L 4 KR 119/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 112/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 119/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18. April 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Beitragsbemessung in der Krankenversicherung der Landwirte (KVdL) auf der Grundlage der Einkommenssteuerbescheide des Klägers.

Der 1941 geborene Kläger wurde erstmals am 01.10.1972 in das Mitgliederverzeichnis der Beklagten aufgenommen. In der Folgezeit kam es zu mehreren Flächenänderungen sowie Beendigungen und Wiederaufnahmen der Mitgliedschaft bei der Beklagten aufgrund zwischenzeitlicher Versicherungen als Arbeitnehmer bei der damaligen AOK W ... Der Kläger unterliegt seit 01.09.1984 wieder der Versicherungs- und Beitragspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer. Im November 1984 wurde eine Betriebszusammenlegung, mit Wirkung ab 01.10.2000 eine Pachtrücknahme durchgeführt.

Die Beklagte ging mit dem bindend gewordenen Bescheid vom 13.10.2000 von einem gesamten Flächenwert von 62.776,00 DM aus, wobei sie für die Forstwirtschaft 24,45 ha, Landwirtschaft 73,53 ha und sonstige Fläche 0,03 ha berücksichtigte. Sie ordnete den Kläger bei der Beitragsberechnung für die Krankenversicherung und Familienversicherung, der bisher in die Beitragsklasse 14 eingestuft war, ab 01.10.2000 der Beitragsklasse 15 (landwirtschaftliche Unternehmen mit einem Flächenwert von 60.001,00 DM bis 70.001,00 DM) zu. Damit erhöhte sich der monatliche Beitrag für die Krankenversicherung von 567,00 DM auf 587,00 DM und für die Pflegeversicherung von 71,74 DM auf 73,96 DM.

Nach den früheren Angaben der Beklagten bewirtschaftete der Kläger in der Folge ein landwirtschaftliches Unternehmen mit 75,01 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, 27,85 ha Forst und 0,03 ha sonstige Flächen. Der monatliche Beitrag zur Krankenversicherung beträgt danach 303,00 EUR und zur Pflegeversicherung 38,18 EUR. (Die Flächen des Klägers haben nach Auskunft der Beklagten in der mündlichen Verhandlung mittlerweile zugenommen).

Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 02.02.2001 die Festsetzung der Beiträge auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides des Finanzamtes W. vom 18.10.2000 für das Jahr 1998; in diesem Bescheid wurde ein zu versteuerndes Einkommen von 6.750,00 DM (brutto ca. 33.000,00 DM) festgestellt.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 07.02.2001 diesen Antrag ab. Die Bemessungsgrundlage sei in § 36 der Kassensatzung verankert und entspreche den derzeit gültigen gesetzlichen Bestimmungen. Die vom Kläger beantragte Bemessung nach dem jeweils gültigen Steuerbescheid sei als Gesetzesvorhaben aufgegeben worden.

Hiergegen legte der Kläger am 07.03.2001 Widerspruch ein. In der landwirtschaftlichen Krankenversicherung werde seit jeher die Beitragsbemessung ohne Rücksicht auf die Art der Bewirtschaftung allein nach dem Flächenwert vorgenommen; dies bedeute eine Benachteiligung und Diskriminierung der flächenstarken, aber viehschwachen bzw. viehlosen Betriebe gegenüber den flächenärmeren, aber viehstarken und einkommensstarken Massentierhaltungsbetrieben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.04.2001 wies die Beklagte den Widerspruch unter Bezugnahme auf ihre Satzung zurück. Danach sei der Flächenwert des jeweiligen landwirtschaftlichen Unternehmens die Beitragsbemessungsgrundlage für landwirtschaftliche Unternehmer. Laut den vorliegenden Flächenunterlagen bei der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft-Katasterabteilung betrage der maßgebende Flächenwert ab 01.01.2001 63.990,00 DM. Die Flächenfeststellung der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sei für die Beklagte verbindlich. Mit einem Flächenwert von 63.990,00 DM erfolge die Einstufung in die Beitragsklasse 15 mit einem Krankenversicherungsbeitrag von 592,00 DM monatlich und einen Pflegeversicherungsbeitrag von 74,59 DM monatlich.

Der Kläger hat dagegen am 18.05.2001 beim Sozialgericht Regensburg (SG) Klage erhoben. Die Beklagte habe die Bemessung der Beiträge nach den tatsächlichen Einkommen, wie sie sich aus den Einkommenbescheiden ergeben, durchzuführen und für die unter der Einkommensteuergrenze liegenden Betriebe einen Mindestbeitragssatz einzuführen, nach dem die Betriebe zur Krankenversicherung zu veranlagen sind.

