L 14 R 4233/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RA 690/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 R 4233/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 16. September 2002 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 17. Januar 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 1997 sowie gegen die Bescheide vom 17. September 1997, 24. November 1997 und 11. November 1999 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten ist die Höhe der der Rentenberechnung des Kläger für die Jahre 1987 und 1990 zugrundezulegenden Entgelte.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17.01.1997 stellte die Beklagte gemäß § 149 Abs.5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die im Versicherungsverlauf des Klägers enthaltenen Daten bis 31.12.1990 verbindlich fest. Für die Jahre 1987 und 1990, in denen trotz Unterbrechung der Beitragsentrichtung für einige Krankheitstage beitragspflichtige Entgelte bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) gemeldet worden waren, wies der Versicherungsverlauf für die Teilzeiträume vom 01.01.1987 bis 15.08.1987 und vom 24.08.1987 bis 31.12.1987 bzw. vom 01.01.1990 bis 07.04.1990 und vom 11.04.1990 bis 31.12.1990 auf die (anteilige) BBG geminderte Entgeltbeträge neben den für die dazwischen liegenden Zeiten vom 16.08.1987 bis 23.08.1987 bzw. vom 08.04.1990 bis 10.04.1990 gezahlten Pflichtbeiträgen aus niedrigeren Lohnersatzleistungen wegen Arbeitsunfähigkeit aus.

Der Kläger begehrte mit seinem Widerspruch die Berichtigung der beitragspflichtigen Entgelte für 1987 und 1990 soweit, dass sich keine Unterschreitung der (Jahres-)BBG ergebe, ferner die Erstattung der anteiligen Versicherungsbeiträge aus den sodann noch über der BBG liegenden Teilentgelten. Er berief sich darauf, dass nachweislich in beiden Jahren Beiträge zur Angestelltenversicherung aus Entgelten in Höhe der jeweiligen BBG von 68.400,00 DM bzw. 75.600,00 DM gezahlt worden seien; eine Unterschreitung dieser Beträge infolge der zur Anrechnung kommenden Lohnersatzleistungen sei nicht rechtens. Weiter vertrat er die Auffassung, bezüglich der zusammen mit den beitragspflichtigen Lohnersatzleistungen über der BBG liegenden und daher nicht zur Anrechnung kommenden Teilentgelte von 1.079,79 DM für 1987 und von 377,97 DM für 1990 sei außerdem eine entsprechende Beitragserstattung durchzuführen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In den streitigen Kalenderjahren seien vom Arbeitgeber Entgelte bis zur Beitragsbemessungsgrenze gemeldet worden, obwohl die Beitragsentrichtung für einige Krankheitstage unterbrochen gewesen sei. Hieraus ergebe sich die Reduzierung der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze auf die tageweise BBG und somit die Überschreitung der BBG. Eine teilweise Beitragserstattung sei nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides, darüber werde nach Beendigung des Widerspruchsverfahrens entschieden.

Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Entgeltkürzungen unter die BBG dürften nicht vorgenommen werden. Das vom Arbeitgeber gezahlte Arbeitsentgelt habe unabhängig von Zeiten des Sozialleistungsbezugs die BBG überschritten, Beiträge seien auch tatsächlich bis zur BBG gezahlt worden. Die niedrigeren Entgelte der Lohnersatzleistungen seien daher entsprechend aufzufüllen.

Die Beklagte vertrat weiter die Auffassung, die BBG sei in den streitigen Jahren nicht erreicht worden.

Während des Verfahrens bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 17.09.1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.04.1997 und mit Bescheid vom 24.11.1997 Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige ab 01.10.1997. Die Ermittlung der Entgeltpunkte für die Jahre 1987 und 1990 erfolgte entsprechend den Feststellungen im angefochtenen Bescheid.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.09.2002, berichtigt durch Beschluss vom 01.04.2003 wegen offensichtlicher Unrichtigkeit, hob das SG den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides auf. Es stellte unter Bezugnahme auf die Vorschriften der §§ 70 Abs.1 Satz 1, 161 Abs.1, 256 Abs.2, 247 Abs.1 SGB VI, 112b Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) fest, dass die für 1987 und 1990 gezahlten Entgelte in Höhe der jeweiligen BBG anzurechnen seien.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil mit dem Vorbringen, die erfolgte Aufteilung und Begrenzung des Arbeitsentgelts auf die anteiligen Bemessungsgrenzen in den Jahren 1987 und 1990 entsprächen den gesetzlichen Regelungen. Der Arbeitgeber habe nur für den Teil des Versicherungsverhältnisses Beiträge zu zahlen, der dem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei ihm entspreche. Für einen Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit bei fortbestehendem Beschäftigungsverhältnis bestehe dagegen keine Versicherungs- und damit Beitragspflicht aus eventuell gezahltem Arbeitsentgelt. Auch in den Monaten, in denen Versicherungspflicht auf Grund abhängiger Beschäftigung und Zeiten des Bezugs von Sozialleistungen, für die Beiträge für Ausfallzeiten gemäß § 112b AVG zu zahlen waren, also zwei beitragspflichtige Einnahmen zusammentrafen, seien nicht mehr Beiträge aus dem Arbeitsentgelt zu zahlen gewesen, als sie der jeweils anteiligen Beitragsbemessungsgrenze entsprochen hätten. Für den streitigen Monat August 1987, in dem acht Tage mit Beiträgen nach § 112b AVG belegt seien, stehe damit als beitragspflichtige Einnahme nur mehr ein Arbeitsentgelt in Höhe vom 22-fachen des Betrages der täglichen Bemessungsgrenze zur Verfügung. Insgesamt habe das beitragspflichtige Arbeitsentgelt für das gesamte Jahr 1987 360 abzüglich acht, also 352 Tage x 190,00 DM (kalendertägliche Bemessungsgrundlage), damit 66.880,00 DM betragen. Für das Jahr 1990, in dem Beiträge für Ausfallzeiten für drei Tage im April 1990 gezahlt worden seien, gelte Entsprechendes; der Rentenberechnung seien 357 x 210,00 DM (kalendertägliche Bemessungsgrundlage), damit 74.970,00 DM zugrunde gelegt worden.

