L 2 U 168/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 U 207/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 168/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 284/05 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 7. April 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1954 geborene Klägerin wurde am 21.07.1998 von einem mit Glas beladenen Wagen, der umstürzte, getroffen.

Der Durchgangsarzt, der Chirurg Dr.P. , diagnostizierte am gleichen Tag u.a. eine Schädelprellung, Schnittwunden am Kinn und Ohr, HWS-Kontusion, Thoraxprellung mit Fraktur einer Rippe und Clavikulafraktur, Beckenringfraktur beidseits, axiale Kreuzbeinfraktur, Quetschung des linken Armes mit Ulnaschaftfraktur. Bei Entlassung nach stationärer Behandlung vom 21.07. bis 11.09.1998 war die Klägerin fast beschwerdefrei. Nach Heilbehandlung im orthopädischen Rehabilitationszentrum R. vom 22.09. bis 27.10.1998 berichtete Chefarzt Dr.D. , mit Arbeitsfähigkeit sei gegen Ende November 1998 zu rechnen. Bei klinisch deutlich gebessertem Allgemeinzustand habe die Klägerin lediglich über Schmerzen im LWS-Bereich berichtet.

Der Chirurg Dr.H. erklärte in den Berichten vom 28.10., 27.11. und 15.12.1998, die Klägerin klage noch über Schmerzen an beiden Schlüsselbeinen. Ein Arbeitsversuch mit 2,5 Stunden pro Tag sei wegen Schmerzen abgebrochen worden.

Bei Dr.P. gab die Klägerin am 27.11.1998 Bewegungsschmerzen, vor allem unter vermehrter Belastung, in beiden Schultergelenken an. Bei längerem Sitzen, Stehen sowie Treppensteigen träten Schmerzen im Beckenbereich auf. Die Beweglichkeit im linken Schultergelenk sei endgradig eingeschränkt, die Beweglichkeit in den Hüftgelenken, den Ellenbogen und Handgelenken frei, ebenso die Handfunktion. Die Röntgenbilder zeigten alle Frakturen in Konsolidierung begriffen.

Im plastisch-chirurgischen Gutachten führte Dr.S. am 15.02.1999 und 23.02.1999 aus, als Unfallfolgen seien noch kaum erkennbar verheilte Narben am Ohr und Kinn sowie eine knöchern in guter Stellung verheilte Orbitadachfraktur festzustellen. Die MdE auf plastisch-chirurgischem Gebiet werde mit 0 v.H. eingeschätzt.

Der Internist Dr.L. kam im Gutachten vom 15.02.1999 zu dem Ergebnis, auf internistischem Fachgebiet seien keine Unfallfolgen gegeben.

Am 17.03.1999 schätzte Dr.H. die MdE mit 40 v.H. ein. Nach stationärer Behandlung der Klägerin vom 26.05. bis 16.06.1999 berichtete Prof.Dr.B. über die Verplattung beider Clavikulae am 01.06.1999. Der postoperative Heilverlauf sei unauffällig gewesen. Aufgrund der geklagten Kopfschmerzen habe sich der Verdacht auf eine Trigeminusneuralgie ergeben, die symptomatisch behandelt worden sei. Eine neurologische Untersuchung habe keine neurologischen Ausfälle ergeben. Die Klägerin berichtete dem Neurologen Dr.B. u.a. über sehr starke migräneartige Kopfschmerzen. Dr.H. hielt ab 06.12.1999 Arbeitsfähigkeit für gegeben. Am 21.12.1999 erklärte er, die Klägerin sei aufgrund erheblicher Schmerzen im Schulterbereich wieder arbeitsunfähig.

Nach Untersuchung der Klägerin am 17.01.2000 erklärte der Neurologe Dr.B. , es bestehe eine zunehmend depressive Stimmungslage mit Lustlosigkeit und Antriebsminderung ohne formale oder inhaltliche Denkstörungen, ohne Anhalt für akute Suizidalität, weiterhin ein ausgeprägtes Beschwerdebild mit Schmerzen ohne wesentliche neurologische Ausfälle; die elektrophysiologischen Messungen ergäben im Wesentlichen Normalbefunde. Es finde sich aber eine psychische Überlagerung bei depressiver Verstimmung. Dr.B. untersuchte die Klägerin erneut am 25.05.2000; unverändert klage sie über Ischialgiebeschwerden sowie wechselnd ausgeprägte Schmerzen und Taubheitsgefühle beider Arme und andauernde dumpf drückende Kopfschmerzen. Dr.B. stellte eine subdepressive Stimmungslage mit Antriebsminderung fest.

