L 10 AL 200/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 101/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 200/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.04.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin Arbeitslosenhilfe (Alhi) zu zahlen hat, insbesondere ob die von der Klägerin bezogene Erziehungsrente anzurechnen ist.

Die 1952 geborene Klägerin beantragte nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld am 02.12.2002 die Gewährung von Alhi ab 18.01.2003. Sie beziehe eine Erziehungsrente in Höhe von 562,56 EUR monatlich. Sie erziehe zwei minderjährige Kinder. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21.01.2002 ab. Die Erziehungsrente sei wöchentlich in Höhe von 125,93 EUR anzurechnen. Dieser Betrag übersteige die zustehende wöchentliche Alhi in Höhe von 118,23 EUR.

Den Widerspruch hiergegen begründete die Klägerin damit, die Erziehungsrente diene dazu, uneingeschränkt Kinder erziehen zu können. Die eingeschränkte Leistungsfähigkeit solle sich nämlich nicht zum Nachteil der Kinder auswirken. Die Erziehungsrente sei nicht einkommensteuerpflichtig. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es handele sich nicht um eine zweckgebundene Leistung im Sinne des § 194 Abs 3 Nr 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen: Die Erziehungsrente sei nicht als Einkommen zu berücksichtigen, sie solle der Klägerin ermöglichen, sich uneingeschränkt der Kindererziehung widmen zu können. Es handle sich um eine zweckgebundene Leistung. Das Urteil des BSG vom 29.06.2000 - B 11 AL 85/99 R - sei bedenklich. Bei Anrechnung der Erziehungsrente stünden dem Erziehungsberechtigten keine ausreichende Mittel zur Pflege und Erziehung der Kinder zur Verfügung, denn er müsste mit der Erziehungsrente seinen eigenen Lebensunterhalt decken, obwohl sie vorwiegend zum Lebensunterhalt der Kinder verwendet werden solle. Artikel 6 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) werde verletzt.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 26.04.2005 abgewiesen. Die Erziehungsrente gemäß § 47 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ersetze den Unterhaltsanspruch gegen den geschiedenen Ehegatten nach dessen Tod und diene der Sicherung des Lebensunterhaltes, soweit wegen der Kindererziehung keine Berufstätigkeit ausgeübt werden könne. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG handele es sich nicht um eine Leistung zur Erziehung. Sie diene vielmehr allein dem Unterhalt der Klägerin nicht aber dem Unterhalt der zu erziehenden Kinder.

Die Klägerin hat hiergegen Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und zur Begründung das bisherige Vorbringen im Wesentlichen wiederholt.

Die Klägerin beantragt: 1. Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 26.04.2005 wird aufgehoben. 2. Der Bescheid der Beklagten vom 21.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2003 wird abgeändert. 3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin eine wöchentliche Arbeitslosenhilfe zu bewilligen, wobei bei der Bemessung der Leistungshöhe die Erziehungsrente der Klägerin außer Betracht bleibt.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 21.01.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, insbesondere nicht in ihrem Grundrecht gemäß Artikel 6 Abs 2 Satz 1 GG.

Gemäß § 190 Abs 1 SGB III in der vom 01.01.2002 bis 31.12.2003 geltenden Fassung haben Arbeitnehmer Anspruch auf Alhi, die u.a. bedürftig sind (§ 190 Abs 1 Nr 5 SGB III). Bedürftig ist ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht (§ 193 Abs 1 in der vom 01.08.2001 bis 31.12.2004 geltenden Fassung). Zu berücksichtigendes Einkommen sind das Einkommen des Arbeitslosen, soweit es - was vorliegend nicht der Fall ist - nicht als Nebeneinkommen anzurechnen ist. Hiervon sind bestimmte Freibeträge abzuziehen (§ 194 Abs 1 SGB III in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung). Einkommen sind dabei alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert einschl. der Leistungen, die von Dritten beansprucht werden können (§ 194 Abs 2 Satz 1 SGB III). Hiervon sind weitere Beträge abzusetzen (§ 194 Abs 2 Satz 2 SGB III).

Unstreitig steht vorliegend fest, dass das anzurechnende Einkommen unter Berücksichtigung der Erziehungsrente die zu leistende Alhi übersteigt und von daher Alhi nicht zu gewähren wäre. Streitig ist allein, ob die Erziehungsrente überhaupt als Einkommen anzurechnen ist. Nicht als Einkommen anzurechnen sind gemäß § 194 Abs 3 Nr 3 SGB III in der ab 01.01.2002 geltenden Fassung - allein diese Ausnahmeregelung kommt hier in Betracht - zweckgebundene Leistungen, insbesondere nicht steuerpflichtige Aufwandsentschädigungen und Leistungen zur Erziehung, Erwerbsbefähigung und Berufsausbildung. Um eine Aufwandsentschädigung handelt es sich eindeutig nicht. Die Erziehungsrente stellt aber auch keine Leistung zur Erziehung dar. Zur Begründung wird auf die Ausführung des SG Bezug genommen (§ 153 Abs 2 SGG).

Zur Ergänzung wird lediglich auf Folgendes hingewiesen: Die Erziehungsrente dient nicht der Erziehung der Kinder und deren Lebensunterhalt, vielmehr allein der Sicherung des eigenen laufenden Lebensunterhaltes des Erziehungsberechtigten während der Erziehung, denn der dafür zunächst bestehende Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehegatten ist infolge dessen Todes entfallen (§ 47 SGB VI). Durch die Erziehungsrente sollen gerade dem Erziehungsberechtigten ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, um eine persönliche Erziehung - ohne Berufstätigkeit - der Kinder zu ermöglichen. Inwiefern die zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts bedenklich sein soll, ist für den Senat nicht nachvollziehbar (vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.09.1997 - L 12 AR 4021/96 -, LSG Niedersachsen, Urteil vom 13.04.2000 - L 7 AL 272/99 -, Sächsisches LSG, Urteil vom 09.05.2003 - L 2 AL 123/02 -). Insbesondere soll mittels der Erziehungsrente gerade das von der Klägerin angeführte Recht auf Pflege und Erziehung der Kinder dadurch gewährleistet werden, dass ausreichende Mittel für den eigenen Lebensunterhalt des Erziehungsberechtigten zur Verfügung gestellt werden. Der Lebensunterhalt der Kinder soll durch andere Leistungen sicher gestellt werden. Hinzu kommen dann gegebenenfalls Leistungen für die Erziehung selbst. Um diese geht es jedoch bei der Erziehungsrente nicht. Wird aber der laufende Lebensunterhalt des Erziehungsberechtigten durch die Erziehungsrente gewährleistet, so greift eine Anrechnung auf die den Lebensunterhalt ebenfalls sichernde, aus Steuermitteln finanzierte Alhi nicht in das Grundrecht des Artikel 6 Abs 2 Satz 1 GG ein.

Nach alledem ist die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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