L 8 AL 292/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 36 AL 1484/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 292/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.06.2004 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) streitig.

Der 1968 geborene Kläger, algerischer Staatsangehöriger, meldete sich am 07.07.2003 mit Wirkung zum 08.09.2003 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Nach der Arbeitsbescheinigung der Regierung von Oberbayern war er vom 14.09.1998 bis 07.09.2003 als Sportlehrer im Angestelltenverhältnis tätig. Das Arbeitsverhältnis endete durch Ablauf des Vertrages. Auf dem "Zusatzfragebogen für Studenten und Schüler" gab der Kläger als Beginn der Ausbildung 1998 an; angestrebter Abschluss nach dem Studium der Sportwissenschaft sei das Staatsexamen gewesen. Er sei nur noch wegen seiner Promotion immatrikuliert und könne volle Stundenzahl arbeiten. Auf dem Zusatzblatt zur Aufenthaltsgenehmigung des Klägers heißt es: "Aufenthaltsgenehmigung wurde erteilt am 25.07.2002 von der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt M ... Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Ausnahme: Tätigkeit im Rahmen der Promotion an der Fakultät für Pädagogik der Universität der Bundeswehr gestattet. Die Aufenthaltsgenehmigung erlischt mit Beendigung oder Abbruch der Promotion. Erweiterung der Nebenbestimmungen: Tätigkeit gemäß § 9 Nr.8 ArGV (arbeitsgenehmigungsfrei) als Sportlehrer im Rahmen der Promotion gestattet."

Mit Bescheid vom 04.09.2003 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alg ab. Anspruch auf Leistungen habe nur, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe. Dies setze unter anderem voraus, dass der Arbeitslose eine versicherungspflichtige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben dürfe. Er benötige nach § 284 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zur Ausübung einer Beschäftigung eine Arbeitserlaubnis oder Arbeitsberechtigung. Da er keine Arbeitserlaubnis oder Arbeitsberechtigung besitze, dürfe er nur dann eine Beschäftigung ausüben, wenn Lage und Entwicklung des deutschen Arbeitsmarktes dies zulassen würden, das heißt, dass der deutsche Arbeitsmarkt für ihn offen sein müsse. Der deutsche Arbeitsmarkt habe sich jedoch für ihn als verschlossen erwiesen. Trotz einjähriger Vermittlungsbemühungen lasse sich für ihn keine Dauerbeschäftigung finden, für die ihm unter Berücksichtigung des Vorrangs deutscher oder ihnen gleichgestellter nichtdeutscher Arbeitnehmer eine Arbeitserlaubnis erteilt werden könne. Er habe keinem Arbeitgeber zur Einstellung vorgeschlagen werden können, weil die Erwerbsfähigkeit nicht gestattet sei. Die Möglichkeiten der überbezirklichen Arbeitsvermittlung seien ebenfalls ausgeschöpft. Berufliche Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen kämen nicht in Betracht. Die vorhersehbare Entwicklung des Arbeitsmarktes lasse keine Besserung der Vermittlungsmöglichkeiten erwarten. Es bleibe ihm jedoch unbenommen, sich beim Arbeitsamt weiterhin um offene Stellen zu bewerben.

Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe sich im Juli 2003 arbeitslos gemeldet. Die im Bescheid erwähnten einjährigen Vermittlungsbemühungen würden nicht stimmen. In seinem Pass stehe zwar, dass eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet sei, aber gleichzeitig sei die Ausnahme vermerkt: Tätigkeit im Rahmen der Promotion gestattet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nachdem die Auflage von der Ausländerbehörde "Erwerbstätigkeit nicht gestattet" nicht aufgehoben worden sei und lediglich eine gemäß § 9 Nr.8 ArGV arbeitsgenehmigungsfreie Tätigkeit als Sportlehrer im Rahmen der Promotion gestattet sei, ergebe sich, dass Verfügbarkeit, Arbeitslosigkeit und mithin ein Anspruch auf Alg gemäß §§ 117, 118, 119 SGB III nicht vorliege.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger ausgeführt, er habe fünf Jahre bei der Regierung von Oberbayern als Sportlehrer in mehreren Hauptschulen im Umfang von 14 Stunden pro Woche gearbeitet. Während dieser Zeit habe er monatlich den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung gezahlt. Seit dem 09.09.2003 sei er ohne Beschäftigung (Ende des Arbeitsvertrages). Die im Ablehnungsbescheid der Beklagten von September 2003 erwähnten angeblichen einjährigen Vermittlungsbemühungen würden daher nicht der Wahrheit entsprechen, da diese lediglich drei Monate (von Juli bis September 2003) angedauert hätten. Unzutreffend sei auch, dass er nicht mehr als 15 Stunden arbeiten dürfe. Er habe zuvor nur 14 Stunden gearbeitet, weil kein höherer Bedarf vorhanden gewesen sei. Die Ausländerbehörde mache keinen Einwand dagegen geltend, dass er als Sportlehrer auch mehr als 15 Stunden arbeite. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 24.05.2004 hat der Kläger erklärt, er arbeite derzeit an seiner Promotion, die in ungefähr fünf Monaten beendet sein solle. Er lebe seit 1994 in Deutschland und spreche ausreichend gut deutsch.

Mit Urteil vom 09.06.2004 hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger antragsgemäß Alg dem Grunde nach zu gewähren. Nach Auffassung der Kammer stehe der Kläger trotz der von der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt M. verfügten Einschränkungen seiner Erwerbstätigkeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Richtig sei zwar, dass der Kläger in der Zeit vom 16.09.2002 bis 07.09.2003 nur mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 14 Stunden beschäftigt gewesen sei. Da nach Auskunft der Regierung von Oberbayern die Regelarbeitszeit für Lehrer an Hauptschulen 29 Wochenstunden betrage, ergebe sich schon hieraus, dass die Voraussetzungen des § 119 Abs.3 Nr.1 SGB III erfüllt seien, abgesehen davon, dass die Beschränkung der Arbeitszeit des Klägers auf den Bedarf seines letzten Arbeitgebers und nicht auf seiner Arbeitsbereitschaft beruht habe. Des Weiteren sei die Beschäftigung des Klägers nicht durch eine ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen. Der Kläger besitze nach der beigezogenen Akte der Ausländerbehörde eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 des Ausländergesetzes. Eine Erwerbstätigkeit sei ihm im Rahmen der Promotion an der Fakultät für Pädagogik bei der Universität der Bundeswehr gestattet. Zwar erlösche die Aufenthaltsgenehmigung mit Beendigung oder Abbruch der Promotion. Nach glaubhafter Auskunft des Klägers und der Auskunft der Universität der Bundeswehr sei mit einem Abschluss der Promotion nicht vor 2005 zu rechnen. Es sei der Beklagten folglich möglich, den Kläger auf einen im Rahmen der ausländerrechtlichen Auflage gestatteten Arbeitsplatz zu vermitteln. Im Übrigen bedürfe ein ausländischer Arbeitsloser einer Arbeitserlaubnis erst bei Aufnahme einer Beschäftigung, nicht schon bei der Arbeitsplatzsuche. Erst wenn das Arbeitsamt über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr, der frühestens mit dem Antrag auf Leistungen beginne, durch intensive Vermittlungsbemühungen erfolglos versucht habe, den ausländischen Arbeitslosen in Arbeit zu vermitteln, sei der Schluss berechtigt, dass diesem Arbeitnehmer der für ihn nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten zugängliche Arbeitsmarkt verschlossen sei. Da sich der Kläger erst mit Wirkung vom 08.09.2003 arbeitslos gemeldet habe, könne aber die im streitgegenständlichen Bescheid vom 04.09.2003 behauptete einjährige Prüfungsfrist nicht abgelaufen sein.

