L 8 AL 195/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 331/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 195/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20. Februar 2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Überbrückungsgeld (Übbg) für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2000 streitig.

Der 1963 geborene Kläger beantragte am 20.12.1999 die Gewährung von Übbg zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zum 01.01.2000. Sein Existenzgründungsvorhaben beschrieb er mit "H. GmbH für Heizung-, Sanitär-Spenglerei, Solaranlagen, Schwimmbad". Mit Schreiben vom 11.07.2000 sandte die Beklagte den Antrag an den Kläger zurück, weil dieser trotz zweimaliger Erinnerung vom 26.01. und 28.02.2000 bis dahin nicht die erforderlichen Unterlagen beigebracht und keinen Grund für eine Verzögerung angegeben hatte. Der vollständige Antrag ging am 18.01.2001 bei der Beklagten ein. Nach Vorlage einer fachkundigen Stellungnahme der Steuerberaterin R. N. vom 21.12.1999, einer Handwerkskarte der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, ausgestellt auf die "J. F. Haustechnik GmbH", eines Meisterbrief der genannten Handwerkskammer vom 25.10.2000, eines Bescheides der Bau-Berufsgenossenschaft (BG) Bayern und Sachsen und im weiteren Verlauf eines "Dienstvertrags mit einem Geschäftsführer zwischen der Firma F. Haustechnik GmbH" und J. F. vom 26.07.2000 und der Gewerbeanmeldung vom 01.12.1999, aus der hervorgeht, dass der Kläger den Betrieb Herrn E. B. übernommen hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.03.2001 den Antrag ab. Der Kläger habe seine selbstständige Tätigkeit am 01.01.2000 aufgenommen. Der Zweck der Leistung, die Sicherung des Lebensunterhalts während der Anlaufphase der selbstständigen Tätigkeit werde nicht mehr erreicht, da das Übbg am 30.06.2000 ausgelaufen wäre. Unabhängig davon sei die Leistungsbewilligung ausgeschlossen, da es sich um eine Betriebsübernahme handle und deshalb davon auszugehen sei, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt und die Aufwendungen für die soziale Sicherung in der Anlaufzeit habe sicherstellen können.

