L 16 R 561/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 418/02 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 561/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18. August 2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Weitergewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 30.09.2001 hinaus bzw. die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1948 geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Republik Serbien und Montenegro und dort wohnhaft. In Jugoslawien war er vom Juli 1976 bis Mai 1988 17 Jahre versicherungspflichtig beschäftigt. In Deutschland war er vom 31.07.1969 bis 24.07.1974 insgesamt 48 Monate versicherungspflichtig beschäftigt, wobei er zu seiner Tätigkeit angab, Monteur in der Autoproduktion gewesen zu sein. In seiner Heimat bezieht er seit 1988 Invalidenrente.

Einen ersten Rentenantrag des Klägers vom 04.04.1989 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 06.08.1990 ab, da der Kläger bei der in R. durchgeführten Untersuchung und Begutachtung noch für fähig erachtet worden war, vollschichtig mittelschwere Arbeiten ohne wesentliche Einschränkungen zu verrichten. Den hiergegen erhobenen Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.1990 als unbegründet zurückgewiesen. In dem darauf folgenden Klageverfahren versuchte das Sozialgericht zunächst vergeblich, Auskünfte bei den deutschen Arbeitgebern des Klägers einzuholen. Auch der Kläger vermochte keine weiteren aussagekräftigen Unterlagen vorzulegen. Das Sozialgericht holte ein nervenärztliches Gutachten des Dr.S. vom 22.09.1992 ein, der zusammenfassend ausführte, beim Kläger habe eine subchronisch verlaufende paranoid-halluzinatorische Schizophrenie bestanden, die zur Zeit weitgehend, aber noch nicht vollständig remittiert sei. Für den Zeitraum Mai 1988 bis Mitte 1991 sei der Kläger nicht in der Lage gewesen, regelmäßig zu arbeiten. Seit Mitte 1991 sei der Kläger weitgehend gesund und arbeitsfähig, eine vollschichtige Erwerbstätigkeit sei auch im zuletzt ausgeübten Beruf als Monteur oder in gleichwertigen Berufen möglich.

In der mündlichen Verhandlung vom 23.09.1992 schlossen die Beteiligten daraufhin einen Vergleich, worin die Beklagte den Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit vom 06.05. 1988 bis 30.06.1991 anerkannte und sich bereit erklärte, entsprechende Rente nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Der Kläger nahm dieses Angebot an und die Klage zurück.

Mit Bescheid vom 04.05.1993 führte die Beklagte den Vergleich aus und bewilligte dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit vom 01.04.1989 bis 30.06.1991. Den hiergegen wegen des Rentenbeginns erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.1993 zurück.

Am 18.12.1998 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten erneut formlos Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit beantragen. Diesen Antrag konkretisierte der Bevollmächtigte des Klägers am 07.08.2000 dahingehend, dass die Weitergewährung der Rente beantragt werde, weil sich der Gesundheitszustand noch verschlimmert habe und Invalidität weiterhin vorliege. Die Beklagte veranlasste eine erneute Untersuchung und Begutachtung des Klägers in seinem Heimatland, die am 08.05.2001 erfolgte. Zusammenfassend wurde unter Vorlage weiterer ärztlicher Unterlagen ausgeführt, der Kläger sei arbeitsunfähig, er benötige fremde Hilfe und Pflege durch eine dritte Person. Mit Bescheid vom 01.10. 2001 lehnte die Beklagte die Weitergewährung der Rente ab, weil über den 30.06.1991 hinaus weder teilweise noch volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2002 zurück, da der Kläger zumindest seit 01.07.1991 wieder vollschichtig leichte Arbeiten zu ebener Erde, ohne erhöhte Verletzungsgefahr und ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit verrichten könne.

Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Landshut und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, er sei weiter erwerbsunfähig. Er sei von der Beklagten auch nicht erneut begutachtet worden, weshalb eine genaue Bewertung nicht möglich sei. Auf Anforderung des Sozialgerichts legte der Kläger zahlreiche ärztliche Unterlagen vor.

