L 5 R 368/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 1177/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 368/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 29. Januar 2003 sowie des Bescheides vom 1. März 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2002 verurteilt, dem Kläger ausgehend vom Eintritt der verminderten Erwerbsfähigkeit im November 2004 Rente auf Zeit wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Juni 2005 bis 31. Dezember 2006 zu gewähren.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Berufungsver- fahrens zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1947 geborene Kläger kroatischer Staatsangehörigkeit mit Wohnsitz in seiner Heimat erhält dort seit 01.01.1999 Invalidenrente. In Kroatien hat er von März 1963 bis Dezember 1984 mit Unterbrechungen und von April 1985 bis Dezember 1998 ununterbrochen Versicherungszeiten zurückgelegt.

In Deutschland war er von Januar 1969 bis August 1982 versicherungspflichtig beschäftigt. Laut ersten eigenen Angaben hat er keine Berufsausbildung absolviert und war als LKW-Fahrer tätig. Später hat er angegeben, den Beruf des Kfz-Schlossers erlernt zu haben, als Monteurschlosser und Fahrer bzw. als Hydraulikschlosser gearbeitet zu haben und ein Diplom als Berufskraftfahrer zu besitzen. Der letzte Arbeitgeber in Deutschland, die E. GmbH, hat im Juni 2002 mitgeteilt, keine Unterlagen mehr zu besitzen, und der Arbeitgeber von 1970 bis 1972 war nicht zu ermitteln. Zusammen mit dem Rentenantrag vom 08.10.1999 wurde das Formblattgutachten HR-D 207 vom 24.01.2001 übersandt. Unter Berücksichtigung medizinischer Fremdbefunde wurde darin ausgeführt, wegen kompensierter Bluthochdruckerkrankung und Schmerzen an der Wirbelsäule, den Hüften, Knien und Füßen könne der Kläger nur leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen verrichten. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit könne er lediglich unter zwei Stunden täglich ausführen. Die Beklagte veranlasste eine stationäre Untersuchung des Klägers vom 18. bis 20.02.2002 in der Ärztlichen Gutachterstelle R ... Im Gutachten Dr.R. , Internist, heißt es, trotz Aufbrauchserscheinungen des Stützapparats und Bluthochdrucks seien leichte vollschichtige Tätigkeiten ohne häufiges Bücken, einseitige Körperhaltung und dauerndes Gehen und Stehen zumutbar. Als LKW-Fahrer könne der Kläger nicht mehr tätig sein. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 01.03. 2002 ab. Den Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 21.08.2002 mit der Begründung zurück, die letzte Tätigkeit in der Fabrik für Hydraulikpumpenaggregate sei eine ungelernte gewesen, so dass er auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei. Beweise für eine höhere Qualifikation fehlten. Dagegen hat der Kläger am 12.09.2002 Klage erhoben, geltend gemacht, zwölf Jahre lang als Monteur/Schlosser in Lohngruppe 7 gearbeitet zu haben, und medizinische Befunde übersandt. Das Sozialgericht hat den Kläger von drei Fachärzten untersuchen lassen. Der Nervenarzt P.R. hat laut Gutachten vom 27.01.2003 ein gut kompensiertes leichtes psychovegetatives Syndrom mit depressiven Zügen festgestellt und nur leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung in geschlossenen Räumen, ohne besonderen Zeitdruck, Nachtdienst, schweres Heben und Tragen und ohne besondere Anforderung an die nervliche Belastbarkeit für zumutbar erachtet. Das Anpassungs- und Umstellungsvermögen sei erhalten. Der Orthopäde Dr.S. hat in seinem Gutachten vom 28.01.2003 nur über altersentsprechende degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule, den Knie- und Sprunggelenken berichtet und eine Beweglichkeitseinschränkung lediglich