Vom 21.03. bis 18.04.2000 befand sich die Klägerin in der Klinik S ... Chefarzt Dr.B. erklärte, sie werde in leicht gebessertem Zustand entlassen.

Im Gutachten vom 16.06.2000 kamen Prof.Dr.B. und Prof. Dr.H. zusammenfassend zu dem Ergebnis, aufgrund des objektiven Untersuchungsbefundes sei Arbeitsfähigkeit gegeben. Die MdE sei mit 30 v.H. einzuschätzen.

Die Diplom-Psychologin N. äußerte im Bericht vom 13.07.2000, bei chronischen Schmerzzuständen und körperlicher Einschränkung sei es zu zunehmender depressiver Verstimmung gekommen.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. führte im Gutachten vom 02.08.2000 aus, trotz der schweren Verletzungen zeigten sich keine neurologischen Ausfälle. Ein Zusammenhang der psychischen Beschwerden mit dem Unfallereignis sei nicht wahrscheinlich. Erstmals im Januar 2000 habe Dr.B. psychiatrische Befunde, die auf eine Depression hinweisen könnten, erhoben. Brückensymptome lägen nicht vor. Im Übrigen habe Dr.B. von einer psychischen Überlagerung der angegebenen Schmerzen gesprochen. Zwar könne ein schwerer Unfall zu psychoreaktiven Störungen führen. Gegen einen Zusammenhang mit dem Unfall und seinen Folgen spräche aber, dass die chirurgischen Verletzungen im Januar 2000 recht gut ausgeheilt gewesen seien und das Phänomen, das es zu einer zunehmenden Ausweitung der Beschwerdesymptome gekommen sei. Das Krankheitsbild habe offensichtlich eine Alibifunktion übernommen und führe zur Entpflichtung von der Arbeit mit Aussicht auf eine finanzielle Entschädigung. Das depressive Syndrom stelle keine Unfallfolge dar, weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung.

Dr.B. wies im Schreiben vom 21.10.2000 darauf hin, dass die Klägerin vor dem Unfall nie in neurologischer oder psychiatrischer Behandlung gewesen sei.

Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 18.12.2000 Rente nach einer MdE von 30 v.H. Als Folge des Unfalls wurden anerkannt: Einschränkung der Beweglichkeit an beiden Schulterhauptgelenken bei knöchern fest verheilten Schlüsselbeinbrüchen beidseits nach Falschgelenkbildung und noch liegendem Plattenmaterial, Hautmuskelnarbe am linken Unterarm nach knöchern fest verheiltem Ellenbruch ohne wesentlicher Verformung, fest verheilter Beckenringbruch beidseits, Spongiosaentnahmedefekt am rechten Beckenkamm mit oberflächlicher Sensibilitätsstörung an der Außenseite des rechten Oberschenkels, ausgeheilter Kreuzbeinbruch links mit posttraumatischer Arthrose. Als Unfallfolgen wurden nicht anerkannt: Depressives Syndrom, Senk-Spreizfuß beidseits.

Die Klägerin erhob gegen den Bescheid vom 18.12.2000 Widerspruch, zu dessen Begründung sie ausführte, im Vordergrund stehe ein chronisch-depressives Syndrom, außerdem bestünden chronische Schmerzen und Sensibilitätsstörungen beider Arme. Dr.H. attestierte am 15.01.2001 eine in der Intensität wechselnde Armplexusirritation mit Schmerzen und Taubheitsgefühl, eine radikuläre linksbetonte Symptomatik nach Sacrumfraktur, außerdem eine von der Klägerin angegebene Dyspareunie nach Beckenringfraktur bei gynäkologisch unauffälligem Befund.

Der Neurologe Prof.Dr.T. kam im Gutachten vom 06.04.2001 und der ergänzenden Stellungnahme vom 13.06.2001 zusammenfassend zu dem Ergebnis, in der Beschwerdeschilderung stehe ein Schmerzsyndrom im Vordergrund. Ferner werde ein depressives Syndrom geschildert. Eine definierbare neurologische Unfallfolge lasse sich nicht objektivieren. Die erstmals etwa 1 1/2 Jahre nach dem Unfall beschriebene Depression könne nicht als Unfallfolge angesehen werden.

Der Chirurg Dr.P. erklärte im Gutachten vom 12.04.2002, die Schultergelenksbeweglichkeit sei beidseits eingeschränkt, es bestehe eine aktive Streckhemmung des Daumenendgelenkes rechts und eine Einschränkung der Überstreckung des linken vierten Fingers. Die MdE sei weiterhin mit 30 v.H. zu bewerten.

