L 9 AL 329/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 35 AL 3/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 329/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. Juli 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 143a SGB III.

Der 1963 geborene Kläger arbeitete seit 01.06.1986 als Sachbearbeiter in der K. (K.). Am 14.06.1999 schlossen der Kläger und die K. einen Auflösungsvertrag. Danach schied der Kläger wegen persönlicher Gründe gegen eine Abfindung in Höhe von 40.000,00 DM mit Wirkung vom 15.06.1999 in gegenseitigem Einvernehmen aus dem Dienst der K. aus. Am 21.06.1999 meldete er sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Lt. Arbeitsbescheinigung hatte das Arbeitsentgelt des Klägers bei der K. zuletzt monatlich brutto 4.787,56 DM betragen bei einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende.

Der Kläger erläuterte die näheren Umstände, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hatten, wie folgt: Ihm seien nach der Operation eines Gehirntumors die bisherigen Aufgaben entzogen und ausschließlich monotone Sortierarbeiten übertragen worden; dies zehn Stunden am Tag über mehrere Jahre hinweg. Infolgedessen hätte sich bei ihm beidseits eine chronisch-rezidivierende Tendovaginitis im Bereich des linken wie auch rechten Unterarms sowie Hand- und Ellenbogengelenks eingestellt. Ihm sei deswegen ärztlicherseits nahegelegt worden, in eine andere Tätigkeit überzuwechseln. Er habe sein Anliegen in mehreren Gesprächen mit seinem Gruppenleiter, Herrn S. , den stellvertretenden Abteilungsleitern K. und W. sowie dem Abteilungsleiter W. vorgetragen, ohne Erfolg. Ihm sei immer wieder bedeutet worden, dass er eben kündigen müsse, wenn ihm etwas nicht passe. Extrawürste gebe es nicht. Parallel dazu seien jahrelang ganz gezielt massive Mobbingattacken gegen ihn gefahren worden, um ihn aus dem Betrieb zu ekeln, so dass er sich in psychotherapeutische Behandlung habe begeben müssen. Die Konfliktsituation habe sich mehr und mehr zugespitzt. Daraufhin habe sich sein Gesundheitszustand akut verschlechtert, so dass er auf Anraten seiner Ärzte, um weitere gesundheitliche Schäden abzuwenden, genötigt gewesen sei, dem Auflösungsvertrag zuzustimmen.

Hierzu reichte der Kläger ein Attest des Orthopäden Dr.S. vom 29.01.1999 ein, worin dem Kläger eine chronisch-rezidivierende beidseitige Tendovaginitis im Bereich des Unterarms, Hand- und Ellenbogengelenks bestätigt wird. Der Kläger befinde sich seit Juli 1997 in regelmäßiger Behandlung. Es seien konservative Therapiemaßnahmen, insbesondere längerfristige Ruhigstellungen erforderlich. Ein Wechsel der bisherigen monotonen belastenden Tätigkeit sei daher dringend empfehlenswert. Des weiteren ein Attest des Nervenarztes Dr.K. vom 28.06.1999. Der Kläger, so Dr.K. , befinde sich seit längerem in seiner nervenärztlichen Behandlung. Aufgrund einer konflikthaften Zuspitzung der Arbeitsplatzsituation bei Zustand nach Operation eines Gehirntumors mit nachfolgendem cerebralen Anfallsleiden sei der Patient krankheitsbedingt genötigt gewesen, einer Auflösung des Arbeitsvertrages zuzustimmen.

Mit Bescheid vom 23.07.1999 versagte das Arbeitsamt unter Hinweis auf das Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld nach § 143a SGB III die Leistung von Arbeitslosengeld bis zum 22.10.1999.

Ab 23.10.1999 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld geleistet.