durch Übergewicht bejaht. Weitere Leistungseinschränkungen hat er daraus nicht abgeleitet. Der Internist Dr.P. hat unter Berücksichtigung eines augenärztlichen Befundes in seinem Gutachten vom 27./28.01.2003 eine arterielle Hypertonie mit Fundus hypertonicus Stadium I bis II sowie eine Hörminderung mit Ohrgeräuschen diagnostiziert. Auch er hat keine zusätzliche Leistungseinschränkung über die von dem Nervenarzt berichteten hinaus bejaht. Gestützt auf die von Amts wegen eingeholten Sachverständigengutachten hat das Sozialgericht die Klage am 29.01.2003 abgewiesen. Wegen Erfolglosigkeit der Arbeitgeberanfragen und der ursprünglichen Angabe zur fehlenden Berufsausbildung hat es den Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt für verweisbar gehalten. Gegen das am 24.06.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.07.2003 Berufung eingelegt. Seines Erachtens ist die Beurteilung der zeitlichen Leistungsfähigkeit nicht nachvollziehbar. Er hat Befunde u.a. über eine Kur Anfang 2003 wegen orthopädischer Gesundheitsstörungen übersandt, die laut Beurteilung der von der Beklagten zugezogenen Chirurgin A. P. keine Änderung der Beurteilung veranlassen. Im Auftrag des Gerichts hat der Orthopäde Dr.Z. am 21.01.2004 ein Gutachten erstellt. Er hat folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert: Ausgeprägte degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit knöchernen Abstützreaktionen und intermittierende Reizung der Nervenwurzeln L5 und S1 links ausgeprägter als rechts, Thorakalkyphose mit paravertebralem Hartspann und erhebliche degenerative Veränderungen der gesamten Halswirbelsäule ohne Wurzelreizerscheinungen, Impingement beider Schultern bei nachgewiesener Verschmälerung des Subakromialraums und Supraspinatussehnendegeneration, Coxarthrose im Initialstadium beidseits ohne wesentliche Bewegungseinschränkung, mediale und retropatellare Arthrose am linken Kniegelenk mit Ergussbildung und mäßiger Bewegungseinschränkung, initiale mediale und retropatellare Arthroseentwicklung am rechten Kniegelenk ohne Ergussbildung, Stammvarikosis an beiden Beinen und deutliche Ödembildung prätibial beidseits, Fußrückenexostose und dorsale und plantare Fersenspornbildung rechts ausgeprägt, initiale Fußrückenexostose mit leichterem dorsalen und plantaren Fersensporn am linken Fuß. Der Sachverständige hat an qualitativen Einschränkungen neben dem Heben und Tragen von Lasten das vollschichtige Stehen und Gehen für ausgeschlossen erachtet. Wenn der Kläger nicht länger als eine Stunde im Stehen bzw. im Gehen bzw. ununterbrochen im Sitzen arbeiten müsse, sei ein vollschichtiges Arbeiten noch möglich. Arbeiten auf Leitern sowie mit häufigem Treppensteigen, Überkopfarbeiten und Arbeiten, die eine starke Haltekraft der Arme benötigten, seien zu vermeiden. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Dazu hat die Beklagte ausgeführt, der vom Sachverständigen geforderte regelmäßige Haltungswechsel sei als Postmitarbeiter, Bote oder Pförtner gewährleistet. Mit Schriftsatz vom 07.06.2004 hat der Klägerbevollmächtigte vorgetragen, der Kläger sei wegen Schlafstörungen, Angst- und Panikattacken in ständiger psychiatrischer Behandlung. Laut Befundbericht der Fachärztin für Psychiatrie Dr.K. vom 29.07.2004 wird der Kläger dort seit 13.02.2003 wegen Störungen aus dem depressiven Kreis behandelt. Daraufhin hat das Gericht den Neurologen und Psychiater Dr.K. mit einer ambulanten Untersuchung des Klägers beauftragt. Diese hat am 23.11.2004 stattgefunden und war Grundlage des am 24.11.2004 erstellten Gutachtens. Laut Ansicht des Sachverständigen leidet der Kläger an einem aktuell nur leicht ausgeprägten reaktiv-depressiven Syndrom, das