L 4 B 10/05 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 44 KR 1295/04 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 B 10/05 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 6. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1957 geborene Antragsteller war bei der Antragsgegnerin freiwillig versichertes Mitglied. Im Januar 2003 rechnete die Antragsgegnerin mit einer Krankengeldnachzahlung in Höhe von 526,89 Euro auf. Die Antragsgegnerin teilte ihm im April 2004 (nach ihren Angaben im Erörterungstermin vom 12.11.2004) die Höhe der fälligen Beiträge mit und bat ihn um Auskunft über sein Einkommen. Nachdem dies nicht erfolgte, stufte sie ihn in die Beitragshöchstklasse ein, wobei sie Beiträge in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze der Berechnung zugrundelegte. Mit Bescheid vom 19.08.2004 stellte sie einen Beitragsrückstand vom 01.10.2002 bis 31.07.2004 in Höhe von 10.583,96 Euro fest; sie erinnerte ihn an die Zahlung des Beitragsrückstandes, anderenfalls werde die freiwillige Mitgliedschaft in der Krankenversicherung und Pflegeversicherung zum 15.09.2004 enden. Der Antragsteller legte gegen den Bescheid am 27.08.2004 Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 09.09.2004 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ein weiteres Mal mit, dass bei fehlender Beitragszahlung die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung und Pflegeversicherung zum 15.09.2004 enden werde und die Beiträge zwangsweise eingezogen würden. Ferner ordnete sie die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse an. Der Beitragsrückstand wurde mit insgesamt 11.400,03 Euro angegeben. Der Antragsteller legte hiergegen mit Schreiben vom 15.09.2004 Widerspruch ein, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, eine freiwillige Krankenversicherung mit Anspruch auf Krankengeld ab 17.12.2000 durchzuführen und ab 04.09.2001 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren. Die Antragsgegnerin beauftragte am 01.10.2004 das Hauptzollamt R. mit der Vollstreckung wegen der Beitragsrückstände in Höhe von 10.817,01 Euro (Bescheid vom 09.09.2004). Die Vollstreckungsstelle kündigte die Zwangs- vollstreckung mit den Schreiben vom 13.10.2004 an.

Gleichfalls am 15.09.2004 hat der Antragsteller beim Sozialgericht München (SG) beantragt, den Vollzug des Bescheides vom 09.09.2004 auszusetzen. Im Erörterungstermin des SG vom 12.11.2004 hat er erklärt, dass er sich gegen die Zahlung der Beiträge und die Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft wende. Auf seinen Einwand, er habe eine Forderung bezüglich der Beiträge für den Krankengeldzeitraum vom 09.11. bis 16.12.2000, hat die Beklagte entgegnet, dass das Guthaben bereits mit der Beitragsforderung am 16.01.2003 verrechnet worden sei. Er hat ferner geltend gemacht, er habe die Schreiben der Antragsgegnerin wegen Krankheit nicht in Empfang nehmen können und Beitragsforderungen seien nicht angefallen, da er vom 20.02.2004 bis Mitte Mai 2004 medizinische Behandlung nicht habe erlangen können. Ihm stehe ferner ein Zurückbehaltungsrecht wegen ausstehender Heilbehandlungskosten und Fahrkostenerstattung zu und er sei ab 17.12.2000 mit Anspruch auf Krankengeld freiwillig zu versichern.

