L 6 R 76/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 853/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 76/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22. August 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise ab 01.01.2001 auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Klägerin, die 1946 geboren ist, hat nach eigenen Anagaben keine Berufsausbildung absolviert. Ab 01.08.1960 bis 14.01.1965 war sie als Packerin und danach als angelernte Löterin tätig. Am 05.07.1995 erkrankte die Klägerin bei Arbeitsunfähigkeit, am 31.12.1997 erfolgte die betriebsbedingte Kündigung. Anschießend bezog sie Leistungen wegen Arbeitslosigkeit.

Mit Bescheid vom 25.02.1997 und Widerspruchsbescheid vom 05.08.1997 lehnte die Beklagte den am 17.10.1996 gestellten Antrag der Klägerin auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit ab. Sie habe keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, weil sie nach den im Verwaltungsverfahren zu ihrem Gesundheitszustand und beruflichen Leistungsvermögen sowie zu ihrem beruflichen Werdegang getroffenen Feststellungen nicht berufsunfähig im Sinne des Gesetzes sei. Sie könne ohne Einschränkungen auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, die keine besonderen Fachkenntnisse voraussetzen würden und denen sie gewachsen sei. Sie sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Sie sei erst recht nicht erwerbsunfähig, so dass auch kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bestehe. Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen entnahm die Beklagte insbesondere den Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. vom 13.02.1997 und der Dipl.-Psych. und Fachärztin für Psychiatrie Dr. W. vom 16.07.1997.

Mit der am 08.09.1997 zum Sozialgericht Augsburg erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren mit der Begründung weiter, es sei bei ihr eine Vergiftung am Arbeitsplatz festgestellt worden. Sie sei nicht mehr in der Lage, mehr als zwei Stunden täglich zu arbeiten.

Das Sozialgericht zog die von der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik eingeholten Gutachten, medizinischen Unterlagen und Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin Dr. G. (Befundbericht vom 14.11.1997), Dr. B. (Befundbericht vom 04.12.1997), Dr. H. (Befundbericht vom 23.02.1998) und Dr. M. (Befundbericht vom 18.01.1999) bei und veranlasste medizinische Begutachtungen durch den Arzt für Orthopädie Dr. H. (Gutachten vom 29.07.1998), den Arzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Dr. V. (Gutachten vom 05.11.1999) mit testpsychologischer Zusatzbegutachtung durch Dipl.-Psych. W. (Gutachten vom 30.10.1999) und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG durch Prof. Dr. K. mit Zusatzbegutachtungen durch Dipl.-Psych. W. (neuropsychologisches Zusatzgutachten vom 25.04.2001), durch Prof. Dr. L. und Dr. H. (Psychosomatisches Zusatzgutachten vom 22.01.2001) uns durch Prof. Dr. P. und Dr. K. (neurologisches Zusatzgutachten vom 11.07.2001).

Dr. H. stellte bei der Klägerin ein chronisches rezidivierendes beidseitiges cervicobrachiales sowie cervicodorsales Syndrom ohne Anhalt für Nervenwurzelreizerscheinungen bei Fehlstellung der unteren und mittleren Halswirbelsäule sowie degenerativen Veränderungen der unteren Halswirbelsäule, ein chronisch rezidivierendes rechts betontes lumbales Pseudoradikulärsyndrom ohne Anhalt für eine Radikulopathie bei lumbosacraler Übergangsstörung, degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule und Zustand nach Nucleotomie im Segment L5/S1 mit Belastungs- und Funktionseinschränkung, rezidivierend aktivierte Heberdenarthrosen beidseits mit eingeschränkter Gebrauchsfähigkeit beider Hände, rezidivierende tachykarde Herzrhythmusströrungen ohne Stenokardien, eine allergische Diathese sowie eine reaktive Depression mit deutlicher Somatisierungstendenz fest. Dr. V. diagnostizierte einen chronifizierten Verstimmungszustand im Sinne einer Dysthymie, ein Schmerzsyndrom der Wirbelsäule ohne neurologische Funktionsausfälle sowie ein diskretes Karpaltunnelsyndrom rechts.

