L 2 U 410/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 40 U 5044/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 410/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.11.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen. -

Tatbestand:

Der 1950 geborene Kläger beantragte am 29.12.2000 die Anerkennung einer Berufskrankheit.

Er habe seit Anfang 1989 zunächst als Holzhilfsarbeiter, dann als Friedhofsarbeiter und Sargträger, zuletzt als Friedhofsschaffner bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 01.12.1997 gearbeitet. Bei diesen Tätigkeiten sei er, insbesondere durch das Tragen der schweren Grabsteine und Särge, stark rückenbe- lastend tätig gewesen. Auch habe er häufig Arbeiten in einem Rumpfbeugewinkel von mehr als 90 Grad verrichten müssen.

Die Beklagte zog einen Bericht der Radiologin Dr.D. vom 29.01.1998 bei, in dem ausgeführt wurde, sowohl im Segment L4/5 als auch L5/S1 bestünden zum Teil Bandscheibenprolapse. Nach Beiziehung weiterer Röntgenaufnahmen erklärte der Beratungsarzt der Beklagten, der Chirurg Dr.K. , die Röntgenaufnahmen zeigten beginnende Verschleißveränderungen der unteren Halswirbelsäule, auffälligere Veränderungen im Bereich der mittleren Brustwirbelsäule sowie statische Verändeurngen im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule. Das Vorliegen eines belastungskonformen Schadensbildes im Sinne der Berufskrankheit 2108 sei zu verneinen.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 19.09.2002 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage zur BKV mit der Begründung ab, eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne der Nr.2108 liege nicht vor. Ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien, könne dahingestellt bleiben. Den Widerspruch des Klägers vom 23.10.2002 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2003 zurück.

Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, seine Tätigkeit als Friedhofsschaffner sei mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten in extremer Rumpfbeugehaltung verbunden gewesen. Diese Tätigkeiten seien ursächlich für die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Chirurg Dr.Dr.K. kam im Gutachten vom 25.07.2003 zusammenfassend zu dem Ergebnis, auffällig und berufsunabhängig sei eine lumbosakrale Übergangsstörung. Sie gehe häufig mit Bandscheibenleiden einher. Die Röntgenaufnahmen zeigten an Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule einen etwa gleich ausgeprägten schicksalhaften Verschleiß, vor allem an der unteren Halswirbelsäule und der unteren Lendenwirbelsäule. Eine besondere Betonung der Veränderungen an der Lendenwirbelsäule sei nicht zu erkennen; vor allem zeige sich kein altersvorgreifender Aufbrauch in den Segmenten BWK12 bis LWK4. Zwar bestehe die Möglichkeit, dass der Kläger das Bandscheibenleiden durch die frühere Tätigkeit erlitten habe, es spreche aber weit mehr für eine schicksalhafte Genese.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 07.11.2003 abgewiesen. Die berufliche Tätigkeit des Klägers sei nicht die wesentlich mitwirkende Ursache für seine Wirbelsäulenerkrankung und insbesondere die Bandscheibenvorfälle in den Segmenten L4/5 und L5/S1. Wirbelsäulenerkrankungen seien als schicksalhafte Erkrankung in der Gesamtbevölkerung weit verbreitet. Um eine Berufskrankheit davon abzugrenzen, sei es erforderlich, dass neben einer nachgewiesenen besonderen beruflichen Belastung auch ein entsprechendes, auf langwierige mechanische Überlastung hinweisendes Krankheitsbild vorliege. Beim Kläger seien klinische Beschwerden erstmals im 47. Lebensjahr aufgetreten und damit nicht mindestens 10 Jahre vor dem Auftreten altersüblicher Verschleißerscheinungen. Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule seien etwa gleich ausgeprägten Verschleißerscheinungen unterworfen. Da langjähriges schweres Heben und Arbeiten in extremer Rumpfbeugung besonders die Bewegungssegmente BWK12 bis L4 beanspruche, sprächen der fehlende altersvorgreifende Aufbrauch in diesen Segmenten und die generalisierende Erkrankung auch der anderen Wirbelsäulenabschnitte gegen einen durch langjährige Tätigkeit verursachten Überlastungsschaden. Gemäß § 9 Abs.3 SGB VII spreche eine gesetzliche Vermutung für einen ursächlichen Zusammenhang mit den unter besonderen Bedingungen verrichteten beruflichen Tätigkeiten, wenn Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der verrichteten Tätigkeit nicht festgestellt werden könnten. Da die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers das typische Erscheinungsbild einer anlagebedingten degenerativen Erkrankung habe und die Bandscheibenvorfälle in den Segmenten eingetreten seien, wo bei ihm eine anlagebedingte Formstörung bestehe, greife diese gesetzliche Vermutung nicht ein.

Zur Begründung der Berufung wandte der Kläger ein, er könne seine bandscheibenbedingte Erkrankung nur durch Abnutzung in der Arbeit erlitten haben; die Schwere der von ihm geleisteten Arbeiten sei nicht genügend berücksichtigt worden.

