L 4 B 157/05 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 678/04 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 B 157/05 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 5. April 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Prozesskostenhilfe wird nicht gewährt.

Gründe:

I.

Die 1941 geborene Antragstellerin, die bei der Antragsgegnerin versichert ist und nach ihren Angaben seit 1987 an den Folgen einer Schwermetallintoxikation nach Zahnbehandlung leidet, begehrt von der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung die Übernahme der Kosten der privatärztlichen Behandlung durch Dres. M. und S. ab 01.01.2004.

Die Antragsgegnerin hat in der Vergangenheit Kosten für die von Dr.S. privatärztlich durchgeführte Immuntherapie mit hoch dosierter Enzymgabe, hoch dosierter Vitamin- und Spurenelementsubstitution sowie aktiver Immuntherapie mit Mistelinjektionen die Kosten erstattet. Ebenso erstattete sie Kosten, die zur Ergänzung der Therapie des Dr.S. vom Zahnarzt Dr.M. nach eigenen Angaben durchgeführten Nosoden und homöopathischen Ausleitungstherapie. Die letzte Bewilligung erfolgte mit Bescheid vom 24.11.2003. Die Antragsgegnerin hat den Antrag der Antragstellerin vom 24.04.2004 auf Weiterführung der Kostenerstattung nach Anhörung der Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) mit Bescheid vom 18.08.2004 abgelehnt. Der MDK hatte die Auffassung vertreten, außervertragliche Behandlungen seien weder im Bereich der Zahnmedizin noch Humanmedizin notwendig. Die Therapiekonzepte des Dr.M. und Dr.S. seien wissenschaftlich nicht anerkannt. Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein und ein ärztliches Attest der Gemeischaftspraxis Dr.K. , Dr.L. vom 02.11.2004 vor. Die Antragstellerin hatte sich an diesem Tag in die schmerztherapeutische Behandlung dieser Ärzte begeben. Laut Attest habe sich herausgestellt, dass eine Kombination aus naturheilkundlichen und homöopathischen Verfahren die besten und konstantesten Ergebnisse erbracht habe. Der Versicherungsträger wurde gebeten, wie bisher, Kosten für die naturheilkundlich-homöopathisch therapeutischen Verfahren weiterhin zu tragen.

Am 20.12.2004 erhob die Antragstellerin Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Nürnberg und beantragte gleichzeitig, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten der privatärztlichen Behandlung durch Dr. G. M. und Dr. P. S. ab 01.01.2004 zu übernehmen. Es wurde die Auffassung vertreten, der Widerspruch habe aufschiebende Wirkung, weil der Antragstellerin eine seit 14 Jahren gewährte Leistung entzogen wurde. Außerdem sei eine einstweilige Anordnung erforderlich, weil die Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes zu schweren und unzumutbaren Nachteilen führe. Die Schwermetallintoxikation mit Nervenschädigung führe unbehandelt zu unerträglichen Schmerzen. In den Verhältnissen, die für die Erstattung der Kosten der privatärztlichen Behandlung durch Dr.M. und Dr.S. durch die Antragsgegnerin seit 1990 maßgebend gewesen waren, sei weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht eine wesentliche Änderung eingetreten. Die Antragstellerin habe wegen fehlender finanzieller Mittel die Behandlung ab 01.01.2004 nicht fortsetzen können. Sie habe ein Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Die Antragstellerin hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2005 abgewiesen. Bei der durch Dr.M. und Dr.S. durchgeführten Behandlung handele es sich um nicht vertragsärztliche bzw. vertragszahnärztliche Behandlung. Eine Bewertung durch die Gemeinsamen Bundesausschüsse sei auch noch nicht erfolgt. Die im Rahmen der Therapie verordneten Medikamente gehörten nicht zu den verschreibungspflichtigen Medikamenten und durften damit ab 01.01.2004 von den gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr übernommen werden.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 5. April 2005 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Antragsgegnerin habe keine Dauerbehandlung bewilligt, sondern regelmäßig die Kosten erstattet, nachdem die Antragstellerin Rechnungen vorgeleget hat. Aus der bisherigen Gewährung von Leistungen erfolge kein Anspruch für die Zukunft. Ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben, die Therapiekonzepte der Dres. M. und S. erfüllten nicht die Voraussetzungen des § 135 SGB V. Die Antragstellerin habe kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nicht zur vertragsärztlichen Behandlung gehörende Methoden weiter angewendet werden. Behandlungsalternativen lägen vor. Es sei nicht dargelegt, dass diese Behandlungsalternativen begonnen worden wären oder erfolglos geblieben wären. Dr.K. , den die Antragstellerin am 02.11.2004 aufgesucht hatte, habe keine Behandlung begonnen, sondern lediglich die Fortsetzung der nicht konkret bezeichneten naturheilkundlich-homöopathisch therapeutischen Verfahren befürwortet. Da also bereits ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht worden sei, könne auch der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht sein.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde vom 13. April 2005, zu deren Begründung vorgetragen wird, die Antragstellerin habe sich mehrfach seit 1990 in ärztlicher Behandlung befunden. Bei Dr.K. habe sich die Kläger vom 18.09. bis 04.10.2004 in Behandlung befunden. Er habe ihr erklärt, er könne ihr nicht helfen. Die vom MDK vorgeschlagenen Behandlungsalternativen hätten sich also schon in der Vergangenheit als erfolglos erwiesen.

