L 11 AL 67/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 955/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 67/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.01.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 01.10.1998.

Die 1944 geborene Klägerin meldete sich nachweislich am 28.04.1999 arbeitslos und beantragte Alg. Sie gab an, von 1963 bis 30.06.1993 versicherungspflichtige Beschäftigungen ausgeübt und vom 01.07.1993 bis 02.11.1998 ihre Mutter gepflegt zu haben. Diese erhielt vom 01.04.1995 bis September 1997 Pflegegeld nach Pflegestufe I und ab Oktober 1997 bis 11.09.1998 nach Pflegestufe II. Ab 11.09.1998 war die Mutter stationär im Krankenhaus und später im Pflegeheim untergebracht. Für die Zeit von Oktober 1998 bis 28.04.1999 liegen keine Tätigkeitsnachweise der Klägerin vor.

Mit Bescheid vom 11.06.1999 und Widerspruchsbescheid vom 02.07.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alg/Alhi ab. Innerhalb der um die Pflegezeit vom 01.04.1995 bis 30.09.1998 verlängerten Rahmenfrist von 3 Jahren (28.10.1992 bis 27.04.1999) sei die erforderliche Anwartschaftszeit von 12 Monaten nicht erfüllt. In dieser Zeit habe die Klägerin nur vom 28.10.1992 bis 30.06.1993 in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden. Ein Anspruch auf Alhi bestehe mangels Erfüllung der fünfmonatigen Anwartschaftszeit in der Vorfrist vom 28.04.1998 bis 27.04.1999 ebenfalls nicht.

Mit Schreiben vom 07.12.1999 stellte die Klägerin Antrag auf Überprüfung der bestandskräftig gewordenen Bescheide. Sie habe sich nach Beendigung der Pflegetätigkeit am 12.10.1998 an die Beklagte gewandt und sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt. Es sei ihr aber von den Herren S. und G. - Mitarbeiter der Beklagten - mitgeteilt worden, dass die Pflegezeit ohne Belang sei. Deshalb habe sie die Sache auf sich beruhen lassen und keinen Alg-Antrag gestellt. Erst im November 1999 habe sie erfahren, dass sie damals fehlerhaft beraten worden sei.

Mit Bescheid vom 20.12.1999 und Widerspruchsbescheid vom 01.02.2000 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Die erlassenen Bescheide seien nicht zu beanstanden. Über die behauptete Meldung sofort nach Beendigung der Pflegezeit liege kein Nachweis vor. Das Recht sei weder unrichtig angewandt noch sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden.

Mit der dagegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage (Az: S 5 AL 134/00) begehrte die Klägerin die Zahlung von Alg. Sie habe im Oktober 1998 einen formellen Alg-Antrag wegen falscher Auskünfte nicht gestellt und sich erst im April 1999 arbeitssuchend gemeldet und Alg beantragt. Es sei somit gegebenenfalls im Wege eines sozial-rechtlichen Herstellungsanspruchs von einem bereits im Oktober 1998 gestellten Antrag auszugehen.

Die Beklagte bestritt die behauptete Falschberatung. Beratungsvermerke über Gespräche im Oktober 1998 lägen nicht vor.

Mit Urteil vom 18.01.2001 wies das SG die Klage ab. Ein schriftlicher Antrag auf Alg verbunden mit der persönlichen Arbeitslosmeldung sei erst am 28.04.1999 gestellt worden, so dass die Rahmenfrist erweitert um 42 Monate Pflege ab Einführung der Pflegeversicherung (01.04.1995 - 30.09.1998) zutreffend berechnet worden sei (28.10.1992 bis 27.04.1999). Innerhalb dieser Rahmenfrist sei die Klägerin nicht mindestens 12 Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die Zeiten der Pflege vor dem 01.04.1995 seien bei der Berechnung der Rahmenfrist nicht zu berücksichtigen. Eine frühere Arbeitslosmeldung sei auch nicht aufgrund des sozial-rechtlichen Herstellungsanspruchs anzunehmen, denn eine fehlende persönliche Arbeitslosmeldung könne nicht über dieses Institut ersetzt werden; die Arbeitslosmeldung als Tatsachenerklärung unterliege nicht der Gestaltungsmöglichkeit einer Willenserklärung.