Mit Bescheid vom 25.04.2001 stellte die Beklagte die durch Bescheid vom 18.12.2000 vom 22.03.1999 an gewährte vorläufige Entschädigung von 30 v.H. als Rente auf unbestimmte Zeit fest. Dieser Bescheid gelte gemäß § 86 Abs.1 SGG als mitangefochten.

Den Widerspruch der Klägerin vom 08.01.2001 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2001 zurück.

Die Klägerin übersandte ein Attest des Psychiaters Dr.G. vom Bezirksklinikum G. vom 20.07.2001, in dem eine ausgeprägte posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde, außerdem ein Attest der Anästhesistin Dr.P. vom 04.07.2001, in dem ausgeführt wurde, es bestehe der Verdacht auf eine reaktive depressive Störung seit dem Unfall vom 21.07.1998. Außerdem leide die Klägerin unter einem chronischen Schmerzsyndrom vom Chronifizierungsgrad III.

Zur Begründung der Klage hat die Klägerin auf das Attest des Dr.G. vom 20.07.2001 sowie auf weitere Atteste der Diplom-Psychologin N. , des Dr.H. und des Dr.B. hingewiesen. Die Diplom-Psychologin N. hat in der Stellungnahme vom 25.08.2001 ausgeführt, auf das traumatische Ereignis sei eine Reihe von Krankenhausaufenthalten, Reha-Maßnahmen und ambulanter Behandlungen gefolgt. Die Klägerin habe zunächst versucht, durch aktive Mitarbeit mit dem Trauma fertig zu werden. Die nicht vermeidbare Konfrontation mit der Realität habe zunehmend zu einem Abbau des Selbstwertgefühls mit Selbstdegradierung und Schuldgefühlen geführt. Es hätten sich depressive Symptome entwickelt. Dr.H. hat im Attest vom 17.08.2001 angegeben, neurologischerseits sei kein Defizit feststellbar. Mit einer zeitlichen Verzögerung von über einem Jahr sei nach dem Unfall eine Depression aufgetreten. Dr.B. hat im Attest vom 16.08.2001 erklärt, es sei eine andauernde antidepressive Therapie notwendig; die psychische Erkrankung sei im Wesentlichen auf den Unfall zurückzuführen.

Dr.G. äußerte in der Stellungnahme vom 20.12.2001, wegen der eingetretenen Chronifizierung sei die Klägerin nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es liege eine posttraumatische Belastungsstörung vor.

Nach Beiziehung von Befundberichten von Dr.B. , Dr.H. , Dr.P. , der Diplom-Psychologin N. sowie des Dr.G. hat das Sozialgericht die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. zur ärztlichen Sachverständigen ernannt. Im Gutachten vom 08.10.2002 hat Dr.K. zusammenfassend ausgeführt, somatisch-neurologische Unfallfolgen lägen nicht vor. Auch in zeitlichem Zusammenhang zum Unfallgeschehen sei zu keinem Zeitpunkt über neurologische Komplikationen berichtet worden. Hinsichtlich der depressiven Symptomatik sei ein Unfallzusammenhang nicht nachvollziehbar. Der Unfall sei zwar als durchaus schwer zu bezeichnen, aber es habe durch die Behandlungen ein gutes Ergebnis erreicht werden können. Insofern fehle eine organisch begründbare Basis für das Auftreten einer reaktiven Depression. Der lange Verlauf der depressiven Erkrankung trotz guter Behandlung der Unfallfolgen, das verzögerte Auftreten, die zunehmende Ausdehnung der Beschwerden, die sich auch durch die hoch dosierte medikamentöse Behandlung zeige, sprächen für unfallunabhängige psychische Mechanismen, die die Depression ausgelöst hätten. Die Depression sei somit keine psychoreaktive Folge des Unfallgeschehens. Es lägen auch keine Zeichen einer posttraumatischen Belastungsstörung vor. Schon der zeitliche Bezug zum Unfall fehle. Auch vom Inhalt der depressiven Beschwerden könne eine posttraumatische Belastungsstörung nicht nachvollzogen werden.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 07.04. 2003 abgewiesen. Das Gericht folge im Ergebnis den Ausführungen der Sachverständigen Dr.K ...

