L 18 V 14/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 V 71/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 V 14/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 22.04.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob eine Versorgungsrente nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als 40 vH zu gewähren ist.

Der Beklagte stellte bei dem 1929 geborenen Kläger mit Bescheid vom 23.06.1953 mit einer MdE nicht rentenberechtigenden Grades als Schädigungsfolgen im Sinne der Entstehung fest: 1. Ohne Funktionsbehinderung geheilter Schienbeinbruch links (Einzel-MdE 5 vH) 2. Frostbeulen am linken Fuß (Einzel-MdE 15 vH) 3. Kopfschwartennarbe in der rechten Scheitelgegend (Einzel-MdE 0 vH) 4. Narbe nach Zellgewebsentzündung am rechten Unterschenkel (Einzel-MdE 0 vH) 5. Belanglose Narben mit Kohlenstaubeinschlüssen an beiden Händen und Unterarmen (Einzel-MdE 0 vH).

Mit Bescheid vom 21.08.1989 anerkannte der Beklagte auf Grund eines orthopädischen Gutachtens des Prof. Dr.H. vom 03.10.1988 als weitere Schädigungsfolge im Sinne der Entstehung "Totalendoprothese linkes Hüftgelenk wegen degenerativer Hüftgelenksveränderung" (Einzel-MdE 30 vH) und gewährte ab 01.07.1985 Rente nach einer Gesamt-MdE von 40 vH.

Am 20.07.1989/13.10.1989 beantragte der Kläger die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen. Gegen den Ablehnungsbescheid vom 18.12.1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.06.1990 und das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 22.10.1992 legte der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht ein (Az: L 11 V 9/93). In diesem Verfahren verpflichtete sich der Beklagte am 24.04.1996 im Wege eines Vergleichs, auf den Antrag des Klägers vom 20.07.1989 erneut zu prüfen, ob in den anerkannten Schädigungsfolgen "Totalendoprothese linkes Hüftgelenk wegen degenerativer Hüftgelenksveränderung" eine wesentliche Verschlimmerung eingetreten ist und dem Kläger hierüber einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen.

Der Beklagte hörte dazu die Medizinaloberrätin Dr.H. am 18.06.1996. Diese führte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme aus, die Funktionseinschränkung im linken Hüftgelenk sei unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Funktionsangaben zusammen mit den übrigen Gesundheitsstörungen am linken Bein mit einer MdE von 40 vH zutreffend bewertet. Mit Bescheid vom 25.06.1996 lehnte der Beklagte eine Neufeststellung ab, da eine wesentliche Verschlimmerung nicht eingetreten sei. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 06.11.1996).

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Würzburg hat der Kläger beantragt, in der Schädigungsfolge "Totalendoprothese linkes Hüftgelenk wegen degenerativer Hüftgelenksveränderung" eine Verschlimmerung anzuerkennen und eine entsprechend höhere Beschädigtenversorgung zu gewähren. Seit 1988 (Versorgung mit einer Hüftendoprothese links) habe er Schmerzen im Bereich des linken Hüftgelenkes. Wegen dieser Beschwerden sei ständig ein Stock in der linken Hand und ein Schuhausgleich rechts von 1,5 cm erforderlich. Die Restgehstrecke betrage lediglich noch 100 Meter.

Das SG hat Unterlagen der behandelnden Ärzte (Orthopäde Dr.P. vom 10.01.1997, Allgemeinarzt Dr.L. vom 16.04.1998, Chirurg Dr.H. vom 07.07.1999/13.03.2000, Reha-Klinik J. vom 16.01.2002) beigezogen und den Chirurgen Prof. Dr.W. (Gutachten vom 11.01.1999/15.10.1999), den Orthopäden Dr.B. (Gutachten vom 10.05.2000/26.09.2000) und auf Antrag des Klägers den Chirurgen Dr.H. (Gutachten vom 09.02.2001/ 14.05.2001) gutachterlich gehört. Während Prof. Dr.W. wegen einer zunehmenden Verkalkung des linken Hüftgelenkes eine Verschlimmerung der als Schädigungsfolge anerkannten Implantation der linken Hüfte gesehen und die Gesamt-MdE auf 50 vH eingeschätzt hat, haben die Sachverständigen Dr.B. und Dr.H. eine wesentliche Änderung der anerkannten Schädigungsfolgen verneint und die MdE für den Kunstgelenkersatz des Hüftgelenkes mit 30 vH und unter Einbeziehung der festgestellten Erfrierungsfolgen des Fußes (MdE von 15 vH) eine MdE von 40 vH vorgeschlagen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.04.2003 abgewiesen und sich dabei auf die gutachterlichen Äußerungen des Dr.B. und Dr.H. gestützt.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und weiterhin wegen der Schädigungsfolge "Totalendoprothese linkes Hüftgelenk wegen degenerativer Hüftgelenksveränderung" eine höhere Gesamt-MdE als 40 vH begehrt. Der Senat hat von PD Dr.H. ein fachorthopädisches Gutachten vom 18.12.2003 eingeholt. Dieser hat festgestellt, dass weder nach dem funktionellen Kriterium der Beweglichkeit, noch nach dem röntgenologischen Befundverlauf eine Verschlechterung des Befundes, der dem Bescheid vom 21.08.1989 zugrunde lag, eingetreten sei. Die MdE für die anerkannte Schädigungsfolge im Bereich des Hüftgelenkes hat er mit 30 vH angesetzt und unter Einbeziehung der Erfrierungsfolgen des linken Fußes eine Gesamt-MdE von 40 vH vorgeschlagen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 22.04.2003 und den Bescheid des Beklagten vom 25.06.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.11.1996 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, wegen der Schädigungsfolge "Totalendoprothese linkes Hüftgelenk wegen degenerativer Hüftgelenksveränderung" eine höhere Gesamt-MdE als 40 vH festzustellen und entsprechende Versorgungsbezüge zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 22.04.2003 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Ergänzend wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Schwerbehindertenakten, der Akten des Sozialgerichts Würzburg (S 9 V 1106/85, S 11 V 106/90, S 8 V 71/96), der Akte des Bayer. Landessozialgerichts (L 11 V 9/93) und der Gerichtsakte dieses Rechtszuges Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG).

Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 SGG) eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung einer Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolge im Bereich des linken Hüftgelenks. Demzufolge erhöht sich die MdE nicht.

Nach § 48 Abs 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches - Zehntes Buch - (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dann aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche wesentliche Änderung kann sich durch die Verschlimmerung einer bereits anerkannten oder durch das Hinzutreten einer neuen, bisher nicht als Schädigungsfolge anerkannten Gesundheitsstörung ergeben. Stets ist jedoch dann erforderlich, dass die Verschlimmerung oder die weitere Gesundheitsstörung mit Wahrscheinlichkeit auf ein schädigendes Ereignis im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) oder die bereits anerkannte Schädigungsfolge ursächlich zurückzuführen ist (§ 1 Abs 3 Satz 1 BVG). Wahrscheinlich im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl BSGE 60, 58 ff = SozR 3850 § 51 Nr 9; Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht - AHP - 2004 RdNr 38 Abs 1).

Eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolge "Totalendoprothese linkes Hüftgelenk wegen degenerativer Hüftgelenksveränderung" ist nicht feststellbar. Weder nach dem funktionellen Kriterium der Beweglichkeit, noch nach dem röntgenologischen Befundverlauf ist eine Verschlechterung des Befundes, der dem Bescheid des Versorgungsamtes vom 21.08.1989 zugrunde lag, eingetreten. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem schlüssigen Gutachten des PD Dr.H ... Bereits am 30.06.1988 bestand beim Kläger ein ungünstiger Bewegungsumfang. Die Beweglichkeit des linken Hüftgelenkes war gegenüber rechts weitgehend aufgehoben (Streckung/Beugung links 0-20-45 Grad, orthopädisches Gutachten Prof. Dr.H. vom 03.10.1988). Bezüglich dieses Bewegungsumfangs ist es im Vergleich zu 1988 zu einer deutlichen Besserung mit einer Streckung/Beugung zwischen 0/15/90 bis 0/30/90 Grad gekommen. Als weiteres Kriterium für die Beurteilung hat PD Dr.H. auch die röntgenologische Verlaufsbeurteilung herangezogen. Danach zeigen die Beckenübersichtsaufnahmen im Bereich des linken Hüftgelenkes keine Lockerung der eingebrachten Hüfttotalendoprothese.

Der Senat vermag der Auffassung des vom SG gehörten Sachverständigen Prof. Dr.W. , es sei eine Verschlimmerung wegen einer zunehmenden Verkalkung des linken Hüftgelenks eingetreten, nicht zu folgen. PD Dr.H. konnte eine wesentliche Veränderung der anerkannten Schädigungsfolge an der linken Hüfte auch unter Berücksichtigung des röntgenologischen Befundverlaufs nicht feststellen. Prof. Dr.W. hat im Übrigen eine stark zunehmende Verkalkung der gesamten Hüftregion festgestellt. Die degenerativ bedingte zunehmende Verkalkung auch des linken Hüftgelenkes kann daher nicht als eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolge betrachtet werden.

Nach den Feststellungen des PD Dr.H. besteht beim Kläger ein komplexes orthopädisches Krankheitsgeschehen, das mit erheblichen Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und einer Einschränkung der Mobilität einhergeht. Ursächlich hierfür sind aber nicht die anerkannten Schädigungsfolgen, sondern eine generalisierte Verschleißerkrankung der Wirbelsäule, die mit einer Hyperkyphosierung der Brustwirbelsäule einhergeht, so dass der Kläger kaum in der Lage ist, sich vollständig aufzurichten, um geradeaus zu blicken. Der vorliegende Rechtsstreit bezog sich jedoch ausschließlich auf das als Schädigungsfolge anerkannte Hüftleiden links. Da eine Verschlechterung dieses Hüftleidens nicht nachgewiesen ist, war die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG Würzburg zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen aus der Sicht des Senats nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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