L 5 R 428/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 1531/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 428/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 26. März 2004 sowie des Bescheides vom 13. Februar 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2002 verurteilt, dem Kläger unter Berücksichtigung eines Leistungsfalls vom Februar 2003 ab 1. September 2003 bis 31. Dezember 2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu einem Drittel zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1947 geborene Kläger ist kroatischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Bosnien-Herzogewina. Er erhält dort seit 12.05.1998 kroatische Invalidenrente.

Er hat laut eigenen Angaben keine Berufsausbildung absolviert und war in Deutschland zwischen September 1969 und Juli 1986 als Elektroschweißer tätig. Laut Auskunft seines Arbeitgebers, der A. GmbH, vom 07.08.2002 war der Kläger dort als Schweißer in der zentralen Waggonrohbauschweißerei eingesetzt. Ab November 1974 habe er Kenntnisse und Fähigkeiten wie ein Facharbeiter besessen (durch Arbeitspraxis) und sei nach Lohngruppe 7 des Niedersächsischen Metalltarifvertrages entlohnt worden.

Den Rentenantrag des Klägers vom 10.02.1998 lehnte die Beklagte zunächst am 13.02.2001 mit der Begründung ab, bei den nachgewiesenen Versicherungszeiten in Kroatien von März 1992 bis Juni 1996 habe es sich um Sonderzeiten während des Heimatkrieges gehandelt, die mangels Pflichtbeitragsentrichtung die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllten.

Dem widersprach der Kläger am 27.03.2001 unter Vorlage des korrigierten Versicherungsverlaufes des kroatischen Versicherungsträgers, wonach in der strittigen Zeit doch Pflichtbeiträge entrichtet worden seien. Daraufhin veranlasste die Beklagte seine stationäre Untersuchung in R ... Laut Formblattgutachten 207 vom 13.09.2000 ist der Kläger wegen ernsthafter primär endogener Depression, Zustands nach Schussverletzung, labilen Bluthochdrucks, chronisch-obstruktiver Bronchitis, Diabetes mellitus, ausgeprägter Übergewichtigkeit und ausgeprägter degenerativer Wirbelsäulenveränderungen als Schweißer berufsunfähig, für leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen halb- bis untervollschichtig einsatzfähig. Beigefügt waren im Formblattgutachten umfangreiche Fremdbefunde, unter anderem ein Entlassungsbericht über stationäre Behandlungen 1984 und 1992, ein neuropsychiatrisches Zusatzgutachten und internistische und orthopädische Befunde. Die stationäre Untersuchung in R. vom 08. bis 10.07.2002 ergab laut Gutachten des Internisten Dr.R. vom 11.07.2002 chronische Bronchitis ohne Lungenventilationsstörung, Bluthochdruck und Diabetes mellitus ohne wesentliche Folgeerkrankung. Leichte Arbeiten unter Schutz vor Staub, reizenden Gasen und mit der Möglichkeit zu regelmäßigen diätetischen Mahlzeiten seien vollschichtig zumutbar. Der weitere Sachverständige, der Neurologe und Psychiater Dr.M. , diagnostizierte in seinem Gutachten vom 11.07.2002 zusätzlich eine rezidivierende depressive Störung. Er nannte als weitere qualitative Einschränkungen die Vermeidung von Akkord, Nachtschicht und Zwangshaltungen und hielt die letzte berufliche Tätigkeit für lediglich unter drei Stunden zumutbar. Im Übrigen sei der Kläger vollschichtig einsatzfähig. Im Widerspruchsbescheid vom 11.09.2002 heißt es, der Kläger sei als Angelernter auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht allereinfachster Art verweisbar; die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit sei nicht notwendig.