Mit Beschluss vom 06.12.2004 hat das SG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Antrag auf Unterlassung der Zwangs- vollstreckung aus dem Beitragsbescheid vom 19.08.2004 und den Antrag auf Fortführung der freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zurückgewiesen. Eine Aussetzung der Zwangsvollstreckung sei abzulehnen. Bei dieser Entscheidung seien die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten, ein überwiegendes öffentliches Interesse an alsbaldiger Vollziehung sowie die Erfolgsaussichten der Klage zu berücksichtigen. Das Interesse der Antragsgegnerin am sofortigen Vollzug überwiege. Es bestünden keine Zweifel an einem berechtigten Zahlungsanspruch der Antragsgegnerin. Die Ansprüche auf Erstattung von Heilbehandlungskosten bzw. Fahrkosten sei nicht ausreichend belegt. Für eine Aufrechnung mit Krankengeldansprüchen fehle es an jeglichen Grundlagen. Auch der Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Beendigung der Mitgliedschaft sei zurückzuweisen. Hier ergebe gleichfalls die summarische Prüfung der Rechtslage, dass die Beendigung der Mitgliedschaft wegen Zahlungsverzugs zu Recht erfolgt sei, da der Antragsteller jedenfalls für zwei Monate trotz Hinweises auf die Folgen die fälligen Beiträge nicht entrichtet habe. Es bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Beendigung der Mitgliedschaft durch Sofortvollzug.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers vom 04.01.2005, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und zusätzlich einwendet, er sei im Zeitpunkt der Zustellung der Mahnung nicht prozessfähig gewesen. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des SG und der Antragsgegnerin Bezug gegenommen.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 172, 173, 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Beschwerde ist unbegründet; das SG hat die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt. Wie sich aus dem Vorbringen des Antragstellers im Erörterungstermin des SG vom 12.11.2004 ergibt, besteht das Rechtsschutzziel des Antragstellers (vgl. § 123 SGG) in der Feststellung, dass die freiwillige Mitgliedschaft fortbesteht und in der Einstellung der Zwangs-vollstreckung des Beitragsrückstandes. Für das erste Rechtsschutzziel ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung, der auch in einer vorläufigen Feststellung bestehen kann, der einschlägige Rechtsbehelf (§ 86b Abs.2 SGG), für das zweite die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 86b Abs.1 Nr.2 SGG), die eine Aussetzung der Vollziehung auch dann zulässt, wenn der Verwaltungsakt schon vollzogen ist (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Auflage, § 86b Rn.5, 10, 30 m.w.N.).

Die Voraussetzungen für diese Rechtsbehelfe sind nicht erfüllt.

Gem. § 86b Abs.2 SGG in der Fassung des 6. SGG-ÄndG vom 17.08.2001 (BGBl I S.2144) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zu Regelungen eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Antrag einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund gegeben sind. Der Anordnungsgrund liegt in der Eilbedürftigkeit (Dringlichkeit) der begehrten Sicherung oder Regelung. Der Anordnungsanspruch ist das Recht, für das vorläufiger Rechtsschutz beantragt wird. Gem. § 86b Abs.2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs.2 Zivilprozessordnung sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Dies ist hier nicht geschehen.

Zu Unrecht begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass die freiwillige Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin fortbesteht. Denn die Antragsgegnerin hat gem. § 191 Satz 1 Nr.3 Sozialgesetzbuch V (SGB V) zu Recht festgestellt, dass die freiwillige Mitgliedschaft am 15.09.2004 kraft Gesetzes wegen fehlender Beitragszahlung erloschen ist. Nach dieser gesetzlichen Regelung endet die freiwillige Mitgliedschaft kraft Gesetzes mit Ablauf des nächsten Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet wurden. Die Antragsgegnerin hat mit den Bescheiden vom 19.08.2004 und 09.09.2004 festgestellt, dass der Antragsteller mit der Zahlung der Beiträge von Oktober 2002 bis einschließlich August 2004 in Rückstand ist, dass deswegen die Mitgliedschaft zum 15.09.2004 ende, wenn die fälligen Beiträge nicht rechtzeitig gezahlt werden und sie hat ihm ausreichend Zeit zur Beitragszahlung gelassen. Ferner hat sie den Hinweis gem. § 191 Satz 2 SGB V erteilt, dass nach dem Ende der Mitgliedschaft eine freiwillige Versicherung auch bei einer anderen Krankenkasse ausgeschlossen ist sowie darauf, dass die Übernahme der Krankenversicherungsbeiträge durch den Sozialhilfeträger möglich ist.

