L 8 B 212/04 AL ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 1304/03 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 B 212/04 AL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 20. Februar 2004 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die unter dem Az.: S 5 AL 1099/03 beim Sozialgericht München anhängige Klage aufschiebende Wirkung hat, soweit sie die Erstattung bereits erbrachter Leistungen betrifft. Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, den aufgerechneten Betrag in Höhe von 1.294,20 Euro an den Kläger auszukehren.
II. Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer die Kosten des Antrags- und Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1957 geborene Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) betreibt seit 1996 eine freiberufliche Tätigkeit als Software-Entwickler.

Seit diesem Zeitpunkt erbrachte die Beschwerdegegnerin (Bg.) Entgeltersatzleistungen unter Anrechnung von Nebeneinkommen aus der freiberuflichen Tätigkeit. Auf seinen Weitergewährungsantrag vom 26.09.2002 wurde dem Bf. zuletzt unter Berücksichtigung der gemachten Angaben und vorgelegten Nachweise zur Höhe des Nebeneinkommens Arbeitslosenhilfe (Alhi) bis zum 30.04.2003 gezahlt.

Nach Vorlage weiterer Nachweise nahm die Bg. eine Neuberechnung mit erheblicher Kürzung von geltend gemachten Betriebsausgaben und entsprechender Erhöhung des Nebeneinkommens vor. Mit Bescheid vom 09.05.2003 hob sie die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi wegen der Berücksichtigung eines Nebenverdienstes gem. § 141 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) auf. Der Bf. sei zur Erstattung von 1.294,16 Euro verpflichtet. Dieser Betrag werde gegen die laufende Leistung aufgerechnet.

Gegen den Bescheid vom 09.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2003 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) München erhoben, die unter dem Az.: S 5 AL 1099/03 anhängig ist. Zur Begründung hat der Bf. ausgeführt, dass die vorgenommene Neuberechnung des Nebeneinkommens falsch sei, insbesondere hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit der geltend gemachten Betriebsausgaben.

Mit der Klageerhebung hat der Bf. die "Rückzahlung" der verrechneten Alhi und eine "einstweilige Verfügung" über die Weiterzahlung der Alhi bis zur Entscheidung durch das Gericht beantragt.

Mit Beschluss vom 20.02.2004 hat das SG die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt. Grundsätzlich hätten gem. § 86a Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Dies entfalle jedoch gem. § 86a Abs.2 Nr.2 SGG unter anderem in Angelegenheiten der Bundesanstalt für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen. Da die laufende Leistung Alhi herabgesetzt worden sei, hätten somit weder der eingelegte Widerspruch noch die erhobene Klage aufschiebende Wirkung. Gemäß § 86b Abs.1 Satz 1 SGG könne das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Sei der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, könne das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Hier sei die Entscheidung bereits vollzogen worden. Das Gericht entscheide nach Ermessen und aufgrund einer Interessenabwägung. Dabei sei das besondere öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung mit dem Interesse des Betroffenen abzuwägen, dass für eine endgültige Klärung der Rechtmäßigkeit die Maßnahme nicht vollzogen werde bzw. die Vollziehung rückgängig gemacht werde. Hier habe die Beklagte nicht gegen ihre Anhörungspflicht verstoßen, denn sie habe vor Erlass des Verwaltungsaktes versucht, den Bf. am 09.05.2003 während einer persönlichen Vorsprache die Grundlage der Entscheidung zu erläutern und seine Argumente anzuhören. Andererseits sei grundsätzlich Nebeneinkommen monatlich anzurechnen. Da der Bf. jedoch selber angebe, dass das Einkommen in unregelmäßigen Abständen eingenommen würde, dem zeitlich nicht direkte Angaben gegenüberstünden und die Einkommensanrechnungen in den letzten Jahren auch für einen längeren Zeitraum pauschal erfolgt seien, sei insoweit von seinem Einverständnis auszugehen. Andererseits bestünden gewichtige Zweifel, ob der Kläger tatsächlich arbeitslos sei, da er einen ständigen Arbeitsplatz bei der Firma S. AG habe. Eine endgültige Entscheidung bedürfe weiterer gründlicher Aufklärung. Da der Bf., wie seinen überreichten Bankbelegen zu entnehmen sei, in den Monaten Mai und Juni 2003 nicht bedürftiger als in den Vormonaten gewesen sei bzw. trotz Aufforderung durch das Gericht die Kontoauszüge der H.bank für den Zeitraum nach dem 17.03.2003 nicht übersandt habe, überwiege hier das Interesse der Bg. an einer sofortigen Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Bf ... Er vertritt die Auffassung, einen Anspruch auf gerichtliche Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu haben. Ein solcher Anspruch sei zu bejahen, wenn der Sozialleistungsträger einen angefochtenen Verwaltungsakt faktisch vollziehe, ohne die aufschiebende Wirkung der Klage zu beachten. Hier läge ein Fall der faktischen Vollziehung vor, da die nach § 86a Abs.1 Satz 1 SGG bestehende aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage nicht beachtet worden sei. Entgegen der nicht näher begründeten Auffassung des SG handele es sich hier nicht um einen Fall des § 86a Abs.2 Nr.2 SGG. Durch den angefochtenen Bescheid sei nicht eine laufende Leistung entzogen oder herabgesetzt, sondern eine bereits gewährte Leistung zurückgefordert worden. Der angefochtene Bescheid vom 09.05.2003 beinhalte mit der Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.09.2002 bis 30.04.2003 und der verfügten Erstattung der für diesen Zeitraum bereits gewährten Leistungen zunächst und vor allem eine Rückforderung dieser Leistungen. Auch die Anordnung der Aufhebung der Vollziehung des angefochtenen Bescheides sei nach Maßgabe des § 86b Abs.1 Satz 1 SGG geboten. Ohne diese Anordnung würde die Feststellung der aufschiebenden Wirkung ins Leere laufen. Das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung müsse gegenüber seinem eigenen Interesse zurückstehen, da insbesondere der Klage nicht von vornherein die Erfolgsaussicht abgesprochen werden könne.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist auch sachlich begründet.

Der Bf. hat einen Anspruch auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Denn die Bg. hat den angefochtenen Bescheid vom 09.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2003 vollzogen, ohne die aufschiebende Wirkung der Klage zu beachten. Hier liegt kein Fall des § 86a Abs.2 Nr.2 SGG, wonach die aufschiebende Wirkung entfällt, vor, soweit durch den angefochtenen Bescheid eine bereits erbrachte Leistung zurückgefordert wird, nämlich die für den Zeitraum vom 01.09.2002 bis 30.04.2003 - nach Auffassung der Beklagten - überzahlte Alhi. Deshalb folgt auch die Pflicht zur Rückgängigmachung der Vollziehung aus § 86a Abs.1 SGG.

Der Beschluss ist nicht weiter anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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