eine vollschichtige Beschäftigung beispielsweise als Pförtner nicht ausschließe. Zu vermeiden seien Arbeiten, die mit erheblichen Einflüssen wie Kälte, Nässe, Hitze, Temperaturschwankungen und Lärm verbunden seien, ebenso Zwangshaltungen, Arbeiten unter Zeitdruck wie Akkord und Schichtbedingungen. Auch als Pförtner könne der Kläger noch acht Stunden arbeiten. Auf Antrag des Klägers ist am 23.05.2005 aufgrund einer am 18.05.2005 in F. durchgeführten Untersuchung von dem Facharzt für Psychiatrie Dr.H. ein psychiatrisches Gutachten erstellt worden. Dieser hat auf seinem Fachgebiet eine depressive Episode mittelgradiger bis schwerer Ausprägung im Rahmen einer chronischen depressiven Entwicklung diagnostiziert und den Kläger für außerstande erachtet, auch nur wenige Stunden am Tag in gewisser Regelmäßigkeit irgendeiner Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die bestehende Antriebsminderung und Konzentrationsbeeinträchtigung hindere den Kläger vor dem Hintergrund bereits deutlich eingeschränkten qualitativen Leistungsprofils daran, irgendwelche Tätigkeiten über einen Zeitraum von drei oder mehr Stunden auszuführen. Keinesfalls lasse sich die gegenwärtige Leistungsbeurteilung bis zum Oktober 1999 zurückdatieren. Es spreche einiges dafür, eine relevante Verschlechterung zum April 2004 anzunehmen. Dem widerspreche allerdings das in seiner Darstellung widersprüchliche Gutachten des Dr.K ... Angesichts der bestehenden Multimorbidität, der erkennbaren Chronifizierungstendenzen und der bisher unbefriedigenden Therapieerfolge seien die Besserungsaussichten mittlerweile insgesamt gering. Die Nervenärztin Dr.K. hat von Seiten der Beklagten darauf hingewiesen, der Sachverständige schildere keine gravierenden mnestischen Defizite und die Schilderung der Beschwerden mittels ausladender Gesten sei mit der Diagnose einer schwereren Depression nicht vereinbar. Der testpsychologische Befund basiere letztlich auf den Angaben des Versicherten, so dass sie empfehle, den Ausführungen des Sachverständigen nicht zu folgen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29.01.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 01.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.08.2002 zu verurteilen, ihm ab 01.11.1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, zumindest wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29.01.2003 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29.01.2003 ist ebenso wie der Bescheid der Beklagten vom 01.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.08.2002 abzuändern. Der Kläger hat Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.06.2005. Er ist seit November 2004 voll erwerbsgemindert. Für die Zeit davor steht ihm keine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu. Insoweit war die Berufung im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen. Aufgrund der Rentenantragstellung am 08.10.1999 kommen als mögliche Anspruchsgrundlagen die §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung in Betracht. Angesichts des Umfangs und der Dauer der Versicherungszeiten bis Dezember 1998 sind die danach notwendigen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zweifelsfrei erfüllt. Wegen anschließenden Invaliditätsrentenbezugs ab 01.01.1999 und der Geltung des deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommens vom 24.11.1997 (BGBl. 1998 II, S.2034), das die Gleichstellung der in Kroatien zurückgelegten Verlängerungstatbestände beinhaltet, ist der Zeitpunkt des Versicherungsfalls für den Leistungsanspruch unmaßgeblich. Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit liegen jedoch bis zur Untersuchung durch Dr.K. im November 2004 nicht vor.