Dr. H. erachtete die Klägerin für fähig, unter betriebsüblichen Bedingungen leichte Arbeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen vollschichtig zu verrichten. Nicht zumutbar seien Tätigkeiten über Schulterhöhe, Arbeiten in Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie der Schultergelenke im Bereich oder über der Horizontalen, Arbeiten mit häufigem Heben und Tragen von Lasten und häufigem Bücken, Arbeiten überwiegend im Freien, Arbeiten unter Einwirkung von Kälte, Hitze, starken Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe, Tätigkeiten, die die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände voraussetzen, Arbeiten unter Zeitdruck, Einzel- und Gruppenakkord, Fließband- und taktgebundene Arbeiten, Arbeiten mit Wechsel- und Nachtschicht, Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen und an die Umstellungs- sowie Anpassungsfähigkeit, Tätigkeiten mit Exposition allergener Substanzen sowie Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Sehvermögen. Die üblichen Anmarschwege zur Arbeitsstätte könnten zurückgelegt werden. Dr. V. stellte im Wesentlichen auch aus psychiatrischer Sicht die von Dr. H. angeführten Leistungseinschränkungen fest, erachtete aber die Klägerin für fähig an, zeitweise auch mittelschwere Arbeiten zu verrichten.

Laut dem Gutachten von Prof. Dr. K. leidet die Klägerin an einer toxischen Enzephalopathie (Grad II A), einer Dysthymia, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einem Karpaltunnelsyndrom rechts, einer Interphalangealarthrose Bouchard sowie degenerativen Halswirbelsäulenveränderungen. Für die Klägerin sei nur noch eine täglich zwei bis vierstündige Tätigkeit mit Kontakt zu Menschen ohne körperliche Anforderungen denkbar. Die Gesundheitsstörungen würden keinen Einsatz im normalen Erwerbsleben erlauben.

Die von der Beklagten gehörte Internistin Dr. S. wies in der Stellungnahme vom 04.10.2004 darauf hin, die Gutachter der Berufsgenossenschaft würden eine toxische Schädigung des zentralen oder peripheren Nervensystems verneinen. Es sei weiterhin von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit auszugehen. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nur geringfügig eingeschränkt.

Das Sozialgericht zog weitere Befundberichte mit medizinischen Unterlagen von P. B. (Befundbericht vom 21.12.2001), Dr. H. (Befundbericht vom 27.12.2001), Dr. U. (Befundbericht vom Januar 2002), Dipl.Psych. S. (Befundbericht vom 14.01.2002) und Dr. M. (Befundbericht vom 17.11.2002) bei. Die Klägerin legte ein Attest von Dr. M. vom 10.12.2001 vor. Das Sozialgericht holte sodann ein weiteres Sachverständigengutachten ein von dem Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. R. (Gutachten vom 13.03.2002), der bei der Klägerin eine Dysthymia mit leichter depressiver Symptomatik bei subsummiertem pseudeneurastenischem Psychosyndrom mit leichter Ausprägung, ein Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom ohne Beeinträchtigung der Nervenwurzeln sowie ein Karpaltunnelsyndrom rechts mittelschwerer, links leichter Ausprägung feststellte. Die Klägerin sei in der Lage, unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses, insbesondere unter Einhaltung der Betriebsüblichen Pausen, vollschichtig zu arbeiten. Leichte Arbeiten mit einem Anteil von mittelschweren Arbeiten von 20 % seien möglich. Unzumutbar seien Arbeiten überwiegend im Stehen, im Sitzen, im Gehen sowie in Zwangshaltungen, Arbeiten mit häufigem Heben und Tragen von Lasten über 20 Kilogramm, mit häufigem Bücken sowie auf Leitern und Gerüsten, Arbeiten unter Einwirkung von Kälte, starken Temperaturschwankungen, Zugluft, Nässe und im Freien, Arbeiten unter Schichtbedingungen, unter Zeitdruck, unter Einzel- und Akkordbedingungen, Fließband- und taktgebundene Arbeiten, Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit und an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen sowie Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen. Beschränkungen des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte bestünden nicht. Für den Beruf der Löterin sei das Leistungsvermögen auf unter drei Stunden gesunken.

Mit Urteil vom 22.08.2002 wies das Sozialgericht die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente, weil sie nicht wenigstens berufsunfähig sei. Sie sei nach dem Ergebnis der durchgeführten medizinischen Ermittlungen in der Lage, ohne rechtserhebliche qualitative Einschränkungen vollschichtig zu arbeiten. Ohne rechtliche Auswirkung sei, dass sie die zuletzt ausgeübte Berufstätigkeit als Löterin nicht mehr ausüben könne, weil sie nach dem festgestellten Berufsbild als ungelernte Arbeiterin zu beurteilen und somit auf alle Berufstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sei. Erst recht sei die Klägerin nicht erwerbsunfähig und auch nicht im Sinne der ab 01.01.2001 geltenden Vorschriften erwerbsgemindert.

