L 11 AL 97/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 204/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 97/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 23.02.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Bemessung des dem Kläger ab 23.02.2002 gewährten Arbeitslosengeldes (Alg).

Der 1956 geborene Kläger war zuletzt vom 01.08.1999 bis 15.09.2000 als Objektbetreuer bei einer Baufirma vollschichtig (40 Std./Woche) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde durch den Arbeitgeber gekündigt. Vom 22.05.2000 bis 22.02.2002 war der Kläger krank und bezog von der DAK B. Krankengeld (76,99 EUR kalendertäglich).

Am 02.01.2002 meldete er sich arbeitslos, wobei er gesundheitliche Einschränkungen geltend machte. Er erklärte sich jedoch bereit, im Rahmen des durch ärztliche Begutachtung festgestellten Leistungsvermögens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stehen. Die Beklagte bewilligte am 08.02.2002 Alg für die Zeit ab 23.02.2002 nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von 535,00 EUR (Leistungssatz 262,92 EUR, Leistungsgruppe C/1). Nach Begutachtung des Klägers vom 21.01.2002 durch Medizinaloberrat W.H. vom Ärztlichen Dienst der Beklagten (Gutachten vom 04.02.2002), der die durch den Rentenversicherungsträger im Dezember 2001/Januar 2002 veranlassten chirurgisch-orthopädischen, internistischen und neurologisch-psychiatrischen Gutachten beizog, und das dem Kläger am 21.02.2002 eröffnet wurde, gewährte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 25.02.2002 - bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 16.04.2002 - ab 23.02.2002 Alg nur noch nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 405,00 EUR (Leistungssatz 212,52 EUR, Leistungsgruppe C/1). Der Kläger könne nach dem ärztlichen Gutachten nur noch 30 Std./Woche arbeiten, so dass gemäß § 133 Abs 3 SGB III Alg nach dieser ihm nur noch möglichen Arbeitszeit zu zahlen sei.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. § 133 Abs 3 SGB III sei verfassungswidrig. Die Norm verstoße gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 Grundgesetz (GG) und das Willkürverbot des Art 3 Abs 1 GG. Für die Bemessung des Alg dürfe nur an die in der Vergangenheit geleisteten Beiträge angeknüpft werden und nicht an ungewisse künftige Beitragshöhen.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.02.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers könnten nicht geteilt werden. Zwar hätten die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung anwartschaftsbegründende Wirkung. Der damit verbundene grundrechtliche Eigentumsschutz sei jedoch nicht so stark ausgeprägt wie dies z.B. in der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall sei. Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass der Gesetzgeber nicht gehalten sei, Geldleistungen der Höhe nach in voller Äquivalenz zu den Beiträgen festzusetzen, denn es würden alle Arbeitnehmer - ohne Berücksichtigung ihres individuellen Arbeitslosigkeitsrisikos - gleichmäßig zu Beiträgen herangezogen. Auch das BSG sei in ständiger Rechtsprechung der Auffassung, dass bei der Berechnung der kurzfristigen Lohnersatzleistungen eine pauschalierende Betrachtungsweise erforderlich sei, um eine zügige Leistungsgewährung sicher zu stellen. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG sei bereits deshalb nicht gegeben, weil in dem eingeschränkten Leistungsvermögen, das zum Maßstab für die Herabmessung gemacht werde, ein sachlicher Differenzierungsgrund zu sehen sei.