Das SG hat mit Urteil vom 18.04.2002 die Klage abgewiesen. Nach der Satzung der Beklagten sei für die Zuordnung zu den Beitragsklassen unter anderem bei Unternehmen der Landwirtschaft und Forstwirtschaft vom Flächenwert auszugehen. Die vom Kläger beanstandete Verwendung des Flächenwertmaßstabes verstoße nicht gegen höherrangiges Recht, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung mehrmals entschieden habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 08.07.2002, mit der er, wie bisher, die Beitragsbemessung nach dem tatsächlichen Einkommen auf der Grundlage der Steuerbescheide geltend macht.

Mit Schreiben vom 20.02.2003 hat der Kläger noch angegeben, er habe nach dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000 einen Verlust von 19.090,00 DM, während er an die Krankenkasse 4.466,04 EUR Beiträge zahle. Wäre er bei der AOK Bayern versichert, hätte er z.B. im Jahr 1999 bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 6.193,00 DM und einem Beitragssatz von 14,9 % lediglich 992,75 DM jährlich bzw. den Mindestbeitrag von 2.829,96 DM jährlich gezahlt.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24.03.2003 darauf hingewiesen, im Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Organisationsreform der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, das zum 01.08.2001 in Kraft getreten ist, habe, wie zuvor im Gesetzgebungsverfahren zum Agrarsozialreformgesetz 1995, Einigkeit bestanden, dass das geschlossene Sondersystem der Krankenversicherung der Landwirte erhalten bleiben müsse. Der Kläger vernachlässige mit seiner Beispielsrechnung die Unterscheidung zwischen Netto- und Bruttoprinzip. Soweit man überhaupt einen Beitragsvergleich zwischen der Beklagten und der AOK Bayern vornehmen könne, wäre aus Sicht der Beklagten mangels anderer Anhaltspunkte der jetzige Flächenwert in Einkommen umzurechnen. Pauschal gesehen entspreche der Flächenwert in etwa dem Wirtschaftswert. Für die Umrechnung des Flächenwerts in Einkommen könnte man den korrigierten Wirtschaftswert, errechnet anhand der Beziehungswerte der AELV 2003, heranziehen. Bei der hier gegebenen Betriebsgröße von 80 ha und einem Hektarwert von 1.000,00 DM, ergebe sich ein Flächenwert von 80.000,00 DM und die Zuordnung zu der Beitragsklasse 16 mit einem Monatsbeitrag für das Jahr 2003 von 332,00 EUR. Bei einer Umrechnung betrage das Einkommen 35.888,00 EUR jährlich, woraus sich bei der AOK Bayern ein monatlicher Beitrag von 445,61 EUR für das Jahr 2003 ergebe. Auch wenn es sich hierbei nur um einen groben Vergleich handle, sei ein finanzieller Vorteil für den Kläger nicht ersichtlich.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 18.04.2002 sowie des Bescheides der Beklagten vom 07.02.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.04.2001 zu verurteilen, ab 30.01.2001 die Beitragsberechnung zur Landwirtschaftlichen Krankenversicherung auf der Grundlage des jeweils aktuellen Einkommensteuerbescheides durchzuführen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung bedarf, ist zulässig (§§ 143, 144 Abs.1 Satz 2, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist unbegründet; das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, nach der gegenwärtigen Rechtslage für die Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung das durch Einkommensteuerbescheide nachgewiesene Netto-Einkommen als Berechnungsgrundlage heranzuziehen.

Nach § 37 Abs.1 des 2. Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) werden die Mittel für Landwirtschaftliche Krankenversicherung durch Beiträge, durch Zuschüsse des Bundes und durch sonstige Einnahmen aufgebracht. § 40 Abs.1 KVLG 1989 sieht vor, dass die Beiträge nach Beitragsklassen festgesetzt werden. Die Satzung bestimmt die Beitragsklassen für die versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmer nach dem Wirtschaftswert, dem Arbeitsbedarf oder einem anderen angemessenen Maßstab. Die Satzung muss 20 Beitragsklassen vorsehen. In diesem Zusammenhang sieht § 36 der Satzung der Beklagten (Stand 01.01.2001) i.V.m. § 40 Abs.5 KVLG 1989 Folgendes vor: (1) Für die Zuordnung zu den in § 36 der Satzung festgesetzten Beitragsklassen ist bei Unternehmen der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, des Gartenbaus, des Weinbaus, der Teichwirtschaft und Fischzucht, der Seen-, Fluss- und Bachfischerei, der Imkerei und Schafhaltung vom Flächenwert auszugehen. Für die Ermittlung des Flächenwertes gelten die Bestimmungen der Satzung der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Niederbayern/Oberpfalz in der jeweils geltenden Fassung. § 45 der Satzung der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Niederbayern/Oberpfalz (Stand: 01.01.2001) regelte die Errechnung des Flächenwertes.