Am 04.02.2003 ging die Berufung der Klägerin gegen dieses ihr am 21.01.2003 zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein. Zur Begründung trug sie vor, es sei dem Gutachten vom Prof. Dr. K. zu folgen. Hingewiesen wird auf ein im Zuge des Rechtsstreits mit der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik eingeholtes internistische Gutachten von Dr. K ...

Der Senat zog die Klageakte des Sozialgerichts Augsburg zum Rechtsstreit der Klägerin gegen die Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik S 3 U 352/99 bei. In diesem Verfahren hat das Sozialgericht das Gutachten des Arztes für Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie, Umweltmedizin Prof. Dr. N. vom 26.08.2000 sowie das internistische Gutachten von Dr. K. vom 06.06.2003 eingeholt. Dr. K. kommt zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin eine floride, degenerative Enzephalopathie mit Hirnstammbeteiligung und peripherer vegetative Polyneuropathie des Stadiums II B nach WHO-Kriterien vorliege. Dagegen führt Prof. Dr. N. aus, es lasse sich weder eine Polyneuropathie noch eine Berufskrankheit nach Ziffer 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) nachweisen. Die von der Beklagten zu diesen Gutachten gehörte Dr. W. führt in ihrer Stellungnahme vom 13.11.2003 aus, das Gutachten von Dr. K. sei im Hinblick auf die sozialmedizinische Fragestellung des beruflichen Leistungsvermögens nicht verwertbar. Es seien die erhobenen Befunde im Hinblick auf die Vorbefunde nicht nachvollziehbar. Ein hirnorganisches Psychosyndrom sowie eine Polyneuropathie seien bisher ausgeschlossen worden.

Der Senat veranlasste die Begutachtung durch die Ärztin für Pharmakologie, Toxikologie und Psychiatrie Dr. S. (Gutachten vom 25.08.2004), die ausführte, dass keine Hinweise auf das Vorliegen einer toxischen Enzephalopathie vorliegen würden. Bei der Klägerin liege eine schwere, chronifizierte neurotische Störung vor. Es handele es sich um eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und Dystymie vor dem Hintergrund eines mäßig integriertren Strukturniveaus bei überwiegend unreifen Abwehrmechanismen. Aus psychosomatischer Sicht könne die Klägerin keine Arbeit verrichten. Soweit es sich beurteilen lasse, habe sich die Klägerin unumstößlich mit dem Status einer Rentnerin identifiziert. Ausdruck der Schwere der psychischen Beeinträchtigung der Klägerin sei, dass sie seit Oktober 1996 trotz zunehmender materieller und psychisch negativer Auswirkungen völlig unflexibel um ihre Rente kämpfe. In ihrem überbewerteten Anspruch auf Rente würden sich abgewehrte Versorgungswünsche ausdrücken, die sie sich sonst, in ihrem von altruistischer Abtretung gekennzeichneten depressiven Konfliktverarbeitungsmodus und der dadurch bedingten Überforderung, nicht eingestehen dürfe. Reale und phantasierte Verluste und Trennungen (plötzlicher Tod der Mutter 1979; Befürchtung, dass Ehemann sie wegen einer anderen Frau verlasse; Bruch mit den Schwiegereltern) hätten zu einer Aktualisierung ihres Autonomie-, Autarkie- und Selbstwertkonfliktes geführt. Schließlich seien Mobbing-Erfahrungen am Arbeitsplatz hinzugekommen. Kolleginnen fielen als stabilisierender Faktor weg. Der narzisstischen Kränkung und Selbstwertkrise habe sie nichts mehr entgegensetzen können, so dass nur noch der Rückzug, legitimiert durch körperliche Beschwerden verblieben sei. Im starren Festhalten an dem erheblich verstärkten, somatischen Krankheitskonzept und dem dadurch gerechtfertig erscheinenden Rentenbegehren, drücke sich der verzweifelte Versuch aus, existentiell mit eigenen Bedürfnissen überhaupt wahrgenommen zu werden. Sie sei nicht in der Lage, ein alternatives Konzept zu entwickeln.

