L 2 U 222/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 1002/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 222/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.05.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Verletztenrente nach einem Arbeitsunfall.

Der Kläger war bei der Beklagten als Unternehmer freiwillig versichert und erlitt am 17.01.1998 in seiner versicherten Tätigkeit einen Arbeitsunfall mit einer Kahnbeinfraktur am rechten Fuß. Bei der Erstbehandlung durch den Durchgangsarzt zwei Tage später zeigte sich daneben an der rechten Großzehe ein markstückgroßes Ulcus mit deutlichen perifokalen Entzündungszeichen bei diabetischer Angiopathie, das nach Angaben des Klägers bereits seit ca. drei Wochen bestand. Der von der Beklagten als Sachverständige gehörte Chirurg Dr. G. kam in seinem Gutachten vom 30.06.1998 zu dem Ergebnis, der Unfall habe zu einer knöchern nicht völlig verbauten Abrissfraktur am Kahnbein der rechten Fußwurzel geführt und in der Folge eine geringfügige Minderbelastbarkeit der rechten Fußwurzel bewirkt. Unfallunabhängig hätten u.a. fortgeschrittene arteriovenöse Durchblutungsstörungen an beiden Beinen mit chronischem Ödem an beiden Unterschenkeln bestanden, ferner der Verlust der 1. und 2. Zehe mit dem körperfernen Drittel der entsprechenden Mittelfußknochen rechts auf dem Boden einer Gangrän infolge der Minderdurchblutung. Ab dem 01.05.1998, dem Tag nach dem Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit, betrage die unfallbedingte MdE 10 v.H. Nachdem ein von der Beklagten gehörter Sachverständiger zu dem Ergebnis gekommen war, die Vorunfälle des Klägers von 1992 und 1995 bedingten jeweils nicht eine MdE um mindestens 10 v.H., lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.08.1998 die Gewährung von Verletztenrente ab. Den anschließenden Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.1998 als unbegründet zurück.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Befundberichte der behandelnden Ärzte und ein Gutachten des Chirurgen Dr. K. vom 24.09.1999 sowie auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein Gutachten des Orthopäden Dr. B. vom 18.03.2002 eingeholt.

Dr. K. konstatiert in seinem Gutachten als Vorerkrankungen: Diabetische Gefäßerkrankung; Geschwürsbildung im Zehenbereich rechts; diabetische Veränderungen an Knochen und Gelenken im Fuß-Zehenbereich rechts; massives Übergewicht sowie Streckdefizite der Hüft- und Kniegelenke. Durch den Unfall sei es zu einem größeren knöchernen Bandausriss aus dem Kahnbein der rechten Fußwurzel und zu einer fibrös überbrückten Pseudarthrose gekommen, die ausgeheilt sei. Der Bandschaden habe zu einer nach lateral gerichteten Instabilität im Chopart-Gelenk geführt und zu einer Gang- und Standbeinbeeinträchtigung, soweit sie nicht Auswirkung der Vor- und Nachschäden seien. Die Auswirkungen des Arbeitsunfalls seien in keiner der MdE-Listen in den bekannten Begutachtungsbüchern erfasst. Nur durch MdE-Vergleich mit anderen, gängigen Unfallfolgen in den MdE-Tabellen könne man sich hier dem sachgerechten Wert nähern. Die nur pseudarthrotische Anheilung des über erbsgroßen Knochenausbruches habe dauerhaft zu einer Beeinträchtigung geführt, die der Sachverständige im Hinblick auf die ungünstige Wechselwirkung mit unfallfremden Fußbeeinträchtigungen, u.a. mit dem Übergewicht, mit einer MdE von 15 v.H. veranschlagt, bei einer Spannbreite zwischen 10 und 15 v.H.

Dr. B. geht in seinem Gutachten im wesentlichen von den selben Vorschäden wie Dr. K. aus. Er lehnt sich auch in der Darstellung der Unfallfolgen eng an das Gutachten des Dr. K. an. Auch bei der Bildung der MdE greift er auf diesen zurück und führt im Ergebnis aus, die in der überwiegenden Mehrzahl der von Dr. K. angeführten vergleichbaren Fälle in der Literatur würden jeweils mit 30 v.H. bewertet. Ergänzend führt er eine Unfallauswirkung in Gestalt eines posttraumatischen Knickplattfußes aufgrund einer Gelenkbeteiligung der Navikularfraktur im Talo-Navicular-Gelenk mit Zerstörung des Kapselbandapparates und dadurch Dissoziation dieses Gelenkes mit Tiefertreten des Talus sowie Subluxation im Chopartgelenk mit Lateralisation des Mittelfußes ein. Unter Beachtung der von ihm zusätzlich in die Beurteilung eingefügten Faktoren, die letztlich auch bereits von Dr. K. aufgeführt aber bei der Beurteilung nicht berücksichtigt worden seien, setzt er die unfallbedingte MdE mit 30 v.H. an.