Der auf Antrag der Klägerin im Berufungsverfahren gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr.G. führte im Gutachten vom 11.08.2004 zusammenfassend aus, die posttraumatische Belastungsstörung als Reaktion auf den schweren Arbeitsunfall sei erst spät erkannt worden, weil im Vordergrund zunächst die Behandlung der körperlichen Unfallfolgen gestanden habe. Erst später habe die Klägerin die Belastungsstörung immer mehr registriert und formuliert. Der zeitliche Bezug zum Unfall sei aber nicht unbedingt Voraussetzung für die Diagnose. Man müsse berücksichtigen, dass keine unfallbedingte Depression vorliege, sondern eine posttraumatische Belastungsstörung, bei der zwar ähnliche Symptome wie bei einer Depression vorhanden seien, gerade aber mit chronifizierter wechselhafter Symptomatik, mit Nachhall-Erinnerungen und inneren Bedrängnissen, mit massiven Ängsten und Verschlechterungen der Symptomatik, mit erheblichen Defiziten bezüglich Antrieb, Leistungsfähigkeit und Lebensfreude. Die Klägerin berichte glaubhaft, sie sei vor dem Unfall belastbar gewesen und bis auf gelegentliche grippale Infekte nicht krank gewesen.

Beigezogen wurden die Unterlagen der AOK Bayern über die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ab 1983. Daraus ergeben sich Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen HWS-Syndrom, Lumboischialgie, BWS-Syndrom, Bandscheibenprolaps, HWS-Sydrom, Epikondylitis und 1997 HWS-Schleudertrauma. Beigezogen wurden die Befunde der Neurologischen Abteilung der Unfallklinik M ...

Die Beklagte übersandte eine gutachtliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr.N. vom 18.10.2004. Dr.N. führte zusammenfassend aus, unter Berücksichtigung der Befundbeschreibung und Feststellungen von Dr.K. , Dr.K. und Prof.Dr.T. bestehe unfallunabhängig ein depressives Syndrom, zudem eine Kopfschmerzsymptomatik und Schmerzsymtomatik im Bereich der Wirbelsäule. Den Akten seien keine Befundtatsachen zu entnehmen, die eine unfallbedingte reaktive psychische Störung wahrscheinlich machen würden. Die aufgrund der chirurgischen Verletzungsfolgen bestehenden Beschwerden seien im chirurgischen Gutachten ausreichend berücksichtigt. Es werde aus dem Gutachten von Dr.G. nicht ersichtlich, von welchen Anknüpfungstatsachen er bei der Beurteilung einer unfallbedingten posttraumatischen Belastungsstörung ausgehe. Er stütze sich auf Vermutungen, wenn er annehme, dass die posttraumatische Belastungsstörung zunächst von den behandelnden Ärzten nicht erkannt worden sei. Dies sei nicht nachvollziehbar. Bei der Untersuchung am 27.05.1999 in der Unfallklinik M. sei in der Neurologischen Abteilung eine ausgeglichene Grundstimmung ohne psychische Auffälligkeiten festgestellt worden.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 23.11.04 erklärte Dr.G. , die zur posttraumatischen Belastungsstörung gehörende Symptomatik habe bewiesenermaßen bei der Klägerin vor dem Unfall nicht vorgelegen, liege aber jetzt nach dem Unfall eindeutig vor.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragte eine weitere medizinische Sachaufklärung und legte ein Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr.Dr.W. , erstellt für das Sozialgericht Landshut in der Rentenversicherungsstreitsache der Klägerin, vom 12.10.2004 vor. Dr.W. führte in dem Gutachten aus, bei der Klägerin bestünden eine posttraumatische Belastungsstörung und ein Zustand nach Schmerzmittelabhängigkeit. Die Vorstellung und die Realisierung der Einschränkungen aus den Behinderungen hätten sich in einem langwierigen Heilverlauf erst allmählich eingestellt, im Anschluss an eine zunächst zwar kompensierende, aber im Ergebnis eindeutig fehlgeschlagene Schmerzmedikation. Seit ca. 2001 bestehe ein anhaltend depressives Selbsterleben. Der protrahierte Zeitverlauf in der Ausbildung der psychischen Einschränkung sei wesentlich damit zu erklären, dass die Klägerin zunächst mit den körperlichen Unfallfolgen und der Schmerzwahrnehmung beschäftigt gewesen sei, und erst danach die Realisierung der aktuellen Verfassung als vermutliches Endresultat das defizitiäre Selbsterleben ins Werk gesetzt habe.

