L 15 SB 83/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 SB 945/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 83/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.03.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um einen höheren Grad der Behinderung (GdB) als 30.

Der 1958 geborene Kläger hatte seinen Erstantrag vom 28.05.1996 auf Feststellung von Behinderungen im Wesentlichen mit einem verdrehten Becken, einem Zustand nach zweimaligem Bandscheibenschaden, verengtem Spinalgang und Nervenschmerzen begründet und auf die behandelnde Orthopädin Dr.H. verwiesen. Diese hatte dem Beklagten am 31.05.1996 mitgeteilt, der Kläger stehe seit 07.05.1996 in ihrer Behandlung, den Befund beschrieb sie für diesen Tag wie folgt: "Schultergeradestand, Beckengeradestand, orthograde Beinachsen, Flachrücken, abgeflachte Lendenlordose, Inklination Finger-Bodenabstand 40 cm schmerzhaft, Reklination 10 Grad schmerzhaft, Seitneige beidseits fast aufgehoben, li. schmerzhaft, Laseque li. bei 40 Grad positiv, re. bei 60 Grad, Prüfung der groben Kraft li. schmerzhaft, Muskeleigenreflexe seitengleich lebhaft, Fuß- und Zehenheber o.B., paravertebraler Muskelhartspann bds. li. ) re., Druckschmerz aller Dornfortsätze lumbal, betont ab L3, Druckschmerz Sacroiliacalgelenk li. ) re." ...; "Diagnosen: Lokales Lumbalsyndrom. Lokales Cervikalsyndrom."

Auf Vorschlag der Vertragsärztin Dr.G. vom 27.06.1996 stellte daraufhin der Beklagte mit Bescheid vom 02.07.1996 als Behinderung "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen" mit einem GdB von 30 fest.

Zur Begründung seines Neufeststellungsantrages vom 02.11.2000 trug der Kläger vor, die Lendenwirbel hätten sich verschlimmert, sie seien schmerzhafter, er habe ein längeres Taubheitsgefühl; neu aufgetreten seien Halswirbelfehlstellung mit Taubheitsgefühl im Arm bis zur rechten Hand, rezidivierende Lumboischialgien links bei Bandscheibenvorfall L5/S1, Protrusion C4/5, Hypertonie sowie Ohrensausen. In seinem dem Beklagten übersandten Befundbericht vom 06.11.2000 bestätigte der Allgemeinmediziner Dr.W. im Wesentlichen die Angaben des Klägers und verwies auf den beigefügten Entlassungsbericht der B. Klinik vom 03.11.2000. Darin fanden sich bei den psychologischen Testergebnissen deutliche Hinweise auf psychovegetative Störungen, die u.a. mit dem "Intensivkurs Differenzielle Entspannung und Kurzentspannung im beruflichen Alltag" insoweit behandelt wurden, als der Kläger die Reduktion des erhöhten Aktivierungsniveaus und die Stabilisierung vegetativer Reaktionen speziell für berufliche Belastungssituationen ebenso wie eine alltagstaugliche Mikroentspannung erlernte, so dass er seine psycho-physiologische Regulationsfähigkeit hätte steigern kön-nen; er sei arbeitsfähig entlassen worden; das einkanalige EKG habe keinen Hinweis auf Arrhythmien ergeben; RR sei unauffällig. Der vom Beklagten zu diesen Befunden gehörte Medizinaldirektor Dr.O. stellte in seinem Prüfvermerk vom 04.01.2001 keine wesentliche Änderungen in den gesundheitlichen Verhältnissen fest, erachtete das Wirbelsäulenleiden weiterhin zutreffend bewertet und stufte die Hypertonie mit einem GdB unter 10 ein.

Daraufhin lehnte es der Beklagte mit Bescheid vom 15.01.2001 ab, eine Neufeststellung zu treffen.

Seinen hiergegen am 19.04.2001 eingelegten Widerspruch begründete der Kläger im Wesentlichen mit dem Einwand, der GdB sei mit 30 derzeit zu niedrig bemessen; die Funktionsbeeinträchtigungen und Schmerzzustände seien derart erheblich, dass in jedem Fall ein höherer Einzel-GdB anzusetzen sei; die Schwere dieser Behinderungen könne durch die Orthopädin Dr.H. jederzeit bestätigt werden, die zudem über einen neurologischen Befund verfügen müsste; weiterhin werde im Reha-Entlassungsbericht eine deutliche psycho-vegetative Störung angeführt; seiner Auffassung nach handele es sich bei dem Beschwerdebild um eine manifeste Schmerzstörung, die bisher nicht berücksichtigt sei; er beantrage deshalb die Erhöhung des GdB.