Nachdem für die Beklagte der Chirurg Dr. E. und auf Aufforderung durch das Sozialgericht der Sachverständige Dr. K. die zusätzlichen Feststellungen von Unfallfolgen bestritten und in Wahrheit als Folge von diabetischen Veränderungen herrührend angesehen haben, hat Dr. B. in einer weiteren Stellungnahme ausgeführt, er habe die MdE nach den bereits anerkannten Unfallfolgen gebildet, nicht unter Berücksichtigung seiner zusätzlichen Feststellungen, für deren Vorliegen er nur den Grad der Wahrscheinlichkeit annimmt. In der mündlichen Verhandlung hat Dr. B. die MdE sodann mit 20 v.H. bewertet.

Mit Urteil vom 20.05.2003 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen und sich in den Gründen auf den Sachverständigen Dr. K. gestützt. Dr. B. habe bei der Bewertung der unfallbedingten MdE die massiven Vor- bzw. Nachschäden - die unfallunabhängig vorgelegen hätten - nicht ausreichend bewertet.

Mit seiner Berufung beantragt der Kläger, das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.05.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 13.08.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ab 01.05.1998 Verletztenrente nach einer MdE um 30 v.H. zu zahlen.

Er ist der Meinung, die vom Gericht angenommenen Vorschäden seien nicht nachgewiesen, die Ausführungen des Sachverständigen Dr. K. reichten insoweit nicht aus. Bis zum Arbeitsunfall sei er ohne Beschwerden in seinem Beruf und ohne Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit tätig gewesen. Der Unfall sei deshalb als alleinige Ursache der bestehenden Minderung der Erwerbsfähigkeit anzusehen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts in dem vorangeganenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 17.01.1998 keine Verletztenrente zu. Die hieraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit erreicht nicht wenigstens 20 v.H. und eine darunter liegende MdE reicht im vorliegenden Fall für die Gewährung von Verletztenrente nicht aus.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ist Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente, dass die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten infolge des Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Nach Satz 2 und 3 der Vorschrift würde eine MdE um wenigstens 10 v.H. zur Rentengewährung ausreichen, wenn wegen der Folgen eines weiteren Arbeitsunfalles ebenfalls eine MdE um wenigstens 10 v.H. vorliegen würde. Letzteres ist aufgrund des von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens nicht anzunehmen und vom Kläger auch nicht geltend gemacht worden.

Die MdE wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 17.01.1998 beträgt nach dem Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht wenigstens 20 v.H. Die Berufung wird aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts München als unbegründet zurückgewiesen. Nach § 153 Abs. 2 SGG wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

Die hiergegen im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch. Es trifft nicht zu, dass die von Dr. K. angenommenen Vorschäden nicht nachgewiesen seien. Abgesehen davon, dass diese Vorschäden auch vom Durchgangsarzt, den von der Beklagten gehörten Sachverständigen und dem auf Antrag des Klägers gehörten Sachverständigen angenommen wurden, ergeben sie sich aus den eingeholten Auskünften über die Vorerkrankungen des Klägers. Allein nach Auskunft seiner behandelnden Ärzte war der Kläger von Juni 1994 bis August 1994 wegen entgleisten Diabetes mellitus arbeitsunfähig, vom 27.04. 1995 bis 14.07.1995 wegen einer diabetischen Gangrän und wegen derselben Gesundheitsstörung wieder vom 23.09.1996 bis fast das ganze Jahr 1997 durch. Vom 30.12.1997 bis 07.01.1998 befand er sich stationär im Klinikum I. wegen diabetischer Angiopathie. Damit ist auch die Behauptung des Klägers unzutreffend, er sei bis zum Unfall ohne Beschwerden in seinem Beruf und ohne Einschränkung der Erwerbsfähigkeit tätig gewesen.

Die MdE-Einschätzung des Dr. B. war aus einem weiteren, von der Beklagten und dem Sozialgericht nicht ausdrücklich angesprochenen Grunde nicht zu folgen. Sein Ausgangspunkt, wonach in der überwiegenden Zahl der von Dr. K. angeführten vergleichbaren Fälle die MdE-Bewertung jeweils bei 30 % gelegen habe, war unzutreffend. In der Mehrzahl (sieben Vergleichsfälle) bewegte sich der Vergleichswert entweder unter 30 v.H. oder in einer Spannbreite bis 30 v.H. oder darunter. In vier Fällen betrug der Vergleichswert 30 v.H., wobei von Dr. K. ausgeführt war, dass das zugehörige Ausmaß der Behinderung beim Kläger bei weitem nicht vorlag. Damit war schon der Ausgangspunkt der Bezugnahme unzutreffend, darüberhinaus fehlt eine Abwägung innerhalb der angenommenen Spannbreite vollständig.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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