L 11 B 141/05 SO ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 SO 30/05 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 B 141/05 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 02.03.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der 1968 geborene Antragsteller (Ast) bezog bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 128,24 EUR. Der Antragsgegner (Ag) bewilligte ihm darüber hinaus Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Form der pauschalierten Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 16,38 EUR für Oktober 2004, 148,18 EUR für November 2004 und 160,66 EUR für Dezember 2004, zuzüglich eines Aufstockungsbetrages für einmalige Beihilfen in Höhe von monatlich 34,69 EUR.

Am 09.11.2004 beantragte der Ast beim Ag Weihnachtsbeihilfe für seinen minderjährigen Sohn und am 23.11.2004 die Bewilligung einer einmaligen Beihilfe für die Anschaffung von Trekkingschuhen. Zur Begründung fügte er ein Attest des Allgemeinarztes Dr.H. vom 23.11.2004 bei, wonach er auf Grund seiner Gehbehinderung knöchelhohe rutschsichere Trekkingschuhe benötige, sowie einen Kostenvoranschlag des Schuhfachgeschäfts R. GmbH vom 19.11.2004 über ein Paar Trekkingschuhe knöchelhoch mit rutschfester Sohle über einen Betrag von 150,00 EUR.

Mit Schreiben vom 15.12.2004 wiederholte sein Bevollmächtigter diese Anträge und teilte in einem weiteren Schreiben vom 07.01.2005 mit, dass die AOK R. die Übernahme der Kosten für die Trekkingschuhe ablehne, weil diese "Hilfsmittel als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens" anzusehen seien.

Mit Bescheid vom 07.01.2004 lehnte der Ag beide Anträge ab.

Am 26.01.2005 beantragte der Ast beim Sozialgericht München (SG), den Ag im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Weihnachtsbeihilfe 2004 für seinen minderjährigen Sohn auszubezahlen und eine einmalige Beihilfe zum Erwerb von Trekkingschuhen mit rutschfester Sohle zu bewilligen.

Er sei zu 70 vH gehbehindert und seit drei Jahren auf Gehhilfen angewiesen.

Der Ag beantragte, den Antrag abzulehnen.

Die benötigten Trekkingschuhe könnten wesentlich günstiger bezogen werden. Der Ast sei insoweit auf den bewilligten Aufstockungsbeitrag für einmalige Beihilfen zu verweisen, die die halbjährlichen Bekleidungsbeihilfen einschlössen.

Das SG lehnte mit Bescheid vom 02.03.2005 den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Eine Entscheidung über die Weihnachtsbeihilfe sei nicht eilbedürftig und für eine einmalige Beihilfe zur Anschaffung von Trekkingschuhen fehle es an einer Rechtsgrundlage im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Hiergegen wendet sich der Ast mit seinem beim Bayer. Landessozialgericht am 06.04.2005 eingegangenen "Widerspruch".

Er benötige Schuhe mit einer rutschfesten Sohle, die erst ab 120,00 EUR zu erwerben seien. Der Ablehnungsbescheid hinsichtlich der Weihnachtsbeihilfe für seinen minderjährigen Sohn sei verspätet erlassen worden.

Der Ag beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der als "Widerspruch" bezeichnete Rechtsbehelf des Ast ist als form- und fristgemäß eingelegte Beschwerde zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Falschbezeichnung des Rechtsbehelfs schadet nicht. Das SG hat dieser Beschwerde nicht abgeholfen (§ 174 SGG).

Die Beschwerde des Ast ist jedoch unbegründet, weil es das SG zu Recht abgelehnt hat, den Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zur Ausbezahlung der Weihnachtsbeihilfe 2004 für den Sohn des Ast und darüberhinaus zur Bewilligung einer einmaligen Beihilfe für die Anschaffung von Trekkingschuhen zu verpflichten.

Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Regelungsanordnung) ist zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs 2 Satz 2 SGG). Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Ast ohne eine solche Anordnung schwere oder unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1988 BVerfGE 79, 69/74 und vom 19.10.1977 BVerfGE 46, 166/179; Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl 2005, RdNr 643).

Eine solche Regelungsanordnung setzt aber voraus, dass der Ast einen Anordnungsgrund - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und einen Anordnungsanspruch - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den er sein Begehren stützt - glaubhaft machen kann (§ 86 b Abs 2 Sätze 2, 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Abs 1 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Bei der hier erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage (vgl dazu Meyer- Ladewig, SGG, 7.Aufl 2002, § 86 b RdNr 40) zeigt sich, dass das Begehren des Ast auf Erlass einer einstweiligen Anordnung weder hinsichtlich der Weihnachtsbeihilfe 2004 noch hinsichtlich der einmaligen Beihilfe für die Anschaffung von Trekkingschuhen Erfolg haben kann.