Den Widerspruch des Klägers wies das Arbeitsamt mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.1999 als unbegründet zurück. Entgegen dem Vortrag des Klägers bzw. dem Vortrag von dessen Verfahrensbevollmächtigten seien die Voraussetzungen des § 143a SGB III gegeben. Auch wenn die K., wie vorgetragen, bereits seit längerem die Absicht gehabt habe, sich vom Widerspruchsführer, ggf. mittels einer Kündigung, zu trennen, so sei es zu einer wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses - und zwar ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist - erst mit dem Auflösungsvertrag vom 14.06.1999 zum 15.06.1999 gekommen und habe der Widerspruchsführer wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 40.000,00 DM erhalten. Wenn sich die Feststellung des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bis zum 22.10.1999 und die damit verbundene Verschiebung des Beginns der Leistung für den Widerspruchsführer nach den Umständen, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten, als persönliche Härte darstellten, so könne dem im Rahmen der Bestimmung des § 143a SGB III nicht Rechnung getragen werden. Die Bestimmung enthalte keine Härteregelung. Soweit der Kläger desweiteren vortrage, dass für ihn nach Abzug der Einkommenssteuer, der Sozialversicherungsbeiträge sowie der notwendig gewordenen gesonderten Krankenversicherung lediglich ein Restbetrag von 7.500,00 DM verbleibe, sei darauf hinzuweisen, dass sich der Zeitraum des Ruhens des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Anwendung des § 143a SGB III stets am Bruttobetrag der Entlassungsentschädigung orientiere.

Das Sozialgericht (SG) München wies die Klage mit Urteil vom 19.07.2002 als unbegründet ab. Der Tatbestand des § 143a Abs.1 Satz 1 und 2 SGB III sei zweifelsfrei gegeben. Der Ruhenszeitraum sei nach Maßgabe des § 143a Abs.2 SGB III zutreffend ermittelt. Ein Ausnahmetatbestand nach § 143a Abs. 2 Satz 2 Nr.3 SGB III liege nicht vor, da der Arbeitgeber nicht berechtigt gewesen sei, das Arbeitsverhältnis etwa wegen gesundheitlicher Einschränkungen aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen.

Der Klägervertreter trägt im Berufungsverfahren vor: § 143a SGB III setze voraus, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der anlässlich einer solchen Beendigung erhaltenen Entlassungsentschädigung bestehe. Eine solche Annahme könne die Beklagte nicht zu ihren Gunsten in Anspruch nehmen. Vielmehr habe die K. mit dem Abfindungsbetrag von 40.000,00 DM dem Kläger Schadensersatz geleistet. Die K. habe den Kläger, nachdem dieser infolge der Gehirnoperation in seiner Leistungsfähigkeit herabgesetzt gewesen sei, psychisch massiv unter Druck gesetzt, so dass es dem Kläger nicht mehr möglich gewesen sei, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Die K. sei daher dem Kläger wegen Eingriffs in den Arbeitsplatz und wegen Zufügung eines Gesundheitsschadens schadensersatzpflichtig gewesen. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger angedroht habe, sich gegen das Mobbing gerichtlich zu wehren und hierfür Schadensersatz zu verlangen, habe sich die K. zum Abschluss des Auflösungsvertrages und zur Zahlung der 40.000,00 DM als Schadensersatz für die zugefügten Schikanen entschlossen. Ein am Ende des Arbeitsverhältnisses ausgezahlter Schadensersatz sei einem sog. ausgezahlten Wertguthaben bei flexiblen Arbeitsmodellen gleichzustellen und sei nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-4100 § 117 Nr. 2 AFG) nicht als Entlassungsentschädigung im Sinne von § 143a SGB III anzusehen. Erhalte ein Arbeitsloser im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Leistungen, die er während seiner Beschäftigung "erworben" habe, fehle es an der Kausalität. Die Leistungen seien lediglich mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig geworden, stünden aber mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in ursächlichem Zusammenhang.

Unabhängig davon begründeten die Umstände, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der K. geführt hätten, eine besondere unbillige Härte. Dieser müsse man mit analoger Anwendung des § 126 SGB III i.V.m. den §§ 61, 62 SGB V Rechnung tragen.