Zur Begründung der Berufung führt die Beklagte aus, gemäß der von der Ausländerbehörde erteilten Aufenthaltsgenehmigung sei dem Kläger eine Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Hiervon ausgenommen seien lediglich Tätigkeiten im Rahmen der Promotion an der Fakultät für Pädagogik der Universität der Bundeswehr sowie arbeitsgenehmigungsfreie Tätigkeiten als Sportlehrer im Rahmen der Promotion. Damit stehe der Kläger dem für ihn nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten zugänglichen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil lediglich eine Vermittlung im Rahmen der Promotion an der Fakultät für Pädagogik der Universität der Bundeswehr oder aber eine Vermittlung als Sportlehrer im Rahmen der Promotion, also zu deren Unterstützung, an öffentliche bzw. öffentlich anerkannte Schulen überhaupt denkbar gewesen wäre. Eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsmarktes dürfe er damit gerade nicht ausüben.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 09.06.2004 aufzuheben und die die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass er nur deshalb 14 Stunden gearbeitet habe, weil der Bedarf nicht höher gewesen sei. Die Ausländerbehörde mache keinen Einwand dagegen geltend, dass er als Sportlehrer auch mehr als 15 Stunden arbeite.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor.

In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als begründet.

Zu Unrecht hat das SG München mit Urteil vom 09.06.2004 der Klage stattgegeben, da der Bescheid vom 04.09.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2003 nicht zu beanstanden ist.

Denn der Kläger steht der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung.

Gemäß § 117 Abs.1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alg, die neben Erfüllung weiterer Voraussetzungen arbeitslos sind. Arbeitslos ist gemäß § 118 Abs.1 SGB III ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche). Eine Beschäftigung sucht gemäß § 119 Abs.1 SGB III, wer 1. alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und 2. den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit).

Gemäß § 119 Abs.2 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung, wer arbeitsfähig und in seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist. Arbeitsfähig ist gemäß § 119 Abs.3 Nr.1 SGB III ein Arbeitsloser, der eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben kann und darf.

Die zuletzt erteilte Aufenthaltsgenehmigung von der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt M. vom 25.07.2002 wurde zum Erwerb der Promotion des Klägers erteilt und erlischt automatisch mit deren Beendigung oder Abbruch. Sie enthält die Einschränkung: "Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Ausnahme-Tätigkeit im Rahmen der Promotion an der Fakultät für Pädagogik der Universität der Bundeswehr gestattet. Erweiterung der Nebenbestimmungen: Tätigkeit gemäß § 9 Nr.8 Arbeitsgenehmigungsverordnung (arbeitsgenehmigungsfrei) als Sportlehrer im Rahmen der Promotion gestattet." Gemäß § 284 Abs.1 SGB III dürfen Ausländer eine Beschäftigung nur mit Genehmigung des Arbeitsamtes ausüben und von Arbeitgebern nur beschäftigt werden, wenn sie eine solche Genehmigung besitzen. Nach § 284 Abs.5 SGB III darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn der Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 5 des Ausländergesetzes besitzt, soweit durch Rechtsverordnung nichts anderes bestimmt ist und wenn die Ausübung einer Beschäftigung nicht durch eine ausländerrechtliche Auflage ausgeschlossen ist.

Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Arbeitsgenehmigung nach § 284 Abs.5 SGB III liegen nicht vor. Denn der Kläger steht im für ihn nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten zugänglichen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil lediglich eine Vermittlung im Rahmen der Promotion an der Fakultät für Pädagogik der Universität der Bundeswehr oder aber eine Vermittlung als Sportlehrer im Rahmen der Promotion, also zu deren Unterstützung, an öffentlichen bzw. öffentlich anerkannten Schulen überhaupt denkbar wäre. Somit kann der Kläger eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausüben.

Insoweit spielt es auch keine Rolle, dass die Beklagte sich nicht ein Jahr lang bemüht hat, eine Arbeitsstelle für den Kläger zu finden, weil jedwede Tätigkeit nur im Rahmen der Promotion ausgeübt werden könnte.

Somit war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG München vom 09.06.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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