L 4 KR 174/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 47 KR 514/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 174/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. Juli 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, in welcher Höhe die Beklagte dem Kläger Kosten für ambulante ärztliche Behandlung zu erstatten hat.

Der 1931 geborene Kläger ist freiwilliges Mitglied der Beklagten. Er hat seit 1963 Kostenerstattung gewählt. Nach seinen Angaben habe die Beklagte die Arztkosten zum einfachen GOÄ-Satz, Medikamente und sonstige medizinische Mittel zum Einkaufspreis ohne Abschläge, Krankenhaus zu Tagessätzen ohne Wahlleistungen erstattet. Einen Abzug von Verwaltungskosten habe es nicht gegeben. Er habe für sich und seine Ehefrau bei der privaten Krankenversicherung zur Abdeckung darüber hinausgehender Kosten bzw. Wahlleistungen eine Zusatzversicherung abgeschlossen.

Nach Änderung der Erstattungspraxis durch die Beklagte hat sich der Kläger 1999 an die Beklagte gewendet und beantragt, weiter ambulante Arztrechnungen unter Zugrundelegung des einfachen Satzes der GOÄ-Ziffern zu erstatten. Die Beklagte hat dies mit Bescheid vom 04.02.2000 und Widerspruchsbescheid vom 14.04.2000 abgelehnt. Hiergegen hat der Kläger am 03.05.2000 Klage zum Sozialgericht München erhoben (Az.: S 3 KR 240/00). Dieses Verfahren wurde am 29.11.2000 vergleichweise so beendet, dass der Kläger einen Vorschlag macht, wie die Sache gelöst werden sollte und dann die Beklagte erneut rechtsbehelfsfähig verbescheiden werde. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 08.12.2000 auf, die Vereinbarung von 1963 unter dem Aspekt unverändert anzuwenden, dass er sie auf ausdrückliche Bitte der KKH hin geschlossen habe. Es bestehe Vertrauensschutz, weil eine rechtzeitige Information über die Veränderung ihn in die Lage versetzt hätte, eine andere tragbare Regelung zu treffen.

Die Beklagte hat daraufhin mit dem jetzt streitgegenständlichen Bescheid vom 01.03.2001 eine Erstattung ambulanter ärztlicher Behandlung wie seit 1963 durchgeführt, abgelehnt. Diese Praxis habe den damaligen Bestimmungen entsprochen. Die gesetzlichen Bestimmungen hätten sich zwischenzeitlich geändert. Seit Mai 1999 erfolge eine Umrechnung der Gebührenpositionen der GOÄ in die für die Ersatzkasse maßgebliche Gebührenposition der EGO-Ziffern. Außerdem werde ein Abschlag von 7,5 % auf den Erstattungsbetrag erhoben.

Der vom Kläger hiergegen mit Schreiben vom 03.03.2001 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2001 zurückgewiesen. Der gesetzlichen Regelung des § 13 Abs.2 Satz 5 SGB V entsprechend sei von der Beklagten das Verfahren der Kostenerstattung satzungsgemäß geregelt. Gemäß § 13 Abs.2 Satz 6 sei sie auch der Forderung des Gesetzgebers gefolgt, ausreichende Abschläge von Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzunehmen. Über die Satzungsänderungen sei durch Artikel im KKH-Journal aufmerksam gemacht worden. Die Abrechnungspraxis der Geschäftsstelle München sei nicht zu beanstanden.

Hiergegen hat der Kläger am 11.07.2001 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Er wies zur Begründung unter anderem darauf hin, er habe nach seiner Heirat aus der gesetzlichen Krankenversicherung austreten wollen. Die Beklagte habe ihm, da er wie seine Ehefrau bei den Ärzten als Privatpatient auftreten wollte, die Kostenerstattung angeboten. Die mit ihm getroffene Regelung habe bis zum Jahr 1999 reibungslos funktioniert. Die private Krankenversicherung sei so gestaltet worden, dass maximal ein Anteil von 60 % an den Behandlungskosten erstattet wurde. Die private Versicherung könne er nicht mehr ändern. Deshalb sei die Beklagte verpflichtet, die seit 1963 praktizierte Regelung fortzuführen. Die Beklagte wies darauf erneut hin, das Erstattungsverfahren sei seit 1993 mehrfach geändert worden. Außerdem sei der Versicherte nicht an das Kostenerstattungsverfahren gebunden und könne jederzeit wieder die Sachleistung wählen.

In der mündlichen Verhandlung am 15.07.2003 wies der Vorsitzende darauf hin, die Klage sei in eine Verpflichtungsklage auf Kostenerstattung umzudeuten, nach einheitlicher Auffassung der Beteiligten liege der Streitwert unter 1000 EUR. Der Kläger gab hierzu an, in der Zwischenzeit weitere Kostenerstattungsbescheide erhalten zu haben, gegen die er jedoch nicht Widerspruch eingelegt habe. Soweit die Klage auch Arzneimittel (Abschlag 25 %) sowie Abschlag wegen Verwaltungskosten und fehlender Wirtschaftlichkeitsprüfung (7,5 %) betraf, wurde sie nicht aufrechterhalten.