Schließlich liege ein Fall der Gleichwohlgewährung nach § 143a Abs.4 SGB III vor. Dem Kläger seien von dem vereinbarten Abfindungsbetrag von 40.000,00 DM lediglich 7.500,00 DM verblieben. Er habe den Betrag nämlich einerseits versteuern müssen. Zum anderen seien davon die Beiträge zur Krankenversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung abgezogen worden. Wegen seines Gesundheitszustandes habe er sich besonders teuer krankenversichern müssen. Somit habe er von der Abfindung tatsächlich lediglich 7.500,00 DM erhalten. In einem solchen Fall sei bei der Berechnung des Ruhenszeitraums nach § 143a SGB III lediglich der Nettozufluss zugrunde zu legen und im Übrigen Arbeitslosengeld als Gleichwohlgewährung nach § 143a Abs.4 zu leisten (so wiederum BSG SozR 3-4100 zu § 117 Nr.2 AFG).

Der Klägervertreter hat etliche Zeugen benannt.

Als Zeugen für die Bedingungen am Arbeitsplatz und den vom Arbeitgeber ausgeübten psychischen Druck: Frau E. N. , Frau P. I. , Frau D. H. , Kolleginnen des Klägers. Als Zeugen für die gesunheitliche Verfassung des Klägers: Dr.K. als den seinerzeit behandelnden Arzt.

Des weiteren hat der Klägervertreter die Erstellung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Dieses solle den Beweis dafür erbringen, dass es sich bei den dem Kläger von der K. gezahlten 40.000,00 DM unter den gegebenen Umständen nicht um eine Entlassungsentschädigung im Sinne von § 143a SGB III, sondern um die Erfüllung eines Schadensersatzanspruchs gehandelt habe, so dass § 143a SGB III mangels Kausalität von vornherein nicht zur Anwendung komme.

Schließlich hat der Klägervertreter beantragt, die Rechtsanwälte R. und K. aus M. beizuladen. Diese hätten den Kläger seinerzeit bei Abschluss des Auflösungsvertrages beraten und ihm gesagt, dass er den Abfindungsbetrag von 40.000,00 DM vollständig und ungekürzt erhalten werde. Sollte der Bescheid des Arbeitsamts bestandskräftig werden, so werde der Kläger den ihm entstandenen Schaden zivilrechtlich gegen die Rechtsanwälte R. und K. geltend machen müssen. Es liege daher zumindest der Fall einer einfachen Beiladung vor.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.07.2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.07.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12. 1999 zu verpflichten, ihm Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe vom 21.06.1999 bis 22.10.1999 zu leisten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die von der Klageseite vorgetragenen besonderen individuellen Umstände im Fall des Klägers könnten nach der Bestimmung des § 143a SGB III nicht berücksichtigt werden.

Anders als die Vorschrift über die Leistungsfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit nach § 126 SGB III stelle § 143a SGB III nicht auf das Verschulden des Arbeitslosen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Der gesetzgeberische Hintergrund des § 143a SGB III sei ein ganz anderer als derjenige der Leistungsfortzahlung nach § 126 SGB III. § 143a SGB III enthalte auch keine Ausnahmeregelung für solche Fälle, in denen sich die Anwendung der Ruhensregelung als besondere Härte darstelle. Ein Fall der Gleichwohlgewährung nach § 143a Abs.4 SGB III liege schon deswegen nicht vor, weil der Arbeitgeber die Entlassungsentschädigung geleistet habe. Der Ruhenszeitraum nach § 143a SGB III berechne sich stets nach dem vom Arbeitgeber gezahlten Bruttobetrag. In § 143a SGB III sei keine Möglichkeit vorgesehen, bei der Ermittlung des Ruhenszeitraums unter Berücksichtigung von Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung, seien diese auch im individuellen Fall höher als üblich, auf den Nettozufluss abzustellen.

