L 19 R 239/05 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 RJ 814/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 239/05 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Antrag der Beklagten auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem mit der Berufung angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 06.12.2004 - Az.: S 8 RJ 814/01 - wird abgelehnt.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung zu erstatten.

Gründe:

Das Sozialgericht Würzburg (SG) hat mit Urteil vom 06.12.2004 die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.12.2000 zu gewähren. Das SG stützt seine Entscheidung in erster Linie auf die von ihm bei dem Orthopäden Dr.N. und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei dem Neurologen und Psychiater Dr.S. eingeholten Gutachten, nach denen der Kläger seit 18.01.2001 nur noch Tätigkeiten weniger als drei Stunden täglich verrichten könne.

Die Beklagte hat gegen dieses Urteil am 05.01.2005 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie auf die abweichende Beurteilung des Leistungsvermögens durch den ebenfalls vom SG gehörten Neurologen Dr.K. und durch die im Verwaltungsverfahren begutachtende Orthopädin Dr.D. verweist. Dr.K. geht in seiner Beurteilung des Leistungsvermögens des Klägers wie Dr.D. davon aus, dass dieser täglich noch vollschichtig leichte und mittelschwere Tätigkeiten verrichten könne unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen. Die von Dr.N. erhobenen Befunde entsprächen im Wesentlichen den orthopädischen Befunden, die auch Dr.D. ihrer Leistungsbeurteilung zugrunde gelegt habe.

Mit der Berufungsbegründung vom 24.03.2005 beantragt die Beklagte auch, die Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil auszusetzen. Das Urteil sei wegen der unzutreffenden Leistungsbeurteilung des Klägers fehlerhaft. Eine eventuelle Rückforderung überzahlter Leistungen scheine nicht erfolgversprechend.

Nach § 154 Abs 2 SGG bewirkt die Berufung eines Versicherungsträgers Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Keine aufschiebende Wirkung tritt dagegen kraft Gesetzes für die Zeit nach Erlass des Urteils ein, wenn ein Versicherungsträger verurteilt wurde, dem Kläger eine Rente zu zahlen. Der Versicherungsträger ist daher verpflichtet, die sog. "Urteilsrente" einzuweisen, die der Kläger aber wieder zu erstatten hat, wenn das Urteil des Erstgerichts auf die Berufung hin oder in einem evenutellen Revisionsverfahren aufgehoben wird.

Auf Antrag oder von Amts wegen kann jedoch der Vorsitzende des für die Berufung zuständigen Senats des Landessozialgerichts gemäß § 199 Abs 2 SGG durch einstweilige Anordnung die Voll- streckung aus dem Urteil aussetzen - soweit die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG keine aufschiebende Wirkung hat. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) soll eine Aussetzung allerdings nur dann erfolgen, wenn das Rechtsmittel offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat (BSG 12, 138; 33, 118, 121). Nach der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist der Auffassung des BSG nicht uneingeschränkt zu folgen und eine Aussetzung der Vollstreckung auch dann anzuordnen, wenn es nur überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Leistungsträger mit seinem Rechtsmittel jedenfalls in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird (s. Niesel, der Sozialgerichtsprozess, 4.Aufl, Rdnr 400; Meyer-Ladewig, SGG, 7.Auflage, § 199, Rdnrn 8 und 8a mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob in der Zwischenzeit geleistete Beträge nach Aufhebung des Urteils dann eingetrieben werden können. Das Interesse des Leistungsträgers an der Rüccerstattung der Leistung ist umso höher zu bewerten, je größer die Erfolgsaussichten der Berufung des Leistungsträgers einzuschätzen sind. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, dass insbesondere dann, wenn in absehbarer Zeit ein Anspruch auf Altersrente entsteht, der Versicherungsträger nach § 51 Abs 2 SGB I aufrechnen kann bzw. sonst nach § 52 SGB I eventuell einen anderen Leistungsträger mit der Verrechnung beauftragen kann.

Vorliegend lässt sich die Erfolgsaussicht der Berufung nur schwer beurteilen, da vom Senat noch weitere Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhalts in medizinischer Hinsicht durchzuführen sind. Das Erstgericht stützt seine Entscheidung in nachvollziehbarer Weise auf die Leistungsbeurteilung in den Gutachten von Dr.N. und Dr.S ... Es führt in den Entscheidungsgründen auch ausdrücklich aus, dass es der abweichenden Beurteilung von Dr.K. nicht folge und verwies auf die Einstufung in Pflegestufe 2 durch die Pflegeversicherung. Dass die Beklagte und Berufungsklägerin ihre Berufung auf eine andere medizinische Einschätzung des Leistungsvermögens des Klägers stützt, macht es aus objektiver Sicht noch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sie mit ihrer Berufung jedenfalls in wesentlichem Umfang Erfolg haben wird, zumal von Seiten des Klägers ebenfalls auf den Bezug von Pflegeleistungen nach der Pflegestufe 2 durch die Pflegekasse hingewiesen wird.

Unter diesen Umständen besteht unter Abwägung einerseits des Interesses des Klägers an der Vollstreckung des Urteils und andererseits des Interesses der Beklagten daran, vor endgültiger Klarstellung der Rechtslage nicht leisten müssen, kein Anlass, von der im Gesetz vorgesehenen Regelung, dass die Berufung gemäß § 154 Abs 2 SGG für die Zeit ab Erlass des angefochtenen Urteils keine aufschiebende Wirkung hat, abzuweichen.

Die Entscheidung über die Kosten (siehe BayLSG NZS 97, 96) beruht auf der Erwägung, dass der Antrag der Beklagten abgelehnt wurde.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

Der Vorsitzende des 20. Senats
Rechtskraft
Aus
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