Weiter führte die Beklagte erklärend aus, der Arbeitgeber brauche bei Unterbrechungen der Entgeltzahlung von weniger als einem Kalendermonat seine Entgeltmeldung nicht aufzuteilen, Computerverfahren zur Prüfung der BBG übernähmen dies bei Meldungen über den Bezug von Entgeltersatzleistungen. Die Berechnung der BBG für die streitigen Teilzeiträume sei exakt nach den Beitragsberechnungsrichtlinien 1976 erfolgt. Würde man dagegen mit den vom Arbeitgeber gemeldeten Arbeitsentgelten rechnen bzw. entsprechend den Ausführungen des SG die Beitragsbemessungsgrenze der jeweiligen Jahre zugrunde legen, würden die Teilzeiträume, in denen die Beitragsbemessungsgrenze durch die Regelungen über die beitragspflichtigen Einnahmen beim Sozialleistungsbezug nicht erreicht werden könnten, aufgefüllt werden. Dies sei gesetzlich nicht vorgesehen.

Im Übrigen erklärte die Beklagte, die vom Kläger und vom Arbeitgeber zuviel gezahlten Beiträge hätten bereits 1987 und 1990 von der zuständigen Krankenkasse erstattet werden müssen; sofern dies nicht erfolgt sei, seien sie heute von ihr zu erstatten.

Der Kläger verwies demgegenüber u.a. auf die in den streitigen Jahren tatsächlich erfolgte Beitragsentrichtung auf Grund der bezogenen Entgelte und Entgeltersatzleistungen über die jeweilige Jahres-BBG hinaus, ferner darauf, dass die Beitragsentrichtungen von der Beklagten nicht nach § 26 Abs.1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) i.V.m. § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) beanstandet worden seien. Zurückzuzahlen seien nach seiner Auffassung von der Beklagten nur die über der Jahresbeitragsbemessungsgrenze liegenden Beitragsanteile.

Er legte Kopien der Originalversicherungsnachweise von 1987 und 1990 vor, ferner eine Ablichtung des inzwischen ergangenen Neufeststellungsbescheides vom 11.11.1999, mit dem die Altersrente des Klägers wegen Änderung einer Beitragszeit im Jahre 1997 neu festgestellt worden war (monatlicher Rentenzahlbetrag DM 3.173,31).

Die Beklagte beantragt, den Gerichtsbescheid vom 16.09.2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt , die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie erweist sich auch als begründet.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichts ist der angefochtene Feststellungsbescheid vom 17.01.1997 ebenso wie die inzwischen ergangenen und bezüglich der streitigen Zeiten in entsprechender Anwendung von § 96 SGG (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 96 Anm.9d m.w.N.) Gegenstand des Verfahrens gewordenen Altersrentenbescheide zutreffend.

Zu Recht hat die Beklagte in den streitigen Jahren beitragspflichtige Entgelte bis zur (anteiligen) BBG nur für die Zeiten bis 15.08.1987 und ab 24.08.1987 bzw. bis 07.04.1990 und ab 11.04.1990 neben den geringeren Werten für die dazwischen liegenden Zeiten des Sozialleistungsbezugs berücksichtigt. Die vorgenommene Aufteilung des Arbeitsentgelts und die Begrenzung auf die anteilige BBG entsprechen den gesetzlichen Bestimmungen.