Außerdem könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin während der 14 Jahre, in denen sie die Kosten der von Dr.M. und Dr.S. erbrachten Leistungen erstattet hat, rechtswidrig gehandelt habe. Entweder habe sie die Erstattung mit einem Systemversagen begründet oder, was näher liege, aus ihren Regressansprüchen gegen den Schädiger bezahlt. Diese Kostenübernahme sei zu keiner Zeit zu Lasten der Versichertengemeinschaft gegangen. Damit seien die rechtlichen Voraussetzungen für den Anordnungsanspruch gegeben. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens hätte das Sozialgericht die beantragte einstweilige Anordnung erlassen und damit begründen können, dass es bei der zwingenden Prüfung der Interessenabwägung nicht zumutbar sei, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Aus der Interessenabwägung ergebe sich, dass durch die Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes die von der Antragsgegnerin verursachte Grundrechtsverletzung auf körperliche Unversehrtheit aufrechterhalten werde, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könne. Die Antragstellerin habe sich unverzüglich am 11.04.2005 in die Schmerzambulanz des Klinikums N. zur Behandlung angemeldet, sie habe dort einen 15 Seiten umfassenden Fragebogen mit der Auflage erhalten, alle verfügbaren Atteste der Vergangenheit vorzulegen und habe erfahren, dass die Wartezeit über zwölf Wochen betrage. Allein diese lange Wartefrist verletze das verfassungsmäßig verankerte Recht der Antragstellerin auf körperliche Unversehrtheit.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 05.04.2005 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten einer privatärztlichen Behandlung wegen der Folgen einer Schwermetallintoxikation mit Nervenschädigung zu übernehmen.

Außerdem beantragt die Antragstellerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung zu bewilligen und Rechtsanwalt Dr. W. K. beizuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Anspruchsgrundlage für eine Kostenerstattung könnte allein § 13 Abs.3 SGB V sein, d.h. es müsste entweder eine unaufschiebbare Leistung vorliegen, die die AOK hätte nicht rechtzeitig erbringen können oder eine notwendige Leistung wäre zu Unrecht abgelehnt worden. Eine unaufschiebbare Leistung liege unzweifelhaft nicht vor. Es seien auch keine Leistungen zu Unrecht abgelehnt worden. Die von der Antragstellerin begehrten Leistungen dürften vielmehr von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erbracht werden. Die behandelnden Ärzte seien nur privatärztlich tätig. Die Behandlungsmethoden seien noch nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannt worden. Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel seien seit 01.01.2004 nicht mehr verordnungsfähig. Aus den Ausführungen zu § 116 SGB X lasse sich ebenfalls keine Begründung des Anspruchs herleiten. Auf den Sozialleistungsträger gingen nach dieser Vorschrift Ansprüche über, soweit dieser Sozialleistungen zu erbringen habe. Sozialleistungen könnten aber nur im Sozialgesetzbuch vorgesehene Leistungen sein. Soweit ein Geschädigter darüber hinausgehende Ansprüche zu haben glaubt (z.B. Schmerzensgeld), bleibe es ihm unbenommen, diese selbst geltend zu machen.