Den dagegen erhobenen Widerspruch, der nicht begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2001 als unbegründet zurück. Da die für den einschlägigen Förderungszweck zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel begrenzt seien, sei es grundsätzlich sachgerecht, die Bewilligung von Übbg auf die Fälle echter Existenzneugründungen zu beschränken. In Fällen, in denen wie hier, ein bereits bestehender und im Markt etablierter Betrieb übernommen und fortgeführt werde, könne davon ausgegangen werden, dass eine einkommensarme oder gar einkommenslose Anlaufphase nicht zu überbrücken sei. Die Tatsache, dass der Kläger den vollständigen Antrag auf Übbg erst gut ein Jahr nach Beginn seiner Selbstständigkeit eingereicht habe, bestätige diese Vermutung ebenso wie der Dienstvertrag vom 20.12.1999, wonach der Kläger ab 01.01.2000 als Geschäftsführer der "F. Haustechnik GmbH" ein Bruttogehalt von 7.000,00 DM monatlich erhalte. Dieser Dienstvertrag lasse zudem Zweifel aufkommen, ob der Kläger überhaupt selbstständig im Sinne der Vorschriften über das Übbg sei. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides ging eine Widerspruchsbegründung ein. Darin wurde ausgeführt, es treffe zwar zu, dass er nicht eine Neugründung vorgenommen habe. Gleichwohl sei seine wirtschaftliche Situation vergleichbar der Situation nach einer Neugründung. Mit Vertrag vom 17.11.1999 habe er den früheren Betrieb E. B. , Heizung und Sanitär, gepachtet. Der Pachtzins betrage monatlich netto 2.500,00 DM, brutto 2.900,00 DM. Er habe sich ferner verpflichtet, eine Kaution in Höhe von 5.000,00 DM zu zahlen. Ferner habe er fünf Firmen-Kombis sowie die in den Fahrzeugen vorhandenen Werkzeuge und Maschinen zu einem Kaufpreis von 60.000,00 DM ablösen müssen. Für das Warenlager habe er den Abschlag von 50.000,00 DM geleistet. Er habe einen Personenstamm vom fünf festbeschäftigten Mitarbeitern sowie fünf Auszubildenden übernommen. Des Weiteren werde auf die Bilanz für das Geschäftsjahr 2000 sowie die betriebswirtschaftlichen Auswertungen für die Monate Januar bis Juni 2000, also für den Förderzeitraum verwiesen. Er habe keine laufenden Aufträge übernommen, sondern sämtliche Aufträge selbstständig akquiriert. Es hätten zwar Kundenbeziehungen bestanden, allerdings in nur geringem Umfang. Insgesamt hätten somit Verhältnisse wie bei einer Neugründung vorgelegen.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger ausgeführt, das Übbg gemäß § 57 SGB III diene der Sicherung des Lebensunterhalts des Arbeitslosen sowie seiner sozialen Sicherung nach Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Es sei nicht als Investitionszuschuss gedacht. Die Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit erfordere hierbei nicht, dass die Neugründung eines Betriebs erfolge. Daher liege eine Existenzgründung auch vor, wenn ein bestehender Betrieb übernommen werde. Im Rahmen der Entscheidung habe die Beklagte ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben. Der Zweck der gesetzlichen Ermächtigung sei die Absicherung der Existenzgrundlage des Anspruchsstellers und seiner Familie. Es sei zudem von einer besonders hohen Wahrscheinlichkeit des Eingliederungserfolgs auszugehen, da er, wenn auch unter erheblichen finanziellen Anstrengungen, einen bestehenden Betrieb übernommen habe und damit die Erwartung verbunden sei, dass der geschäftliche Einstieg leichter möglich sei als bei einer völligen Neugründung. Wirtschaftlich sei sein Einstieg, wie die übergebenen Unterlagen zeigen würden, gleichwohl schwer gewesen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.02.2004 hat der Vertreter der Beklagten dem Gericht eine Kopie einer Dienstbesprechungsniederschrift vom 03.02.1998 übergeben. Er erklärte, ein begründeter Ausnahmefall im Sinne dieses Besprechungsergebnisses werde z.B. angenommen, wenn jemand einen "herabgewirtschafteten" Betrieb übernehme, bei dem ein völliger Neubeginn notwendig sei. So sei die Situation vorliegend nicht. Die Firma B. habe bis zuletzt am Markt existiert und sei seines Wissens nach nicht in Schieflage gewesen. Der Kläger selbst hat erklärt, er habe beim Beginn im Januar 2000 keinerlei Aufträge von der Firma B. übernommen. Den ersten großen Auftrag habe er erst im März akquirieren können. Bis dahin sei das Geschäft "dahin geplempert". Dies sei vielleicht der Grund, warum er die Antragstellung beim Arbeitsamt nicht intensiver betrieben habe. Das Geschäftsführergehalt sei zwar entnommen, jedoch zum Teil wieder reinvestiert worden. Erst am 25.10.2000 habe er die Meisterprüfung abgelegt.