Die vom Antragsteller hiergegen erhobenen Einwendungen ändern an der Rechtsfolge nichts. Die Mitgliedschaft wäre auch zum 15.09.2004 beendet worden, wenn am 17.12.2000 eine freiwillige Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld zustande gekommen wäre; die behauptete Geschäftsunfähigkeit des Antragstellers ist nicht glaubhaft gemacht worden und er hat entgegen seinen Behauptungen die beiden Bescheide auch erhalten, da er hiergegen jeweils Widerspruch eingelegt hat.

Der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Beitragserstattung wegen des Bezugs von Krankengeld, den die Antragsgegnerin bereits im Januar 2003 verrechnet hat, lässt den Anspruch der Antragsgegnerin auf die fälligen Beiträge ebensowenig entfallen, wie die Aufrechnungserklärung des Antragstellers (§§ 387 f. Bürgerliches Gesetzbuch) mit angeblichen Forderungen gegen die Antragsgegnerin auf Krankengeld, Schadensersatz und Schmerzensgeld. Denn derartige Forderungen sind gleichfalls nicht glaubhaft gemacht worden, ohne dass auf deren rechtliche Voraussetzungen noch weiter einzugehen ist. Ebenso ist die vom Antragsteller behauptete Ablehnung von Leistungen durch die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht worden. Es ist auch aus den Akten nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin Leistungen der Krankenbehandlung zu Unrecht abgelehnt hat und der Antragsteller aufgrund einer Selbstbeschaffung dieser Leistungen einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Antragsgegnerin hat. Schließlich spricht nichts für das von ihm geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht der Beiträge (§ 273 BGB), wie das SG zu Recht ausgeführt hat.

Die Antragsgegnerin ist auch nicht aufgrund des Widerspruch des Antragstellers verpflichtet, die aufschiebende Wirkung gem. § 86b Abs.1 Nr.2 SGG anzuordnen bzw. die bereits eingeleitete Zwangsvollstreckung rückgängig zu machen. Hier ist zu berücksichtigen, dass gem. § 86a Abs.2 Nr.1 SGG Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, wenn es um eine Entscheidung über die Beitragspflicht geht. Gem. § 86b Abs.1 Satz 2 i.V.m. § 86a Abs.3 SGG soll die Aussetzung der Vollziehung jedoch erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Das SG hat zu Recht darauf abgestellt, dass ein vorrangiges öffentliches Interesse an der Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge besteht, da hiermit die Leistungen der Versicherten finanziert werden. Aufgrund der in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen pauschalen und summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung. Wie sich aus der Niederschrift über den Erörterungstermin des SG ergibt, hat der Antragsteller die von der Antragsgegnerin geforderten Einkommensnachweise nicht erbracht, so dass der Beitragsberechnung ein Einkommen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zugrundegelegt worden ist. Diese Beitragsberechnung beruht unter anderem auf § 240 Abs.4 Satz 2 SGB V, wonach für freiwillige Mitglieder, die hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind, als beitragspflichtige Einnahmen für den Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 223 SGB V) gilt. Der Antragsteller hat im Verwaltungsverfahren, vor dem SG und im laufenden Beschwerdeverfahren keine Gründe glaubhaft gemacht, dass diese Beitragsbemessung fehlerhaft wäre. Mangels näherer Angaben des Antragstellers über seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse kann auch nicht festgestellt werden, dass die Einziehung der Beiträge eine unbillige Härte ist. Sie liegt nur vor, wenn dem Betroffenen durch die Vollziehung Nachteile entstehen, die über die eigentliche Leistung hinausgehen und nicht oder nur schwer wieder gutgemacht werden können.

Bezüglich der vom Antragsteller behaupteten formellen Rechtswidrigkeit der Bescheide verweist der Senat in entsprechender Anwendung des § 153 Abs.2 SGG auf die zutreffenden Gründe im angefochtenen Beschluss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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