Die von der Beklagten gehörte Dr. W. führte dazu in ihrer Stellungnahme vom 24.09.2004 aus, das Vollbild einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sei bei der Klägerin nicht erfüllt. Die zu den Vorgutachten erheblich abweichende Leistungseinschätzung von Dr. S. werde nicht näher begründet. Im psychischen Befund würden keinerlei erhebliche psychopathologische Auffälligkeiten oder psychische Funktionsabweichungen mitgeteilt. Eine körperliche Untersuchung sei nicht durchgeführt worden. Dies sei bei der Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung unabdingbar. Es sei keine Alltags-, Freizeit- und soziale Anamnese durchgeführt worden. Eine Verschlechterung des psycho-sozialen Aktivitätsniveaus in erheblichem Ausmaß durch eine schwere seelische Behinderung lasse sich nicht nachweisen. Es werde nicht kritisch reflektiert, dass die Klägerin ihren letzten Arbeitsplatz durch betriebsbedingte Kündigung verloren habe. Eine Depression auf Dauer sei nie nachgewiesen worden.

Der Senat holte ein weiteres Sachverständigengutachten von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. O. (Gutachten vom 31.03.2005) ein, die bei der Klägerin eine Dysthymia, eine zunehmende Persönlichkeitsstörung sowie eine undifferenzierte Schmerzstörung diagnostizierte. Die Sachverständige führte zum beruflichen Leistungsvermögen aus, die Klägerin sei ab Oktober 1996 in der Lage, vollschichtig unter betriebsüblichen Bedingungen körperlich leichte Arbeiten im Wechselrhythmus, vorwiegend im Sitzen und in wohltemperierten Räumen zu verrichten. Zu vermeiden seien Belastungen durch Heben und Tragen von Lasten oder Arbeiten in Zwangshaltungen, Arbeiten bei Nässe, Kälte und starken Temperaturschwankungen, Hitze oder Zugluft, Arbeiten in Nachschicht und unter Akkordbedingungen, Arbeiten unter Zeit- und Verantwortungsdruck sowie ausgesprochene Teamarbeit. Die Klägerin könne Fußwege von mehr als 500 Meter an einem Stück in angemessener Geschwindigkeit zurücklegen, um die Entfernungen zwischen Wohnung, öffentlichem Verkehrsmittel und Arbeitsplatz vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende zu überwinden. Als Löterin könne sie wegen der, wenn auch unbestätigten Befürchtungen, durch toxische Substanzen am Arbeitsplatz geschädigt worden zu sein, nicht mehr arbeiten. Ab dem Zeitpunkt der Begutachtung im November 2004 könne die Klägerin nicht mehr vollschichtig, aber noch mehr als sechs Stunden täglich arbeiten. Eine tendenzielle Verschlechterung der subjektiven Leistungsbeurteilung sei in den zurückliegenden Jahren eingetreten. Dies habe Dr. S. zu einer gänzlich anderen Leistungsbewertung nach der Untersuchung im August veranlasst. Offenkundig sei zwischen dem Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. R. im März 2002 und den Begutachtungen im Jahre 2004 zunehmend mehr ein psychogenes Versagenssyndrom wirksam geworden, das nicht ausschließlich medizinisch oder sozialmedizinisch gewürdigt werden könne. Ein gravierendes organisches Psychosyndrom sei nicht festzustellen. Es bestehe ein chronifiziertes depressives Versagenssyndrom, das wohl seinen Ausgang in einer Überforderungssituation am Arbeitsplatz genommen habe. Es sei am Arbeitsplatz eine ungünstige Entwicklung in Gang gesetzt worden, die durch die körperliche Erkrankung eines Bandscheibenvorfalls verschärft worden sei. Die heutigen körperbezogenen Beschwerden seien jedoch als undifferenzierte Somatisierungsstörung anzusehen. Es habe sich eine organisch nicht fassbare Schmerzstörung entwickelt. Bei der Untersuchung habe die Klägerin im Gegensatz zu den Ausführungen in einem Gutachten vom März 1997 im Zuge eines Schwerbehindertenrechtsstreit des Arztes für Neurologie, Sozialmedizin Dr. H. , der von einer ausgeprägten depressiven Störung ausging, nicht mehr deutlich herabgestimmt gewirkt, vielmehr durchaus noch schwingungsfähig. Eine Verschlechterung zu dem psychopathologischen Befund vom Frühjahr 1997 lasse sich eindeutig ausschließen. Die Auffassung von Dr. H. sei zutreffend, der die damals geäußerten Beschwerden nicht einer Enzephalopathie bei Lösungsmittelexposition zugeordnet habe. Dr. V. habe festgestellt, dass eine reaktive Störung im Sinne einer Anpassungsstörung nicht mehr zu diagnostizieren sei, weil die Symptomatik über die maximal vorgegebene Zeitdauer (zwei Jahre) hinausgehe. Dementsprechend habe er zutreffend eine Dysthymie im Sinne einer chronischen Verstimmung diagnostiziert. Die Gutachten bis November 1999 würden eine psychische und psychosoziale Situation beschreiben, die durch einen chronifizierten Verlauf einer depressiv-asthenischen Entwicklung gekennzeichnet sei. Aus den Befunden seien jedoch sozialmedizinisch relevante Anhaltspunkte zur Einschätzung des Ausmaßes des beruflichen Leistungsvermögens nicht abzulesen. Die von Dipl.