs Ehegatten einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente des geschiedenen Ehegatten zuzubilligen, kann das Klagebegehren nicht stützen. Erst mit der Änderung des Art.17 EGBGB (Fassung vom 25.07.1986), gültig ab 01.09.1986, konnte auch in Fällen wie dem vorliegenden ein Versorgungsausgleich durchgeführt werden. Mit dieser Regelung zum Versorgungsausgleich hat der Gesetzgeber ein Versäumnis von 1977 nachgeholt (MünchKomm-Winkler von Mohrenfels Art.17 Rdnr.187). Nach Art.220 Abs.1 EGBGB bleibt jedoch das bisherige Internationale Privatrecht auf Vorgänge anwendbar, die vor dem 01.09.1986 abgeschlossen waren, wie hier die Scheidung der Klägerin von K.S., die am 04.03.1986 rechtskräftig wurde.

Außerdem steht die Wiederheirat der Klägerin am 30.12.1987 einem Anspruch auf Zahlung von Witwenrente entgegen (vgl. § 243 Abs.1 Nr.2 SGB VI), auch wenn diese Ehe durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts T. vom 28.09.2001 wieder geschieden wurde. Mit der Wiederheirat zu Lebzeiten des Versicherten geht die Stellung des "geschiedenen Ehegatten" verloren, denn es wird ein gesonderter Unterhaltsanspruch gegen den neuen Ehegatten begründet (KassKomm-Gürtner § 243 SGB VI Rdnr.5 m.w.N). Die Regelung des § 243 Abs.4 SGB VI, wonach ein Rentenanspruch nach dem vorletzten geschiedenen Ehegatten bestehen kann, wenn die erneute Ehe aufgelöst ist, greift hier nicht ein. Denn die Anwendung dieser Vorschrift kommt eben nur bei einer nicht zu Lebzeiten des Versicherten erfolgten Wiederheirat in Betracht (KassKomm, a.a.O., Rdnr.72).

Die Frage, ob die weiteren Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch gegeben sind, insbesondere im Hinblick auf die unterhaltsrechtlichen Beziehungen zwischen der Klägerin und K.S. (vgl. § 243 Abs.1 Nr.3, Abs.3 SGB VI), ist somit nicht entscheidungserheblich.

Auch der weitere Vortrag hinsichtlich der bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin ist nicht geeignet, einen Anspruch auf Zahlung von Witwenrente zu begründen.

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15.11.2004 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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