Dagegen hat der Kläger am 09.12.2002 Klage erhoben und die unzureichende Berücksichtigung seiner Gesundheitsstörungen geltend gemacht. Auf Veranlassung des Gerichts hat der Internist Dr.R. am 26.02.2003 ein Gutachten nach Aktenlage erstellt. Er hat nur leichte körperliche Tätigkeiten für zumutbar erachtet und nur Tätigkeiten ohne Bücken, Zwangshaltungen, Einwirkung von Nässe, Staub, Reizgasen und ohne Stressbelastung für möglich gehalten. Ein Einsatz als Elektroschweißer komme nicht mehr in Betracht, wohl aber ein solcher für leichtere und ruhige Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung in geschlossenen und temperierten Räumen. Gestützt hierauf und ohne Berücksichtigung von vom Kläger übersandten medizinischen Befunde aus der Zeit ab Beginn des Jahres 2003 hat das Sozialgericht die Klage am 26.03.2004 abgewiesen. Ein Berufsschutz als Facharbeiter stehe dem Kläger nicht zu, da es sich beim Elektroschweißer nur um einen Teilbereich des Berufs Schweißer (zwei Jahre Ausbildung) handle. Der Kläger könne auf Tätigkeiten als Tagespförtner, Montierer, Sortierer verwiesen werden. Er sei weder erwerbs- noch berufsunfähig.

Gegen das am 28.04.2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.07.2004 Berufung eingelegt. Er hat Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragstellung und wegen voller Erwerbsminderung ab 01.01.2002 beantragt. Laut den am 22.03. 2004 beim Sozialgericht eingegangenen medizinischen Unterlagen ist beim Kläger am 22.01.2003 neben Bronchitis ein beginnendes Lungenemphysem und im März 2003 eine Depressio psychotica suicidalis recidivans diagnostiziert worden. Daraus hat die Beklagte auf eine mögliche Verschlimmerung auf psychiatrischem Gebiet geschlossen.

Nach Beiziehung berufskundlicher Unterlagen zum Pförtner hat das Gericht die Dres.S. und E. mit der Erstellung von Gutachten beauftragt. Der Neurologe und Psychiater Dr.S. hat den Kläger am 07.04.2005 untersucht und im Gutachten vom 11.04.2005 auf erhebliche Diskrepanzen zwischen Befund und Angaben des Klägers in Deutschland und in Kroatien sowie zwischen dem unauffälligen Verhalten bei der Untersuchung hier und dem Ergebnis der testpsychologischen Untersuchung hingewiesen. Unter Abwägung der für und gegen eine solche Diagnose sprechenden Befunde hat er neben einer rezidivierenden depressiven Störung, einer chronischen Lumboischialgie und einer beginnenden diabetischen Polyneuropathie eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, die seines Erachtens den Kläger seit Februar 1998 daran hindert, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten.

Der Internist Dr.E. hat den Kläger ebenfalls ambulant untersucht und in seinem Gutachten vom 25.04.2005 folgende Diagnosen gestellt: Verdacht auf beginnendes Lungenemphysem und chronisch obstruktive Bronchitis, arterieller Hypertonus, Diabetes mellitus Typ II b, geringe Hörminderung und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule. Unter Berücksichtigung des nervenärztlichen Gutachtens hat er lediglich leichte bis kurzzeitig mittelschwere Tätigkeiten für zumutbar erachtet. Nicht mehr möglich seien Tätigkeiten mit häufigem Bücken, Zwangshaltungen, Tätigkeiten unter Zeit- und Termindruck, im Akkord und in Nachtschicht. Zu vermeiden seien das Heben und Tragen von schweren Lasten, Arbeiten unter vermehrtem Staubanfall und der Exposition gegenüber reizenden Gasen und Dämpfen.

Die Beklagte hat sich der Beurteilung der zeitlichen Leistungsfähigkeit der Sachverständigen nicht angeschlossen. Die Nervenärztin Dr.K. hat darauf hingewiesen, bei dem testpsychologischen Befund handle es sich um eine Selbstbeurteilung des Klägers und der psychische Befund sei praktisch unauffällig. Der Verlauf der Untersuchung ergebe auch keinen Hinweis auf ein vermindertes Durchhaltevermögen.

Dazu hat Dr.S. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 09.06.2005 ausgeführt, der psychische Befund sei nicht völlig unauffällig, da eine starke Fixierung des Klägers auf die ethnische Problematik in dessen Heimat im Sinne einer überwertigen Idee deutlich geworden sei, die vor Ort nachteilige Auswirkungen auf die psychische Situation habe. Hierfür sprächen auch die Vorbefunde vom September 2000 und Januar 2003. Dagegen hat Dr.K. gefordert, aufgrund von Angaben könne nicht auf die psychische Situation vor Ort geschlossen werden. Die Befunde müssten übereinstimmen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 26.03.2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 13.02.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2002 zu verurteilen, ihm ab 01.03.1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 26.03.2004 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts Landshut sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und erweist sich teilweise als begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 26.03.2004 beruht nicht nur auf einem groben Verfahrensfehler, indem es ohne Berücksichtigung des vier Tage vor der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsatzes der Ehefrau des Klägers erlassen worden ist - die mitübersandten medizinischen Befunde sind - unverständlicherweise - weder übersetzt worden noch hat deren Eingang Erwähnung im Tatbestand gefunden -, es ist auch inhaltlich zu beanstanden. Wegen der Verschlechterung des Gesundheitszustandes hat der Kläger Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen. Vor Februar 2003 war der Kläger weder erwerbsunfähig noch berufsunfähig.

Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte, wenn sie

1. voll erwerbsgemindert sind,

2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und

3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs.2 Satz 1 SGB VI).

Nachdem sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung um Rentenbezugszeiten vermindert (§ 43 Abs.4 SGB VI) und kroatische Invalidenrenten anwartschaftserhaltend wirken (Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien über soziale Sicherheit vom 24.11.1997, in Kraft getreten am 01.12.1998), sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen unstrittig. Der Kläger hat zuletzt vom 15.03.1992 bis 30.06.1996 Versicherungszeiten zurückgelegt und anschließend vor Ablauf von 24 Kalendermonaten ab 12.05.1998 kroatische Invalidenrente zuerkannt erhalten. Der Kläger ist seit Februar 2003 voll erwerbsgemindert.

Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs.3 SGB VI). Der Kläger kann täglich lediglich weniger als drei Stunden arbeiten.

Mit dieser Beurteilung stützt sich der Senat auf das überzeugende und ausführliche Gutachten des von Amts wegen gehörten Sachverständigen Dr.S. , der den Kläger persönlich untersucht, sämtliche vorhandenen Vorbefunde sorgfältig gewürdigt und die Einwände der Beklagten mit schlüssigen Argumenten zurückgewiesen hat. Als Arzt für Neurologie und Psychiatrie und Facharzt für Psychotherapeutische Medizin verfügt er über die notwendige Fachkompetenz, um die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen medizinisch zutreffend zu erfassen und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit zu beurteilen. Angesichts der Vorbefunde wird seiner Auffassung zugestimmt, aus der posttraumatischen Belastungsstörung resultiere eine zeitliche Leistungseinschränkung in rentenrelevantem Ausmaß.

Die bereits 2002 von der Beklagten festgestellte rezidivierende depressive Störung hatte nicht von vornherein eine überdauernde quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens zur Folge. Die Betroffenen sind bei diesem Krankheitsbild im Intervall zwischen den einzelnen depressiven Episoden meist beschwerdefrei, die eingenommene Medikation dient zur Phasenprophylaxe und schränkt das Leistungsvermögen nicht zwangsläufig ein. Auch die erst festgestellte chronische Lumboischialgie und die beginnende diabetische Polyneuropathie haben lediglich qualitative Leistungseinschränkungen zur Folge. Der in M. lebende Kläger hat jedoch durch die Kriegserfahrungen und die während dieser Zeit erlittene Verletzung (Verwundung durch einen Bauchschuss 1992 mit operativer Entfernung der Gallenblase) eine zusätzliche psychische Traumatisierung erfahren, die durch den weiterbestehenden ethnischen Konflikt und die Konfrontation mit den als unbefriedigend erlebten politischen Verhältnissen in der Heimat unterhalten wird. Die vom Kläger benannten Alpträume, die akustisch wieder erlebten Kriegshandlungen, der Rückzug aus sozialen Kontakten, die Schlafstörungen, die Reizbarkeit und Wutausbrüche können unter der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung subsumiert werden. Dabei ist berücksichtigt, dass der Kläger sehr ausführlich über die Kriegshandlungen berichtet, seine Position vehement, teilweise fanatisch wirkend vertritt und dass eine vegetative Begleitsymptomatik nicht nachweisbar war, was im Zusammenhang mit einer posttraumatischen Belastungsstörung eher ungewöhnlich ist. Nach den vom Sachverständigen vorgelegten diagnostischen Kriterien der posttraumatischen Belastungsstörung werden Gedanken, Gefühle oder Gespräche, die mit dem Trauma in Verbindung stehen, eher vermieden. Das auffallend verminderte Interesse an bedeutenden Aktivitäten spricht hingegen wieder für die benannte Diagnose. Das verminderte Interesse an Alltagsaktivitäten, wie es hinsichtlich des Tagesablaufes deutlich wurde, läßt eine regelmäßige und voraussehbare Leistungserbringung nicht mehr zu.