-Psych. W. beschriebenen teilweise bewusstseinsnahen und der kritischen Kontrolle unterliegenden Verhaltensweisen mit akzentuierter Darstellung von Defiziten könnten aufgrund eigener Anschauung nachvollzogen werden. Zwar könne aus heutiger Sicht argumentiert werden, dass die verdeutlichenden Verhaltensweisen keine echte Aggravation darstellen, sondern die nachvollziehbare Verzweiflung der Klägerin aufgrund der finanziellen Situation und die daraus resultierende Ausgerichtetheit auf Rentenerhalt widerspiegeln würden. Es verblieben aber gewisse Diskrepanzen zwischen der Befunderhebung und der Beschwerdedarstellung sowie der Leistungserbringung bei der klinischen Untersuchung. Aufgrund der im Zuge des psychosomatischen Zusatzgutachtens durch Dr. H. erfolgten Untersuchung ergebe sich kein Hinweis auf eine tiefgreifende depressive Störung. Zu bevorzugen sei die Diagnose einer undifferenzierten Somatisierungsstörung, nicht die einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Eine einschlägige Therapie sei nicht durchgeführt worden und deshalb auch keine Therapieresistenz eingetreten. Somatoforme Schmerzstörungen wie ein Fibromyalgiesyndrom bis zu mittelschwerer Ausprägung und dysthyme Störungen stünden einem vollschichtigen Einsatz nicht entgegen. Schon seit dem Gutachten von Dr. H. seien psychosoziale und psychoreaktive Faktoren immer wieder aufgezeigt worden, ohne dass kontinuierlich zumindest verhaltenstherapeutisch eine Behandlung durchgeführt worden sei. Zwar sei fraglich, ob dem langen und zweifelsohne sehr ungünstigen psychosozialen Verlauf insoweit Rechnung zu tragen sei, dass der Klägerin nun eine ausreichende Fähigkeit zu einer zumutbaren Willensanspannung abzusprechen sei. Die medizinischen Befunde und die daraus resultierende sozialmedizinische Beurteilung würden jedoch nicht ausreichen, um alleine eine Berentungsempfehlung abzugeben. Eine Einschränkung des quantitativen beruflichen Leistungsvermögens könne frühestens ab dem Begutachtungszeitpunkt im November 2004 angenommen werden. Dabei seien als wichtige Faktoren der Chronifizierungsgrad, die fehlende Introspektionsfähigkeit und schlichte Verstandesbegabung und die Abwandlung primärer Persönlichkeitsmerkmale zu benennen. Die psychodynamischen Erklärungsansätze im Gutachten von Dr. S. seien sozialmedizinisch nicht überzeugend. Die psychodynamischen Herleitungen würden nicht ausreichen, Therapieresistenz und völlige therapeutische Unbeeinflussbarkeit zu belegen.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 22.08.2002 sowie des Bescheides vom 25.02.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.1997 zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit, weiter hilfsweise wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Akten des Sozialgerichts Augsburg S 11 Vs 247/96 und zu diesem Verfahren, der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.08.2002 ist nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, weil geltend gemacht ist, dass dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht (vgl. § 300 Abs.2 SGB VI). Für einen Anspruch der Klägerin sind auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.) maßgebend, soweit hilfsweise vorgetragen ist, dass jedenfalls ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12.2000 gegeben sei (vgl. § 300 Abs.1 SGB VI).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs.1 SGB VI a.F., weil sie ab dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom 17.10.1996 nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift als berufsunfähig anzusehen ist. Nach § 43 Abs.2 SGB VI a.F. sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (§ 43 Abs.2 Satz 1 SGB VI a.F.). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI a.F.). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs.2 Satz 4 SGB VI a.F.).

