L 3 U 71/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 742/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 71/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.01.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) als Berechnungsgrundlage einer nach dem Fremd- rentengesetz (FRG) festgestellten Rente. Der Kläger macht insbesondere geltend, er sei vor dem Unfall als Meister und nicht nur als Geselle beschäftigt gewesen, so dass ein höherer JAV der Berechnung zugrunde gelegt werden müsse.

Der 1954 geborene Kläger lebte bis 25.06.1988 in der damaligen DDR. Zu seinem beruflichen Werdegang gab er an, er habe nach dem Abschluss der zehnklassigen Oberschule im Jahre 1971 den Beruf des Schlossers erlernt. Während seines Wehrdienstes bis 1972 und anschließend im Mähdrescherwerk B., in dem Landmaschinen gefertigt und instandgesetzt worden seien, habe er als Schlosser gearbeitet. Am 13.07.1973 habe er die Facharbeiterprüfung und am 14.06.1986 die Meisterprüfung in der Fachrichtung Maschinenbau abgelegt. Im Nachweisbuch für die Ausbildung zum Meister wird in einer Leistungsbewertung am 19.06.1986 mitgeteilt, der Kläger sei seit 1979 als Meister eingesetzt gewesen und habe seit Dezember 1985 die Funktion eines Schichtleiters gehabt.

Im Mähdrescherwerk B. erlitt er am 03.10.1976 einen Unfall, der nach dem Arbeitsgesetzbuch der DDR als Arbeitsunfall anerkannt worden war.

Nach seiner Übersiedlung in die BRD nahm der Kläger seinen Wohnsitz in G ... Auf seinen Antrag erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 22.03.1989 den Unfall als Arbeitsunfall an und gewährte Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. Mit weiterem Bescheid vom 13.11.1996 gewährte sie ab 01.01.1996 Rente nach einer MdE um 25 v.H. statt um 20 v.H. Den Widerspruch, mit dem der Kläger forderte, die Rente nach einem höheren JAV und ab einem früheren Zeitpunkt zu berechnen, wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom 06.02.1997).

Das Klageverfahren vor dem Sozialgericht München (SG) mit dem Az.: S 41 U 186/97 endete am 12.02.1998 mit einem Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, die Höhe des JAV gemäß § 44 des Zehnten Sozialgesetzbuches (SGB X) zu überprüfen.

Im Klageverfahren gegen den diesen Vergleich ausführenden, ablehnenden Bescheid vom 22.10.1998/Widerspruchsbescheid vom 16.12.1998 (Az.: S 20 U 943/98) nahm der Kläger am 26.10.1999 seine Klage zurück. Das Verfahren mit dem Aktenzeichen S 20 U 917/99 wegen Widerrufs dieser Rücknahme endete durch Rücknahme am 12.12.1999. Dabei erklärte der Kläger, er wolle seine Klageerhebung als Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X verstanden wissen.

Am 19.09.2000 nahm die Beklagte auf das Schreiben des Klägers vom 12.12.1999 zu seinen Gunsten die Bescheide vom 22.03.1989 und vom 13.11.1996 insoweit zurück, als sie unter Beachtung der vierjährigen Verjährung nunmehr ab 01.01.1995 einen höheren - wiederum nach § 8 FRG berechneten - JAV zugrundelegte. Sie berechnete die Rente nach den Angaben der Fa. A. (F.), M. über die Höhe des Lohnes eines Facharbeiters mit abgeschlossener Ausbildung einschließlich Weihnachts- und Urlaubsgeld, vermögenswirksamer Leistung und Nachtschichtzulage, mit insgesamt 26.995,00 DM auf das Jahr 1975/76 bezogen. Daraus ergab sich zu Gunsten des Klägers eine Nachzahlung, die sie gegen die Vorschüsse von insgesamt 33.000,00 DM, die sie auf Wunsch des Klägers - unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung - gezahlt hatte, verrechnete. Den überzahlten Betrag in Höhe von 16.386,82 DM forderte sie zurück.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, weil der von der Beklagten ermittelte Vergleichslohn nicht zutreffe. Es müssten Schichtleiter- und Vorarbeiterzulagen berücksichtigt werden. Er sei schließlich im Unfallbetrieb als Schichtleiter und Meister eingesetzt gewesen. Die Beklagte ließ die vom Kläger benannten früheren Mitarbeiter Sch. und D. durch das SG Dresden am 06.09.2001 vernehmen. Sie wies den Widerspruch am 05.12.2001 zurück, nachdem die Zeugen nicht bestätigen konnten, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt als Schichtleiter und Meister eingesetzt war.