Der auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr.S. führte im Gutachten vom 13.01.2004 zusammenfassend aus, im Hinblick auf die starke Arbeitsbelastung des Klägers sei der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der Arbeit mehr als hinreichend wahrscheinlich. Das Computertomogram vom 29.08.1998 habe Bandscheibenprolapse im Segment L4/L5 und L5/S1 gezeigt. Diese Bandscheibenvorfälle seien schon älteren Datums; solche fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen können man aber normalerweise erst in einem höheren Alter als mit 47 Jahren erwarten. Anlagebedingte Veränderungen, nämlich Anomalien am lumbosakralen Übergang, lägen nicht vor; somit könnten keine prädisponierenden Faktoren für bandscheibenbedingte Krankheiten gesehen werden. Auch neurologische Erkrankungen seien auszuschließen.

Die Beklagte übersandte eine Stellungnahme ihres Beratungsarztes, des Orthopäden Dr.S. , vom 10.02.2005, in der Dr.S. ausführte, ein Bandscheibenschaden werde dann zur bandscheibenbedingten Erkrankung, wenn sich ein krankhafter Segmentbefund mit entsprechender subjektiv wahrgenommener Symptomatik entwickeln könne. Zu erwarten seien Bewegungsschmerz, eine Entfaltungsstörung der Lendenwirbelsäule, ein erhöhter Tonus, ein sensibles und/oder motorisches Defizit und eine Höhenminderung des Bandscheibenraumes. Nicht alle Kriterien seien jeweils deutlich nachweisbar, bei sorgfältiger Untersuchung jedoch zumindest in geringer Ausprägung zu erkennen. Insoweit sei es auffällig, dass Dr.S. bei der Befunderhebung ausdrücklich neurologische Auffälligkeiten verneine und bei den Funktionsdaten weitgehend altersreguläre Entfaltungsparameter angebe. Chondrotische Verdichtungen der Abschlussplatten würden nicht beschrieben. Dem Lebensalter vorauseilende Veränderungen lägen beim Kläger nicht vor, dies bestätige auch Dr.S. , wenn er von altersentsprechend normalen spondylotischen Ausziehungen an sämtlichen Lendenwirbelkörpern berichte.

Der Kläger erklärte hierzu im Schreiben vom 29.03.2005, Dr.S. sei beratender Arzt der Beklagten und daher Partei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.07.2005 beantragte der Bevollmächtigte des Klägers, Dr.S. zu den Ausführungen von Dr.S. zu hören und ein Übergutachten einzuholen.

Der Kläger stellt den Antrag,

aus dem Schriftsatz vom 22.12.2003 mit der Maßgabe, dass eine Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage zur BKV anzuerkennen sei.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wird. (§ 153 Abs. 2 SGG)

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen Dr.S. den Senat nicht zu überzeugen vermochten. Dr.S. hat nicht berücksichtigt, dass nach den von ihm erhobenen Befunden Zeichen einer Nervenwurzelreizung oder andere neurologische Krankheitsbefunde nicht festzustellen waren. So hat er ausdrücklich erwähnt, dass der Kläger keine ausstrahlenden Schmerzen ins Bein angebe. Zu Recht hat der beratende Arzt der Beklagten, der Orthopäde Dr.S. , darauf hingewiesen, dass ein sensibles und/oder motorisches Defizit zu den Befundkriterien der bandscheibenbedingten Erkrankung gehört, hier aber gerade nicht vorliegt. Im übrigen haben auch die Ärzte in der Rheumaklinik Bad F. während des Heilverfahrens vom 16.06.1998 bis 14.07.1998 ausdrücklich keine neurologischen Ausfälle festgestellt. Auch hat Dr.S. bei den Funktionsdaten weitgehend altersentsprechende Parameter angegeben ,so dass kein altersvorauseilender Befund festzustellen ist. Dies betrifft auch die von ihm erwähnten altersentsprechend normalen spondylotischen Ausziehungen. Wenn Dr.S. die Auffassung vertritt, beim Kläger bestünden keine für eine bandscheibenbedingten Erkrankung prädisponierenden Befunde, so berücksichtigt er nicht, dass zumindest die Verteilung degenerativer Erscheinungen an der gesamten Wirbelsäule, also an Hals -, Brust- und Lendenwirbelsäule, für ein anlagebedingtes Leiden spricht.

Weitere Ermittlungen waren im Hinblick auf die überzeugenden Ausführungen des ärztlichen Sachverständigen Dr.Dr.K. nicht veranlasst. Der Inhalt des Gutachtens von Dr.S. lässt keine Fragen offen, die in mündlicher Verhandlung geklärt werden müssten. Die Tatsache allein, dass sich ein Gericht einem Gutachten nicht anschließt, ist nicht ausreichend, um einen Sachverständigen vorzuladen. Insbesondere hat Dr.S. in der Stellungnahme vom 10.02.2005 keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, zu denen eine Stellungnahme von Dr.S. erforderlich wäre. Die wesentlichen Gesichtspunkte zur Beurteilung der Frage, ob eine Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage zur BKV vorliegt, hatte schon Dr.Dr.K. im Gutachten vom 25.07.2003 dargelegt. Die bisherigen Ausführungen von Dr.S. sind nicht erläuterungsbedürftig.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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