Diese Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit liegen bei der Klägerin nicht vor. Zwar ist das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin bereits eingeschränkt, weil ihr Arbeiten mit Belastungen durch Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten in Zwangshaltungen, Arbeiten bei Nässe, Kälte und starken Temperaturschwankungen, Hitze oder Zugluft, Arbeiten in Nachschicht und unter Akkordbedingungen, Arbeiten unter Zeit- und Verantwortungsdruck sowie ausgesprochene Teamarbeit nicht mehr zuzumuten sind. Ab dem Zeitpunkt der Antragstellung im Oktober 1996 bis November 2004 war sie aber noch in der Lage, vollschichtig unter betriebsüblichen Bedingungen körperlich leichte Arbeiten im Wechselrhythmus, vorwiegend im Sitzen und in wohltemperierten Räumen zu verrichten. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegen nicht vor, weil die Klägerin die durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurücklegen kann (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr.10).

Dieses berufliche Leistungsvermögen der Klägerin ergibt sich vor allem aus dem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. O ... Der Senat schließt sich den Aussagen dieses Gutachtens an. Es bestätigt im Wesentlichen auch die Ergebnisse der im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten von Dr. H. , Dr. V. und Dr. R ...

Dr. O. stellte bei der Klägerin als Gesundheitsstörungen eine Dysthymia, eine zunehmende Persönlichkeitsstörung sowie eine undifferenzierte Schmerzstörung fest, nicht jedoch ein gravierendes organisches Psychosyndrom. Die Klägerin leidet an einem chronifizierten depressiven Versagenssyndrom, dessen Ursprung die Sachverständige in einer Überforderungssituation am Arbeitsplatz sieht, an dem eine ungünstige Entwicklung in Gang gesetzt wurde, die sich durch die körperliche Erkrankung der Klägerin infolge eines Bandscheibenvorfalls verstärkt hat. Die jetzt noch bestehenden körperbezogenen Beschwerden sind aber nur mehr als undifferenzierte Somatisierungsstörung anzusehen. Es hat sich eine organisch nicht begründbare Schmerzstörung entwickelt. Eine reaktive Störung im Sinne einer Anpassungsstörung besteht aber nicht, weil die Symptomatik über die maximal vorgegebene Zeitdauer (zwei Jahre) hinausgeht. Eine Verschlechterung des psychopathologischen Befunds ist zumindest seit 1997 ausschließen. Bei der Untersuchung durch Dr. O. wirkte die Klägerin nicht deutlich herabgestimmt, vielmehr durchaus noch schwingungsfähig. In dem Gutachten von Dr. H. vom März 1997 im Zuge eines Schwerbehindertenrechtsstreits ist noch von einer ausgeprägten depressiven Störung die Rede, die jedoch bei der aktuellen Untersuchung im November 2004 nicht festzustellen war. In den zurückliegenden Jahren ist eine tendenzielle Verschlechterung der subjektiven Leistungsbeurteilung anzunehmen. Aus den Begutachtungen durch Dr. R. im März 2002 und im Jahre 2004 ergibt sich, dass offenbar ein psychogenes Versagenssyndrom zunehmend wirksam geworden ist. Die Gutachten bis November 1999 beschreiben eine psychische und psychosoziale Situation, die durch einen chronifizierten Verlauf einer depressiv-asthenischen Entwicklung gekennzeichnet ist. Allerdings können den Befunden keine sozialmedizinisch relevanten Anhaltspunkte zur Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens entnommen werden. Dr. O. weist in diesem Zusammenhang auf die von Dipl.-Psych. W. beschriebenen teilweise bewusstseinsnahen und der kritischen Kontrolle unterliegenden Verhaltensweisen mit akzentuierter Darstellung von Defiziten hin, denn es bestanden gewisse Diskrepanzen zwischen der Befunderhebung und der Beschwerdedarstellung sowie der Leistungserbringung bei der klinischen Untersuchung. Auch dem Gutachten von Prof. Dr. K. , das dieser ausschließlich auf die Aktenlage und die Zusatzgutachten stützt, sowie den Gutachten von Prof. Dr. L./Dr. H. und Prof. P./Dr. K. sind keine Befunde zu entnehmen, die nicht nur krankheitswertig, sondern auch von sozialmedizinisch ausreichender Relevanz sind. Aus dem psychosomatischen Zusatzgutachten durch Prof. Dr. L./Dr. H. ergibt sich kein Hinweis auf eine tiefgreifende depressive Störung. Die abweichende Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung anstatt der von Dr. O. festgestellten undifferenzierten Somatisierungsstörung hat hier zwar für die sozialmedizinische Beurteilung keine entscheidende Bedeutung, die Befundbeschreibung ist aber nicht mit der Beurteilung zu vereinbaren, wonach die Klägerin in ihrer Leistungsfähigkeit erheblich eingeschränkt sei. Die Gutachter lassen bei ihrer Beurteilung außer Betracht, dass eine einschlägige Therapie nicht durchgeführt worden ist. Deshalb darf auch eine Therapieresistenz nicht unterstellt werden. Dr. O. weist dabei zutreffend darauf hin, dass entsprechend der sozialmedizinischen Literatur Übereinstimmung besteht, dass somatoforme Schmerzstörungen, beispielsweise ein Fibromyalgiesyndrom bis zu mittelschwerer Ausprägung und dysthyme Störungen einem vollschichtigen Leistungsvermögen gerade nicht entgegenstehen. Die Einschätzung von Prof. Dr. L. und Dr. H. , die ohne nähere Begründung vorgenommen wird, liegt damit außerhalb der üblichen sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung. Im Übrigen zeigt die Beantwortung der Beweisfragen, wobei ausgeführt wird, die Klägerin sei nicht arbeitsfähig, dass die Gutachter offenbar nicht ausreichend mit der Erstellung sozialmedizinischer Gutachten vertraut sind, zumal Schwankungen im Ausprägungsgrad der Dysthymia und der chronischen Schmerzstörung beschrieben sind. Eine mangelnde Vertrautheit mit der Erstellung von Rentengutachten ist auch insofern zu erkennen, als die Gutachter mit dem von der Versorgungsverwaltung festgestellten Grad der Behinderung (GdB) argumentieren, der bei der Einschätzung der beruflichen Leistungsfähigkeit keine Rolle spielt. Unzureichend belegt ist die Einschätzung, die Klägerin könne körperlich leichte Arbeiten auch in zeitlich limitierter Form nicht verrichten. Nicht nachvollziehbar ist auch die Kritik an den vorher erstellen Gutachten, psychodynamische und psychosomatische Gesichtspunkte seien nicht erkannt worden. Denn seit der Begutachtung von Dr. H. im März 1997 sind psychosoziale und psychoreaktive Faktoren immer wieder aufgezeigt worden, einer kontinuierlichen, zumindest verhaltenstherapeutische Behandlung hat sich die Klägerin aber nicht unterzogen. Auch das neurologische Zusatzgutachten von Prof. Dr. P. und Dr. K. kann zu keiner abweichenden sozialmedizinischen Bewertung führen. Die Gutachter konnten kein schweres toxisches Krankheitsbild aufzeigen und dementsprechend eine toxische Polyneuropathie nicht nachweisen. Dennoch enthält das Gutachten Ausführungen dazu, wie das Bild multipler Befindensstörungen einer toxischen Enzephalopathie zugeordnet werden könnte. Nicht verständlich ist, dass auf die psychosomatische Zusatzbegutachtung verwiesen aber trotz der weitreichenden Überschneidungen der Krankheitsbilder nicht diskutiert wird, ob nun eine depressive Störung mit Somatisierungstendenz oder eine toxische Enzephalopathie angenommen wird.