Mit dieser Beurteilung folgt der Senat den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Landshut, auf die gemäß § 153 Abs.2 SGG Bezug genommen wird. Wegen widersprüchlicher Angaben des Klägers zu seiner Ausbildung und zur Art der Beschäftigung in Deutschland steht ihm kein Berufsschutz zu, so dass er als einfacher Angelernter auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist. Das bis November 2004 bestehende Restleistungsvermögen reichte auch aus, entsprechende Arbeitsplätze auszufüllen. Dabei ist das im erstinstanzlichen Verfahren gefundene Ermittlungsergebnis durch die Begutachtung im Berufungsverfahren bestätigt worden. Dr.Z. hat zwar die in seinem Gutachten vom 21.01.2004 dargestellten Gesundheitsstörungen schwerer eingeschätzt als dies Dr.S. getan hat. Angesichts der nur mäßig eingeschränkten Beweglichkeit und der geringen Nervenfunktionsstörungen im Bereich des Beines hat er jedoch lediglich qualitative Leistungseinschränkungen für gegeben erachtet. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Einschränkungen konnte der Kläger noch vollschichtig arbeiten. Das Gutachten Dr.Z. überzeugt durch seine ausführliche Befunderhebung, die fachärztliche Kompetenz und die schlüssige Begründung. Von Seiten des Klägers ist es nicht angegriffen worden. Die qualitativen Einschränkungen geben keinen Anlass, am Zugang zum Arbeitsmarkt zu zweifeln. Von Seiten der Lendenwirbelsäule sowie Hals- und Brustwirbelsäule sind das Heben und Tragen von Lasten deutlich eingeschränkt, ebenso langes Sitzen und Stehen sowie vollschichtig stehende und gehende Tätigkeiten. Auch Treppensteigen und Arbeiten in kniender oder hockender Position können nicht mehr zugemutet werden. Es sollte nicht länger als eine Stunde in einförmiger Körperhaltung wie Stehen, Gehen oder Sitzen gearbeitet werden. Im Positiven kann der Kläger auch im Hinblick auf die Gesundheitsstörungen auf internistischem Fachgebiet noch leichte und ruhige Arbeiten in temperierten Räumen zu ebener Erde ausüben. Damit waren dem Kläger noch körperliche Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw. erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten gefordert zu werden pflegen. Der vom Sachverständigen beschriebene notwendige Haltungswechsel stellt keine schwere spezifische Leistungsbeschränkung dar. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass lediglich einförmige Körperhaltung über einen längeren Zeitraum als eine Stunde zu vermeiden ist, kein fester Arbeitsrhythmus, unterbrochen durch Gehen bzw. Lageänderung, vorgegeben ist, wie dies in dem der Entscheidung des Bundessozialgerichts zugrunde liegenden Fall vom 28.08.1991 der Fall war (SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr.8). Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erübrigt sich daher. Beispielsweise erscheinen aber Tätigkeiten wie die des einfachen Pförtners zumutbar. Entscheidendes Gewicht für den Ausgang des Rentenstreitverfahrens kam der Beurteilung des nervenärztlichen Status zu. Dieser hindert den Kläger seit November 2004 daran, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Er ist daher voll erwerbsgemindert (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI). Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das überzeugende und ausführliche Gutachten, das auf Antrag des Klägers von dem Psychiater Dr.H. eingeholt worden ist. Dieser Facharzt hat den Kläger persönlich untersucht, sämtliche vorhandenen Vorbefunde sorgfältig gewürdigt und seine Beurteilung in Auseinandersetzung mit den zuvor erstellten Gutachten der entsprechenden Fachrichtung schlüssig begründet. Zwar widerspricht dieser vom Kläger ausgewählte Sachverständige den Ausführungen des vom Gericht bestellten Sachverständigen Dr.K. , weswegen die Nervenärztin Dr.K. erhebliche Zweifel am Ausmaß der vorhandenen Gesundheitsstörungen äußert. Dr.H. hat jedoch zu Recht die Überzeugungskraft des Gutachtens vom 24.11.2004 bezweifelt, wohingegen seine Leistungseinschätzung ausreichend fundiert erscheint. Zweifellos haben sich psychische Auffälligkeiten erst nach der Begutachtung durch den Nervenarzt P. R. am 27.01.2003 entwickelt. 