Der Senat hat die Gerichtsakten erster Instanz und die Leistungsakten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der gesamten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft und form- wie fristgerecht eingelegt. Der Senat zweifelt insbesondere auch nicht an der Einhaltung der Monatsfrist nach § 151 Abs. 1 SGG für die Einlegung der Berufung. Nachdem der Tag, an dem das Urteil des SG an die Beteiligten abgesandt worden ist, nämlich der 02.08.2002, ein Freitag war, benötigt es keines besonderen Nachweises, wenn der Klägervertreter geltend macht, er habe das Urteil am Montag, den 05.08.2002 empfangen. Die Berufung ist am 05.09.2002 eingegangen (vgl. § 64 Abs.2 SGG).

Die Berufung ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Feststellung des Ruhens des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld bis zum 22.10.1999 und dem entsprechend die Versagung der Leistung bis zu diesem Zeitpunkt seitens der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 23.07.1999 war rechtmäßig.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 143a SGB III, der mit Wirkung vom 01.04.1999 an die Stelle des vormaligen § 117 Abs.2 - 4 AFG getreten ist (Art.1 des Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetzes vom 24.03.1999, BGBl I, 396).

Das Arbeitsverhältnis ist, wie § 143 Abs.1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 es verlangen, ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Eine ordentliche Kündigung des Klägers war nur unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Quartalsende möglich. Die Vereinbarung zwischen dem Kläger und der K. über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurde am 14.06. 1999 mit Wirkung zum 15.06.1999 geschlossen. Eine schon länger bestehende Absicht der K. sich vom Kläger, ggf. mittels Kündigung, zu trennen, kann dem nicht gleichgestellt werden.

Der Kläger hat "wegen der Beeendigung des Arbeitsverhältnisses" mit der K. im Sinne der ersten Alternative des 1. Halbsatzes des § 143a Abs.1 Satz 1 SGB III eine Abfindung (Entlassungsentschädigung) erhalten.

Im Auflösungsvertrag vom 14.06.1999, in dem der Kläger und die K. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart haben, hat sich die K. zugleich zur Zahlung einer Abfindung von 40.000,00 DM verpflichtet. Dementsprechend hat die K. in der Arbeitsbescheinigung vom 14.07.1999 unter Hinweis auf den Auflösungsvertrag angegeben, dass sie dem Kläger "wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" eine Abfindung von 40.000,00 DM bezahlt habe.

Der Kläger hat insoweit eingewendet, der Arbeitgeber habe ihn seit einer Gehirnoperation 1998 (so die Datierung im Berufungsschriftsatz) durch unzumutbare Arbeitsbedingungen und sonstiges psychisches Mobbing dazu bringen wollen, seine Arbeitsstelle von sich aus aufzugeben. Die von ihm angebotenen Zeuginnen könnten die entsprechenden Gegebenheiten und Vorgänge an seiner Arbeitsstelle bestätigen. Diese werden jedoch seitens des Senats ohnehin als glaubhaft unterstellt, ebenso, was der als sachverständige Zeuge angebotene Dr.K. in seiner Bescheinigung vom 28.06.1999 bestätigt hat, dass nämlich der Kläger aufgrund der konflikthaften Zuspitzung der Arbeitsplatzsituation wegen der gebotenen Rücksicht auf seine gesundheitlich labile Lage nach Gehirnoperation mit nachfolgendem Anfallsleiden genötigt gewesen sei, der Auflösung des Arbeitsvertrages zuzustimmen. Auch die Beklagte hat den Vortrag des Klägers insoweit für glaubhaft gehalten und deshalb von der Feststellung einer Sperrzeit nach § 144 SGB III und der daran geknüpften Minderung der Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld nach § 128 SGB III abgesehen.

Die vom Kläger vorgetragenen Umstände, die ihn nach seinen Angaben schließlich dazu gebracht haben, der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der K. zuzustimmen, nötigen aber keinesfalls zu der Schlussfolgerung, dass die K. die 40.000,00 DM oder auch nur einen bestimmten Teil dieses Betrages auch ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt hätte. Der Kläger hat ja selbst vorgetragen, dass die K. danach getrachtet habe, ihn mit allen Mitteln "loszuwerden".