Soweit der Ast die Ausbezahlung der Weihnachtsbeihilfe 2004 für seinen minderjährigen Sohn begehrt, steht ihm schon kein Anordnungsgrund zur Seite. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Eilbedürftigkeit der Sache ist in jeder Lage des Verfahrens, insbesondere also auch im Beschwerdeverfahren, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Ist die Sache zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im oben genannten Sinne dringlich, so kann eine einstweilige Anordnung schon deshalb nicht ergehen. So ist die ständige Rechtsprechung im Sozialhilferecht, dass vorläufige Regelungen von Leistungsansprüchen, die abgelaufene Zeiträume betreffen, regelmäßig nicht mehr nötig sind, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Vor diesem Hintergrund ist auch die Entscheidung des SG nicht zu beanstanden.

Soweit der Ast darüber hinaus im Wege der einstweiligen Anordnung den Ag zur Bewilligung einer einmaligen Beihilfe zur Anschaffung von Trekkingschuhen verpflichten will, konnte er im hier anhängigen Eilverfahren keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen. Dabei ist das Bayer. Landessozialgericht in diesem Verfahren im Hinblick auf den Zeitpunkt der Antragstellung nicht gehindert, auch die Vorschriften des früheren BSHG heranzuziehen, weil das Gericht des zulässigen Rechtsweges nach § 17 Abs 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet.

Weder aus dem früheren BSHG noch aus dem am 01.01.2005 in Kraft getretenem SGB XII lässt sich aber bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage eine anspruchsbegründende Norm für das Begehren des Ast finden. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Der Ast erhielt ausweislich des bestandskräftigen Bescheides vom 04.11.2004 zum Zeitpunkt der Antragstellung pauschalierte Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 11, 101 a BSHG zuzüglich eines monatlichen "Aufstockungsbetrags Beihilfe". Welche einmaligen Bedarfe von diesem Aufstockungsbetrag umfasst sind, ergibt sich aus den Hinweisen in diesem Bescheid (vgl dazu auch Fasselt in Fichtner, BSHG, 2.Aufl 2003, § 101 a RdNr 10).

Vor diesem Hintergrund steht nicht im Streit, dass der Ast einen ärztlicherseits anerkannten Bedarf an knöchelhohen Trekkingschuhen mit rutschfester Sohle hat. Das führt nun aber nicht dazu, dass der Ag diesen Bedarf durch Bewilligung einer weiteren einmaligen Leistung zu decken hätte, weil Gegenstände der Bekleidung, wie der Ast sie hier geltend macht, von den bereits bewilligten Leistungen umfasst sind.

Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Leistungen der Krankenhilfe im Sinne des § 37 Abs 1 BSHG, auf den der Ast sein Begehren vorrangig stützt, scheitert an § 38 Abs 1 Satz 1 BSHG in der bei Antragstellung gültigen Fassung, wonach Hilfen nach den §§ 36 ff BSHG den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (§§ 20 ff SGB V, §§ 195 ff RVO) entsprechen. Gerade um eine solche Leistung handelt es sich aber nicht, weil die Trekkingschuhe, die der Antragsteller erwerben will, als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V). Diese Überlegung ergibt sich auch daraus, dass der Ast bei Anschaffung und Benutzung eines Paares Trekkingschuhe sich die Anschaffung und Benutzung anderer gleichwertiger Schuhe, die ebenfalls unter die Bekleidungsausstattung fallen, erspart. Besondere orthopädische Schuhe hat der behandelnde Arzt zudem nicht attestiert (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V).

Ebensowenig ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass dem Ast Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gemäß §§ 39 ff BSHG zustehen.

Was die am 01.01.2005 in Kraft getretenen Vorschriften des SGB XII betrifft, hat das SG zutreffend festgestellt, dass sich auch hieraus keine Anspruchsgrundlage für das Begehren des Ast herleiten lässt. Insbesondere liegt schon deshalb kein Fall der Bekleidungserstausstattung im Sinne des § 31 Abs 1 Nr 2 SGB XII vor, weil der Ast schon seit mehreren Jahren gehbehindert ist.

Im Übrigen verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe im hier angefochtenen Beschluss des SG vom 02.03.2005 (§ 142 Abs 2 Satz 3 SGG), denen er folgt.

Die Beschwerde des Ast kann nach alledem unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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