Das Sozialgericht beauftragte die Ärztinnen Dr.T. und Dr.M. mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers. Dazu bewilligte das Sozialgericht dem Kläger auch die Mitnahme einer Begleitperson. Im weiteren Verlaufe wurde deutlich, dass der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau anreisen wollte, für diese jedoch eine Einreisesperre in die Bundesrepublik bestehe. Auch für den Kläger selbst bestehe eine Einreisesperre. Das zuständige Landratsamt teilte mit, dass der Kläger und seine Ehefrau nach erfolglosem Asylverfahren am 28.04.1997 nach B. abgeschoben worden seien. Die Wirkung der Abschiebung sei noch nicht befristet gewesen, so dass die Einreise nicht erfolgen könne. Auch der Versuch, eine Einreise des Klägers mit seiner Ehefrau für einen späteren Termin zu organisieren, schlug fehl.

Das Sozialgericht holte daraufhin ein psychiatrisches Gutachten nach Aktenlage der Dr.U. M. vom 03.05.2004 ein. Diese stellte folgende Diagnosen: Borderline-Persönlichkeitsstörung, depressive Neurose, Kopfschmerzen, insulinpflichtiger Diabetes mellitus, diabetische Angio- und Neuropathie, chronische obstruktive Bronchitis. Ob sich gegenüber dem zuletzt eingeholten Gutachten eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes ergeben habe, könne allein anhand der Aktenunterlagen nicht beantwortet werden. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger regelmäßig noch leichte Arbeiten ohne besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, ohne Zeitdruck, ohne Nacht- und Wechselschicht, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten ausführen könne. Diese Tätigkeiten könne der Kläger noch vollschichtig verrichten, wobei die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit eingeschränkt sei. Der Kläger sei unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen reisefähig.

Nach Anhörung der Beteiligten wies das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.08.2004 ab. Es führte zusammenfassend aus, der Kläger sei nach Aktenlage nach wie vor in der Lage, regelmäßig leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Er sei in Deutschland als Monteur versicherungspflichtig beschäftigt gewesen und daher auf Tätigkeiten, die eine kurze An- und Einweisungszeit erforderten, verweisbar.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der Gesundheitszustand habe sich seit 1992 immer wieder verschlimmert. Zur Bestätigung legte er ärztliche Unterlagen vor.

Auf Anfrage teilte die Beklagte mit, bei einem eventuellen erneuten Eintritt von Erwerbsunfähigkeit seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bis spätestens 06.09.1992 erfüllt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 18.08. 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.10.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2002 zu verurteilen, ihm über den 30.09. 1991 hinaus Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise Berufsunfähigkeit bzw. Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Inhalt der Beklagtenakte sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß den §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch sachlich unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weitergewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit über den 30.09.1991 hinaus, wobei sich die Rechtslage gemäß den §§ 300 Abs.4, 302b Abs.1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) nach den §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) beurteilt, bzw. gemäß § 300 Abs.1 SGB VI für die Zeit bis 31.12.1991 noch nach den inhaltsgleichen §§ 1246, 1247 Reichsversicherungsordnung (RVO).

Der Kläger war über den 30.09.1991 hinaus nicht mindestens berufsunfähig im Sinne der Begriffsbestimmung des § 43 Abs.2 SGB VI a.F. Erst recht sind damit nicht die strengeren Voraussetzungen für das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit im Sinne von § 44 Abs.2 SGB VI a.F. erfüllt.

Die Erwerbsfähigkeit des Klägers ist über den strittigen Zeitpunkt hinaus nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken. Er erfüllt damit nicht mehr die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, wie sie in den §§ 43, 44 SGB VI a.F. gefordert und vom Sozialgericht näher dargestellt wurden.