Die an objektive Umstände anknüpfende Pauschalregelung des § 143a SGB III (vordem § 117 Abs.2-4 AFG) soll einen Streit über Motive gerade ausschließen. § 143a Abs.1 SGB III (vordem § 117 Abs.2 - 4 AFG) will einen, - ggf. versteckten -, Doppelbezug von Arbeitsentgelt und Arbeitslosengeld verhindern. Ist ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so begründet das die unwiderlegliche Vermutung, dass die Abfindung nicht alleine eine Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes bedeutet, sondern dass damit auch Arbeitsentgeltansprüche, die bei regulärer Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestünden, abgedeckt werden (Niesel-Düe, Rdziff. 4, 15 zu § 143a SGB III mit Rechtsprechungshinweisen). Dabei reicht ein rein äußerlicher Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Zahlung der Abfindung, wie er bei einer vergleichsweisen Beendigung unter Vereinbarung einer Abfindung zwingend gegeben ist (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr.20, dort Seite 137), zur Begründung der gesetzlichen Vermutung nach § 143a SGB III aus.

Eine Ausnahme sieht das Gesetz nur für einen Fall vor, nämlich dann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können (§ 143a Abs.2 Satz 2 Nr.3 SGB III). Dieser Ausnahmetatbestand lag jedoch nicht vor. Eine außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung kommt in der Regel nur dann in Betracht, wenn eine ordentliche Kündigung tariflich oder vertraglich ausgeschlossen ist, was beim Kläger nicht der Fall war. Dem Arbeitnehmer wäre in solchen Fällen überdies regelmäßig eine Auslauffrist zu gewähren, die in ihrer Länge der ansonsten einschlägigen ordentlichen Kündigungsfrist entsprechen müsste (Schaub, § 129 I., 4, Rdnr.5a). Auf außerordentliche Kündigungen, bei denen eine soziale Auslauffrist zu beachten wäre, würde überdies der Ausnahmetatbestand des § 143a Abs.2 Satz 2 Nr.3 SGB III keine Anwendung finden (BSG SozR 4100 § 117 Nr.14, vgl. § 143a Abs.1 S.3 Nr.2, 2.Alt. SGB III). Ob der Arbeitnehmer seinerseits zur fristlosen Kündigung berechtigt gewesen wäre, hat keine Bedeutung (Niesel-Düe, Rdziff.41 zu § 143a).

Aus einer Entlassungsentschädigung sind allerdings Leistungen herauszurechnen, die der Arbeitslose im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Erfüllung von Ansprüchen erhält, die er bereits während seiner Beschäftigung erworben hat (Gewinnausschüttungen bzw. deren Abfindung, Prämien, anteiliges zusätzliches Monatsgehalt). Derartige Leistungen sind dann regelmäßig nur mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses fällig geworden und können dessen Beendigung nicht kausal zugerechnet werden (Niesel-Düe, Rdziff. 14 zu § 143a SGB III). Leistungen aus derartigen Ansprüchen als etwaige Bestandteile der erhaltenen Abfindung von 40.000,00 DM lassen sich dem Vortrag des Klägers jedoch nicht entnehmen.

Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass in der Abfindung von 40.000,00 DM eine Urlaubsabgeltung enthalten sei; dies ist auch in der Arbeitsbescheinigung nicht angekreuzt. Eine solche hätte nicht an der pauschalierten Anrechnungsfreiheit wegen Verlusts des sozialen Besitzstands teilgenommen und sogar zur Verlängerung des Ruhenszeitraums geführt (s. § 143a Abs.1 Satz 5 SGB III, Niesel-Düe, Rdziff.42 zu § 143a).

