L 11 B 218/05 AS ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 72/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 218/05 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Einkommensbegriff
kein Verlustausgleich im Sozialleistungsrecht
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 25.04.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit Bescheid vom 13.12.2004 bewilligte die Antragsgegnerin (Ag) den Antragstellern (Ast) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum ab dem 01.01.2005. Mit Bescheid vom 15.03.2005 bewilligte sie den Ast fortan Leistungen in Höhe von 790,34 EUR monatlich und mit weiterem Änderungsbescheid vom 11.04.2004 895,42 EUR monatlich für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 und letztlich in Höhe von 874,45 EUR für den Zeitraum vom 01.04.2005 bis 30.06.2005.

Gegen diese drei Bescheide erhoben die Ast Widersprüche, die die Ag mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2005 als unbegründet zurückwies.

Mit ihrem beim Sozialgericht Würzburg (SG) am 12.04.2005 eingegangenen Schreiben beantragten die Ast sinngemäß, die Ag im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihnen für den Zeitraum ab 01.01.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1.022,34 EUR zu bewilligen.

Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, ab dem 01.01.2005 stünden ihnen Leistungen in der geltend gemachten Höhe zu, weil das vom Antragsteller zu 2. (Ast zu 2.) erzielte Einkommen geringer sei, als es die Ag angesetzt habe, die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht in voller Höhe berücksichtigt worden seien und letztlich auch Freibeträge nicht zutreffend angesetzt worden seien.

Die Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.

Die Berechnung der Hilfeleistung sei zutreffend erfolgt.

Mit Beschluss vom 25.04.2005 lehnte das SG den Antrag ab. Bei summarischer Überprüfung habe sich ergeben, dass die Ag den Bedarf der Ast und deren zu berücksichtigendes Einkommen im Bescheid vom 11.04.2005 richtig ermittelt habe. Den Ast stünde somit kein Anordnungsanspruch zur Seite.

Hiergegen wenden sich die Ast mit ihrer beim SG am 06.05.2005 eingegangenen Beschwerde. Sie beantragen sinngemäß, unter Abänderung des Beschlusses des SG vom 25.04.2005 die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Verluste, die der Ast zu 2. aus seiner freiberuflichen Tätigkeit seit 01.01.2005 zu verzeichnen habe, "bei der Berechnung der Bedürftigkeit der Ast im Sinne des SGB II ab dem 01.01.2005" mit einzubeziehen.

Zur Begründung erläutern die Ast, weshalb der Ast zu 2. seit dem 01.01.2005 mit dem Verkauf eines selbst verlegten Buches Verluste erwirtschafte. Diese Verluste seien der Bedarfsberechnung zugrunde zu legen.

Die Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung beruft sie sich auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 04.05.2005.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Mit dieser zulässigen Beschwerde wenden sich die Ast ausschließlich gegen die Entscheidung des Ag, bei der Ermittlung des Einkommens, das der Ast zu 2. durch seine selbstständige Hausmeistertätigkeit erzielt, die Verluste aus dessen freiberuflicher Tätigkeit (Buchveröffentlichung) nicht in Abzug zu bringen. Ausdrücklich anerkennen die Ast die übrigen Entscheidungen des SG im Beschluss vom 25.04.2005, gegen die sie ihre Beschwerde nicht richten.

Die Beschwerde der Ast ist gleichwohl unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, bei der Bedarfsberechnung der Ast die Verluste des Ast zu 2. aus dessen freiberuflicher Tätigkeit als Buchautor in Abzug zu bringen. Die Frage, ob die Ag im vorliegenden Verfahren passiv legitimiert ist oder ob sie den die Leistung ablehnenden Verwaltungsakt im Namen der Leistungsträger gemäß § 6 SGB II erlassen hat, kann deshalb dahinstehen.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl 2005, RdNr 643).

Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass die Ast einen Anordnungsgrund - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und einen Anordnungsanspruch - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den sie ihr Begehren stützen - glaubhaft machen können (§ 86 b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 90 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl dazu Meyer-Ladewig, SGG, 7.Aufl 2002, § 86 b RdNr 40; BVerfGE vom 12.05.2005 Az: 1 BvR 569/05) zeigt sich, das den Ast teilweise kein Anordnungsgrund und im Übrigen kein Anordnungsanspruch zur Seite steht.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens eines Anordnungsgrundes, also der Eilbedürftigkeit der Sache, und des Anordnungsanspruches, ist in jeder Lage des Verfahrens, insbesondere also auch noch im Beschwerdeverfahren, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Soweit die Ast die Ag für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.05.2005 zu höheren Leistungen nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens verpflichtet wissen wollen, steht ihnen kein Anordnungsgrund zur Seite, weil die Sache insoweit nicht (mehr) eilbedürftig ist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung auch im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende, dass vorläufige Regelungen von Leistungsansprüchen, die abgelaufene Zeiträume betreffen, regelmäßig nicht mehr nötig sind, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Den Ast ist es unbenommen, diese Ansprüche in einem Hauptsacheverfahren weiterzuverfolgen.

Soweit die Ast höhere Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab dem 01.06.2005 geltend machen, konnten sie einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen.

Streitig ist insoweit allein die von den Ast aufgeworfene Frage, ob die Ag bei der Bedarfsberechnung nach dem SGB II erwirtschaftete Verluste des Ast zu 2. anzusetzen oder bei den Mitteln der Bedarfsdeckung in Abzug zu bringen hat. Die übrigen Ansätze und Berechnungen werden von den Ast ausdrücklich als zutreffend anerkannt.

Mit ihren Überlegungen zum (steuerrechtlichen) Verlustabzug können die Ast bei der Inanspruchnahme staatlicher Fürsorgeleistungen nicht durchdringen.

Die monatlichen Regelleistungen (§ 20 SGB II) sehen eine solche Berücksichtigung von Verlusten aus freiberuflicher Tätigkeit nicht vor. Die Ast machen auch keine Mehrbedarfe im Sinne des § 21 SGB II und letztlich auch keine einmaligen Bedarfe im Sinne des § 23 Abs 3 SGB II geltend. Nicht Gegenstand dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sind darlehensweise zu erbringende Leistungen (§ 23 Abs 1 SGB II).

Aber auch die Überlegungen der Ast, die Verluste aus freiberuflicher Tätigkeit des Ast zu 2. beim zu berücksichtigenden Einkommen gemäß § 11 SGB II abzuziehen, entbehren einer rechtlichen Grundlage.

Insbesondere greift § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II nicht. Nach dieser Vorschrift sind vom Einkommen die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben abzusetzen. Der Gesetzgeber knüpft mit dem Begriff des Einkommens in § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II aber nicht an den Einkommensbegriff des § 2 Abs 4 Einkommensteuergesetz (EStG) an, sondern an einen eigenständigen Einkommensbegriff des Sozialleistungsrechts. § 11 SGB II unterscheidet sich insoweit nicht von § 194 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), der seinerseits dem früheren § 138 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) entspricht und das zu berücksichtigende Einkommen beim Arbeitslosen regelt. Erklärte Absicht des Gesetzgebers war es bereits bei Erlass des § 138 Abs 2 AFG durch das 5. AFG-ÄndG vom 23.07.1979 (BGBl I S 1189), den Einkommensbegriff im Sozialleistungsrecht von dem steuerrechtlichen Einkommensbegriff zu lösen, um vor allem den steuerrechtlich anerkannten Verlustausgleich auszuschließen (BSG SozR 4100 § 138 Nrn 15 und 26 unter Hinweis auf das 5.AFG-ÄndG und auf BT-Drs 8/2624 S 30). Das entspreche einem aus den ausdrücklichen Verboten des Verlustausgleichs im Sozialhilfe-, Wohngeld-, Ausbildungsförderungs-, Kriegsopfer-, Kindergeld- und Erziehungsgeldrecht herzuleitenden allgemeinen Grundsatz des Sozialleistungsrechts (BSG SozR 3-4100 § 138 Nr 7; vgl zu alledem Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Calluwe, SGB III, 2.Aufl 2004, § 194 RdNr 47). Bei der Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens nach § 11 Abs 2 Nr 5 SGB II sind deshalb die notwendigen Ausgaben für jede festgestellte Einkommensart gesondert und für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft getrennt vorzunehmen.

Nach alledem ist die Entscheidung des SG, soweit die Ast sie angegriffen haben, nicht zu beanstanden. Bei dieser Sachlage kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht, so dass die Beschwerde unbegründet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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