Die dagegen zum Bayer. Landessozialgericht eingelegte Berufung der Klägerin wies das LSG durch Beschluss vom 04.06.2003 zurück. Die Rahmenfrist sei von der Beklagten zutreffend berechnet worden. Sie umfasse die Zeit vom 28.10.1992 bis 27.04.1999. Die Zeit der Pflege der Mutter vor dem 01.04.1995 könne nicht berücksichtigt werden, denn in dieser Zeit hätten die Klägerin und auch die zu pflegende Person keine Leistungen nach dem BSGH oder vergleichbare Leistungen (zB § 53 SGB V) bezogen. Bei der Berechnung der Rahmenfrist könne auch nicht von einem Antrag auf Alg im Oktober 1998 ausgegangen werden. Ein solcher liege der Beklagten nicht vor und eine persönliche Arbeitslosmeldung werde von der Klägerin selbst nicht behauptet. Die Klägerin könne auch nicht so gestellt werden als ob sie im Oktober 1998 einen Alg-Antrag gestellt habe, denn ein hierauf gerichteter sozial-rechtlicher Herstellungsanspruch bestehe nicht. Die Arbeitslosmeldung als Tatsachenerklärung könne nicht im Wege des sozial-rechtlichen Herstellungsanspruchs ersetzt werden.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wies das BSG durch Beschluss vom 29. Dezember 2003 zurück (B 7 AL 192/03 B).

Mit Schreiben vom 17.12.2003 stellte die Klägerin bei der Beklagten erneut Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X. Die Beklagte lehnte auch diesen Antrag ab (Bescheid vom 01.07.2004/ Widerspruchsbescheid vom 13.10.2004).

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben, die sie jedoch nicht begründete.

Das SG hat die Klägerin gehört und den Antragsannehmer S. als Zeugen uneidlich vernommen.

Die Klägerin hat angegeben, sie habe am 12.10.1998 vormittags in der Dienststelle E. der Beklagten bei Herrn S. vorgesprochen und sich dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung gestellt. Aufgrund eines ihr vom Mitarbeiter S. überreichten handschriftlichen Zettels habe sie noch am selben Tag um 14.32 Uhr mit Herrn G. vom Arbeitsamt N. telefoniert. Nach dem Telefongespräch habe sie jedoch nicht mehr das Arbeitsamt aufgesucht. Sie habe Herrn S. gegenüber geäußert, dass sie davon ausgehe, nach Beendigung der Pflege ihrer Mutter und aufgrund der von ihr zurückgelegten Zeiten Anspruch auf Alg zu haben. Nachdem der Mitarbeiter S. bemerkt habe, wie enttäuscht sie gewesen sei, habe er ihr die Nummer des Herrn G. gegeben, damit sie dort seine Auskunft bestätigt bekomme. Herr S. habe ihr jedoch nicht gesagt, dass sie sich formell arbeitslos melden müsse und auch nicht in seinem Computer nachgesehen, ob sie dort bereits verzeichnet gewesen sei.

Der Zeuge hat ausgesagt, dass er sich an konkrete Einzelfälle nicht mehr erinnern könne. Als Antragsannehmer habe er keine Rechtsauskünfte erteilen dürfen, deshalb Fragesteller an Herrn G. von der Leistungsabteilung weitergeleitet und ihnen dessen Telefonnummer gegeben. Der von der Klägerin vorgelegte handgeschriebene Zettel stamme von ihm und belege seine Verfahrensweise. Die Klägerin müsse deshalb zu irgendeinem Zeitpunkt in der Antragsannahmestelle gewesen sein.