Die Klage wurde mit Urteil vom 15.07.2003 als unbegründet abgewiesen. Nach § 23 Abs.2 Satz 6 der Satzung könne die Beklagte die Ermittlung der Erstattungsbeträge vereinfachen. Der Gesetzgeber habe in § 13 Abs.2 Satz 4 SGB V festgelegt, dass eine Erstattung höchstens in Höhe der Vergütung erfolgt, die die Krankenkassen bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätten. Ein geringerer Erstattungsbetrag als die tatsächlich in Rechnung gestellte Summe sei grundsätzlich vom Gesetz gedeckt. Auch Abschläge seien vom Gesetzgeber vorgesehen. Es sei bei der Erstattung nicht die Rechtslage aus dem Jahr 1963 zu berücksichtigen. Eine schriftliche Zusicherung hierzu liege nicht vor. Auch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten ergebe sich kein anderes Ergebnis. Vertrauensschutz bestünde auch dann nicht, wenn die Beklagte den Kläger 1963 umworben hätte, ihr Mitglied zu bleiben. Zu berücksichtigen sei, dass er, insbesondere durch die Familienversicherung, Vorteile gegenüber der privaten Krankenversicherung gehabt habe. Schließlich könne der Kläger ins Sachleistungsprinzip überwechseln. Soweit der Kläger auf Inanspruchnahme von privatärztlichen Leistungen bestehe, falle dies nicht unter den verfassungsmäßig gebotenen Vertrauensschutz. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger als Unternehmensberater auch nach 1963 die finanziellen Vorteile gegenüber der privaten Krankenversicherung abgewogen habe. Es erscheine wenig glaubhaft, nur der Wunsch der Beklagten, ihn zu versichern, sei für den Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung maßgeblich gewesen. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch könne nicht zur Anwendbarkeit des 1,0-fachen GOÄ-Satzes bei der Erstattung der Arztrechnungen führen. Ein Beratungsfehler der Beklagten sei nicht erkennbar. Die Beklagte habe die Satzungsänderung im Bundesanzeiger bekannt gemacht. Darüber hinaus habe sie in der Mitgliederzeitschrift KKH-Journal hierüber informiert (Ausgabe 1/00). Soweit der Kläger zusätzlichen Beratungsbedarf gesehen hätte, wäre ihm zumutbar gewesen, von sich aus die Beklagte zur Beratung aufzusuchen. Dies sei nicht geschehen. Außerdem ergebe ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen Beratungsmangel keinen Anspruch auf Anwendung einer Regelung, die vom geltenden Recht abweicht. Auch ein Anspruch auf eine Härtefall- oder Übergangsregelung bestehe nicht. Die Berufung wurde zugelassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 07.08.2003, mit der er weiter erreichen möchte, dass seiner Abrechnung bei Arztrechnungen der 1,0-fache GOÄ-Satz zugrunde gelegt wird. Im Erörterungstermin vom 18.11.2004 gibt der Kläger an, es seien vor der jetzt streitgegenständlichen Abrechnung nie größere Differenzen entstanden, er habe nur manchmal kleine Summen privat bezahlen müssen. Der Kläger führt weiter aus, die Beklagte hätte bereits nach Erlass des Gesundheitsstrukturgesetzes 1993 wissen müssen, welche Konsequenzen sich daraus für ihn ergeben würden. Eine Information über die Änderungen hätte also bereits 1993, spätestens aber 1994 oder 1995 erfolgen müssen. Damals hätte er die Privatversicherung noch anpassen können.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 15.07.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten der Arztrechnungen gemäß Erstattung vom 17.08.1999 mit einem Faktor von 1,0 des GOÄ-Satzes zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die das Sozialgericht zugelassen hat, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Aspekt Anspruch darauf, dass die Beklagte die im Jahr 1963 durchgeführte Abrechnungspraxis fortführt. Seit 1993 ist die Kostenerstattung für freiwillig Versicherte in § 13 Abs.2 SGB V geregelt. Danach können freiwillige Mitglieder sowie ihre nach § 10 versicherten Familienangehörigen für die Dauer der freiwilligen Versicherung anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten und fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen vorzusehen.

Die Beklagte hat entsprechende Regelungen in ihrer Satzung getroffen, insbesondere ist auf § 23 Abs.2 der Satzung hinzuweisen. Es wird vom Kläger nicht bestritten, dass die Erstattungsbeträge satzungsgemäß errechnet worden sind. Das Sozialgericht hat ausführlich und zutreffend dargestellt, dass es keine rechtliche Möglichkeit gibt, die frühere Erstattungspraxis fortzuführen, insbesondere die Beklagte nicht verpflichtet war, den Kläger zu beraten (Herstellungsanspruch). Der Senat weist die Berufung aus den Gründen des Ersturteils zurück und sieht insoweit gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die jetzt im Berufungsverfahren neu vorgebrachte Argumentation, die Beklagte hätte den Kläger bereits 1993 auf eine möglicherweise geänderte Abrechnungspraxis hinweisen müssen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Es ist völlig außerhalb des Verantwortungsbereiches der gesetzlichen Krankenkassen, wie weit sich freiwillig Versicherte privat absichern. Zusätzliche Zahlungen kann der Kläger dadurch vermeiden, dass er die Sachleistung in Anspruch nimmt. Damit ist auch ein ausreichender Vertrauensschutz gewährleistet, weil dadurch der Kläger von zusätzlichen finanziellen Belastungen freigestellt wird.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen des Klägers.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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