Richtig ist, dass der psychische Befund, wie er von Dr.S. erhoben wurde, in vielerlei Hinsicht unauffällig war. Der Kläger war bewustseinsklar und allseits orientiert, er berichtete mit ruhiger und fester Stimme über seine Beschwerden und den bisherigen Krankheitsverlauf, war aufgeschlossen, kooperativ, sein Vortrag war flüssig, die affektive Schwingungsfähigkeit erhalten, das Konzentrationsvermögen ebenso ungestört wie Verhalten und Auftreten. Anhaltspunkte für relevante Merkfähigkeits- und Gedächtnisstörungen fehlten. Von einem unauffälligen psychischen Befund kann jedoch deshalb nicht gesprochen werden, weil sich eine starke Fixierung des Klägers auf die ethnische Problematik in seiner Heimat nachweisen ließ, deren Schilderung mit einer erhöhten inneren Anspannung und einer gedanklichen Fixierung im Sinne einer überwertigen Idee verbunden war. Wenngleich sich nach dem Ablauf der Begutachtung keine Hinweise dafür ergaben, dass das Durchhaltevermögen nicht für einen sechsstündigen Arbeitstag ausreicht, ist davon auszugehen, dass sich die posttraumatische Belastungsstörung unter den Verhältnissen in der Heimat gravierend nachteilig auf die psychische Situation des Klägers auswirkt. Im gleichen Sinn hat sich der Psychiater Dr.H. in seinem Gutachten vom 30.10.2000 für den kroatischen Rentenversicherungssträger geäußert. Bereits Anfang der 80er Jahre ist eine depressive Episode mittelschwerer bis schwerer Ausprägung abgelaufen, seit der Verletzung während des Krieges 1992 steht der Kläger in laufender psychiatrischer Behandlung.

Nicht gefolgt werden kann der Beurteilung des Sachverständigen hinsichtlich des Beginns der vollen Erwerbsminderung. Dr.S. geht davon aus, das jetzt festgestellte Leidensbild bestehe bereits ab Antragstellung im Februar 1998. Dagegen ist einzuwenden, dass selbst die Invalidenkommission im September 2000 unter Berücksichtigung der ausführlichen psychiatrischen Gutachten und Berichte ein lediglich halb- bis untervollschichtiges Leistungsvermögen gesehen hat. Hinzu kommt, dass gegenüber dem Krankenhaus M. über eine Verschlechterung der Depression seit September 2002 berichtet worden ist und diese auffällige psychische Veränderung in einem Suizidversuch gipfelte. Der Neuropsychiater im Krankenhaus M. hatte bereits am 06.02.2003 eine stationäre Behandlung für notwendig erachtet. Es war daher davon auszugehen, dass ab Februar 2003 eine Verschlechterung nachgewiesen ist, so dass Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 101 Abs.1 SGB VI nach Ablauf von sechs Monaten ab 01.09.2003 zu gewähren ist. Die Befristung erfolgt gemäß § 102 Abs.2 SBB VI, weil nicht unwahrscheinlich ist, dass die Leistungsminderung durch eine Behandlung gebessert werden kann.

In der Zeit vor dem 06.02.2003 war der Kläger weder erwerbsunfähig noch berufsunfähig. Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem bis 31.12.2000 maßgebenden Recht (§ 300 Abs.2 SGB VI) steht daher nicht zu. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs.2 Satz 1, 2, 4 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung). Zwar ist das Leistungsvermögen des Klägers soweit beeinträchtigt, dass er die maßgebliche Tätigkeit, nämlich die versicherungspflichtige Beschäftigung als Elektroschweißer in Deutschland, seit Antragstellung nicht mehr ausüben kann. Dies hat die Beklagte bereits während des Verwaltungsverfahrens festgestellt. Sein Restleistungsvermögen war jedoch noch in einem solchen Umfang erhalten, dass er zumutbar auf eine andere Tätigkeit verwiesen werden kann.