In dem daraufhin vom Beklagten angeforderten Befundbericht vom 20.04.2001 beschrieb die Orthopädin Dr.H. den Befund vom 02.02.2001: "Schultergeradestand, Beckengeradestand, leicht abgeflachte Brustkyphose und Lendenlordose, Schulter-Nackenmuskulatur re. durckschmerzhaft, bds. regelrecht tonisiert. HWS-Beweglichkeit endgradig eingeschränkt. BWS-/LWS-Beweglichkeit: Inklination FBA 15 cm, Reklination und Seitneige endgradig eingeschränkt. Klopfschmerz am cervico-thorakalen und am lumbo-sakralen Übergang. Obere Extremität: Grobe Kraft re. leicht vermindert, MER seitengleich schwach auslösbar. Untere Extremität: Verkürzung der ischeocruralen Muskulatur bds., Laseque re. bei 70 Grad. Knie li.: keine Entzündungszeichen, kein Erguss, E/F 0/0/145, stabile Bandführung. Meniskuszeichen negativ, leicht vermehrtes retropatellares Reiben, Patellaandruckschmerz. Blockierung: Th5 li., Th7 li., L3 re., L5 bds., S1 bds., D2 re.: Nabelveränderung (sc. wohl Nagelveränderung), leichte Verdickung im PIP, Faustschluss unvollständig, Verminderung der Kraft."

Der Prüfarzt Dr.H. bewertete die "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen" zusammen mit einem Einzel-GdB von 30 und die psychovegetativen Störungen mit einem von 10; der Reha-Bericht vom November 2000 erbringe keine wesentlichen neuen Gesichtspunkte; so zeige sich das WS-Syndrom bei nur endgradiger Funktionseinschränkung und fehlenden sensomotorischen Störungen mit einem GdB von 30 durchaus angemessen bewertet; auch könne lediglich das psycho-vegetative Syndrom als Behinderung anerkannt werden; ein höherer GdB als 30 sei jedoch nicht vertretbar; ein behinderndes Blutdruckleiden liege nicht vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.07.2001 wies der Beklage den Widerspruch zurück.

Zur Begründung seiner am 11.07.2001 zunächst zum Sozialgericht München erhobenen Klage trug der Kläger mit Schriftsatz vom 09.08.2001 erneut vor, der GdB sei mit 30 zu niedrig bemessen; ebensowenig sei der Einzel-GdB in Höhe von 10 für die Behinderungen auf nervenärztlichem Gebiet nach dem Reha-Entlassungsbericht aufrecht zu erhalten; gänzlich unberücksichtigt sei der von Dr.H. bestätigte Tinnitus, der seine nervliche Erkrankung deutlich verstärke.

Mit Beschluss vom 13.09.2001 verwies das Sozialgericht München den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Regensburg. In dem von diesem angeforderten Befundbericht des Allgemeinmediziners Dr.W. vom 17.04.2002 wurde u.a. ein RR 125/80 am 12.09.2001 und eine arterielle Hypertonie beschrieben; die orthopädischen Beschwerden bestätigten die früheren Befunde. Im Befund der Orthopädin Dr.H. vom 24.04.2002 wurden Angaben des Klägers vom 15.11.2000 über Schmerzen im Kniegelenk links sowie im Nacken- und Lumbalbereich, am 02.02.2001 über Schmerzen in der HWS mit Ausstrahlung in den Hinterkopf sowie Ohrensausen und Schmerzen im Lumbalbereich, Schmerzen im Kniegelenk links, hauptsächlich auch unter Belastung sowie Schmerzen im Zeigefinger rechts und am 29.03.2001 Schmerzen in der HWS, BWS und LWS sowie Ohrensausen beschrieben. Beim Knie habe sich keine Bewegungseinschränkung gefunden, die Meniskuszeichen seien als fraglich positiv zu bezeichnen gewesen; insgesamt hätten die Beschwerden im Februar 2001 im Bereich der HWS zugenommen, Ohrensausen sei als zusätzlicher Befund hinzugekommen.