Der Kläger hat geltend gemacht, dass nach den Umständen, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der K. durch den am 14.06.1999 geschlossenen Auflösungsvertrag geführt hätten, in dem als Abfindung vereinbarten und brutto vom Arbeitgeber auch ausgezahlten Betrag von 40.000,00 DM die Abgeltung eines Schadenersatzanspruchs entsprechend dem Schadensersatzanspruch des kündigenden Dienstverpflichteten nach § 628 Abs.2 BGB zu sehen sei bzw. gelegen habe. Nach dem vom Klägervertreter genannten Urteil des BSG vom 13.03.1990 (SozR 3-4100 § 117 Nr.2, auch BSG SozR 3-4100 § 117 Nr.5) fällt allerdings gerade auch ein Schadensersatzanspruch nach § 628 Abs.2 BGB bzw. dessen Abgeltung unter den Begriff der Entlassungsentschädigung im Sinne von § 143a Abs.1 SGB III (vor dem § 117 Abs.2 AFG) und führt zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 143a SGB III. Dies konnte sich in dem mit Urteil des BSG vom 13.03.1990 entschiedenen Fall je nach den Ermittlungen auf die Höhe des dem Kläger aus der erhaltenen Abfindung als Ausgleich für den Verlust des sozialen Besitzstandes anrechnungsfrei zustehenden Betrags und damit auf seine Erstattungspflicht nach § 117 Abs.4 Satz 2 AFG (§ 143a Abs.4 Satz 2 SGB III) auswirken. Ein solcher Fall einer Vorleistung und evtl. Erstattungspflicht des Klägers ist hier nicht Streitgegenstand. Eine Untersuchung, in welcher Höhe die behaupteten Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die K. tatsächlich bestanden haben und mit der Abfindung etwa abgegolten werden sollten, will die pauschalierende Regelung des § 143a SGB III gerade vermeiden.

Berechnungsgrundlage für den Ruhenszeitraum nach § 143a SGB III ist der Bruttozahlbetrag der Abfindung, also der im Auflösungsvertrag vom 14.06.1999 brutto vereinbarte Abfindungsbetrag von 40.000,00 DM (Niesel-Düe Rdziff. 32 zu § 143a SGB III). Dies ist unabhängig davon, ob der Arbeitgeber den Abfindungsbetrag auszahlt (erste Alternative des Satzes 1 des Abs. 1 des § 143a SGB III) oder aber der Arbeitslose lediglich einen Anspruch hat (zweite Alternative des 1. Halbsatzes des Satzes 1 des Abs.1 des § 143a SGB III) und die Beklagte zunächst nach § 143a Abs.4 Satz 1 Arbeitslosengeld leistet. Ein Anspruch auf Gleichwohlgewährung nach § 143a Abs.4 Satz 1 SGB III ergibt sich nur, wenn der Arbeitgeber die (ggf. vergleichsweise vereinbarte) Entlassungsentschädigung brutto nicht leistet, was hier nicht der Fall war, nicht aber aus dem mehr oder weniger deutlich geringeren Nettozufluss an den Arbeitnehmer.

Der Ruhenszeitraum ist zutreffend berechnet. Nachdem der Kläger zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mehr als zehn Jahre bei der K. beschäftigt, jedoch noch unter 40 Jahre alt war, waren 50 % der Abfindung bei der Ruhensberechnung zu berücksichtigen (§ 143a Abs.2 Satz 2 Nr.1 und Satz 3 SGB III). Dies sind 20.000,00 DM. Nachdem der Kläger zuletzt 153,31 DM pro Kalendertag verdient hatte, ruhte sein Anspruch auf Arbeitslosengeld für 130 Tage, also bis zum 22.10.1999 (§ 143a Abs.1 Satz 1 i.V.m. Abs.2 Satz 2 Nr.1, Satz 3 bis 5 SGB III).

Auch die weiteren Einwände des Klägers können nicht berücksichtigt werden.

Eine Analogie zur Fortzahlung des Arbeitslosengeldes bei einem unverschuldeten Eintritt von Arbeitsunfähigkeit (wobei Verschuldensfälle nur ganz ausnahmsweise, etwa bei der Ausübung ausgesprochen gefährlicher Sportarten angenommen werden, Niesel-Düe, Rdziff. 9 zu § 126) lässt sich nicht herstellen. Das "Verschulden" oder Nichtverschulden des Arbeitslosen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses findet im Rahmen der Sperrzeitvorschrift des § 144 SGB III Berücksichtigung.