Die soziale Zumutbarkeit der Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das Bundessozialgericht die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hochqualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. Bundessozialgerichtsentscheidungen in SozR 2200 § 1246 RVO Nrn.138 und 140). Ausschlaggebend für die Einordnung eines bestimmtes Berufes in dieses Mehrstufenschema ist die Qualität der verrichteten Arbeit, das heißt der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Den Versicherten ist die Verweisung auf die im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf nächst niedrigere Gruppe zumutbar (ständige Rechtsprechung u.a. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr.5).

Zutreffend hat das Sozialgericht den Kläger dem Kreis der oberen Angelernten zugeordnet. Zwar hat der ehemalige Arbeitgeber dem Kläger Kenntnisse und Fähigkeiten eines Facharbeiters attestiert und ihn nach der Lohngruppe 7 des einschlägigen Metalltarifvertrages, also der Facharbeiter-Lohngruppe entlohnt. Der Beruf des Elektroschweißers umfasst aber in seinem Tätigkeitsbereich nur einen Teilbereich des Schweißerberufes. Im Übrigen handelt es sich bei der Ausbildung zum Schweißer lediglich um eine zweijährige Ausbildung. Aus diesem Grund kommt ein Berufsschutz als Facharbeiter nicht in Betracht (vgl. auch Urteil des 5. Senats vom 25.02.2003 Az.: L 5 RJ 121/02). Im Metall-Tarifvertrag wird die Tätigkeit des Elektroschweißers auch nicht ausdrücklich der Tariflohngruppe 7 zugeordnet. Als angelernter Arbeiter im oberen Bereich ist der Kläger aber noch auf Tätigkeiten des einfachen Tagespförtners verweisbar.

Dass der Kläger diese Tätigkeiten zumindest bis Anfang 2003 noch ausüben konnte, steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund des Gutachtens Dr.E. , der die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit unter Würdigung auch der nervenärztlichen Befunde umfassend dargestellt hat. Neben den bereits genannten Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet leidet der Kläger unter einer chronisch obstruktiven Bronchitis, die jetzt mit einem Verdacht auf ein beginnendes Lungenemphysem verbunden ist, unter einem arteriellen Hypertonus, einer Stoffwechselerkrankung, dem Zustand nach abdomineller Schussverletzung 1992 mit Zustand nach Cholezystektomie, einer geringen Hörminderung und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Ausgeschlossen waren daher ständig mittelschwere und schwere Tätigkeiten. Zu vermeiden waren Tätigkeiten mit häufigem Bücken und Zwangshaltungen, unter Zeit- und Termindruck, im Akkord und in Nachtschicht. Arbeitsplätze mit vermehrtem Staubanfall und der Einwirkung reizender Gase und Dämpfe waren unzumutbar.

Im Positiven konnte der Kläger noch leichte bis kurzzeitig mittelschwere Tätigkeiten in ruhiger, sauberer und temperierter Umgebung in ungezwungener Körperhaltung vollschichtig verrichten. Damit war er den Anforderungen einer Pförtnertätigkeit gewachsen, wie sie in den berufskundlichen Ausführungen des Landesarbeitsamtes Bayern vom 21.11.2002 dargestellt sind. Entsprechende Arbeitsplätze mit leichten körperlichen Anforderungen stehen auch Außenstehenden in nennenswertem Umfang zur Verfügung. Einwände hiergegen sind von Seiten des Klägers auch nicht erhoben worden.

Da der Kläger noch auf eine Tätigkeit als Pförtner verwiesen werden kann, war er bis zur Verschlechterung des Gesundheitszustandes Anfang 2003 nicht berufsunfähig. Damit war er aber auch nicht erwerbsunfähig, da der Begriff der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 44 SGB VI alter Fassung ebenso wie der Begriff der vollen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI neuer Fassung eine noch weit erheblichere Einschränkung der Leistungsfähigkeit als die der Berufsunfähigkeit verlangt. Entscheidend ist, dass der Kläger noch vollschichtig leistungsfähig war und er eine derartige Tätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen erbringen konnte, zusätzliche Pausen nicht erforderlich waren, die Anmarschwege zur Arbeit problemlos zurückgelegt werden konnten und keine Anhaltspunkte dafür bestanden, dass er sich nicht auf eine andere als die zuletzt ausgeübte Tätigkeit umstellen konnte.

Aus diesen Gründen war die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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