L 4 B 545/04 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 6 KR 280/04 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 B 545/04 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 5. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

Gründe:

I.

Die 1952 geborene Antragstellerin ist 23.02.2001 freiwilliges Mitglied der Antragsgegnerin. Sie hat die Beiträge regelmäßig verspätet und erst nach Mahnung bezahlt. Nachdem die Beiträge für November und Dezember 2003 trotz Hinweises auf die Folgen der Nichtzahlung und Fristsetzung bei der Antragsgegnerin nicht fristgerecht eingegangen waren, hat die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 19.01.2004 mitgeteilt, die Krankenversicherung sei zum 15.01.2004 erloschen. Auf Bitten der Antragstellerin erklärte sich die Antragsgegnerin bereit, die Mitgliedschaft über den 15.01.2004 hinaus fortzuführen, wenn der Beitrag für Januar 2004 bis zum 16.02.2004 gezahlt werde. Die Zahlung erfolgte erst am 03.03.2004. Die Bevollmächtigten der Antragstellerin legten mit Schreiben vom 13.04.2004 Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.01.2004 ein, der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2004 zurückgewiesen. Hiergegen ist beim Sozialgericht Bayreuth unter dem Az.: S 6 KR 253/04 Klage anhängig.

Am 02.09.2004 beantragten die Bevollmächtigten der Antragstellerin, festzustellen, dass die am 13.08.2004 erhobene Klage aufschiebende Wirkung habe.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 05.10.2004 festgestellt, dass die Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2004 aufschiebende Wirkung hat. Es handele sich um eine Anfechtungsklage, die nach § 86a Abs.1 SGG aufschiebende Wirkung habe. Die Anfechtungsklage sei, wie das BSG im Urteil vom 23.02.1995 festgestellt hat, die richtige Klageart. Die aufschiebende Wirkung entfalle nicht gemäß § 86a Abs.2 SGG. Keine der dort genannten Voraussetzungen sei erfüllt. Die Entscheidung über das Ende der freiwilligen Mitgliedschaft nach § 191 Nr.3 SGB V sei keine Entscheidung über eine Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflicht sowie die Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben. Diese Pflicht bestreite die Antragstellerin gerade nicht. Auch sei die Anforderung von Beiträgen, Umlagen oder sonstigen Abgaben nicht im Streit, zumal die Antragstellerin durch Zahlung von Beiträgen ihren Versicherungsschutz erhalten wolle. Es werde auch durch den Verwaltungsakt nicht eine laufende Leistung herabgesetzt oder entzogen, ein durch Bundesgesetz vorgeschriebener Fall liege nicht vor und die Antragsgegnerin habe nicht die sofortige Vollziehung angeordnet. Eine entsprechende Anwendung des § 86a Abs.2 Nr.1 SGG zu Lasten der Antragstellerin komme nicht in Betracht, da eine hierfür notwendige planwidrige Gesetzes- lücke aufgrund der Möglichkeit der Antragsgegnerin, die sofortige Vollziehung gemäß § 86a Abs.2 Nr.5 SGG anzuordnen, nicht gegeben sei.

Hiergegen richtet sich die am 15.10.2004 eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerin. Die Beschwerde wird damit begründet, dass die Voraussetzungen des § 86a Abs.2 Nr.5 SGG erfüllt seien. Eine aufschiebende Wirkung entfalle, wenn die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten liege. Selbstverständliche liege die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse, selbst dann, wenn dies nicht unbedingt schriftlich angeordnet sei. Der Sinn, Zweck und die Formulierung des § 191 Nr.3 SGB V ließen eine andere Auslegung nicht zu. Es bestehe ebenfalls ein überwiegendes Interesse an der Antragsgegnerin an der Vollziehung. Die Begründung sei recht einfach darin zu finden, dass die Leistungsfähigkeit einer gesetzlichen Krankenkasse nur dann gewährleistet ist, wenn die Versicherten die fälligen Beiträge rechtzeitig zahlen. Bei Anerkennung einer aufschiebenden Wirkung in derart gelagerten Fällen entstehe sehr wohl ein materieller Schaden, da ein anderer Leistungsträger für einen möglichen Ersatzanspruch nicht zur Verfügung stehe. Die Antragstellerin habe in Kenntnis des Ausschlusses Leistungen in beträchtlicher Höhe (über 400,00 Euro) in Anspruch genommen. Es könne von der Antragstellerin nicht mit Nichtwissen bestritten werden, dass sie auf die Folgen der Nichtzahlung hingewiesen worden wäre.

Die Antragsgegnerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 05.10.2004 aufzuheben und festzustellen, dass die Klage vom 13.08.2004 keine aufschiebende Wirkung hat.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluss vom 05.10.2004 zurückzuweisen.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegt Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 172, 173, 174 SGG). Die Beschwerde ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klage der Antragstellerin vom 13.08.2004 aufschiebende Wirkung hat. Gemäß § 86a Abs.1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. Da die Anfechtungsklage der Antragstellerin weder eine Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten oder die Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten betrifft (§ 86a Abs.2 Nr.1 SGG) und die Voraussetzungen des § 86a Abs.2 Nrn.3 bis 4 SGG offensichtlich nicht vorliegen, entfällt die aufschiebende Wirkung nicht. Dies hat das Sozialgericht ausgeführt, wegen der weiteren Einzelheiten wird in entsprechender Anwendung des § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

Es sei noch darauf hingewiesen, dass der Senat im Beschluss vom 01.10.2004 (L 4 B 400/04 KR ER) ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass eine derartige Klage aufschiebende Wirkung hat. Auch in diesem Fall hatte die Antragsgegnerin keinen Gebrauch von § 86a Abs.2 Nr.5 SGG gemacht. Die in der Beschwerdebegründung geäußerte Auffassung der Antragsgegnerin, es sei selbstverständlich, dass in diesen Fällen die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes im öffentlichen Interesse liege, mag in besonderen Fällen denkbar sein, die Antragsgegnerin hat jedoch das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten. § 86a Abs.1 Nr.5 SGG regelt, dass die aufschiebende Wirkung entfällt, wenn die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet. Es ist also von gesetzeswegen unbedingt eine schriftliche Anordnung (mit zusätzlicher Begründung) erforderlich. (Zu Form und Inhalt der Anordnung siehe Meyer-Ladewig, SGG, 7.Aufl., Rdz.18 ff. zu § 86a).

Die schriftliche Beschwerdebegründung kann nicht als Anordnung im Sinne des § 86a Abs.2 Nr.5 SGG angesehen werden. Die Zuständigkeit zu einer solchen Entscheidung liegt nämlich nach Klageerhebung nicht mehr bei der Antragsgegnerin, sondern gemäß § 86b Abs.1 Nr.1 SGG beim Gericht der Hauptsache, (das ist das Sozialgericht) (Meyer-Ladewig a.a.O., Rz.21 zu § 86a).

Solange das Sozialgericht nicht über einen Antrag gemäß § 86b Abs.1 Nr.1 SGG entschieden hat, hat die Klage der Antragstellerin aufschiebende Wirkung.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Die Entscheidung nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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