Der von Amts wegen gehörte Sachverständige Dr.G. bestätigte in seinem am 16.10.2002 (Tag der mündlichen Verhandlung) erstellten Gutachten die Vorbefunde; bei fehlenden peripheren Ausfällen und ohne Vorliegen eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms sei das Wirbelsäulenleiden mit Beeinträchtigung von Seiten der HWS und LWS ausreichend gewürdigt; ein höherer GdB als 30 komme derzeit bei nicht dauerhaft vorliegenden Nervenwurzelreizerscheinungen sowie nicht sonderlich eingeschränktem Bewegungsumfang nicht in Frage; für die psychovegetativen Störungen ergebe sich nach wie vor ein Teil-GdB von 10; die Ohrgeräusche könnten vor dem Hintergrund der Angaben des Klägers sowie der Aktenlage bei fehlenden zusätzlichen Symptomen wie Übelkeit und Erbrechen mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet werden; der Bluthochdruck bedinge zur Zeit noch keinen GdB von wenigstens 10, entsprechendes gelte auch für die Folgen des Bruchs des 5. Mittelhandknochens.

Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG auf nervenärztlichem Fachgebiet von Dr.K. beantragt hatte, wurde die mündliche Verhandlung vertagt. Dieses Gutachten wurde letztlich nicht eingeholt, weil der Kläger in der gesetzten Frist weder den Kostenvorschuss eingezahlt noch die Verpflichtungserklärung vorgelegt hatte.

Mit Urteil vom 26. März 2003 wies das Sozialgericht die Klage im Wesentlichen unter Hinweis auf die Feststellungen des Sachverständigen Dr.G. ab.

Am 09.07.2003 legte der Kläger gegen dieses Urteil Berufung zum Bayer. Landessozialgericht ein, zu deren Begründung er im Erörterungstermin vom 16.09.2003 nachdrücklich auf den Reha-Entlassungsbericht der B.-Klinik vom 03.11.2000 verwies; danach könnte die deutliche psychovegetative Störung zusammen mit dem GdB von 30 für die Wirbelsäule zu einem Gesamt-GdB von 40 bis 50 führen. Anschließend beantragte er nach § 109 SGG den Nervenartz Dr.K. als Sachverständigen zu hören. Dieser bestätigte in seinem Gutachten vom 16.03.2004 die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem GdB von 30, den Tinnitus mit einem GdB von 10 und stellte somatoforme Störungen im Bereich des Bewegungsapparates und der Kreislauforgane mit einem GdB von 20 fest. In Anbetracht der durch die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers aktualisierten Schmerzsymptomatik und einer daraus resultierenden psychischen Belastung, die die somatoforme Störung einerseits verschlimmere sowie der Wechselwirkung durch die somatoforme Störung im Bereich des Bewegungsapparates und der Kreislauforgane erscheine ein Gesamt-GdB von 40 ab Oktober 2000 gerechtfertigt; die somatoforme Störung sei in eine arterielle Hypertonie gemündet, die als psychosomatische Erkrankung bereits im Aufnahmebefund der B. Klinik vom 12.10.2000 deutlich werde; die Erkrankung im Bereich des Bewegungsapparates aktualisiere sich bereits 1999 und mündete in Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in den Hinterkopf und den rechten Arm.

Der Beklagte legte mit Schreiben vom 12.05.2004 ein nervenärztliches Gutachten nach Aktenlage der Dr.F. (Ärztin für Psychiatrie, Sozialmedizin) vom 26.04.2004 vor, in dem die geklagten Beschwerden entsprechend dem Vergleichsgutachten Dr.G. mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 und die Beschwerden der Wirbelsäule wie bisher mit 30, insgesamt mit 30 bewertet wurden.

Mit Schreiben vom 25.05.2004 bezweifelte der Kläger, dass eine Untersuchung in einem Zimmer des Sozialgerichts einer Begutachtung in den Praxisräumen eines Gutachters gleichgesetzt werden könne; die Gründlichkeit und Vollständigkeit des Gutachtens Dr.K. könne sicher nicht bezweifelt werden; es bestehe keine Veranlassung, an dem von Dr.K. vorgeschlagenen Gesamt-GdB von 40 zu zweifeln.

Der Beklagte trug im Schreiben vom 14.06.2004 vor, die Ausführungen des Bevollmächtigten des Klägers führten zu keiner Änderung seiner Beurteilung; mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe Einverständnis.