Mit Urteil vom 20.02.2004 hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.02.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2001 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2000 Übbg nach den gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Zwar handle es sich beim Übbg gemäß § 57 SGB III um eine Ermessenleistung. Grundsätzlich habe das Arbeitsamt jedoch sein Ermessen dahingehend auszuüben, dass alle Berechtigten in gleicher Lage und Weise zu fördern seien. Dies bedeute, dass vorliegend eine sog. "Ermessensreduktion auf Null" vorliege, mit der Folge, dass sich der Anspruch des Klägers nicht nur auf rechtsfehlerfreies Ermessensbetätigung richte, sondern auf die Leistung als solche. Die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 57 SGB III würden vorliegen. Der Kläger habe durch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beendet; er habe in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Alg bezogen und er habe eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt. Die von der Beklagten hiergegen erhobenen Einwendungen würden nicht durchgreifen. Weder sei der Antrag verspätet gestellt worden, noch rechtfertige der Gesichtspunkt der Betriebsübernahme die Leistungsverweigerung. Der Kläger habe zwar nicht in der gebotenen Weise am Verwaltungsverfahren mitgewirkt. Allein aus dem Umstand, dass der Kläger sich ca. ein Jahr lang nicht mehr um den - rechtzeitig gestellten - Antrag gekümmert habe, lasse sich nicht der Schluss ziehen, er benötige die Leistung nicht bzw. verzichte darauf. Das Übbg diene zwar nach dem Gesetzeswortlaut "zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung", dem Gesetz lasse sich jedoch nicht entnehmen, dass die Leistung davon abhänge, ob der Lebensunterhalt gesichert sei oder nicht. Dem Arbeitsamt stehe keine inhaltliche Überprüfung zu, ob der Existenzgründer tatsächlich auf das Übbg angewiesen sei oder ob das Unternehmen möglicherweise von Anfang an so floriere, dass es üppige Gewinne abwerfe. Mitnahmeeffekte seien der streitigen Förderung quasi immanent und kein Grund für eine Leistungsverweigerung. Auch der Gesichtspunkt "Betriebsübernahme" rechtfertige die angefochtene Entscheidung nicht. Hierbei könne dahingestellt bleiben, ob, wie in der Niederschrift über die Dienstbesprechung des Arbeitsamtes P. vom 09.02.1998 festgehalten, ein genereller Förderungsausschluss bei Betriebsübernahmen rechtmäßig sei. Abgesehen davon, dass Dienstanweisungen grundsätzlich keine Rechtsnormqualität hätten und daher auch keine Bindungswirkung für die Gerichte besäßen, dürften solche Ermessenslenkungen innerdienstlichen Weisungen nicht zu "gebundenen" Entscheidungen führen. Vielmehr müsse Raum für die Ermessensausübung im Einzelfall bleiben. Auch wenn ein bereits bestehender Betrieb übernommen werde, habe das Arbeitsamt zu prüfen, ob dennoch die Fördervoraussetzungen vorliegen. Dies sei offenbar nicht geschehen, möglicherweise auch deswegen, weil der Widerspruchsschriftsatz des Klägers zu spät bei der Beklagten eingegangen sei. Nach den glaubhaften Angaben des Klägers seien bei Aufnahme der Tätigkeit keine (größeren) Aufträge vorhanden gewesen. Er sei jedoch von Anfang an für fünf Mitarbeiter und fünf Auszubildende verantwortlich gewesen. Der Kläger habe, wie sich aus der Bilanz zum 31.12.2000 ergebe, von Anfang an mit Bankschulden in erheblicher Höhe arbeiten müssen. Insgesamt stelle sich die Situation für den Kläger im Ergebnis nicht anders da, als bei einer völligen Neugründung.