Die Beklagte erklärte im Schreiben vom 15.02.05, die Argumentation von Dr.W. entspreche im wesentlichen der von Dr.G. und werde von den Vorgutachtern und von Dr.N. mit überzeugenden Argumenten widerlegt. Auch die Ausführungen von Dr.W. erschöpften sich in Vermutungen, ohne sich mit den konkreten Befundtatsachen in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall auseinanderzusetzen. Eine psychische Reaktion in erheblichem zeitlichen Abstand zum Unfall, die keine Besserungstendenz zeige, könne nicht als Unfallfolge anerkannt werden. Auch das chronische Schmerzsyndrom könne, da es ohne organisch-neurologisches Korrelat aufgetreten sei, nicht im Unfallzusammenhang gesehen werden.

Die Klägerin stellte die Anträge

aus den Schriftsätzen vom 05.04. und 03.05.2005.

Die Beklagte beantragte,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs.4 SGG).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass auch das Gutachten des Dr.G. vom 11.08.2004 zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen kann. Überzeugend hat Dr.N. ausgeführt, dass die beiden Traumakriterien, nämlich extremer Belastungsfaktor und initiale Reaktion mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Entsetzen, gegeben sein müssen, damit die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung gestellt werden kann. Das bedeutet, dass eine ausgeprägte Reaktion psychischer Art eintreten muss. Eine derartige Reaktion ist nicht zu übersehen, auch nicht von Chirurgen oder Internisten. Immerhin wurde in der Unfallklinik M. von den behandelnden Neurologen noch am 27.05.1999 eine ausgeglichene Grundstimmung ohne psychische Auffälligkeiten festgestellt. Insbesondere hat auch die Klägerin selbst keine derartigen Beeinträchtigungen gegenüber den behandelnden Ärzten angegeben. Psychische Auffälligkeiten im Sinne einer depressiven Verstimmung wurden erstmals im Januar 2000 festgestellt und von der Klägerin in der Folge dann zunehmend beklagt. Wie schon Dr.K. im Gutachten für das Sozialgericht Landshut, verweist auch Dr.N. zu Recht darauf, dass der zeitliche Bezug zum Unfall fehlt. Die posttraumatische Belastungsstörung folgt dem Trauma unmittelbar, selten mit einer Latenz bis zu sechs Monaten. Bei längerer Latenzzeit ist sorgfältige differenzialdiagnostische Abgrenzung notwendig (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Auflage 2003, S.229). Daher ist Prof.Dr.T. , Dr.K. , Dr.K. und Dr.N. zuzustimmen, dass ein Zusammenhang zwischen den psychischen Störungen, wie sie jetzt vorliegen, und dem Unfall nicht nachvollziehbar begründet werden kann. Das verzögerte Auftreten, die zunehmende Ausdehnung der Beschwerden und das Fehlen nachvollziehbarer psychischer Befunde sprechen gegen einen Ursachenzusammenhang.

Das von Dr.G. diagnostizierte chronifizierte Schmerzsyndrom kann gleichfalls nicht als Unfallfolge angesehen werden. Eine unfallbedingte Kopfschmerzsymptomatik ist nicht wahrscheinlich zu machen. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass die Klägerin zwischen 1985 und 1997 häufiger wegen HWS-, BWS- und LWS-Beschwerden, zuletzt wegen eines HWS-Schleudertraumas, arbeitsunfähig erkrankt war. Insofern sind unfallunabhängige Ursachen für die geklagten Schmerzen gegeben.

Eine weitere Sachaufklärung war nicht veranlasst. Die Anträge vom 03.05.2005 sind verspätet gestellt worden. Das Gutachten des Dr.G. und seine ergänzende Stellungnahme wurden der Klägerin bereits mit Schreiben vom 02.12.2004 übersandt. Ihr Antrag auf weitere medizinische Sachaufklärung wurde mit Schreiben vom 23.03.2005 abgelehnt. Obwohl der Klägerin die Ladung zum Termin vom 11.05.2005 am 18.04.2005 zuging, stellte sie die Anträge, Dr.G. mündlich anzuhören, bzw. ihn als sachverständigen Zeugen zu den Beweisthemen: "Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge und Höhe der MdE 50 v.H." zu hören, erst mit Schreiben vom 03.05.2005. Abgesehen davon, dass Dr.G. zu der Frage des Vorliegens einer posttraumatischen Belastungsstörung und zur Höhe der MdE bereits im Gutachten und der ergänzenden Stellungnahme Ausführungen gemacht hat, so dass kein Anlass bestand, ihn zur mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens zu laden, hätte die Klägerin, die anwaltschaftlich vertreten ist, rechtzeitig vor dem Termin vom 11.05.2005 den Antrag zu stellen gehabt. Der Antrag ist daher abzulehnen (vgl. BSG SozR 1750 § 413 Nr.2).

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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