L 11 B 284/05 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 SO 159/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 284/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Hilfe zur Pflege
vollzeitige Bereitschaftspflege
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 24.05.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der Antragsteller (Ast) erhielt von der Antragsgegnerin (Ag) in der Zeit vom 01.02.1986 bis zum 31.12.2004 u.a. Hilfe zur Pflege nach den früheren §§ 68 ff Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Seit dem 01.01.2005 erhält er ausweislich des Bescheides der Ag vom 28.01.2005 Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 53 ff SGB XII sowie Hilfe zur Pflege gemäß § 65 SGB XII.

Am 21.04.2005 beantragte er beim Sozialgericht München (SG) sinngemäß, die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, über die bisher gewährten Leistungen nach dem SGB XII hinaus die Übernahme der Kosten für zusätzliche Helferstunden zu übernehmen, darunter auch für einen "Assistenten" oder eine "Assistentin", die dauernd bei ihm in der Wohnung lebt.

Zur Begründung verwies er auf die dem SG vorliegenden ärztlichen Unterlagen. Er habe weder Familie noch Angehörige und bedürfe u.a. wegen der besonderen Gefahrenlagen der ständigen Pflege.

Die Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.

Die bislang gewährten Leistungen deckten den ärztlicherseits festgestellten Bedarf des Ast hinreichend ab, was sich insbesondere auch aus dem ärztlichen Ergänzungsgutachten des Gesundheitsamtes vom 30.03.2005 ergebe.

Das SG lehnte mit Beschluss vom 24.05.2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Der Ast habe nicht glaubhaft gemacht, dass die von ihm begehrte, über den bewilligten Umfang der Hilfe nach § 65 Abs 1 SGB XII hinausgehende Bereitschaftspflege notwendig sei.

Hiergegen wendet sich der Ast mit seiner beim Bayer. Landessozialgericht am 14.06.2005 eingegangenen Beschwerde. Das SG habe einige wichtige Punkte nicht berücksichtigt. Seit dem Eintritt seiner Querschnittslähmung 1983 bis zu seiner Heirat im Juli 2004 sei er rund um die Uhr mit einer Assistentin versorgt gewesen. Zudem könne sein Arzt, der ihn seit 20 Jahren betreue, nicht unglaubwürdig sein. Er bitte deshalb um eine neutrale Begutachtung, die seine gesamten Lebensumstände einbeziehe. Bis zur endgültigen Sachentscheidung müsse sichergestellt sein, dass sich eine Pflegeperson unentgeltlich in seiner Wohnung aufhalten könne.

Einen ausdrücklichen Beschwerdeantrag stellt er nicht.

Die Ag tritt der Beschwerde entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässg (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), eines ausdrücklichen Beschwerdeantrags bedarf es nicht. Das SG hat ihr nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Dem Ast geht es im Beschwerdeverfahren ausweislich seiner Beschwerdebegründung letztlich nur noch um die Frage, ob die Ag die Kosten für einen Pfleger oder eine Pflegerin zu übernehmen hat, die "in seiner Wohnung dauernd bei ihm leben" kann oder, anders formuliert, "rund um die Uhr" anwesend ist.

Die so verstandene Beschwerde des Ast ist unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, die Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zur Bewilligung solcher, über die bisher gewährte Hilfe hinausgehenden Leistungen nach dem SGB XII zu verpflichten.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl 2005, RdNr 643).

Eine solche Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Ast Angaben zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und zum Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86 b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung - ZPO -; siehe auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8.Aufl 2005, § 86 b RdNr 41).

Bei der hier erforderlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vergleiche dazu im Einzelnen BVerfG vom 12.05.2005 Az: 1 BvR 569/05) zeigt sich, dass dem Ast der geltend gemachte Anordnungsanspruch nicht zur Seite steht.

Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe im hier angefochtenen Beschluss des SG vom 24.05.2005 (§ 142 Abs 2 Satz 3 SGG), denen er folgt.