Eine toxische Enzephalopathie konnte nicht nachgewiesen werden. Insofern folgt der Senat des Ausführungen von Dr. S ... Die Erläuterungen im Gutachten von Dr. S. im Übrigen sind allerdings nur therapeutisch-psychiatrisch nachvollziehbar, sozialmedizinisch überzeugen sie aber nicht. Dr. S. ist entgegenzuhalten, dass deren psychodynamischen Herleitungen nicht ausreichen, Therapieresistenz und völlige therapeutische Unbeeinflussbarkeit zu belegen. Allein die psychodynamische Herleitung einer neurotischen Störung sagt nichts über erwerbsfähigkeitsrelevante Funktionsstörungen aus. Die Klägerin war nach den nervenärztlichen Behandlungen im Jahr 2002 zu einer weiteren Psychotherapie nicht bereit. Diese Verweigerung einer weiteren Behandlung kann nicht unberücksichtigt bleiben. Auch wenn die Persönlichkeitsveränderung medikamentös nicht anzugehen ist, ist eine Behandlung jedenfalls wegen der chronischen Schmerzstörung, der Angst- und Panikattacken und der subdepressive Verstimmung möglich. Für die sozialmedizinische Bewertung der Restleistungsfähigkeit der Klägerin ist damit auch unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. S. der Nachweis einer weitgehenden oder völligen Therapieresistenz nicht erbracht. Eine rentenrelevante Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens lässt sich auch nicht aufgrund des langen und ungünstigen psychosozialen Verlaufs begründen. Denn es fehlt der Nachweis, dass der Klägerin eine ausreichende Fähigkeit zu einer zumutbaren Willensanspannung wegen der andauernde Persönlichkeitsänderung seit dem Rentenantrag fehlt. Jedenfalls reichen dazu die vorliegenden medizinischen Befunde nicht aus.

Der Senat folgt der Einschätzung von Dr. O. , die erst ab dem Begutachtungszeitpunkt im November 2004 ein nicht mehr vollschichtiges Leistungsvermögen annimmt, wobei sie zur Begründung den Chronifizierungsgrad, die fehlende Introspektionsfähigkeit und schlichte Verstandesbegabung sowie die Abwandlung primärer Persönlichkeitsmerkmale anführt. Die Sachverständige betont die Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. R. vom 13.03.2002, der die Möglichkeit der Überwindung der psychischen Hinderungsgründe durch eine zumutbare Willensanstrengung noch bejaht. Letztlich kann jedoch dahin stehen, ob bereits im Jahre 2002 eine entsprechende quantitative Leistungseinschränkung bestand, weil nach dem ab 01.01.2001 geltenden Recht das von Dr. O. angenommene Leistungsvermögen der Klägerin von mindestens sechs Stunden täglich einen Rentenanspruch nicht begründen würde.

Nach dem beruflichen Leistungsvermögen ist weiterer Gesichtspunkt für die Feststellung der Berufsunfähigkeit der Hauptberuf des Versicherten. Bei dessen Bestimmung ist grundsätzlich von der zuletzt ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit auszugehen. Maßgeblicher Hauptberuf ist vorliegend der einer Löterin. Diese Tätigkeit ist der Klägerin wegen der, wenn auch unbestätigten Befürchtungen, durch toxische Substanzen am Arbeitsplatz geschädigt worden zu sein, nicht mehr zuzumuten. Obwohl die Klägerin ihren maßgeblichen Beruf nicht mehr ausüben kann, ist sie dennoch nicht berufsunfähig, denn für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben können, vielmehr sind Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr.138). Als ungelernter Arbeiterin sind der Klägerin nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema alle Berufstätigkeiten sozial zumutbar, denen sie körperlich, geistig und seelisch gewachsen ist. Der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs bedarf es grundsätzlich nicht. Auch liegt bei der Klägerin weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auch bei einer Versicherten erforderlich machen würde, die der Gruppe mit dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen ist. Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz in Deutschland tatsächlich vermittelt werden könnte, ist rechtlich unerheblich, weil bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist. Dementsprechend bestimmt § 43 Abs.2 Satz 4 a.F. SGB VI, dass nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (BSG SozR 3-2600 § 44 Nr.8).

Die Klägerin, die keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs.1 SGB VI a.F., weil sie die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt. Nach § 44 Abs.2 Satz 2 Nr.2 SGB VI a.F. sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die wie die Klägerin eine Berufstätigkeit noch vollschichtig ausüben können, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Nach den §§ 43, 240 SGB VI n.F. hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, weil danach ein Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn eine Versicherte wie die Klägerin einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen mindestens sechs Stunden ausüben kann. Nach der Einschätzung von Dr. O. ist das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin erst im Jahre 2004 auf täglich unter acht Stunden täglich gesunken, so dass die ab 01.01.2001 geltenden Vorschriften anzuwenden sind, die bei einem entsprechenden Leistungsvermögen einen Rentenanspruch nicht vorsehen.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22.08.2002 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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