Gegen diesen Gerichtsbescheid hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die durch § 133 Abs 3 SGB III bewirkte Verkürzung des Anspruchs auf Alg verstoße in erster Linie deshalb gegen die Eigentumsgarantie des GG, weil sie in unvorhersehbarer, zufälliger Weise eintrete, zufällige Umstände dem Leistungsempfänger zugerechnet würden und so zu einer Verringerung seines Leistungsanspruchs führten. Der Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des GG liege damit in den Verletzungen der Gebote der Vorhersehbarkeit und Willkürfreiheit staatlichen Handelns. Durch die Regelung des § 133 Abs 3 SGB III werde in eklatanter Weise der rechtsstaatlich gebotene Vertrauensschutz des Einzelnen in den Bestand rechtmäßig erworbener eigentumsgeschützter Ansprüche verletzt. Wenn der Staat den Einzelnen durch eine Zwangsversicherung nötige, eine Anwartschaft aufzubauen, dürfe er den Wert dieser Anwartschaft im Leistungsfall nicht in einer für den Einzelnen unvorhersehbaren Weise unter Anknüpfung an bloß zufällige oder nur zufällig erkennbare Umstände nachträglich herabsetzen. Vorliegend sei ihm die Versicherungsleistung aufgrund des zufälligen Umstandes gekürzt worden, dass die Beklagte von seiner vorübergehenden Leistungsminderung Kenntnis erhalten habe. Die Vermutung, der vermindert Leistungsfähige werde auch niedrigere Bezüge erhalten, sei völlig unzureichend begründet und durch nichts bewiesen. Im Übrigen sei die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts hierzu selbst in weiten Teilen verfassungswidrig, weil und soweit sie weder berechenbar noch vorhersehbar sei. Nach der Nahtlosigkeitsregelung des § 112 Abs 8 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) habe bei einer Minderung der Leistungsfähigkeit des Arbeitslosen eine Herabbemessung nicht erfolgen sollen. Das BSG habe in diesem Zusammenhang bestätigt, dass ein eingeschränkt Arbeitsfähiger ohne Rentenbezug nicht durch den Rost der Sozialleistungen fallen solle. In § 133 Abs 3 SGB III - heute § 131 Abs 5 SGB III - sei zu der zugunsten von Arbeitslosen vermuteten Nahtlosigkeit nichts mehr zu finden. Stattdessen werde pauschal Arbeitsunwilligkeit vermutet. Es sei ferner ungereimt, bei der Zumessung von Leistungen auf verschiedene Arbeitsmärkte abzustellen. Bei Kürzung des Alg aufgrund der Beklagten zufällig bekannt werdender Umstände gehe das BSG davon aus, dass verminderte Verfügbarkeit auch ein geringeres Arbeitseinkommen bedeute. Anders werde der Arbeitsmarkt jedoch bestimmt, wenn es um Arbeits-, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit gehe. Es werde ein fiktiver Arbeitsmarkt als Beurteilungshintergrund angenommen; auf einen konkreten Arbeitsplatz im konkreten Arbeitsmarkt komme es nicht an. In beiden Fällen werde zur Rechtfertigung der Leistungsversagung der jeweils besser passende Arbeitsmarkt herangezogen. Das sei unverantwortlich.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Bayreuth vom 23.02.2005 sowie des Bescheides vom 25.02.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2002 und des Bescheides vom 21.01.2003 zur Zahlung des vollen Arbeitslosengeldes gemäß dem Bescheid der Beklagten vom 08.02.2002 seit 23.02.2002 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Einschränkungen der Leistungsfähigkeit oder tatsächliche oder rechtliche Bindungen seien nicht zufällige Umstände, sondern besondere Umstände in der Person eines Leistungsempfängers, die systematisch bei der Antragstellung abgefragt und erkannt würden. Es seien somit sachliche Gründe, die zu einer Differenzierung der Leistungsempfänger und zu Äquivalenzabweichungen bei der Leistungsgewährung führten. Die Bemessung nach § 133 Abs 3 Satz 3 SGB III erfolge nach dem Grundsatz, dass ein Arbeitsloser nicht mehr Leistungen erhalten solle, als er, soweit er in einem zumutbaren Beschäftigungsverhältnis stehe, an Arbeitseinkommen erzielen könne. Dabei gelte als Indiz für ein zukünftiges Einkommen das vorherige im Bemessungszeitraum erzielte Entgelt, das der Leistungsfähigkeit entsprechend angepasst werde.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen, denn die Beklagte durfte das Alg mit Wirkung ab 23.02.2002 herabbemessen.

Der Senat konnte in der Sache selbst entscheiden, obwohl der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten den ganzen Senat durch Faxschreiben vom 06.09.2005 "wegen Befangenheit gegenüber dem Kläger als zur Sachentscheidung ungeeignet" abgelehnt hat. Das Ablehnungsgesuch wurde mit Beschluss des Senats vom 06.09.2005 als unzulässig verworfen. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird verwiesen. Im Übrigen würde die Verweigerung einer begehrten Terminsverlegung auch dann keine Ablehnung rechtfertigen, weil sie nicht zu Unrecht erfolgt ist (LSG Niedersachen Beschluss vom 26.06.2001 - L 3 B 133/01 KA -).