Bereits zuvor, nämlich am 17.10.2001 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben, die nach Erteilen des Widerspruchsbescheides als Anfechtungs- und Leistungsklage im Wege der Klageänderung fortgesetzt wurde. Das SG hat einen weiteren früheren Mitarbeiter aus dem Mähdrescherwerk, E.F., im Wege der Rechtshilfe durch das SG Dresden einvernommen und mit Urteil vom 13.01.2004 die Klage abgewiesen. Es hat keinen Anhalt für das Zugrundelegen eines höheren JAV gesehen. Auch der Zeuge E.F. habe nicht bestätigen können, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt wie ein Meister eingesetzt und entlohnt worden war.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, seine in der DDR ausgeübte Tätigkeit entspreche am ehesten einer Beschäftigung bei der Fa. A. GmbH, M., einem größeren Betrieb, in dem noch heute Landmaschinen hergestellt würden. Er hat eine Bescheinigung über den Verdienst eines dort im Jahr 1975/76 beschäftigten Meisters vorlegt. Er wolle einen weiteren Zeugen ausfindig machen, der seine Meisterfunktion im Unfallbetrieb bestätigen werde. Außerdem hat er sich auf eine Auskunft der Fa. MA., Automobil-Handelsgesellschaft in M., über das Gehalt eine KFZ-Mechaniker-Meisters bezogen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 13.01.2004 und Abänderung des Bescheids vom 19.09.2000 in der Fasssung des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2001 zu verurteilen, ihm ab 01.01.1995 Verletztenrente nach einem höheren JAV zu gewähren und den Bescheid aufzuheben, soweit darin ein Betrag von 16.386,82 DM (8.378,45 EUR) zurückgefordert wird.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.01.2004 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz gem. § 136 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Der Bescheid vom 19.09.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 05.12.2001 entspricht der Sach- und Rechtslage. Eine Berechnung der Verletztenrente nach einem höheren JAV, als von der Beklagten zugrundegelegt, findet keine Rechtsgrundlage. Die infolge der Vorschusszahlungen über 33.000,00 DM eingetretene Überzahlung in Höhe von 16.386,82 DM = 8.378,45 EUR kann zurückgefordert werden.

Maßgebend für die Ermittlung des JAV gemäß des hier noch anzuwendenden § 571 Reichsversicherungsordnung (RVO) (§§ 212, 214 Abs.2 SGB VII) ist § 8 FRG. Danach gilt als JAV, wenn er in einer fremden Währung, wie hier in Mark (DDR) ausgedrückt ist, der Betrag, der für einen vergleichbaren Beschäftigten im Zeitpunkt des Unfalls an dem für das anzuwendende Recht maßgeblichen Ort (§ 7 FRG) festzusetzen gewesen wäre. Nach § 7 FRG ist als maßgeblicher Ort in diesem Sinne der gewöhnliche Aufenthalt des Berechtigten zur Zeit der Anmeldung des Anspruchs anzusehen.

Der Kläger hatte, als er den Anspruch geltend machte, seinen Wohnsitz, wie noch heute, in G ... Es ist daher auf Arbeitsmöglichkeiten zum Unfallzeitpunkt abzustellen, die von seinem Wohnort - eventuell auch durch Pendeln - zu erreichen waren. Unter einem vergleichbaren Beschäftigten ist eine Person zu verstehen, die eine gleichartige oder vergleichbare Beschäftigung in einem gleichartigen oder vergleichbaren Betrieb unter vergleichbaren Umständen ausgeübt hat, wie es beim Verletzten der Fall war (Hoernigk, Jahn, Wickenhagen, FRG-Kommentar § 8 S.116). Nach diesen Vorgaben begegnet es keinen Bedenken, dass die Beklagte fiktiv eine Beschäftigung des Klägers bei der Fa. A. in M. heranzog. Es handelt sich dabei um einen Betrieb, der sich mit dem Vertrieb und der Instandsetzung von Landmaschinen befasst und - mehr als ein kleiner Handwerksbetrieb - dem Mähdrescherwerk in B. ähnelt, in dem der Kläger zum Unfallzeitpunkt bzw. im Jahr davor beschäftigt war. Im Wesentlichen entspricht dies auch der Vorstellung des Klägers, wie er im Erörterungstermin am 26.10.2004 bestätigte.