Die §§ 61, 62 SGB V befreien den Krankenversicherten bei einem bestimmten Ausmaß unzumutbarer wirtschaftlicher Belastung von an sich gesetzlich vorgesehenen Zuzahlungen. Es lässt sich daraus nicht, wie der Kläger annimmt, der allgemeine Grundsatz entnehmen, dass jegliche Härten, die sich aus gesetzlichen Regelungen des Sozialrechts ergeben, sofern sie den Betreffenden in einem bestimmmten wirtschaftlichen Ausmaß belasten, zu einer Einschränkung der Anwendbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen führen. Anderenfalls würde der Vorbehalt des Gesetzes nach § 31 SGB I umgangen (zu Verfassungsfragen, die sich bei Sozialplanabfindungen ergeben können, s. Gagel Rdziff.59 - 60c zu § 143a, Niesel-Düe Rdziff. 23 zu § 143a).

Dies gilt auch für die vom Kläger geltend gemachte unbillige Härte wegen der Umstände, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der K. geführt haben. Diese können gleichfalls nur insoweit berücksichtigt werden und sind auch berücksichtigt worden, als gegen den Kläger keine Sperrzeit verhängt worden ist und damit keine Verkürzung der Anspruchsdauer eingetreten ist.

Die vom Kläger durch Benennung der Zeuginnen bzw. des Zeugen Dr.K. unter Beweis gestellten Behauptungen über die Gegebenheiten am Arbeitsplatz bzw. den Gesundheitszustand des Klägers wurden als wahr unterstellt, so dass es der Einvernahme der Zeugen nicht bedurfte.

Die Frage, wie die gezahlte Abfindung von 40.000,00 DM rechtlich einzuordnen ist, unterlag der Bewertung durch den Senat. Ein Sachverständiger war hierzu nicht heranzuziehen.

Der Senat hat desgleichen von einer Beiladung der Rechtsanwälte R. und K. abgesehen, die den Kläger nach seinen Angaben beim Abschluss des Auflösungsvertrages falsch beraten haben. Der Fall einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs.2 SGG liegt nicht vor, nachdem die vom Senat zu treffende Entscheidung über ein Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld für einen bestimmten Zeitraum nach § 143a SGB III nicht eine Entscheidung ist, die sich unmittelbar in der Rechtssphäre der Rechtsanwälte R. und K. abbildet bzw. in diese eingreift (Meyer-Ladewig, Rdziff. 10 zu § 75 SGG).

Zwar werden in diesem Verfahren im Hinblick auf einen möglichen Schadensersatzprozess des Klägers Interessen der Rechtsanwälte R. und K. berührt, wenn auch ein Zivilgericht, sollte das Urteil des Senats rechtskräftig werden, daraus nicht notwendig einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Rechtsanwälte R. und K. abzuleiten hat. Der Klägervertreter hat auch nicht näher konkretisiert, in welcher Weise bzw. unter welchem Gesichtspunkt die Rechtsanwälte R. und K. als Beteiligte dieses Verfahrens ihre speziellen Interessen zur Geltung hätten bringen können bzw. auf die Feststellungen des Senats hätten Einfluss haben können. Demgegenüber hätte andererseits im Fall einer Beiladung der Rechtsanwälte R. und K. die Gefahr einer Vermischung des sozialrechtlichen mit einem allenfallsigen zivilrechtlichen Verfahren bestanden. Der Senat hat daher auch von einer Beiladung der Rechtsanwälte R. und K. nach § 75 Abs.1 SGG abgesehen (Meyer-Ladewig, Rdziff. 8b zu § 75 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Anlass, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn. 1 oder 2 SGG zuzulassen, bestand nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und das Urteil weicht nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab und beruht auf dieser Abweichung.
Rechtskraft
Aus
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