An einer Sachentscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung war der Senat auch nicht durch die Abwesenheit des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten gehindert. Beide wurden vom Sitzungstermin ordnungsgemäß verständigt. Der Kläger hat dem Senat am 06.09.2005 mitgeteilt, dass er an der mündlichen Verhandlung ohnehin nicht teilnehmen werde. Zwar hat sein Prozessbevollmächtigter am 16.08.2005 ein Verlegungsgesuch eingereicht mit dem Ziel, den Termin vom 06.09.2005, 10.00 Uhr, "auf einen späteren Sitzungstag und vor allem auf eine spätere Terminsstunde, nämlich nicht vor 12.00 Uhr" zu verlegen. Diesem Gesuch hat der stellvertretende Vorsitzende des Senats jedoch nicht entsprochen.

Die Aufhebung eines Termins und Verlegung auf einen anderen Zeitpunkt kommt nur aus erheblichen Gründen in Betracht (§ 202 SGG iVm § 227 Abs 1 Zivilprozessordnung - ZPO -). Ein erheblicher Grund ist zB die Verhinderung eines Prozessbevollmächtigten, wenn eine anderweitige Vertretung nicht möglich ist (BSG SozR 1750 § 227 Nr 2). Im vorliegenden Fall war der Prozessbevollmächtigte des Klägers aber bereits nach seinem eigenen Vortrag zum Zeitraum des anberaumten Termins oder auch für eine eventuelle Anreise von Potsdam nach Schweinfurt bereits am Vortage der mündlichen Verhandlung nicht verhindert. Eine Terminskollision (BSG SozR 3-1750 § 227 Nr 1) oder ähnliches wurde von ihm nicht geltend gemacht.

Im von ihm vorgetragenen Argument, aus Kostengründen Hin- und Rückreise an einem Tag vornehmen zu wollen, kann ebenfalls kein erheblicher Verlegungsgrund gesehen werden. So hat der Prozessbevollmächtigte die Unmöglichkeit einer solchen Vorgehensweise unter Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel einschließlich des Flugzeugs nicht glaubhaft gemacht (§ 202 SGG iVm §§ 227 Abs 2, 294 ZPO). Im Falle der Glaubhaftmachung wäre der Senat von seiner üblichen Terminierung abgewichen und hätte einen anderen Termin anberaumt.

Die Berufung konnte in der Sache keinen Erfolg haben. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt im besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X).

Vorliegend ist eine wesentliche Änderung insoweit eingetreten, als der Kläger aus gesundheitlichen Gründen spätestens ab 21.02.2002 (Eröffnung des Gutachtens) nur noch 30 Std./Woche leistungsfähig war. Die Änderung war wesentlich, weil der Verwaltungsakt unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen von der Arbeitsagentur so nicht mehr hätte erlassen werden dürfen (BSG SozR 1300 § 48 Nr 19). Die Wesentlichkeit ist nach dem Leistungsrecht zu beurteilen (Niesel, SGB III, 3. Auflage, § 330 RdNr 40).

Kann der Arbeitslose nicht mehr die im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Zahl von Arbeitsstunden leisten, weil er tatsächlich oder rechtlich gebunden oder sein Leistungsvermögen eingeschränkt ist, vermindert sich das Bemessungsentgelt für die Zeit, während der die Bindungen vorliegen oder das Leistungsvermögen eingeschränkt ist, entsprechend dem Verhältnis der Zahl der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden, die der Arbeitslose künftig leisten kann, zu der Zahl der durchschnittlich auf die Woche entfallenden Arbeitsstunden im Bemessungszeitraum (§ 133 Abs 3 Satz 1 SGB III idF vom 21.07.1999, gültig ab 01.08.1999 bis 31.12.2004).

Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen dieser Vorschrift im vorliegenden Fall verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung (§ 136 Abs 2 SGG).

Ergänzend wird ausgeführt, dass der Bestimmung des § 133 Abs 3 Satz 1 SGB III der Gedanke zugrunde liegt, dass durch das Alg dasjenige Entgelt ersetzt werden soll, das der Arbeitslose aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt bei künftiger Berufstätigkeit erzielen kann (Entgeltausfall- prinzip; BSG SozR 4100 § 112 Nr 12; BSG Urteil vom 14.08.1980, DBlR 2638, AFG, § 112; BayLSG Urteil vom 10.03.2005 - L 11 AL 287/03 -; Marschner in GK-SGB III § 133 RdNr 11). Es sollen aus Gründen der Praktikabilität jedoch nur solche Verfügungseinschränkungen zu einer Leistungsminderung führen, die den Umfang der Arbeitszeit herabsetzen (vgl Abs 3). Das ist beim Kläger der Fall.

Abs 3 bestimmt den rechnerischen Maßstab für die Bewertung von Teilverfügbarkeit. Dieses Verfahren ist sowohl bei der erstmaligen Bemessung als auch - wie vorliegend - in laufenden Leistungsfällen zu beachten. In laufenden Leistungsfällen ist die Herabsetzung frühestens ab Eröffnung des ärztlichen Gutachtens durchzuführen (Valgolio in Hauck/Noftz SGB III § 133 RdNrn 26, 36). Mit den in Abs 3 genannten Einschränkungen des Leistungsvermögens sind solche gesundheitliche Einschränkungen gemeint, die zu einer Minderung des Bemessungsentgelts führen (BT-Drs 13/4941 S 178). Jede gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Einschränkung des Leistungsvermögens bewirkt, hat eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage zur Folge. Ein sog. Nahtlosigkeitsfall lag nicht vor (vgl hierzu die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte das Bemessungsengelt ab 23.02.2002 richtig berechnet. Der Kläger war im Bemessungszeitraum vollschichtig beschäftigt (40 Std./Woche). In Zukunft konnte er aus gesundheitlichen Gründen nur 30 Std./Woche leisten. Ausgehend von einem Regelbemessungsentgelt von 535,00 EUR ergab sich eine Minderung des Bemessungsentgelts von (gerundet) 405,00 EUR (535 x 30: 40 = 535 x 0,75 = 401,25).

Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers gegen die Herabbemessung führen zu keiner anderen Entscheidung.

Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur sozialversicherungsrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 11.01.1995 (BVerfGE 92, 93; bestätigt durch BVerfGE 102, 127) wird in der Literatur diskutiert, inwieweit es verfassungsrechtlich (Art 3 Abs 1 GG) geboten sei, aus der individuellen Beitragsleistung des Versicherten einen Anspruch auf eine versicherungsmathematisch und ökonomisch nachvollziehbare Leistungshöhe der Entgeltersatzleistungen der Arbeitslosenversicherung abzuleiten (Kokemoor SGb 1996 410; Spellbrink SGb 2000, 296, 301 und Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts 2003, § 39 RdNr 162 ff).

Das Bundesverfassungsgericht fordert eine solche Betrachtung jedoch nicht. Es betont vielmehr, dass es von Verfassungswegen nicht geboten sei, bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistungen zu erzielen (BVerfGE 90, 226, 240; 92, 53, 71; BVerfG SozR 3-4100 § 168 Nr 12).

Die individuellen Beiträge könnten als vorausgegangener Maßstab für die Leistungen in der Arbeitslosenversicherung deshalb nicht in Betracht kommen, weil für die Arbeitslosenversicherung kurze Anwartschaftszeiten, ein extrem kurzer Bemessungszeitraum und üblicherweise ein kurzer Leistungsbezug typisch seien (BVerfGE 51, 115, 124 f; 53, 313, 328).

Auch unter dem Blickwinkel des Art 14 Abs 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht keine Zweifel angemeldet und den Äquivalenzgedanken als vorrangigen Maßstab für die Alg-Bemessung ausgeschlossen (BVerfGE 72, 9, 20). Es hat hier die Globaläquivalenz für ausreichend angesehen (BVerfGE 51, 115, 124 f; 53, 313, 328 f). Mit den Beiträgen zur BA würden nämlich nicht nur Entgeltersatzleistungen, sondern zahlreiche andere Leistungen finanziert. Demnach sei es ausreichend, wenn es insgesamt eine Äquivalenz zwischen Beitragsleistungen der Versicherten und den Gesamtleistungen der BA an alle Bürger gebe (Spellbrink aaO § 39 RdNr 170). Der Senat hält die Rechtsauffassung des BVerfG weiterhin für zutreffend, und zwar auch für den Fall des leistungsgeminderten Arbeitslosen (s.o.).

Damit durfte die Beklagte die Leistungsbewilligung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufheben. Der Kläger hat gewusst bzw infolge grober Fahrlässigkeit (§ 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 2. HS SGB III) nicht gewusst, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes teilweise weggefallen ist. Hierauf wurde er insbesondere durch das ihm am 02.01.2002 ausgehändigte Merkblatt 1 für Arbeitslose hingewiesen. Auch hat er die Leistungseinschränkung im Alg-Antrag selbst geltend gemacht.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 23.02.2005 ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1, 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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