Mit Urteil vom 20.01.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine Arbeitslosmeldung der Klägerin vom 12.10.1998 sei nicht nachgewiesen. Zwar habe die Klägerin behauptet, sie habe am 12.10.1998 beim Antragsannehmer S. in der Dienststelle E. vorgesprochen und sich zur Verfügung gestellt. Im Gegensatz zu ihrer Arbeitslosmeldung vom 28.04.1999 fänden sich dazu jedoch in den Akten der Beklagten kein Vermerk oder sonstige Nachweise. Es könne zwar davon ausgegangen werden, dass die Klägerin den Zeugen S. zu irgendeinem Zeitpunkt aufgesucht habe. Der ihr vom Zeugen übergebene Zettel bestätige jedoch nicht, dass die Klägerin gerade am 12.10.1998 in der Dienststelle E. vorgesprochen habe. Der Zeuge könne sich auch nicht persönlich an die Klägerin erinnern. Nachgewiesen sei deshalb lediglich, dass die Klägerin beim Zeugen in der Dienststelle E. zu irgendeinem Zeitpunkt vorgesprochen habe. Ihre Behauptung, sich gerade am 12.10.1998 in die Dienststelle E. begeben zu haben, sei weder durch den Akteninhalt noch durch die Aussage des Zeugen belegt. Der Nachweis einer persönlichen Arbeitslosmeldung am 12.10.1998 sei mithin nicht geführt worden. Im Übrigen habe die Klägerin im zeitnahen Widerspruchsverfahren selbst ausgeführt, dass sie sich erst im April 1999 arbeitssuchend gemeldet und Alg beantragt habe. Eine Arbeitslosmeldung der Klägerin am 12.10.1998 könne als Tatsachenerklärung auch nicht im Wege des sozial-rechtlichen Herstellungsanspruchs fingiert werden.

Dagegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Sie habe durch Vorlage telefonischer Einzelverbindungsnachweise belegt, bereits am 12.10.1998 beim zuständigen Arbeitsamt zwecks Stellung eines Alg-Antrags vorgesprochen zu haben. Der Auffassung des SG, eine Arbeitslosmeldung könne als Tatsachenerklärung im Nachhinein nicht mehr ersetzt werden, sei nicht zu folgen. Unter Berufung auf Treu und Glauben sei sie so zu stellen, als habe sie im Oktober 1998 Antrag auf Alg gestellt. Im Übrigen bedürfe es keiner besonderen Antragstellung mehr, weil durch die persönliche Arbeitslosmeldung diese Voraussetzung bereits als erfüllt gelte.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.01.2005 sowie den Bescheid vom 01.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.10.1998 Alg zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Bereits der erste Antrag nach § 44 SGB X vom 07.12.1999 sei negativ verbeschieden und diese Entscheidung in allen drei Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit bestätigt worden. Trotzdem könne dahinstehen, ob aus diesem Grund der weitere Überprüfungsantrag schon wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses hätte abgelehnt werden können, denn zum Zeitpunkt dieses zweiten Antrags hätten neue Anhaltspunkte oder Erkenntnisse dafür, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 11.06.1999 das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich zwischenzeitlich als unrichtig erwiesen habe, nicht vorgelegen. Solche ergäben sich auch nicht aus dem im Verfahren vor dem BSG am 20.11.2003 unterbreiteten Vergleichsvorschlag.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die Beklagte hat den erneuten Überprüfungsantrag der Klägerin vom 17.12.2003 ebenfalls zutreffend abgelehnt.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X). Zu Recht ist die Beklagte davon ausgegangen, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 11.06.1999/Widerspruchsbescheides vom 02.07.1999 hat und ein Anspruch auf Alg nicht besteht.

Gemäß § 117 Abs 1 SGB III haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die u.a. die Anwartschaftszeit erfüllt haben (Nr 3). Diese hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB III in der vom 01.01.1998 bis 31.12.2001 geltenden Fassung). Die Rahmenfrist beträgt 3 Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg (§ 124 Abs 1 SGB III in der vom 01.01.1998 bis 31.07.1999 geltenden Fassung). In die Rahmenfrist werden Zeiten nicht eingerechnet, in denen der Arbeitslose als Pflegeperson einen der Pflegestufe I bis III iS des Elften Buches zugeordneten Angehörigen, der Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung nach dem Elften Buch oder Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) oder gleichartige Leistungen nach anderen Vorschriften bezieht, wenigstens 14 Stunden wöchentlich gepflegt hat (§ 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III).