Mit Schreiben vom 30.06.2005 bat der Senat den Beklagten, zu den Ausführungen des Sachverständigen Dr.K. unter 3 b) eine ausführliche ärztliche Stellungnahme vorzulegen, in der unter Beachtung der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", 1996, 2004 (AP), u.a. auch auf die "somatoforme Störung" und die dadurch bedingte "Wechselwirkung" eingegangen werden sollte.

Mit Schriftsatz vom 25.07.2005 übersandte der Beklagte das nervenärztliche Gutachten nach Aktenlage der Dr.F. vom 18.07.2005. Darin wurden somatoforme Störungen (ICD-10 F450-F459) definiert als charakteristischerweise Störungen mit Darbietung körperlicher Symptome, verbunden mit hartnäckigen Forderungen nach medizinischen Untersuchungen, die nicht körperlich begründbar seien. Im Falle des Klägers werde im Gutachten des Dr.K. von Kopfschmerzen und Neigung zu Schwindelerscheinungen berichtet; daneben werde über Ohrgeräusche mit leichtem Pfeifen zur Nacht geklagt; zeitweilig seien Gefühlsstörungen im rechten Zeigefinger sowie an der Außenseite des linken Beines gegeben; der Schlaf sei im Sinne von Einschlafstörungen verkürzt; Appetit sei gut; Stuhlgang: Neigung zu Opstipation; Merkfähigkeit und Gedächtnis: Probleme seien gegeben; über Depressionen werde nicht berichtet, jedoch habe der Kläger Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes; daneben werde über chronische Rückenschmerzen sei 30 Jahren berichtet, zeitweilig in der Lendenwirbel- und in der Halswirbelsäule, wechselnd ausgeprägt; behandelt werde mit einem gebräuchlichen Schmerzmittelt; neurologische Ausfälle seien nicht gegeben gewesen; psychisch kein Anhalt für depressive Verstimmung, keine kognitiven Störungen, kein Anhalt für Gedächtnis- oder Merkfähigkeitsschwäche; bei der psychologischen Testung habe sich kein Hinweis für zerebrale Leistungsminderung ergeben; nach Aktenlage, insbesondere unter Berücksichtigung des Entlassungsberichts der B.-Klinik F. , habe der Kläger stets ausreichend behinderungsadäquates Verhalten gezeigt; er habe von den angebotenen psychologischen Maßnahmen profitieren können; für die geklagten Beschwerden hätte ein organisches Korrelat festgestellt werden können; zusammenfassend könne somit, abweichend von der Beurteilung Dr.K. , eine Somatisierungsstörung mit psychischer Fehlanpassung oder inadäquaten Verhaltensweisen bezüglich der chronischen Wirbelsäulenerkrankung nicht festgestellt werden können. Die geklagten Schmerzen, die adäquat behandelt würden, seien Ausdruck einer körperlichen Erkrankung und im Behinderungsleiden als Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen mit einem GdB von 30 ausreichend bewertet; hinzuträten psychovegetative Störungen; Ausdruck hierfür seien Schlafstörungen, Mißempfindungen, zeitweilige Unruhe; hierfür könne ein Einzel-GdB von 10 festgestellt werden.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 18.08.2005 die zwei nervenärztlichen Gutachten nach Aktenlage des Beklagten dem Sachverständigen Dr.K. zur ergänzenden Stellungnahme vorzulegen, in der Sache folge er nach wie vor dessen Ausführungen. Mit Schreiben vom 30.08.2005 erklärte er sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 26.03.2003 sowie des Bescheides vom 15.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2001 zu verurteilen, den bei ihm bestehenden GdB spätestens ab Antragstellung (02.11.2000) mit einem höheren GdB als 30 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.03.2003 zurückzuweisen.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts in den Verfahren des Beklagten und des Sozialgerichts wird gem. § 202 SGG und § 543 der Zivilprozessordnung (ZPO) auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die dort angeführten Beweismittel, hinsichtlich des Sachverhalts im Berufungsverfahren auf die Schriftsätze der Beteiligten und den Inhalt der Berufungsakte nach § 136 Abs.2 SGG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers (§ 51 Abs.1 Nr.7 SGG i.V.m. § 69 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB IX -, §§ 143, 151 SGG) ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen.