Der Senat hat die Akten der Antragsgegnerin und des Sozialgerichts beigezogen.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 171, 173, 174 SGG), sie erweist sich aber als unbegründet.

Das Sozialgericht hat zutreffend den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Nachdem der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht mehr vorträgt, es werde eine laufende Leistung entzogen, ist eine Überprüfung der Voraussetzungen des § 86b Abs.1 SGG nicht erforderlich.

Gemäß § 86b Abs.2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Beide Arten einstweiliger Anordnung setzen einen Anordnungsanspruch - dies ist der materielle Anspruch, für den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht - und einen Anordnungsgrund voraus, der insbesondere in der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung besteht. Beide Voraussetzungen sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs.2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs.2 ZPO). Das Sozialgericht hat zutreffend das Vorliegen eines Anordnungsanspruches abgelehnt. Auch der Senat ist der Auffassung, dass nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage nicht davon auszugehen ist, dass es sich bei der von der Antragstellerin beantragten Krankenbehandlung um eine Leistung handelt, auf die Versicherte gemäß § 27 Abs.1 SGG Anspruch haben. Auch der Bevollmächtigte der Antragstellerin räumt in der Beschwerdebegründung ein, das Behandlungskonzept der Dres. M. und S. sei nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anerkannt. Ob die Antragsgegnerin in der Vergangenheit die Erstattung der privat- ärztlichen Behandlungskosten der Antragstellerin mit einem Systemversagen, einer Systemstörung oder Versorgungslücke begründet hat, spielt bei der Überprüfung der Erfolgsaussicht des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz, der eine zukünftige Leistung zum Inhalt hat, keine Rolle. Anhaltspunkte für einen tragfähigen Vertrauensschutz sind nicht erkennbar. Die Beschwerdebegründung geht davon aus, dass die Antragsgegnerin erfolgreich ihre Erstattungsansprüche nach § 116 SGB X durchgesetzt hat. Diese Schadenersatzforderung sei in dem Umfang auf die Antragsgegnerin übergegangen, wie sie der Antragstellerin gegenüber dem Schädiger zugestanden hätte. Obwohl in keiner Weise aktenkundig ist, dass Antragsgegnerin oder Antragstellerin eine solche Schadensersatzforderung geltend gemacht haben, ist der Argumention der Antragsgegnerin zu folgen, wonach auf den Sozialleistungsträger Ansprüche nur insoweit übergehen, soweit dieser Sozialleistungen zu erbringen hat. Darüber hinaus wäre es Aufgabe der Antragstellerin, vermeintliche zivilrechtliche oder Schmerzensgeldsprüche gegen den Schädiger selbst durchzusetzen. Es bleibt dabei, dass die von nicht zugelassenen Ärzten erbrachten Leistungen, die durch Richtlinien ausgeschlossen sind (Akupunktur oder Medikamente, die nicht verordnungsfähig sind), der Antragstellerin unter keinem rechtlichen Aspekt von der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung gestellt werden können.

Daraus folgt, dass der Antragstellerin Prozesskostenhilfe nicht zu gewähren ist. Nach § 114 ZPO, der wie alle Vorschriften über die Prozesskostenhilfe gemäß § 73a SGG entsprechend auf das Sozialgerichtsverfahren anzuwenden ist, erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung - hier die Kosten des vertretenden Rechtsanwalts (§ 121 ZPO) - nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Es besteht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Verfahrensausgang.

Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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