Die Rahmenfrist umfasst vorliegend somit die Zeit vom 28.04.1996 bis 27.04.1999 und wird verlängert um die Zeiten, in denen Pflegegeld, vergleichbare Leistungen nach BSHG oder nach anderen Vorschriften gezahlt wurde. Dies war bei der Klägerin vom 01.04.1995 bis September 1998 der Fall. Ab 11.09.1998 war die zu pflegende Person stationär aufgenommen und später in einem Pflegeheim untergebracht worden. Unter Berücksichtigung des vollen Monats September 1998 ist die Rahmenfrist von der Beklagten zutreffend berechnet worden. Sie umfasst die Zeit vom 28.10.1992 bis 27.04.1999. Eine weitere Verlängerung der Rahmenfrist kommt nicht in Betracht. Die Zeit der Pflege der Mutter vor dem 01.04.1995 kann nicht berücksichtigt werden, da in dieser Zeit weder die Klägerin noch die zu pflegende Person Leistungen nach dem BSHG oder vergleichbare Leistungen bezogen hat. Die Pflege ohne entsprechende Leistungen ist vom Gesetzgeber nicht als berücksichtigungsfähig anerkannt worden. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 1 SGB III.

Bei der Festlegung der Rahmenfrist ist die Beklagte zutreffend von einer Arbeitslosmeldung der Klägerin vom 28.04.1999 und nicht bereits vom 12.10.1998 ausgegangen.

Zwar hat das BSG in seinem Vergleichsvorschlag vom 20.11.2003, der von der Beklagten nicht akzeptiert wurde, unter Bezugnahme auf § 323 Abs 1 SGB III ausgeführt, dass in der vom LSG festgestellten persönlichen Vorsprache der Klägerin vom 12.10.1998 bei der Arbeitsagentur (Herrn S.) eine persönliche Arbeitslosmeldung und damit auch eine Antragstellung gesehen werden könne. Dabei hat sich das BSG wohl auf die Formulierung in den Gründen des Beschlusses vom 04.06.2003 - L 10 AL 102/01 - gestützt: "Sie (die Klägerin) war zwar am 12.10.1998 persönlich beim Arbeitsamt (21 SG)" ... Dieser Satz ist jedoch insoweit missverständlich, als er das eigene Vorbringen der Klägerin, am 12.10.1998 persönlich bei Herrn S. vorgesprochen zu haben, als Tatsache darstellt. Tatsächlich ist jedoch für den 12.10.1998 eine persönliche Vorsprache der Klägerin bei der Arbeitsagentur N. oder der Dienststelle E. nicht belegt.

Die Klägerin hat zwar nachgewiesen, dass sie am 12.10.1998 mit der AA telefoniert hat und sie bei dieser irgendwann auch persönlich vorgesprochen hat (vgl undatierter Zettel des Antragsannehmers S.). Der Tag dieser Vorsprache sowie der Inhalt des Gesprächs ist jedoch in den Akten nicht vermerkt. Nach ihrem eigenen Vorbringen hat die Klägerin lediglich Auskünfte zu einem eventuellen Alg-Anspruch eingeholt und aufgrund der negativen Auskunft auf eine Antragstellung verzichtet.

Primär fehlt es vorliegend somit bereits am Nachweis einer persönlichen Arbeitslosmeldung (§ 122 SGB III), mit der gemäß § 323 Abs 1 Satz 2 1. HS SGB III Alg als beantragt gelten würde, sofern der Arbeitslose hierzu keine andere Erklärung abgegeben hat (§ 323 Abs 1 Satz 2 2. HS SGB III).