Der Senat konnte nach § 124 Abs.2 SGG entscheiden, nachdem beide Beteiligte hierzu ihr Einverständnis erklärt hatten.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.03.2003 und der ihm zugrundeliegende Bescheid des Beklagten vom 15.01.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2001 sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die nach § 69 Abs.1 Satz 1 SGB IX zuständigen Behörden des Beklagten weitere Funktionsbeeinträchtigungen bzw. einen GdB höher als 30 feststellen.

In den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Vergleichsbescheides vom 02.07.1996 vorgelegen haben, ist keine wesentliche Änderung/Verschlimmerung nach § 69 SGB IX, früher § 4 Schwerbehindertengesetz- SchwbG -, i.V.m. § 48 Abs.1 SGB X eingetreten, die den Beklagten verpflichten würde, einen Neufeststellungsbescheid mit einem höheren GdB als 30 zu erlassen. Grundlage für die Prüfung und Feststellung eines GdB von 30 im Bescheid vom 02.07.1996 waren die Angaben des Klägers im Fragebogen sowie die Mitteilung der behandelnden Orthopädin Dr.H. vom 31.05.1996. Diese beschrieb im Wesentlichen ein lokales Lumbal- und Zervikalsyndrom mit beidseitigem paravertebralem Muskelhartspann, Nerven- und Muskelreizerscheinungen. Diese "Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen" stellte der Beklagte entsprechend der Nr.26.18 AP mit einem GdB von 30 fest. In dem vom Beklagten angeforderten Befundbericht der Orthopädin Dr.H. vom 20.04.2000 werden im Wesentlichen gleiche Befunde beschrieben; die Schulter-Nackenmuskulatur rechts sei druckschmerzhaft, die HWS-Beweglichkeit endgradig eingeschränkt; BWS-LWS-Beweglichkeit weist einen Finger-Boden-Abstand von 15 cm (früher 40 cm schmerzhaft) auf, Reklination und Seitneige wird als endgradig eingeschränkt (früher Reklination 10 Grad schmerzhaft, Seitneige beidseits fast aufgehoben). Die hierauf vom Prüfarzt Dr.H. vorgenommene Bewertung der "Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, muskuläre Verspannungen, Nervenwurzelreizerscheinungen" mit einem GdB von 30 und die dem Entlassungsbericht der B.-Klinik vom 03.11.2000 entnommenen Hinweise auf psychovegetative Störungen mit einem GdB von 10 sind nicht zu beanstanden. Zu Recht wies er darauf hin, das WS-Syndrom zeige sich nur bei endgradiger Funktionseinschränkung und sei bei fehlenden sensomotorischen Störungen angemessen mit einem GdB von 30 bewertet.

Diese Bewertung deckt sich auch mit den Feststellungen des Sachverständigen Dr.G. in seinem Gutachten vom 16.10.2002. Dieser stellte fest, bei fehlenden peripheren Ausfällen und ohne Vorliegen eines außergewöhnlichen Schmerzsyndroms sei das Wirbelsäulenleiden mit Beeinträchtigung von Seiten der HWS und LWS ausreichend gewürdigt; für die psychovegetativen Störungen ergäbe sich nach wie vor ein Teil-GdB von 10, die Ohrgeräusche könnten vor dem Hintergrund der Angaben des Klägers sowie der Aktenlage bei fehlenden zusätzlichen Symptomen wie Übelkeit und Erbrechen mit einem Einzel-GdB von 10 bewertet werden; der Bluthochdruck bedinge z.Zt. noch keinen GdB von wenigstens 10, ebensowenig wie die Folgen des Bruch des fünften Mittelhandknochens.