1996 ist durch einen Psychiater ausdrücklich festgehalten worden, der Kläger weise keine psychische Krankheit auf und die erste psychiatrische Behandlung hat erst im Februar 2003 stattgefunden. Bis Januar 2003 ist daher lediglich ein gut kompensiertes leichtes psychovegetatives Syndrom mit depressiven Zügen nachgewiesen. Auch Dr.K. ist von einer nur geringgradig ausgeprägten reaktiv-depressiven Symptomatik ausgegangen, die zudem unzureichend therapiert sei. Er hat sich dabei auch auf die entsprechende Beurteilung der behandelnden Nervenärztin im Befundbericht vom 29.07.2004 stützen können. Er fand den Kläger stimmungsmäßig nicht depressiv, nur wegen seiner sozialen Lage bedrückt und weinerlich, verneinte eine Antriebsstörung und stellte neben ausreichender Schwingungsfähigkeit eine adäquate Psychomotorik fest. Demgegenüber stellte Dr.H. bei der Untersuchung sechs Monate später eine deutlich eingeschränkte affektive Schwingungsfähigkeit, depressive Grundstimmung, Todeswünsche und auffällige Psychomotorik fest. Unter Berücksichtigung der anamnestischen Angaben, des aktuellen Untersuchungsbefundes mit Interessenverlust, Freudlosigkeit, Verminderung des Antriebs, erhöhter Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkung sowie des Ergebnisses der testpsychologischen Untersuchung sind die Voraussetzungen zur Diagnose eines mittelgradigen bis schweren depressiven Syndroms gegeben. Beim Fehlen jeglicher Hinweise auf bestehende Aggravations- oder Simulationstendenzen war die Übereinstimmung der geschilderten Befunde mit den Angaben zur aktuellen Lebensgestaltung des Klägers zu überprüfen. Dabei waren gravierende Auswirkungen im Sinne eines Rückzugs festzustellen. Schließlich ist davon auszugehen, dass der Kläger die aus den diagnostizierten somatischen Erkrankungen resultierenden Beschwerden auf orthopädischem und internistischem Fachgebiet vor dem Hintergrund seiner depressiven Befindlichkeit intensiviert wahrnimmt. Zutreffend schreibt Dr.K. , sie könne angesichts des Gutachtens von Dr.H. keine wesentliche Verschlechterung nach der letzten nervenärztlichen Begutachtung durch Dr.K. ausmachen. Auch diesem gegenüber hatte der Kläger angegeben, ständig eine Art Trauer in sich zu spüren, zu nichts mehr Lust zu haben. Er habe keine Freude mehr an irgendwelchen Sachen, sitze die meiste Zeit zu Hause herum, meide die Gesellschaft, habe keine Energie und Kraft mehr, sei vergesslich und habe Schwierigkeiten durchzuschlafen. Im psychopathologischen Befund hat Dr.K. dann allerdings keine Anhaltspunkte für ein darniederliegendes energetisches Potential und keine Verhaltensauffälligkeiten festgestellt. Er beschreibt die überwiegend lebhafte, gestenreiche Schilderung bei lebhaftem Ausdrucksverhalten. Zutreffend wendet Dr.H. dagegen ein, angesichts dieser Diskrepanz zwischen Selbsteinschätzung des Klägers und dem Befund wäre eine eingehende Reflexion in der Befunddiskussion unverzichtbar gewesen. Diese Unterlassung wäre nur nachvollziehbar, wenn die Angaben des Klägers damals einer bewusstseinsnahen Verdeutlichungstendenz entsprungen wären. Hierfür werden in dem Gutachten Dr.K. jedoch keinerlei konkrete Anhaltspunkte geliefert und in mehreren der anderen Gutachten wurde explizit das Fehlen von Aggravations- und Simulationstendenzen attestiert. Im Übrigen ist als weiteres Defizit des von Dr.K. erstellten Gutachtens festzustellen, dass