Das Sozialgericht hat unter Würdigung insbesondere des im Klageverfahren eingeholten Aktenlagegutachtens der Ärztin für Psychiatrie Dr.M. vom 03.05.2004 sowie des Gutachtens des Arztes für Psychiatrie Dr.S. vom 22.09.1992 aus dem früheren Klageverfahren zutreffend ausgeführt, dass der Kläger nach dem 30.06.1991 wieder in der Lage war, regelmäßig leichte Arbeiten ohne besondere Anforderung an die nervliche Belastbarkeit, ohne Zeitdruck, ohne Nacht- und Wechselschicht, ohne schweres Heben und Tragen von Lasten vollschichtig zu verrichten. Dabei ist das Sozialgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger unter Berücksichtigung der in Deutschland ausgeübten Tätigkeiten als Monteur, zu denen Einzelheiten nicht mehr zu ermitteln waren, auf Tätigkeiten verwiesen werden kann, die nur eine kurze An- und Einweisungszeit erfordern. Eine konkrete Benennung von Verweisungstätigkeiten ist nicht erforderlich, zumal weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Bei vollschichtigem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit ab 01.10.1991 ebenso wenig erfüllt wie die auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Sozialgerichts an und sieht insoweit gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist auszuführen, dass die im Klage- und Berufungsverfahren vorgetragene fortlaufende Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers für die Beurteilung des geltend gemachten Rentenanspruches außer Betracht bleiben muss, da der Kläger nach dem 06.09.1992 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht mehr erfüllt. Letztmals zu diesem Zeitpunkt ist das Erfordernis der §§ 43 Abs.1 Nr.2, 44 Abs.1 Nr.2 SGB VI a.F. erfüllt, wonach in den letzten fünf Jahren vor dem Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden sein müssen. Auch unter Berücksichtigung der deutschen Rentenbezugszeiten, die gemäß §§ 43 Abs.3 Nr.1, 44 Abs.4 SGB VI a.F. den Fünfjahreszeitraum verlängern, ist diese Voraussetzung letztmals im September 1992 erfüllt, wie die Beklagte auf Anfrage zutreffend dargestellt hat. Die Zeit des Rentenbezugs in Jugoslawien bzw. Serbien und Montenegro verlängert hingegen den Fünfjahreszeitraum nicht, da nach dem im Verhältnis zu Serbien und Montenegro weiter anzuwendenden (Bekanntmachung vom 20.03.1997, BGBl. II S.961) deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen vom 12.10. 1968 (BGBl.II, S.1438) in der Fassung des Änderungsabkommens vom 30.09.1974 (BGBl.II S.390) diese Zeiten des Rentenbezuges nicht gleichgestellt sind. Wegen der von Juni 1988 bis März 1989 bestehenden Beitragslücke kann der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auch über die Übergangsvorschrift des § 240 Abs.2 SGB VI a.F. nicht mehr erfüllen, zumal die Beitragsentrichtungsfristen der §§ 197, 198 SGB VI bereits verstrichen sind.

Dass der Kläger zum letztmöglichen Zeitpunkt im September 1992 nicht wenigstens berufsunfähig war, ergibt sich bereits aus dem im früheren Klageverfahren am 22.09.1992 nach Untersuchung erstellten Gutachten des Arztes für Psychiatrie Dr.S ... Wie oben dargestellt, hat der Sachverständige den Kläger nach gründlicher Untersuchung jedenfalls zum Zeitpunkt der Begutachtung wieder für fähig erachtet, vollschichtig regelmäßig zu arbeiten. Dieses Ergebnis der Begutachtung hat der Kläger zum damaligen Zeitpunkt auch akzeptiert, indem er das Angebot der Gewährung einer bis 30.06.1991 befristeten Rente angenommen hat.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist somit nicht zu beanstanden. Weitere Ermittlungen bezüglich der geltend gemachten Verschlechterung sind nicht veranlasst, da der Kläger jedenfalls im September 1992 nicht wenigstens berufsunfähig war. Die Berufung ist vielmehr als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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