Es handelt sich bei den angesetzten Beträgen um das beitragspflichtige, aus der die Versicherungspflicht begründenden Beschäftigung erzielte Entgelt im Sinne der seinerzeit geltenden §§ 112 Abs.1 und 3 AVG, 1385 Abs.1 und 3 RVO, soweit es nicht die BBG überschritt. Zum Arbeitsentgelt in diesem Sinne bzw. zu den beitragspflichtigen Einnahmen aus der Beschäftigung gehören sowohl das Entgelt des Klägers aus tatsächlicher Arbeitsleistung als auch der nach dem Lohnfortzahlungsgesetz weiter gezahlte Lohn. Für die anschließende Zeit entfiel mangels weiteren Arbeitsentgelts die Versicherungspflicht des Klägers gemäß § 2 Abs.1 Nr.1 AVG; für die nunmehr gezahlten Lohnersatzleistungen (Krankengeld) fielen 1987 und 1990 lediglich Beiträge für Ausfallzeiten nach § 112b AVG an. Die Beklagte hat die demnach für 1987 und 1990 auf Grund des Arbeitsentgelts einschließlich der Lohnfortzahlung anzuerkennenden Beitragszeiten und die zuzuordnenden beitragspflichtigen Entgelte gemäß den Beitragsberechnungsrichtlinien 1976 entsprechend den tatsächlichen Zahlungszeiträumen bis zur anteiligen BBG auch zutreffend festgestellt und der Ermittlung von Entgeltpunkten zugrunde gelegt. Die Ermittlung der Entgeltpunkte für die dazwischen liegenden Zeiten des Sozialleistungsbezugs bei denen es sich ebenfalls um Beitragszeiten handelt (§ 247 Abs.1 SGB VI), erfolgte zutreffend nach der Sonderregelung des § 256 Abs.2 SGB VI, wonach für Zeiten vor dem 1. Januar 1992, für die für Anrechnungszeiten Beiträge gezahlt worden sind, als Beitragsbemessungsgrundlage der Betrag anzusetzen ist, der sich ergibt, wenn das 100-fache des auf Grund der Lohnersatzleistung gezahlten Beitrags durch den für die jeweilige Zeit maßgebenden Beitragssatz geteilt wird. Eine Auffüllung der Teilzeiträume des Sozialleistungsbezugs, in denen die BBG durch die Regelungen über die beitragspflichtigen Einnahmen beim Sozialleistungsbezug nicht erreicht wurden, ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Dementsprechend ergeben sich im angefochtenen Bescheid zutreffend

für den Monat August 1987 vom 01.08.1987 - 15.08.1987 0,0753 Entgeltpunkte vom 16.08.1987 - 23.08.1987 0,0286 Entgeltpunkte vom 24.08.1987 - 31.08.1987 0,0402 Entgeltpunkte, insgesamt damit 0,1441 und zusammen für das gesamte Jahr 1987 1,8013 Entgeltpunkte,

für den Monat April 1990 vom 01.04.1990 - 07.04.1990 0,0350 Entgeltpunkte vom 08.04.1990 - 10.04.1990 0,0090 Entgeltpunkte vom 11.04.1990 - 30.04.1990 0,1001 Entgeltpunkte, zusammen damit 0,1441 und für das ganze Jahr 1990 1,7962 Entgeltpunkte.

Das Erstgericht, das im angefochtenen Urteil lediglich die Regelungen zur Ermittlung von Entgeltpunkten nach den für den Rentenanspruch des Klägers maßgebenden Vorschriften des SGB VI aufgezeigt und dargelegt hat, dass bei der nach § 70 Abs.1 SGB VI zu erfolgenden Feststellung der Entgeltpunkte für Beitragszeiten die bisherige 200 %-Begrenzung der Werteinheiten nicht in das neue Rentenrecht übernommen worden sei, somit Entgeltpunkte ohne Begrenzung auf Höchstwerte der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden könnten, trifft mit seinen Ausführungen nicht den Kern der Sache.

Die vom Kläger gewünschte Auffüllung der für die Zeiten des Sozialleistungsbezugs anzurechnenden Werte, in denen die BBG infolge der Regelungen über die beitragspflichtigen Einnahmen beim Sozialleistungsbezug nicht erreicht wird, kann auch nicht deshalb erfolgen, weil die auf Grund der Entgeltmeldungen des Arbeitgebers über die BBG hinaus gezahlten Beiträge der Jahre 1987 und 1990 nicht beanstandet wurden. Die Vorschrift des § 26 Abs.1 SGB IV, auf die er sich beruft, bewirkt einen Schutz des Vertrauens in die Wirksamkeit von "trotz Fehlens der Versicherungspflicht" entrichteten Pflichtbeiträgen, die nicht spätestens bei der nächsten Betriebsprüfung beim Arbeitgeber beanstandet wurden; Beiträge, die nicht mehr beanstandet werden dürfen, gelten danach als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge. Die Vorschrift betrifft nur Zeiten, für die die Versicherungspflicht an sich rückwirkend verneint wird. Sie ist auf die hier streitigen Zeiten, in denen - bei bestehender Versicherungspflicht - lediglich Teile des Arbeitsentgelts zu Unrecht als beitragspflichtig behandelt bzw. die Beitragsbemessungsgrenzen missachtet wurden, nicht anwendbar. Anzuwenden ist hier allein § 26 Abs.2 SGB IV. Danach sind zu Unrecht entrichtete Beiträge, auch nicht in richtiger Höhe gezahlte Beiträge, unter bestimmten Bedingungen (keine Leistungserbringung aufgrund dieser Beiträge) zu erstatten. Die aus den die kalendertäglich ermittelte BBG in den Jahren 1987 und 1990 überschreitenden Entgelten gezahlten Beiträge sind unter den Voraussetzungen dieser Regelung - wie von der Beklagten dargelegt - zu erstatten.

Bei dieser Sachlage konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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