Im Hinblick auf die Beschwerdebegründung des Ast ist hierzu lediglich ergänzend noch auszuführen:

Die vom Ast begehrte vollzeitige Bereitschaftspflege setzt die Notwendigkeit von Tages- und Nachtwachen bei nicht planbarem Pflegebedarf oder aber die Notwendigkeit der Beaufsichtigung zur Verhinderung von Selbst- oder Fremdgefährdung voraus. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Die Einlassung des Ast, von 1983 bis im Juli 2004 sei rund um die Uhr immer ein Assistent bzw. eine Assistentin zu seiner Pflege in der Wohnung anwesend gewesen, ist im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unbehelflich. Maßgebend ist hier allein, welchen Pflegebedarf der Ast gegenwärtig hat, oder aber zumindest glaubhaft gemacht hat.

Die weitere Frage, die der Ast in seiner Beschwerdebegründung vom 13.06.2005 anführt, ob sein Arzt, der ihn seit 20 Jahren betreue, wohl unglaubwürdiger sei als der Gutachter des Gesundheitsamtes, ist ebenfalls nicht zielführend. Der behandelnde Internist Dr.H.f stellt zur Versorgungssituation des Ast in seinem Attest vom 10.03.2005 zusammenfassend fest, dass der Ast weiterhin auch nachts auf fremde Hilfe angewiesen bleibe. Das verlangt aber, wie das SG zutreffend entschieden hat, keine dauernde Anwesenheit einer Pflege-/Betreuungskraft in der Wohnung des Ast, was dieser mit seinem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erstreiten will. Das SG stützt sich rechtsfehlerfrei auf das Gutachten zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern vom 09.02.2001 und insbesondere auf das ärztliche Ergänzungsgutachten des Facharztes für Innere Medizin und Öffentliches Gesundheitswesen, Umweltmedizin, Dr.Sch. vom 30.03.2005. Vor dem Hintergrund der bestehenden Pflegebedürftigkeit des Ast und seiner bereits erfolgten Einstufung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Bayern in Pflegestufe 3 kommt das Ergänzungsgutachten zu dem Ergebnis, dass eine dauernde Anwesenheit einer Pflege-/Betreuungskraft in der Wohnung nicht erforderlich sei und der Ast aus medizinischer Sicht grundsätzlich außerhalb der aktiven Pflegezeiten allein gelassen werden könne. Eine Pflegebereitschaft sei nicht erforderlich, da die oberen Extremitäten voll gebrauchsfähig seien und der Ast deshalb nicht völlig hilflos sei. Er könne seine Lage durchaus ausreichend beeinflussen und auch in Notsituationen jederzeit abgestufte Hilfen herbeirufen, z.B. Pflegepersonen oder den Haus- und Notarzt mit dem Telefon.

Diese fachärztlichen Feststellungen hat der Ast im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes schon nicht substantiiert angegriffen. Aus Sicht des Senats ergibt sich mithin aktuell kein darüber hinausgehender Klärungsbedarf.

Ohne dass es entscheidungserheblich wäre, weist der Senat ergänzend darauf hin, dass auch andere Stellungnahmen, auf die der Ast abstellt, eine Anwesenheit von Pflegepersonen rund um die Uhr in der Wohnung des Ast nicht für unabdingbar halten. So befürwortete der ASD zwar wiederholt die Anwesenheit von Pflegepersonen rund um die Uhr in der Wohnung des Ast, hielt aber auch eine telefonische Rufbereitschaft für ausreichend, wobei die Kostenübernahme ausdrücklich unter dem Vorbehalt gesetzlicher Regelungen gestellt wurde.

Nach alledem führt auch die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durchzuführende Güter- und Folgenabwägung (vgl. dazu BVerfG vom 12.05.2005 aaO) zu keinem anderen Ergebnis. Es besteht auf Grund des ärztlichen Ergänzungsgutachtens vom 30.03.2005 kein Anhaltspunkt dafür, dass der Bedarf des Ast an Hilfe durch die von der Ag bereits bewilligten Leistungen nicht gedeckt sein könnte. Der Senat sieht mithin die Grundversorgung des Ast als gewährleistet an. Dem Ast ist es deshalb zumutbar, sein Begehren gegebenenfalls in einem Hauptsacheverfahren weiter zu verfolgen.

Die Beschwerde hat nach alledem keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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