L 18 V 1/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 V 8/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 V 1/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.11.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob beim Kläger eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen bzw. weitere Schädigungsfolgen festzustellen sind und ob ihm ab März 1999 eine Beschädigtenversorgung nach einer höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) als 70 vH zu gewähren ist.

Bei dem 1924 geborenen Kläger sind mit Bescheid vom 27.11.1972 als Schädigungsfolgen, hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG), mit einer MdE von 70 vH anerkannt: "Verlust des rechten Unterschenkels, zahlreiche, ohne Funktionsstörung geheilte Splitterverletzungen an beiden Ober- und Unterschenkeln sowie Narbe an der linken Fußinnenseite und stärker verhornte Narben an der Ferse."

Einen Neufeststellungsantrag wegen Phantomschmerzen hatte der Beklagte mit Bescheid vom 17.03.1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.06.1994 mit der Begründung abgelehnt, die mit einer Amputation üblicherweise verbundenen Schmerzen bzw. besonders schmerzhaften Zustände seien bereits berücksichtigt und eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit könne nicht wahrscheinlich gemacht werden. Das anschließende Klageverfahren (S 7 V 54/94) war nach Einholung eines orthopädischen Gutachtens des Dr.H. vom 17.10.1994 erfolglos.

Am 10.03.1999 beantragte der Kläger erneut eine Neufeststellung wegen Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen. Der Beklagte zog Befundberichte der Allgemeinärzte Dr.F. und Dr.S. bei und ließ den Kläger durch die Medizinaloberrätin Dr.H. und den Nervenarzt Dr.B. am 22.06.1999 begutachten. Diese Ärzte vertraten die Auffassung, dass die subjektiv geklagte Verschlechterung sich durch objektive Befunde nicht bestätigen ließe. Die Behinderungen an den Hüftgelenken und an der Lendenwirbelsäule seien schicksalhafte degenerative Leiden, die in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der erlittenen Verwundung und dem Verlust des rechten Unterschenkels stünden. Mit Bescheid vom 26.08.1999 lehnte der Beklagte eine Neufeststellung ab. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger insbesondere eine wesentliche Verschlimmerung seitens des linken Fußes geltend. Durch erhebliche Durchblutungsstörungen sei er in seinem Fortbewegungsvermögen mehr eingeschränkt als früher. Nach Einholung eines Befundberichtes des Allgemeinmediziners Dr.F. wies der Beklagte nach Einholung einer weiteren Stellungnahme der Sozialmedizinerin Dr.H. vom 17.02.2000 mit Bescheid vom 02.03.2000 den Widerspruch zurück: Die von den behandelnden Ärzten mitgeteilten arteriellen Durchblutungsstörungen seien nicht mit Schädigungsfolgen am linken Bein in ursächlichen Zusammenhang zu bringen, so dass sich Ermittlungen dahingehend erübrigten.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben mit dem Antrag, eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen bzw. weitere Schädigungsfolgen festzustellen und ihm ab März 1999 Beschädigtenversorgung nach einer höheren MdE als 70 vH zu gewähren. Das SG hat Unterlagen der behandelnden Ärzte (Orthopäde Dr.F. , Neurochirurg Dr.Z. , Neurologin Dr.M. , Orthopäde Dr.K. , Internist Dr.G. und Allgemeinarzt Dr.L.) beigezogen und ein Gutachten des Orthopäden Dr.B. vom 30.06.2003 eingeholt. Dieser hat Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, der Hüftgelenke, des linken Kniegelenkes, einen erhöhten Blutdruck, eine Schwerhörigkeit sowie die Durchblutungsstörung des linken Beines im Sinne einer Polyneuropathie als von den anerkannten Schädigungsfolgen unabhängige Gesundheitsstörungen bezeichnet. Eine wesentliche Änderung der Schädigungsfolgen hat er verneint.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17.11.2003 abgewiesen und sich auf das Gutachten des Dr.B. gestützt.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und begehrt, die bei ihm bestehenden Durchblutungsstörungen des linken Beines im Sinne einer Polyneuropathie, ein teilkontraktes Sprunggelenk links sowie Verhärtungen und Hautverfärbungen im Bereich der Hände als Schädigungsfolgen anzuerkennen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.11.2003 und den Bescheid vom 26.08.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.03.2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm eine Verschlimmerung der Schädigungsfolgen bzw. weitere Schädigungsfolgen festzustellen und ab März 1999 eine Beschädigtenversorgung nach einer höheren MdE als 70 vH zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 17.11.2003 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Beschädigtenakten, die beigezogenen Akten des Sozialgerichts Würzburg (S 7 V 57/94, S 5 SB 412/00) sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) ist zulässig, aber nicht begründet.

Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§§ 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen. Eine Rente nach einer höheren MdE als 70 vH (einschl. einer besonderen beruflichen Betroffenheit) steht nicht zu.

Nach § 48 Abs 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse im gesundheitlichen Bereich kann sich durch Verbesserung oder Verschlechterung der anerkannten Schädigungsfolgen oder durch das Hinzutreten einer neuen, bisher nicht als Schädigungsfolge anerkannten Gesundheitsstörung ergeben. Stets ist jedoch dann erforderlich, dass die weitere Gesundheitsstörung mit Wahrscheinlichkeit auf ein schädigendes Ereignis im Sinne des BVG oder die bereits anerkannte Schädigungsfolge ursächlich zurückzuführen ist (§ 1 Abs 3 Satz 1 BVG). Wahrscheinlich im Sinne dieser Vorschrift bedeutet, dass mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht. Die bloße Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs genügt nicht.

Ausgehend von diesen Voraussetzungen kann der Senat nicht bejahen, dass in den Verhältnissen, die dem zum Vergleich heranzuziehenden Bescheid vom 27.11.1972 zugrunde gelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. In den anerkannten Schädigungsfolgen lässt sich keine Befundänderung feststellen. Auch die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen am linken Bein und an den Händen sind nicht mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des Orthopäden Dr.B. vom 30.06.2003, dessen in der ersten Instanz erstelltes Gutachten im anhängigen Verfahren berücksichtigt werden kann (BSG SozR Nr 6 zu § 128 SGG).

Die Durchblutungsstörungen des linken Beines im Sinne einer Polyneuropathie sind anlagebedingt und können nicht auf die Schädigungsfolgen zurückgeführt werden. Es gibt keine Hinweise dafür, dass die arteriellen Durchblutungsstörungen am linken Bein mit den reizlosen als Schädigungsfolgen anerkannten Narben im inneren Zusammenhang stehen. Der erhobene Befund stützt den von Dr.B. festgestellten schicksalsmäßigen Verlauf dieser Erkrankung.

Die Anerkennung eines teilkontrakten Sprunggelenks links als Schädigungsfolge kommt ebenfalls nicht in Betracht. Am linken Fuß findet sich im Sprunggelenk keine Funktionsstörung. Im Arztbrief vom 14.08.1996 berichtete der Orthopäde Dr.K. , dass sich im Röntgenbild des linken Sprunggelenkes in den Talus und in die Weichteile kaudal zahlreiche metalldichte Schatten projezierten. Das teilkontrakte Sprunggelenk links stehe möglicherweise in Zusammenhang mit der damaligen Splitterverletzung. Dieser Röntgenbefund hat keine funktionellen Einschränkungen hervorgerufen. Dies ergibt sich bereits aus dem Gutachten des Orthopäden Dr.H. , der am 17.10.1994 für das SG Würzburg (S 7 V 54/94) ein Gutachten erstellt hat. Bei dieser Begutachtung war der Sprunggelenksbereich links ohne ernsthaften krankhaften Befund, insbesondere ohne funktonelle Beeinträchtigung. Die anerkannten Narbenverhältnisse waren unverändert reizlos, auch bezüglich der mäßigen Hornhautbildung an der Ferse. Die herabgesetzten peripheren Fußpulse beruhten auf einer nicht schädigungsbedingten Durchblutungsstörung. Einen Ursachenzusammenhang mit den Schädigungsfolgen verneinte Dr.H. ebenso wie Dr.B ... Bezüglich des linken Fußes hat Dr.B. in Auswertung der von ihm gefertigten Röntgenaufnahme und der Röntgenaufnahme der Dres L./F. vom 25.06.2002 festgestellt, dass die metalldichten Verschattungen in den Weichteilen liegen.

Auch die Verhärtungen und Hautverfärbungen im Bereich der Hände können nicht als Schädigungsfolgen anerkannt werden. Diesbezüglich ist kein schädigendes Ereignis erkennbar bzw. vorgetragen, so dass es bereits am Nachweis anspruchsbegründender Tatsachen im Sinne des § 1 Abs 1 BVG fehlt. Außerdem ergeben sich aus den beigezogenen ärztlichen Unterlagen keine Hinweise für eine dauerhafte Erkrankung in diesem Bereich. Darüberhinaus ist auch nicht vorgetragen, inwieweit ein solcher Befund in Zusammenhang mit den Granatsplitterverletzungen gebracht werden könnte.

Nach alledem beträgt die schädigungsbedingte MdE weiterhin (einschl. einer besonderen beruflichen Betroffenheit) 70 vH.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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