Zur Begründung der Berufung führt die Beklagte aus, der Kläger habe einen alteingesessenen Betrieb, in dem er seine eigene Ausbildung absolviert habe, übernommen, bevor er nach einer Weiterbildung zum Techniker im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in verschiedenen Unternehmen als Techniker tätig gewesen sei. Der Betrieb habe vor dem Übergang ein Auftragsvolumen gehabt, dass fünf Mitarbeiter beschäftigt worden seien und der die Ausbildung weiterer fünf Auszubildender ermöglicht habe. Damit könne von einem gewissen Kundenstamm ausgegangen werden, auch wenn tatsächlich keine laufenden Aufträge übergegangen seien. Zudem habe er gerade in der Zeit der "persönlichen Haftung" für die Geschäfte seinen Antrag nicht weiter betrieben, obwohl der Gesellschaftsvertrag, der Dienstvertrag und die Gewerbeanmeldung zu diesem Zeitpunkt entgegen den Ausführungen des SG bereits vorgelegen hätten, was sich aus den jeweiligen Daten ergebe. Es hätten lediglich die Meisterprüfung und die Eintragung in das Handelsregister gefehlt, die jedoch auch nicht gefordert gewesen seien. Mit der fehlenden Mitwirkung am Verfahren dürfte unterstellt werden, dass, wie bei einer verspäteten Antragstellung eine ausreichende wirtschaftliche Grundlage für die Anfangszeit vorhanden gewesen sei. Dass in den ersten beiden Monaten rechnerisch schlechte Ergebnis ergebe sich insbesondere aus den erheblichen Posten "Material- und Wareneinkauf", in dem sich auch der Warenkauf aufgrund der Betriebsübernahme widerspiegeln dürfte. Insgesamt habe der Jahresabschluss bereits innerhalb des ersten halben Jahres rein rechnerisch einen Fehlbetrag erbracht, der immerhin kleiner gewesen sei als das bis dahin gezahlte Gehalt des Klägers. Damit bestätige sich die unterstellte wirtschaftliche Grundlage aufgrund der Übernahme eines bereits existierenden Betriebes. Ihr als Beklagter müsse es erlaubt sein, das Übbg nur in den Fällen zu gewähren, in denen die Sicherung des Lebensunterhaltes und der sozialen Sicherung entsprechend dem Zweck des Gesetzes zum Zeitpunkt der Entscheidung diene. Die Begrenzung der Prüfung auf die Aufnahme selbständiger Tätigkeit und die entsprechende Stellungnahme der fachkundigen Stelle würde einen Gestaltungsmissbrauch geradezu herausfordern und damit den Zweck des Gesetzes, den Lebensunterhalt und die soziale Sicherung in der Anlaufphase eines Unternehmens zu sichern, zu widerlaufen und diejenigen benachteilen, die dieser Förderung bedürfen. Im Übrigen sei das Urteil des SG schon deswegen aufzuheben, weil es sie zur Leistung verurteilt habe. Bei der Leistung nach § 57 SGB III handle es sich um eine Ermessensleistung. Eine Ermessensreduzierung auf Null, wie vom SG vorgetragen, sei nicht ersichtlich.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20.02.2004 aufzuheben nd die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, der Vorwurf der Beklagten, er habe das Verfahren nicht gefördert und habe das Übbg daher nicht nötig gehabt, sei fehlgehend. Er habe erst die von der Beklagten geforderten Voraussetzungen schaffen müssen, um das Verfahren sinnvoll weiter zu betreiben. Diese Verzögerung gehe somit zu Lasten der Beklagten und könne nicht missbräuchlich in den Vorwurf umgemünzt werden, er habe Mitwirkungspflichten dadurch verletzt, dass er den Auflagen der Beklagten gerade nachgekommen sei.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als begründet.

Zu Unrecht hat das SG Landshut mit Urteil vom 20.02.2004 der Klage stattgegeben, da der Bescheid vom 20.03.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2001 nicht zu beanstanden ist.

Denn die Beklagte hat bei der Ablehnung der Gewährung des Übbg das ihr zustehende Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt.

Nach § 57 Abs.1 SGB III können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit unter anderem beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Übbg erhalten. Übbg kann nach § 57 Abs.2 Nr.1 und 2 SGB III unter anderem geleistet werden, wenn der Arbeitnehmer

1. in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit oder der vorgeschalteten Teilnahme an einer Maßnahme zu deren Vorbereitung,

a) Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat oder einen Anspruch darauf hätte oder

b) eine Beschäftigung ausgeübt hat, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme oder als Strukturanpassungsmaßnahme gefördert worden ist, und

2. eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle über die Tragfähigkeit der Existenzgründung vorgelegt hat.

Nachdem es sich bei der Gewährung des Übbg um eine Ermessensleistung handelt, steht dem Berechtigten nur ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensausübung zu und kein Anspruch im Sinne des § 194 Abs.1 BGB, vom Arbeitsamt ein inhaltlich bestimmtes Tun oder Unterlassen zu verlangen. Es besteht vielmehr nur das subjektive Recht auf rechtsfehlerfreie Ermessensbetätigung. Grundsätzlich hat das Arbeitsamt sein Ermessen dahingehend auszuüben, dass alle Berechtigten in gleicher Lage in gleicher Weise zu fördern sind. Zwar hat das BSG zu § 55a AFG entschieden, dass die Ablehnung der Leistung allein wegen Erschöpfung der Haushaltsmittel ermessensfehlerhaft sei (BSG SozR 3-4100 § 55a Nr.1). In jedem Fall aber kann die Beklagte Verteilungsprioritäten setzen. Auch ist allgemein zu berücksichtigen, dass der Betroffene infolge Bedürftigkeit die erforderlichen Mittel nicht selbst aufbringen kann.