keine speziellen Erhebungen zur Tagesstruktur und zu sozialen Kontakten stattgefunden haben. Der höhere Beweiswert des gemäß § 109 SGG erstellten Gutachtens ergibt sich schließlich auch daraus, dass Dr.H. zusätzlich einen testpsychologischen Befund erhoben hat. Zwar ist es richtig, dass bei der Verwendung der Hamilton Depression Scale letztlich die Angaben des Versicherten zum Tragen kommen, wie Dr.K. anmerkt. Durch den Einsatz testdiagnostischer Verfahren kann die Aussagekraft der sozialmedizinischen Beurteilung im Einzelfall aber deutlich erhöht werden (Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, VDR, 6. Auflage, S.528) und Dr.H. hat mit seiner Art der Verwendung dieses Untersuchungsverfahrens deutlich gemacht, dass er in der Lage ist, das Testergebnis im Zusammenhang mit den übrigen Einzelbefunden kritisch zu gewichten, zu interpretieren und zu werten. Die Anwendung dieses Verfahrens erschien ihm deshalb notwendig, um die Widersprüchlichkeiten zwischen der Geltendmachung der psychischen Erkrankung als leistungsmindernd einerseits und den zu beobachtenden Dissimulationstendenzen andererseits aufzudecken. Unter Berücksichtigung der Gesamtbeeinträchtigung erscheint der Kläger in seinem allgemeinen und beruflichen Leistungsvermögen gravierend beeinträchtigt. Die bestehende Antriebsminderung und Konzentrationsbeeinträchtigung hindern den Kläger im Zusammenwirken mit den qualitativen Leistungseinschränkungen an der relativ verzögerungsfreien Ausführung irgendwelcher Tätigkeiten über einen Zeitraum von drei oder mehr Stunden. Er ist daher unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht mehr konkurrenzfähig. Nicht gefolgt werden kann Dr.H. hinsichtlich des Zeitpunkts, ab wann von einer schweren Phase der Depression auszugehen ist und hinsichtlich der Prognose. Zwar heißt es im Befundbericht der behandelnden Ärztin vom 29.07.2004, seit April 2004 sei es zu erneuten Progressionen gekommen. Im Übrigen ist der Befundbericht der behandelnden Psychiaterin aber sehr knapp und enthält insbesondere lediglich die Diagnose einer leichten depressiven Störung. Nachgewiesen ist das Ausmaß der vorliegenden Erkrankung erst ab dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr.K. im November 2004. Der Sachverständige hält eine Besserung des Gesundheitszustands in absehbarer Zeit für nicht wahrscheinlich. Völlig ausschließen lasse sich eine solche Besserung zwar nicht, doch seien die Besserungsaussichten angesichts der bestehenden Multimorbidität, der erkennbaren Chronifizierungstendenzen und der bisher unbefriedigenden Therapieerfolge insgesamt gering. Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass der Kläger erst seit Februar 2003 in psychiatrischer Behandlung ist und die notwendige Medikation bislang noch keine Anwendung gefunden hat. Der Sachverständige selbst schreibt, der Dosierungsrahmen der antidepressiven Behandlung erscheine noch nicht vollständig ausgeschöpft, jedoch deshalb erschwert, weil der Kläger in der Vergangenheit unter mehreren Antidepressiva relevante Nebenbenwirkungen bemerkt habe. Entsprechende ärztliche Unterlagen hierzu fehlen jedoch. Laut Befundbericht der behandelnden Ärzte ist der Kläger bislang lediglich mit einem Beruhigungsmittel behandelt worden. Auch wenn erhebliche Zweifel anzumelden sind, ob die Krankheit des Klägers angesichts seines Alters und der Multimorbidität besserungsfähig ist, so muss eine Besserung doch nicht für unwahrscheinlich im Sinn des § 102 Abs.2 SGB VI gehalten werden. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass erst ab November 2004 von einer derart schwerwiegenden Beeinträchtigung auszugehen ist.

Aus diesen Gründen war der Berufung ein teilweiser Erfolg zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved