L 9 AL 193/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 9/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 193/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16.01.2002 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 23.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.1999 wird aufgehoben, soweit die Arbeitslosengeld-Bewilligung bereits für die Zeit vor dem 22.11.1999 aufgehoben wurde. Insoweit wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des zweiten Rechtszuges zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist neben der Feststellung einer zwölfwöchigen Sperrzeit (16.10.1999 mit 07.01.2000) die damit korrespondierende Aufhebung der Leistungsbewilligung sowie die Erstattung des überzahlten Arbeitslosengelds (Alg) in Höhe von DM 948,16 streitig.

I.

Der 1943 in K. geborene verheiratete Kläger, der die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat und auf dessen Lohnsteuerkarte die Steuerklasse III sowie zwei berücksichtigungsfähige Kinder eingetragen waren, stand zuletzt seit 19.01.1999 im Leistungsbezug der Beklagten und erhielt Alg in Höhe von DM 410,69 wöchentlich (Bescheid vom 25.02.1999, BE DM 810,00; Leistungssatz 67 v.H.; Leistungsgruppe C/1). Am 26.07.1999 wurde ihm von der Beklagten mit Rechtsfolgenbelehrung "R1" ein Vermittlungsvorschlag der Firma R. Anlagenbau GmbH in L. als Elektroanlageninstallateur unterbreitet. Der Arbeitsort sollte in L. sein, Lohn/Gehalt für die sofort zu besetzende Vollzeitstelle sollte vereinbart werden. Der Kläger wurde gebeten, sich umgehend schriftlich zu bewerben.

Am 20.10.1999 teilte er in einer Erklärung über das Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses mit, das Angebot sei ihm am 26.07.1999 per Post unterbreitet worden. Er habe sich am 12.10.1999 persönlich beim Arbeitgeber vorgestellt, die Arbeit jedoch nachträglich am 15.10.1999 abgelehnt. Im Einzelnen führte er aus, sich Anfang August das erste Mal vorgestellt zu haben. Eine Woche später habe er dort angerufen, ein Herr K. (K.) habe mitgeteilt, es würde ein größerer Auftrag erwartet, der Kläger stände auf der Warteliste. Nach gewissen Abständen habe er sich danach mindestens dreimal erkundigt. Am 11.10.1999 habe die Firma ihn angerufen und gefragt, ob er zwei bis drei Wochen im Ausland arbeiten könne, was er bejaht habe. Bei der Vorstellung am 12.10.1999 sei demgegenüber offensichtlich geworden, dass er mehrere Kunden im Ausland (Japan, London, Griechenland etc.) betreuen sollte. Da es sich um die Betreuung zahlreicher Kunden im Ausland gehandelt habe, habe er das Angebot aus familiären Gründen (zwei Kinder) abgelehnt. Er sei allerdings immer noch bereit und würde sich auch freuen, in L. arbeiten zu können. Laut Beratungsvermerk vom 10.11.1999 ermittelte die Beklagte bei der Stellenanbieterin, dass ein Auslandseinsatz als Option, nicht aber als Bedingung für eine Einstellung gedacht gewesen sei, wobei es sich um ca. ein- bis zweiwöchige Auslandseinsätze zur Maschinenauslieferung gehandelt habe. Alterniv sei an ein Angebot im Werkstattbereich gedacht worden.

Daraufhin stellte die Beklagte durch Bescheid vom 23.11.1999 eine Sperrzeit von zwölf Wochen fest (16.10.1999 mit 07.01.2000), hob die Leistungsbewilligung ab 16.10.1999 auf und forderte die eingetretene Überzahlung in Höhe von DM 948,16 zurück. Der Kläger habe ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund nicht angenommen und hierdurch seine Arbeitslosigkeit verlängert. Ein Auslandseinsatz sei keine Einstellungsbedingung gewesen.

Hiergegen wandte der Kläger ein, sich auf den Vermittlungsvorschlag vom 26.07.1999 bei der Firma R. beworben zu haben. Da zu dieser Zeit ein anderer Bewerber eingestellt worden sei und kein größerer Auftrag angestanden habe, habe er mit dem Arbeitgeber vereinbart, dass er angerufen werde, sobald Arbeit vorhanden sei. Außerdem habe er sich immer wieder selbst gemeldet. Am 11.10.1999 habe K. ihn angerufen und mitgeteilt, dass aufgrund seiner Englischkenntnisse eine passende Arbeit mit Auslandseinsätzen vorhanden sei, daraufhin habe er sich für jeweils zwei- bis dreiwöchige Auslandseinsätze bereit erklärt. Bei der persönlichen Vorsprache am 12.10.1999 seien ihm allerdings die einzelnen ausländischen Kunden benannt worden. Nach einer ca. dreimonatigen Einarbeitungszeit hätte er bei diesen jeweils vor Ort arbeiten müssen. Er sei davon ausgegangen, dass er für ein halbes Jahr ununterbrochen im Ausland gewesen wäre. Eine Frage nach einer Stelle in L. sei verneint worden. Am 15.10.1999 habe er erneut mit K. telefoniert und dabei zu erläutern versucht, dass er sehr wohl bereit sei, zeitlich begrenzt im Ausland zu arbeiten. Sein Gesprächspartner habe aber nur wissen wollen, ob er die von ihm angebotene Arbeit annehme, was er wegen der dauernden Auslandseinsätze abgelehnt habe, da er der Meinung gewesen sei, dass dies ihm und seiner Familie nicht zumutbar sei. Demgegenüber sei von einer Arbeit im Werkstattbereich nie die Rede gewesen.

Am 30.11.1999 meldete sich der Kläger durch seine Ehefrau mit Wirkung vom 22.11.1999 in Arbeit ab. Eine Anfrage bei der Firma R. ergab, dass die Bewerbung des Klägers auf Vormerkung genommen worden sei, der Kläger habe wöchentlich angerufen und um Arbeit gebeten, und zwar bis zum Oktober 1999. Beim Vorstellungsgespräch am 12.10.1999 seien ihm folgende Punkte genannt worden: Arbeit als Schaltschrankbauer (erster Beruf), bei Arbeitsmangel Arbeit als Schlosser (zweiter Beruf), nach einer längeren Einarbeitungsphase auch Einsatz als Monteur in Japan, Taiwan, Ägypten, Schottland usw. Auslandsaufenthalte von ein bis drei Wochen, und zwar ein- bis zweimal im Jahr abwechselnd mit anderen Mechanikern. Der Kläger habe daraufhin um Bedenkzeit bis zum nächsten Tag gebeten, jedoch nicht angerufen. Nach zwei Tagen habe man ihn erreicht und nachgefragt, ob er die Stelle nun annehme. Die Antwort sei "nein" gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.12.1999 wurde daraufhin in Abänderung des Bescheids vom 23.01.1999 die Alg-Bewilligung für die Zeit ab 16.10.1999 vollständig aufgehoben und der Rechtsbehelf zurückgewiesen. Das Arbeitsverhältnis mit der Firma R. Anlagenbau GmbH sei nicht zustande gekommen, weil der Kläger bei seiner persönlichen Vorsprache am 12.10.1999 die angebotene Beschäftigung abgelehnt habe. Entgegen seinen Ausführungen sei die Bereitschaft zu Auslandseinsätzen nicht Voraussetzung der Einstellung, sondern lediglich als Option gedacht gewesen, und zwar jährlich ein- bis dreimal für ein bis zwei Wochen im Wechsel mit anderen Mechanikern. Ihm sei jedoch auch eine Arbeit als Schaltschrankbauer angeboten worden, bei der keine Auslandseinsätze angefallen wären. Diese Tätigkeit habe der Kläger ebenfalls abgelehnt. Ein wichtiger Grund liege nicht vor.

Wegen der Aufnahme einer Arbeit ab 22.11.1999 komme eine Weiterzahlung der Leistung auch nach dem Ablauf der Sperrzeit nicht in Betracht. Durch gesonderten Bescheid vom 07.01.2000 wurde die Erstattung von Beiträgen zur Krankenversicherung in Höhe von DM 230,84 (16. mit 31.10.1999) verlangt.

II.

Mit der am 14.01.2000 zum Sozialgericht (SG) Landshut erhobenen Klage begehrte der Kläger die Aufhebung der streitbefangenen Bescheide. Zum Zeitpunkt seiner Bewerbung sei ein anderer Bewerber eingestellt worden. Da seinerzeit kein größerer Auftrag angestanden habe, habe er mit dem Stellenanbieter vereinbart, dass man ihn anrufen solle, sobald Arbeit wieder vorhanden wäre. Am 11.10.1999 habe ihn K. dann angerufen. Er sei davon ausgegangen, dass er für ein halbes Jahr ununterbrochen im Ausland gewesen wäre, seine Frage nach einer Arbeit in L. sei verneint worden. Am 15.10.1999 habe er allerdings erklärt, zeitlich begrenzt im Ausland arbeiten zu wollen. K. habe aber nur wissen wollen, ob er die konkret angebotene Arbeit annehme. Das sei ihm und seiner Familie nicht zumutbar gewesen. Im übrigen sei er seit 20.11.1999 als Elektriker beschäftigt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vom 16.01.2002 hörte die 10. Kammer den Zeugen K. uneidlich, auf dessen Bekundungen im Einzelnen verwiesen wird. Das SG hob die streitbefangenen Bescheide durch Urteil vom 16.01.2002 auf. Der Sperrzeitbescheid sei rechtswidrig, da der Kläger einen wichtigen Grund für die Ablehnung der nicht zumutbaren Arbeit gehabt habe. Er sei verheiratet und habe zwei schulpflichtige Kinder. Die Familie stehe unter dem Schutz des Art.6 GG. Aus § 121 Abs. 5 SGB III (getrennte Haushaltsführung) lasse sich eine Verpflichtung zu Auslandseinsätzen nicht ableiten. Maßgebend sei der Arbeitsmarkt in Deutschland. Der Vermittlungsvorschlag habe ausdrücklich L. als Einsatzort angegeben. Auch der Bescheid vom 07.01.1999 sei aufzuheben. Das Urteil wurde der Beklagten am 18.04.2002 zugestellt.

III.

Mit der am 21.05.2002 (Dienstag nach Pfingsten) eingelegten Berufung macht die Beklagte geltend, der Kläger habe keinen wichtigen Grund für die Arbeitsablehnung gehabt. Durch kurze Auslandseinsätze wäre die Betreuung seiner Angehörigen nicht gefährdet gewesen, zumal dessen Ehefrau nicht berufstätig gewesen sei.

Der Senat hat neben den Leistungsakten der Beklagten die Streitakte des ersten Rechtszuges beigezogen und den bereits vom SG gehörten Zeugen K. ergänzend schriftlich vernommen. Auf dessen Bekundungen wird vollinhaltlich Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16.01.2002 aufzuheben, soweit der Bescheid vom 23.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.1999 aufgehoben wurde, und die Klage insoweit abzuweisen, hilfsweise die Einvernahme des Vermittlers R. zur Frage, ob der ursprüngliche Vermittlungsvorschlag mit der ersten Vorsprache des Klägers beim Arbeitgeber am 04.08.1999 erledigt war oder durchgehend weitergelaufen ist.

Der Kläger stellt den Antrag, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 16.01.2002 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie der Leistungsakten der Beklagten Bezug genommen, insbesondere auf die Niederschrift der Senatssitzung vom 12.05.2005.

Entscheidungsgründe:

Die mangels einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthafte, insbesondere form- und fristgerecht (18.05.2002 = Pfingstsamstag) eingelegte, und insgesamt zulässige Berufung der Beklagten, §§ 143 ff. SGG, erweist sich als in der Sache nicht begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 23.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.1999, mit dem eine Sperrzeit festgestellt, die Leis-tungsbewilligung aufgehoben und die eingetretene Überzahlung zurückgefordert worden sind. Hiergegen wehrt sich der Kläger mit der zutreffend erhobenen Anfechtungsklage. Im Ergebnis zu Recht hat das SG den Sperrzeitbescheid der Beklagten aufgehoben.

Nach § 48 Abs.1 Satz 1 und 2 Nr.4 SGB X i.V.m. § 330 Abs.3 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt im besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Wesentlich sind rechtserhebliche Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nach dem Eintritt der Veränderung vorliegenden objektiven Verhältnissen den ergangenen Verwaltungsakt nicht hätte erlassen dürfen, vgl. BSGE 59.111 (112).

Eine derartige Änderung tritt hinsichtlich eines durch Bescheid zugebilligten Anspruchs auf Alg ein, wenn der Anspruch gemäß § 144 Abs.2 Satz 2 SGB III ruht. Dieser Vorschrift zufolge tritt das Ruhen eines noch zustehenden Anspruchs auf Alg ein, wenn eine Sperrzeit im Sinne des Abs.1 der Vorschrift eingetreten ist.

Eine Sperrzeit von regelmäßig zwölf Wochen tritt nach § 144 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB III grundsätzlich ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten hat. Liegen die Voraussetzungen der Vorschrift vor, treten dessen Rechtsfolgen kraft Gesetzes ein, und zwar kalendermäßig, beginnend mit dem Tag nach dem die Sperrzeit begründenden Ereignis, vgl. Abs.2 Satz 1 der Vorschrift. Das Erfordernis eines von der Beklagten zu erlassenden Aufhebungsbescheids besteht nur insoweit, als die Entscheidung über die Bewilligung von Alg den formellen Rechtsgrund für das Erhalten und Behaltendürfen der bewilligten Leistung bildet, vgl. BSGE 47.241 (246). Trotz des Eintritts der Sperrzeitfolgen kraft Gesetzes ist eine ausdrückliche Aufhebung allerdings insoweit unerlässlich, als die Bindungswirkung des Bewilligungsbescheids bis zu seiner Aufhebung jede für den Kläger nachteilige abweichende Verfügung über den zuerkannten Anspruch ohne Rücksicht auf die materielle Rechtslage ausschließt, vgl. BSG SozR 4100 § 117 Nr.2.

Eine Sperrzeit wegen der Ablehnung eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 144 Abs.1 Nr.2 SGB III ist allerdings nur gerechtfertigt, wenn ein hinreichend benanntes und zumutbares Beschäftigungsangebot weder angenommen noch angetreten wurde, hierfür das Verhalten des Arbeitslosen kausal war, der Vermittlungsvorschlag eine ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung enthalten und schließlich kein wichtiger Grund für das Verhalten des Arbeitslosen vorgelegen hat. Da der Vermittlungsvorschlag der Beklagten keine Arbeitsvertragsofferte im Sinne der §§ 145 ff. BGB ist, sondern lediglich dem Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Arbeitsvertrags dient, vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nr.3 S.9, enthält er keine Regelung eines Einzelfalles, es liegt also kein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB III vor, obwohl als Rechtswirkung eine Sperrzeit eintreten kann, vgl. Niesel in SGB III § 144 Rdnr.52. Dadurch, dass die Arbeit vom Arbeitsamt angeboten worden sein muss, soll insbesondere sichergestellt werden, dass der Arbeitslose in jedem Einzelfall über die Rechtsfolgen belehrt wird, die im Fall der Ablehnung eintreten, BT Drs. V 4110 S.21. Dem Arbeitsamt soll bereits in der Phase der Arbeitsvermittlung die Prüfung ermöglicht werden, ob die angebotene Arbeit zumutbar ist oder ob ein zulässiger Ablehnungsgrund besteht. Ein Arbeitsangebot muss im Hinblick auf die Rechtsfolgen hinreichend konkretisiert sein, was vorliegend ohne Zweifel angenommen werden kann, da die im Gesetz genannten Mindestanforderungen erfüllt sind. So enthält es die Angaben: Elektroanlageninstallateur, Arbeitsort L. , Lohn/ Gehalt nach Vereinbarung, Arbeitszeit Vollzeit. Die Stelle war sofort zu besetzen, so dass auch eine umgehende schriftliche Bewerbung erforderlich war. Die auf der Rückseite beigefügte Rechtsfolgenbelehrung "R 1" lautete: "Wenn Sie ohne wichtigen Grund die Ihnen umseitig angebotene Arbeit nicht annehmen oder nicht antreten etc., tritt eine Sperrzeit ein, die regelmäßig zwölf Wochen dauert, bei unbilliger Härte sechs Wochen, bei befristeter Arbeit bis zu sechs Wochen bzw. drei Wochen."

Insoweit hat der Kläger bereits seit dem Widerspruchsverfahren eingewandt, die ausgeschriebene Stelle sei zum Zeitpunkt des Vorstellungsgesprächs Ende Juli anderweitig besetzt worden.

Bereits vor dem SG hat der seinerzeit in der Firma R. GmbH für den Einkauf zuständige Angestellte K. bekundet, der Kläger sei am 04.08.1999 zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. "Nachdem damals in der Firma kein Bedarf für die spezielle Qualifikation des Klägers bestand, wurde die Bewerbung zunächst zurückgestellt."

In seiner ergänzenden Vernehmung hat der Zeuge vor dem Senat präzisiert, die sofort, d.h. Ende Juli 1999, zu besetzende Stelle eines Schaltschrankbauers, für die der Kläger aufgrund seiner Qualifikation infrage gekommen sei, sei mit einer Frau E. besetzt worden. Damit sei das Vermittlungsangebot "zum Teil" bereits zum Zeitpunkt des Vorstellungstermins erledigt gewesen, was man dem Arbeitsamt zeitnah mitgeteilt habe. Nach Ablauf der - offenbar nicht erfolgreich absolvierten - Probezeit dieser Mitarbeiterin habe sich ca. Ende August 1999 ein neuer Bedarf für einen Schaltschrankbauer eingestellt.

Dem Kläger seien nach dem ersten Vorstellungsgespräch kurzfristig die Bewerbungsunterlagen zurückgegeben worden, das Anschreiben und eine Kopie des Lebenslaufs seien allerdings auf Vormerkung genommen und aufbewahrt worden. Die Firma habe auf den Kläger bei Bedarf zurückkommen wollen und dies auch getan.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in beiden Instanzen hat sich damit zur Überzeugung des Senats der dem Kläger vom Arbeitsamt nach Aktenlage am 26.07.1999 schriftlich unterbreitete und mit einer Rechtsfolgenbelehrung bewehrte einzige Vermittlungsvorschlag der Beklagten betreffend die Firma R. GmbH durch die Einstellung der weiteren Bewerberin E. Ende Juli 1999 erledigt. Die ausdrücklich "sofort" - und nicht etwa irgendwann in der Zukunft - "zu besetzende" Stelle eines Elektroanlageninstallateurs für den Schaltschrankbau am Arbeitsort L. war damit bereits zum Zeitpunkt des ersten Vorstellungsgespräches des Klägers Anfang August 1999 nicht mehr verfügbar. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob dieser Vorgang dem zuständigen Arbeitsamt bekannt gegeben worden ist.

Demgegenüber hat sich die Firma R. GmbH nach den vorliegenden Beratungsvermerken am 11.10.1999 an den Hauptvermittler R. gewandt und Interesse an einer durch eine Beschäftigungshilfe geförderte Einstellung des Klägers bekundet, die grundsätzlich nur unter den "Voraussetzungen der Beschäftigungshilfe für Langzeitarbeitslose" infrage kommt. Einem Vermerk vom 15.10.1999 zufolge wurde dem Kläger dann vom Stellenanbieter ein konkretes Arbeitsplatzangebot unterbreitet, das letzterer abgelehnt hat.

Bereits nach dem Inhalt der Akten der Beklagten handelt es sich bei diesem Beschäftigungsangebot vom 15.10.1999 um ein unmittelbar vom Arbeitgeber ausgehendes Angebot, nicht aber um einen von der Beklagten unterbreiteten Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Arbeitsvertrags im Sinne des BSG, vgl. SozR 4100 § 119 Nr.3, Niesel, a.a.O., § 144 Rdnr.52, BT Drs. V 4110 S.21. Denn an diesem Tag ist weder nach Aktenlage noch nach dem Vortrag der Beklagten ein Vermittlungsvorschlag der Berufungsführerin unterbreitet worden. Darüber hinaus ist die offensichtliche Arbeitsvertragsofferte des Arbeitgebers im Sinne der §§ 145 ff. BGB nicht mit einer hinreichenden konkreten, verständlichen, richtigen und vollständigen Rechtsfolgenbelehrung der Beklagten im Sinne des § 144 Abs.1 Satz 2 Nr.2 SGB III versehen gewesen. Insoweit ist eine etwa im Zusammenhang mit dem oben angeführten erledigten Vermittlungsvorschlag vom 26.07.1999 oder durch das Merkblatt für Arbeitslose erteilte Rechtsfolgenbelehrung nicht ausreichend, vgl. Niesel, a.a.O., Rdnr.65.

Dem Senat hat sich eine weitere Sachverhaltsaufklärung dahingehend nicht aufgedrängt, ob der Beklagte den ursprünglichen Vermittlungsvorschlag vom 26.07.1999 als erledigt behandelt oder weitergeführt hat. Der entsprechende Vortrag der Berufungsführerin in der mündlichen Verhandlung wird insoweit sowohl als zugestanden als auch für den Ausgang des Rechtsstreits nicht relevant betrachtet. Zusammengefasst konnte angesichts der fehlenden Rechtsfolgenbelehrung im Sinne des § 144 Abs.1 Nr.2 SGB III einerseits und eines nicht durch das Arbeitsamt unterbreiteten Vorschlags einer Stelle andererseits, die im Übrigen erst ab frühestens Mitte Oktober 1999 zu besetzen war, eine Sperrzeit nicht eintreten.

Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des SG hinsichtlich der Zumutbarkeit der erst im Oktober 1999 angebotenen Stelle zutrifft.

Unberührt bleibt die infolge der Abmeldung des Klägers in Arbeit berechtigte Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 22.11.1999. Seit diesem Tag hat der Kläger nämlich als Elektriker bei der Firma S. Elektroanlagen GmbH in M. gearbeitet, so dass wegen fehlender Arbeitslosigkeit nachträglich eine wesentliche Änderung in den maßgeblichen Verhältnissen eingetreten ist, die bei Erlass der Leistungsbewilligung vorgelegen haben, § 48 Abs.1 Satz 2 Nr.4 SGB X i.V.m. § 330 Abs.3 SGB III. Die Erstattung der eingetretenen Überzahlung gemäß § 50 SGB X war entsprechend der zutreffenden Aufhebung der Bewilligung zu berücksichtigen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang war die Beklagte zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen zu verpflichten, die dem Kläger zu dessen Rechtsverfolgung entstanden sind.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil nämlich eine entscheidungserhebliche höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht es ab von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht hierauf.
Rechtskraft
Aus
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