Im Wesentlichen werden diese Befunde/Beschwerden auch von dem nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr.K. in seinem Gutachten vom 16.03.2004 bestätigt. Soweit Dr.K. jedoch von somatoformen Störungen im Bereich des Bewegungsapparates und der Kreislauforgane ausgeht und diese insgesamt mit einem GdB von 20 bewertet, kann der Senat sich ihm nur eingeschränkt anschließen. Selbst wenn man seine Annahme einer durch die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers aktualisierten Schmerzsymptomatik und einer daraus resultierenden psychischen Belastung, die die somatoforme Störung verschlimmere, der Beurteilung zugrundelegt, so ist nicht zu übersehen, dass die wesentlichen Schmerzen des Bewegungsapparates, bedingt durch die Wirbelsäule, bereits früher vorlagen und in dem GdB von 30 als typische Schmerzen bereits mitberücksichtigt sind. Bei der Bewertung kommt es schließlich entscheidend auf die Beeinträchtigungen im Ablauf des täglichen Lebens an, um festzustellen, ob die Auswirkungen sich überschneiden oder verstärken. Hierbei kommt es ganz entscheidend darauf an, ob sich die festgestellten Störungen geringfügig oder erheblich verstärken oder sich andererseits überschneiden, so dass eine Erhöhung des GdB überhaupt ausscheidet (vgl. BSG vom 16.03.1994, Az.: 9 RVs 6/93 = SozR 3-3870 § 4 Nr.9 = Breithaupt 1995, 130). Abgesehen davon ergeben sich zumindest berechtigte Zweifel, ob die vom Kläger geschilderten Schmerzen und Beeinträchtigungen als somatoforme Störungen überhaupt vorliegen. So weist Dr.F. in ihrem nervenärztlichen Gutachten nach Aktenlage vom 18.07.2005 darauf hin, dass er Kläger auch unter Berücksichtigung des Entlassungsberichts der B.-Klinik vom 03.11.2000 stets ausreichend behinderungsadäquates Verhalten gezeigt habe; er habe von den angebotenen psychologischen Maßnahmen profitieren können; für die geklagten Beschwerden habe jedes Mal ein organisches Korrelat festgestellt werden können und nicht wie bei somatoformen Störungen sonst üblich Störungen mit Darbietung körperlicher Symptome, die körperlich nicht begründbar seien. Selbst wenn man jedoch von einer Somatisierungsstörung ausgeht, gelangt man für derartige "Befindlichkeitsstörungen" mit vegetativen Symptomen, gestörter Schmerzverarbeitung, Leistungseinbußen und Körperfunktionsstörungen, denen kein oder primär kein organischer Befund zugrundeliegt, nicht zu einem Einzel-GdB von 20. Als Bewertungsmaßstab sind hierbei die unter Nr.26.3 AP bei den "Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen" genannten psychovegetativen oder psychischen Störungen mit Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und eventuell sozialen Anpassungsschwierigkeiten heranzuziehen (vgl. Niederschrift über die Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" des ärztlichen Sachverständigenbeirats beim BMA vom 25. bis 26.11.1998). Danach ist für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen ein Bewertungsrahmen von 0-20 vorgesehen. Legt man diesem Bewertungsrahmen die vom Kläger anlässlich der Begutachtung bei Dr.K. festgehaltenen Angaben zugrunde, so fällt auf, dass der Kläger nach wie vor seinen Arbeitsplatz innehat, lediglich Angst hat, ihn zu verlieren und über chronische Rückenschmerzen sei 30 Jahren berichtet; behandelt wird er mit einem gebräuchlichen Schmerzmittel, neurologische Ausfälle waren nicht gegeben, psychisch fand sich kein Anhalt für depressive Verstimmung, keine kognitiven Störungen, kein Anhalt für Gedächtnis- oder Merkfähigkeitsschwäche; die psychologische Testung ergab keinen Hinweis für zerebrale Leistungsminderung. Auch über soziale Anpassungsschwierigkeiten wird in keinem erheblichen Umfang berichtet, so dass es insgesamt nicht veranlasst ist, für die leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen des Klägers den Bewertungsrahmen eines GdB von 0-20 voll auszuschöpfen; ein Einzel-GdB von 10 hierfür führt ebenso wie eine eher unter einem GdB von 20 liegende somatoforme Störung zu keinem höheren Gesamt-GdB von nach wie vor 30. Damit sind die bereits in dem Einzel-GdB für das Wirbelsäulenleiden enthaltenen Schmerzen mitberücksichtigt.

Nachdem der Senat anhand der AP und der im Wesentlichen von sämtlichen Sachverständigen gleich bewerteten Befunde und Beurteilungen die Schmerzsymptomatik beurteilen kann, ist er nicht gehalten, die Einwände des Beklagten dem Sachverständigen Dr.K. nochmals zur Stellungnahme vorzulegen. Insgesamt hält er für Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Nerven- und Muskelreizerscheinungen - GdB 30 -, Tinnitus - GdB 10 - und psychovegetative Störungen - GdB 10 - einen Gesamt-GdB von 30 nach wie vor für angemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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