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien hat die Beklagte pflichtgemäß ihr Ermessen ausgeübt, als sie eine Unterscheidung dahingehend getroffen hat, dass sie die besonderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat. Unstreitig hat der Kläger keine Neugründung vorgenommen, sondern einen fremden Betrieb übernommen. Es ist auch nicht erkennbar, dass es sich bei diesem übernommenen Betrieb, der Firma B. , um ein marodes Firmenunternehmen handelte. Die Firma B. existierte nämlich bis zuletzt am Markt. Hinzu kommt, dass der Kläger von der Firma B. einen Personenstamm von fünf festbeschäftigten Mitarbeitern sowie fünf Auszubildenden übernommen hat. Auch aus dieser Tatsache lässt sich gerade nicht der Schluss ziehen, dass es sich bei der übernommenen Firma B. um einen Betrieb in wirtschaftlichen Schwierigkeiten handelte. Dass die Ablehnung des Antrag auf die Gewährung von Übbg nicht auf sachfremden Erwägungen beruhte, folgt auch aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung für den potentiellen Förderungszeitraum Januar bis Juni 2000. Von dem Monat Januar 2000, in dem als Anfangsinvestition ein überproportional hoher Material- und Wareneinkauf erforderlich war, abgesehen, wies die Auswertung für die übrigen Monate ein überwiegend positives Ergebnis auf. Dass die Halbjahresbilanz eben wegen der Januarinvestitionen insgesamt noch negativ war, ist für die Entscheidung über den Antrag unbeachtlich. Denn wie der Kläger selbst in diesem Zusammenhang einräumt, ist das Übbg nicht als Investitionskostenschuss gedacht. Den ersten großen Auftrag akquirierte der Kläger bereits im März 2000. Wenn auch das Geschäft nach den Angaben des Klägers bis dahin "dahingeplempert" sei, so bleibt dennoch festzuhalten, dass der Kläger die Antragstellung beim Arbeitsamt nicht intensiver betrieben hat. Der Kläger übernahm hier einen alteingesessenen Betrieb, in dem er seine eigene Ausbildung absolviert hatte, bevor er nach einer Weiterbildung zum Techniker im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in verschiedenen Unternehmen als Techniker tätig war. Wie bereits ausgeführt, hatte der Betrieb - die Firma B. - vor dem Übergang ein Auftragsvolumen, dass fünf Mitarbeiter beschäftigt wurden und der die Ausbildung weiterer fünf Auszubildender ermöglicht hatte. Somit kann von einem gewissen Kundenstamm ausgangen werden. Insgesamt ist die von der Beklagten vorgenommene Unterscheidung zwischen einer Existenzneugründung und der Übernahme eines bereits existierenden Betriebs als sachgerecht zu betrachten. Der Beklagten muss es erlaubt sein, das Übbg nur in den Fällen zu gewähren, in denen diese Leistung der Sicherung des Lebensunterhalts und der sozialen Sicherung entsprechend dem Zweck des Gesetzes zum Zeitpunkt der Entscheidung dient. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass die Begrenzung der Prüfung auf die Aufnahme selbständiger Tätigkeiten und die entsprechende Stellungnahme der fachkundigen Stelle einen Gestaltungsmissbrauch geradezu herausfordern würde und damit den Zweck des Gesetzes, den Lebensunterhalt und die soziale Sicherung in der Anlaufphase eines Unternehmens zu sichern, zu widerlaufen und die jenigen benachteiligen würden, die dieser Förderung bedürfen.

Somit war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG Landshut vom 20.02.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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