Die unterschiedlichen Standpunkte beruhen hingegen darauf, dass der Kläger meint, seine Tätigkeit vor dem Unfall habe einer Meisterposition entsprochen, während die Beklagte lediglich eine qualifizierte Facharbeitertätigkeit für nachgewiesen hält. Dieser Auffasssung schließt sich der Senat, wie zuvor auch das SG, an. Im hier maßgeblichen Zeitraum besaß der Kläger nicht die Ernennung zum Meister; dies geschah erst am 19.06.1986, also weit nach dem Unfall. Der Kläger räumt selbst - so in seinem Schreiben vom 07.04.2001 - ein, dass er erst 1983 die Meisterschule besucht und diese 1986 erfolgreich abgeschlossen hat. Ohne Zweifel war er hingegen schon am 13.07.1973 zum Facharbeiter ausgebildet gewesen. Dass der Kläger entgegen der förmlichen Meisterernennung bereits früher als Meister beschäftigt und entlohnt worden war, ließ sich durch die vor dem SG Dresden im Wege der Rechtshilfe gehörten Zeugen D., Sch. und E.F. nicht bestätigen. Aus dem über die DISO GmbH erhaltenen, der Personalakte des Klägers entnommenen Funktionsplan läßt sich ebensowenig ein Anhalt für die Meinung des Klägers finden. Danach war er ab 01.02.1983 als Meister und der jeweilige Einrichter als sein Stellvertreter geführt worden. Daraus ist im Umkehrschluss zu folgern, dass er 1975/76, als er nach eigenen Angaben Einrichter war, gerade nicht die Position eines Meisters inne hatte. Auch die Aussage des Zeugen D., der am 06.09.2001 vor dem SG Dresden angab, es könne sein, dass der Kläger gelegentlich als Schichtmeister eingesetzt gewesen sei, und er - als damaliger Obermeister der Abteilung - drei Meister in der Abteilung unter sich gehabt habe, von denen einer der Meister S. gewesen sei, spricht gegen die Behauptung des Klägers. Der Zeuge Sch. stellte zudem klar, dass der Kläger dem Meister S. zugeteilt und in erster Linie Arbeiter in der Produktion und nicht Schichtleiter war. Dies bestätigte Herr S. in einer vom Kläger vorgelegten schriftlichen Erklärung vom 03.03.2001. Aus dem über die DI. GmbH erhaltenen Funktionsplan ergibt sich eindeutig, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt noch nicht die Position eines Schichtleiters und Meisters innehatte, sondern erst ab 1983. Die Zeugenaussagen und der Funktionsplan belegen, dass es einen Unterschied gab zwischen einem Schichtleiter, der Meister war und einem Schichtleiter, der lediglich in Einzelfällen den Meister zu vertreten hatte. Letzteres tifft auf den Kläger zu. Betrachtet man seinen beruflichen Werdegang bis zum Unfall, so ist nicht ersichtlich, wann und auf welche Weise er bis dahin die Fähigkeiten eines Meisters, die einer Meisterposition bei einer Firma im Bereich des nach der Übersiedlung in die BRD genommenen Wohnsitzes entsprechen würde, erworben hätte. Zu erwähnen ist insoweit, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt erst 21 Jahre alt war, seine Schulausbildung 1971 abgeschlossen hatte, bis 1972 Wehrdienst geleistet hatte, danach erst wieder im Lehrberuf und bis zum Unfall dort nur knapp vier Jahre tätig war.

Folglich begegnet die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des JAV keinen Bedenken. Da die Beklagte bereits einen Nachtschichtzuschlag miteinbezogen hat, brauchte der Senat nicht zu prüfen, ob überhaupt regelmäßige Nachtschichten in einem Vergleichsbetrieb in der BRD geleistet wurden. Der Kläger hat jedenfalls keinen Anspruch auf das Zugrundelegen eines höheren JAVs. Auch steht ihm eine Neuberechnung, wie von der Beklagten vorgenommen, nicht vor dem 01.01.1995 zu, weil insoweit die Verjährungsvorschrift des § 44 Abs.4 SGB X von der Beklagten zu beachten war.

Dass die Beklagte die von ihr geleisteten Vorschüsse nach Verechnung mit der Nachzahlung zurückfordern darf, ergibt sich aus § 42 Abs.2 SGB I i.V.m. § 50 SGB X. Danach sind Vorschüsse, soweit sie die zustehende Leistung übersteigen, vom Empfänger zu erstatten.

Insgesamt war daher die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.01.2004 zurückzuweisen.

Der Kostenausspruch stützt sich auf § 193 SGG.

Gründe zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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