Im Jahr 2002 galt nach § 36 der Satzung der Beklagten gleichfalls der Flächenwert als Beitragsmaßstab und die Vorschrift verwies auch hier auf die Satzung der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Niederbayern/Oberpfalz. Im Anschluss an die Fusion der Beklagten mit der Landwirtschaftlichen Krankenkasse Schwaben regelte § 43 der Satzung der Beklagten für das Jahr 2003 in § 43 die Berechnungsgrundlagen; für den Zuständigkeitsbereich der ehemaligen LKK Niederbayern/ Oberpfalz ordnete die Vorschrift für die Beitragsberechnung die Fortgeltung der §§ 35 bis 44 dieser Kasse in der bis zum 31.12. 2002 geltenden Fassung an. In Anhang 2 zu § 43 der Satzung der Beklagten (fortgeltende beitragsrechtliche Satzungsbestimmungen der ehemaligen Landwirtschafltichen Krankenkasse Niederbayern/ Oberpfalz) war in § 36 als Beitragsmaßstab wieder der Flächenwert vorgesehen. Seit 01.01.2004 sieht die Satzung der Beklagten in § 43 als Beitragsmaßstab den so genannten modifizierten Flächenwert vor, dessen Ermittlung sich aus §§ 44 ff. ergibt.

Damit sind die grundsätzliche Heranziehung des Flächenwerts bei der Beitragsberechnung und die Ablehnung des jeweiligen Nettoeinkommens des Klägers als Beitragsmaßstab rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers, der im Übrigen bei dem Zahlenvergleich die Beitragsbemessung in der allgemeinen Krankenversicherung nach dem Bruttoprinzip außer Acht lässt, liegt hierin kein Verstoß gegen höherrangiges Recht. Die Satzungsvorschrift hält sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigungsbestimmung des § 40 Abs.1 und 5 KVLG 1989 und verstößt auch nicht gegen Verfassungsrecht. Der Senat schließt sich, gleichfalls wie das SG, der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) an, wonach es rechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn die Satzung einer Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft für die Beitragsbemessung den Flächenwert als Beitragsmaßstab zugrunde legt (Urteil vom 20.02.2001, Die Beiträge, Beilage 2001, 166). Insbesondere hat das BSG hier ausgeführt, dass die Verwendung des Flächenwertmaßstabes weder gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch gegen die Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art.2 Abs.1 Grundgesetz - GG -) oder den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art.3 Abs.1 GG) verstößt. Hinsichtlich des zuletzt genannten Grundrechts hat das BSG bei vorliegender Konstellation bereits in früheren Entscheidungen einen Verfassungsverstoß verneint (BSGE 54, 243, 247; BSGE 68, 123, 124; Urteil vom 23.09.1997 - 2 RU 21/96 - HVBG - Info 1997, 3097). Insbesondere gilt insoweit, dass dieselbe Beitragshöhe für gleichgroße Betriebe im jeweiligen örtlichen Bereich bei unterschiedlicher Wirtschaftsweise und unterschiedlichem Personaleinsatz sowie die höhere Beitragspflicht großer im Verhältnis zu kleinen Unternehmen eine Folge der in diesem Rahmen zulässigen typisierenden Regelung ist.

Auch unter Berücksichtigung des aus dem Rechtsstaatsprinzip (§ 20 Abs.3 GG) abgeleiteten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist der Flächenwertmaßstab als Maßstab für die Beitragsveranlagung grundsätzlich geeignet und erforderlich; er verstößt auch nicht gegen die Zumutbarkeit für die Adressaten der Regelung, zumal die zahlreichen Zuschüsse, Subventionen und sonstigen Vergünstigungen des Bundes und der Europäischen Gemeinschaft mit steigender Betriebsgröße wachsen und so zu einer Entlastung führen. Die durch Art.2 Abs.1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit wird durch die Auferlegung von Geldleistungen dann nicht verletzt, wenn den Betroffenen ein angemessener wirtschaftlicher Entfaltungsspielraum verbleibt. Die Satzung verstößt auch nicht deswegen gegen Art.3 Abs.1 GG oder das verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprinzip, weil sie keine Härteklausel enthält. Aufgrund des Erfordernisses einer notwendig typisierenden Regelung sind gewisse Grenzen hinzunehmen, ohne dass eine Verletzung des Gleichheitssatzes anzunehmen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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