Nach § 122 Abs 1 Satz 1 SGB III erfolgt die Arbeitslosmeldung dadurch, dass sich der Arbeitslose bei der zuständigen AA persönlich arbeitslos meldet. Die Arbeitsmeldung soll der AA die Kenntnis vom Eintritt eines Leistungsfalls vermitteln und diese tatsächlich in die Lage versetzen, mit den Vermittlungsbemühungen zu beginnen um die eingetretene Arbeitslosigkeit und damit auch die Leistungsverpflichtung möglichst rasch zu beenden. Der Leistungsanspruch kann erst mit dem Vorliegen der Arbeitslosmeldung zur Entstehung gelangen (grundlegend BSG SozR 4100 § 105 Nr 2 = BSGE 60, 43 bis 50).

Selbst wenn man vorliegend die Vorsprache der Klägerin bei der AA als Arbeitslosmeldung werten könnte, stünde deren Zeitpunkt nicht fest. Für den von der Klägerin behaupteten 12.10.1998 sind nämlich nur mit der AA geführte Telefongespräche der Klägerin belegt; diese ersetzen die persönliche Arbeitslosmeldung jedoch nicht. Der Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung ist aber entscheidend für den Beginn eines Leistungsanspruchs und auch dafür, ob ein solcher Anspruch überhaupt zusteht. Denn er ist auch für die Erfüllung der Anwartschaftszeit maßgebend.

Die Regelung des § 122 Abs 3 SGB III (Rückdatierung der verspäteten Arbeitslosmeldung wegen fehlender Dienstbereitschaft der AA) hat Ausnahmecharakter und ist deswegen eng auszulegen. Einer aus anderen Gründen verspäteten Arbeitslosmeldung kommt keine Rückwirkung zu. Allerdings muss der Begriff der fehlenden Dienstbereitschaft erweiternd ausgelegt werden, wenn die Dienstbereitschaft zwar nicht objektiv, wohl aber in der Vorstellung des Arbeitslosen fehlt und die AA diese falsche Vorstellung (zB durch eine falsche Auskunft über die Dienstbereitschaft oder infolge eines Organisationsmangels) zu verantworten hat (Brand in Niesel SGB III 3. Auflage § 123 RdNr 13 mwN aus der Rechtsprechung). Ein solcher Fall lag bei der Klägerin jedoch nicht vor.

Zutreffend hat das SG auch erkannt, dass die Voraussetzungen für das Bestehen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs fehlen, denn die tatsächlich erst am 28.04.1999 erfolgte Arbeitslosmeldung wäre nicht durch eine rechtmäßige Amtshandlung der Beklagten als bereits früherer erstattet zu bewirken. Das Gesetz bestimmt den Tag, an dem diese Handlung in der Person des Arbeitslosen tatsächlich stattfindet als den maßgeblichen Zeitpunkt für die Entstehung des Anspruchs, sofern weitere Voraussetzungen gegeben sind. Die Beklagte ist, soweit § 122 Abs 3 SGB III keine Ausnahme zulässt, an diese Regelung gebunden. Weder kann sie die Arbeitslosmeldung durch eine Amtshandlung ersetzen, noch darf sie ohne ihr Vorliegen rechtmäßig eine Alg-Bewilligung aussprechen. Eine derartige Alg-Gewährung wäre vielmehr gesetzwidrig. Der Herstellungsanspruch steht mithin nicht zur Verfügung, um eine für einen bestimmten Zeitpunkt tatsächlich erforderliche, aber fehlende - weil nicht nachgewiesene - Arbeitslosmeldung zu ersetzen (BSG SozR 4100 § 105 Nr 2).

Da die Beklagte somit die Rahmenfrist zutreffend festgelegt hat (28.10.1992 bis 27.04.1999), die Klägerin in dieser die Anwartschaftszeit aber nicht erfüllt hat, steht ihr aufgrund des Antrags vom 28.04.1999 kein Anspruch auf Alg zu. Der Bescheid der Beklagten vom 11.06.1999/Widerspruchsbescheid vom 02.07.1999 waren somit rechtmäßig.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.01.2005 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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